Der Winterkrieg 1939/40

Legat

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Stalins Staat hatte mit dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 einen Zeitaufschub errungen.
Die stalinschen Säuberungen von 1937-1939 unter zehntausenden Offizieren der Roten Armee schwächten die militärische Führung erheblich. Drei der fünf Marschälle wurden hingerichtet (Tuchatschewski, Blücher, Jegorow). Dies musste kompensiert werden. Der finnisch-sowjetische Krieg 1939-40 (Marschall Woroschilow wurde durch Marschall Timoschenko als "Verteidigungsminister" abgelöst) und der Angriff Deutschlands 1941 auf die Sowjetunion zeigte denn auch, wie kopflos die Rote Armee war und weitestgehend unfähige Offiziere hatte.
Die Planspiele waren denn auch krankhafte Überheblichkeit.

Das halte ich für eine Legende der Nachkriegszeit. Die Katastrophe 1941 hatte nullkommanichts mit den Säuberungen zu tun. Allerdings wurden die anfänglichen Niederlagen in den sowjetischen Geschichtswerken der Nachkriegszeit auch damit (fälschlicherweise) erklärt.

Massenweise wurden Offiziere der "Zehntausend" begnadigt, weil in Häftlingslagern und somit 1941 noch "verfügbar". Das Finnland-Desaster der Roten Armee hatte andere Gründe, bis hin zur Unterschätzung des finnischen Widerstandes, die kann man gesondert diskutieren.

Ansonsten würde ich Ablauf/Entwicklung der sowjetischen Rüstung 1938-1941 vom Hitler-Stalin-Pakt vollständig trennen. Wo siehst Du denn da Besonderheiten?

Mich würden da die anderen Gründe interessieren, als die schlechte sowjetische Führung.
 
Es ist sicherlich ein komplexes Thema, das durch eine Reihe von Faktoren erklärt werden kann.

- Säuberungen
- Überheblichkeit
- schlechte Planung

Das wären vielleicht die wichtigsten.

Differenziert:
1. Es gibt ein Übergabeprotokoll von Woroschilow zu Timoschenko. In diesem Protokoll werden ein großer Teil der gravierenden Defizite gelistet.

Dieses Dokument und eine Reihe anderer Dokumente sind u.a. bei Besymenski zu finden. M.E. ein lesenswertes Buch zu dem Thema, also die Periode zwischen 39 und 41.

Stalin und Hitler: das Pokerspiel der Diktatoren - Lev A. Bezymenskij - Google Books

2. Nach dem Desaster in Finnland wurden die Ursachen sehr präzise in Moskau aufgearbeitet. Unter anderem nahm Stalin persönlich an diesen Sitzungen teil, in denen Offiziere relativ schonungslos die Defizite benannt haben.

http://books.google.de/books?id=v-6N4d59HNwC&printsec=frontcover&dq=Stalin+and+the+Soviet-Finnish+War:+1939-1940&hl=de&sa=X&ei=UxvtUbSREcXsswbP5YH4AQ&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=Stalin%20and%20the%20Soviet-Finnish%20War%3A%201939-1940&f=false
 
Zuletzt bearbeitet:
Wundert mich nur, da die Rote Armee kurz vorher die Japaner bei Chalchin-Gol/Nomonhan kräftig vermöbelt hat.
 
Die Erklärung ist eigentlich durchaus plausible. Es waren deutlich unterschiedliche Voraussetzungen für die beiden Konflikte.

- Andere Gegner mit anderen militärischen Kulturen
- Andere Motivation für den Kampf, Finnen mit dem Rücken zu Wand, nicht so die Japaner
- Deutlich begrenztere Größe des Schlachtfeldes
- Schnellerer Eintritt der schlachtentscheidenden Phase
- Andere Befehlshaber / Schukow
- anderer Krieg Bewegungs- vs. Stellungskrieg
- Entscheidungsschlagkonzept vs. Abnutzungskrieg

Aber Du hast natürlich Recht, dass dieses Ereignis in Nomonhan weltweit unterbewertet wurde. Nebenbei auch im Kreml und man hat der Art, wie Schukow das Problem gelöst hat, nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Und somit auch nicht konsequent in die operative Doktrin, die Aufmarschplanung und die Organisation der RKKA im Rahmen eines Lernprozesses zurückgeführt.

Im Prinzip war es eine Kriegsführung im Rahmen von PU 36 (Russische Felddienstordnung von 36), die eigentlich nicht autorisiert war. Es war der Versuch von Schukow, einen mobilen Krieg mit allen Waffengattungen zu führen.

Und an diesem Krieg kann man bereits die "Handschrift" erkennen.

- systematische Planung im Vorfeld
- Maximierung von Ressourcen im Vorfeld / Überlegenheit (Quantitativ und Qualitativ)
- konsequenter (rücksichtsloser) Einsatz

Wobei man sogar ergänzen muss, dass sein japanischer Gegner bzw. die Verbände als "Veteranen"- Verbände zu klassifizieren waren und über eine für japanische Verhältnisse gute Ausstattung mit Panzern verfügten.

Insofern hat er den Erfolg gegen einen erstklassigen Gegner errungen, allerdings auch mit einem nicht unerheblichen Aufwand!

Nomonhan, 1939: The Red Army's Victory that Shaped World War II - Stuart D. Goldman - Google Books

Nomonhan: Japan Against Russia, 1939 - Alvin D. Coox - Google Books

Nomonhan: Japanese-Soviet tactical combat, 1939 - Edward J. Drea, U.S. Army Command and General Staff College. Combat Studies Institute - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Hab mich mittlerweile bei Wikipedia über Chalchin-Gol/Nomonhan eingelesen. Ein sehr interessanter Konflikt, der maßgeblich zu den Entscheidungen Japans bezüglich ihrer Planungen ihrer "Großostasiatischer Wohlstandssphäre" beigetragen hat (Konzentrierung auf den Süden anstatt auf den Nordosten).
Es gibt aber kein einziges Buch in deutscher Übersetzung dazu. Das Buch von Coox ist wohl die Standartliteratur dazu?
 
Im Nachgang dazu gefunden: Auswertung "Fremde Heere Ost" aufgrund finnischer Quellen (Akten "Heeresgruppe A", spätere Heeresgruppe Süd, die sich ab Anfang 1941 auf die Offensive vorbereite) :
 

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