Deutsche Kaufleute durften lange nur im Fondaco dei Tedeschi leben. Das lag daran, dass sie wichtige Güter, die Venedig im Levantehandel mit Syrien und Ägypten benötigte (englische/flandrische Stoffe, Metalle) handelten. Sie durften auch kein Geld ausführen sondern mussten für ihre Gewinne wieder Waren kaufen, im Ggt., "deutsches" [vielfach böhmisches] Silber floss aus Venedig nach dem Nahen Osten ab. Im 15. Jhdt. bestand die Schiffsladung eines venezianischen Schiffs mit Ziel Syrien oder Alexandria zu 40 - 60 % aus Silbermünzen, die venezianische Dukate wurde Zeitweise zur Leitwährung im Nahen Osten.
Das Wort fondaco verrät dann auch die enge Verbindung Venedigs mit der islamischen Welt (insbesondere den Mamluken in Ägypten). Das Wort kommt vom arabischen Wort für die Karawanserei, funduq (im heutigen Arabisch 'Hotel').* Der Fondaco dei Tedeschi (sprich: Te-des-ki), gegründet um 1225, war das Lagerhaus der Deutschen, direkt an der Rialtobrücke gelegen. Venedig war als Staat sehr darauf aus, zu kontrollieren, welche Waren ge- und verkauft wurden, um dementsprechend via Steuereinnahmen am Handel mitzuverdienen. So war es den deutschen Kaufleuten strengstens untersagt, anderswo Quartier zu nehmen oder woanders ihre Waren zu stapeln, als in ihrem fondaco. Ausgenommen von dieser Regel waren Kleinkrämer. Dieser Pflicht, der nur deutsche Kaufleute unterworfen waren, standen Privilegien, die wieder nur deutsche Kaufleute genossen, gegenüber. 1531 wurde der Wohnzwang aufgehoben.
Über den Fondaco sollten vor allem Produkte aus Deutschland verhandelt werden, nicht aber solche, die nur über das Reichsgebiet verhandelt wurden. Insbesondere für englische und flandrische Produkte behielt sich Venedig vor, dass sie von den eigenen Galeeren, die einmal im Jahr mit Produkten aus der Levante, also dem Nahen Osten, in Richtung der flandrischen Häfen fuhren. Auf diese Weise konnten die Venezianer sich Teurungen durch Zwischenhändler verhindern und die venezianischen Galeeren machten auf dem Rückweg von den flandrischen und englischen Häfen keine teuren Leerfahrten.
Um die Einhaltung dieser Regeln besser zu kontrollieren durften die deutschen Kaufleute ihre Waren allerdings nicht selber verkaufen sondern mussten auf einen venezianischen Makler, Sensali, zurückgreifen. Als Kontrollbeamte lebten Visdomini al Fontego dei Tedeschi im Wechsel für jeweils einen Monat im fondaco.
Wer wurde nun als Deutscher angesehen und war damit verpflichtet bzw. berechtigt, im Fondaco dei Tedeschi seine Waren zu stapeln und unterzukommen? Hierüber scheint Unklarheit geherrscht zu haben. Grundsätzlich wurden als von deuczen landen die Einwohner Flanderns (Fiandre) bis hin zur "Magna alta" (= Allemagna alta = Oberdeutschland) gesehen, aber auch die Einwohner Polens, Böhmens und sogar Ungarns, eben "tuti Todeschi si de Alemagna bassa chome de lalta si subditi del imperador come de ogni alto signor Todescho et similiter Polani Ongari et Boemi".** Aber auch Einwohner Venedigs, deren Vorfahren Deutsche waren und die sich als deutscher Herkunft begriffen, konnten als Deutsche betrachtet werden.
Als Pfarrkirche war den deutschen Kaufleuten die nahe dem Fondaco dei Tedeschi gelegene San Bartolomeo-Kirche seit dem 13. Jahrhundert zugewiesen.
In der Nacht vom 27. auf den 28. Januar 1505 brannte der Fondaco dei Tedeschi dann aus. Das Gebäude selbst und die darin gestapelten Waren gingen vollständig verloren. Die Signoria von Venedig gab bereits am 29. Januar den Befehl, dass man das fondaco schöner und größer als zuvor – presto e belissima – wiederherstellen solle. Insbesondere auch die 60 Wohnungen für die deutschen Kaufleute sollten bequemer werden. Der von dem Architekten Girolamo Tedesco (Hieronymus der Deutsche) entworfene Bau wurde 1508 fertiggestellt, die Fassadengestaltung übernahm der Maler Giorgone, dem man von Seiten der Signoria freie Hand ließ. Er sollte aber bei seiner Gestaltung die prominente Lage des fondaco berücksichtigen. Auch Tizian war an den Malereien beteiligt.
Sicherlich war einer der Anreize für die Signoria, den Neubau des fondaco so großzügig auszugestalten auch der, weiterhin attraktiv für die deutschen Kaufleute zu sein, schließlich machten die Gebühren und Zölle, welche fremde Händler in Venedig zu zahlen hatten, eine der lukrativsten Einnahmequellen der Stadt aus.
Geld und Waffen mussten die Kaufleute im Fondaco abgeben, um so zu kontrollieren, dass sie kein Edelmetall ausführten sondern stattdessen ihren Erlös in den Einkauf neuer Waren reinvestierten. Die hauseigene Weinschänke und die Rivalität der deutschen Städte untereinander waren Grund genug für den Abgabezwang der Waffen.
Beschwerden aus Rom bzgl. protestantischer Häresie, die vom Fondaco ausgehen sollte, wurden von Seiten Venedigs weitgehend ignoriert.
Was nun die Frage nach Wohnorten von Deutschen - insbesondere Bäcker und Drucker gab es viele in Venedig - in der Lagunenstadt angeht: Schau mal in die Dissertation von Cecilie Hollberg (Deutsche in Venedig im späten Mittelalter. Eine Untersuchung von Testamenten aus dem 15. Jahrhundert. Göttingen 2005), darin findest du Karten mit den Wohnorten von Deutschen wenigstens in diesem Zeitraum. Ein Großteil der obigen Infos habe ich für ein Projekt aus diesem Buch entnommen. Weitere Infos zum Fondaco habe ich aus aus folgender Literatur übernommen:
HUSE, Norbert: Venedig. Von der Kunst, eine Stadt im Wasser zu bauen. München 2005.
LANE, Frederic C.: Seerepublik Venedig. München 1980 (Original: Baltimore 1973).
REIMANN, Jörg: Venedig und Venetien 1450 – 1650. Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Kultur. Hamburg 2006.
RÖSCH, Gerhard: Venedig. Geschichte einer Seerepublik. Stuttgart, Berlin, Köln 2000.
SCHILLING, Ruth: Stadtrepublik und Selbstbehauptung. Venedig, Bremen, Hamburg und Lübeck im 16. und 17. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2012.
WIRTZ, Carolin: Köln und Venedig. Wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen im 15. und 16. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2006.
Den Huse habe ich so hervorgehoben, weil er eine sehr lesenswerte und auch gut lesbare kunsthistorische Darstellung der Stadt bietet, die wunderbar als Reisevorbereitung geeignet ist.
*Auch in andere romanische Sprachen ist das Wort al-funduq eingegangen als alfándega (port.), alfandec (katalan.) oder alhóndiga (span.) (in den iberoromanischen Sprachen wird der Artikel (al) häufig als zum Wort zugehörig betrachtet. Die Verwandlung des /f/ in ein /h/, wie im spanischen alhóndiga ist eine Eigenheit der spanischen Sprache (formum > horno; foeniculum > hinojo, formosum > hermoso, fabulari > hablar etc.).
**"Alle Deutschen, ob sie aus Nieder- oder Oberdeutschland kommen, ob sie Untertanen des Kaisers wie eines anderen deutschen Hohen Herren sind und genauso Polanen (Polen), Ungarn und Böhmen."