Deutsche Kriegserklärung an Russland

Nein.

Die Ausbildung der Soldaten im Feld war sehr gut, die an den Stabskarten war zwar gut, aber leider nicht gut genug. Vorteilhaft war die sehr ähnliche Ausbildung, es sprachen alle eine Sprache. Aber notwendige Innovationen konnten sich teilweise nur langsam durchsetzen. Dazu gehören z.B. die Rolle des MGs usw.
Andere Versäumnisse sind stärker durch die Kommunikation zwischen vordersten Reihen und dem Stab erklärlich.

Die waren aber auf deutscher Seite besser erkannt worden als auf der gegenüberliegenden.
Das deutsche Heer hatte eine höhere Ausstattung an MGs und ein besseres taktisches Konzept zu deren Verwendung (m.W. waren nur die Russen da moderner, hatten aber zu wenig Maschinen).
Auch die Komunikation zwischen erster Linie und Artillerie war besser, bei Franzosen und briten ging man noch davon aus, dass man im Feld auf Sicht schiessen würde, die deutsche Fußartillerie hatte dagegen schon aufwendige Methoden für das indirekte Feuern entwickelt, zu denen auch die entsprechenden Fernmeldemittel gehörten. Bei den Alliierten musste das alles in Eile im Krieg entwickelt werden.
 
Die waren aber auf deutscher Seite besser erkannt worden als auf der gegenüberliegenden.
Das deutsche Heer hatte eine höhere Ausstattung an MGs und ein besseres taktisches Konzept zu deren Verwendung (m.W. waren nur die Russen da moderner, hatten aber zu wenig Maschinen).
Auch die Komunikation zwischen erster Linie und Artillerie war besser, bei Franzosen und briten ging man noch davon aus, dass man im Feld auf Sicht schiessen würde, die deutsche Fußartillerie hatte dagegen schon aufwendige Methoden für das indirekte Feuern entwickelt, zu denen auch die entsprechenden Fernmeldemittel gehörten. Bei den Alliierten musste das alles in Eile im Krieg entwickelt werden.
Zustimmung. Aber die eigenen Defizite können durch die des Gegners nur teilweise kompensiert werden.
Im Bewegungskrieg konnten die Vorteile so weit genutzt werden wie es Logistik und Reserven zuließen. Der Stellungskrieg wurde so aber zu einer beidseitigen Abnutzung, etwas was die Mittellage eigentlich nicht zuließ. Der Ausweg wurde eher spät in innovativen Taktiken gesucht, lange waren industrielle Lösungen gefragt (z.B. Giftgas).

Gegenüber Russland (um wieder zum Strangtitel zu kommen) wurde der Kriegserklärung nur durch die Positionierung von Deckungstruppen gefolgt. Es war also mehr ein politisches Zeichen als die Vorbereitung eigener militärischer Operationen. Dabei waren taktisch und materiell (pro Truppenteil) die Voraussetzungen gut, es hätte allerdings eines anderen strategischen Plans bedurft.
 
Danke für Eure Antworten !
Für Interesse ist für mich noch, ob dem Russisch - französischen Bündnis bewußt war, daß aufgrund der russischen Mobilmachung die deutsche Kriegserklärung an Rußland und Frankreich folgen würde.
Mit anderen Worten : War die deutsche Strategie für den Zweifrontenkrieg noch geheim ?
 
Die Planungen des DR waren, wenn auch nicht im Detail, so doch im Grundschema bekannt.
Es musste auch davon ausgegangen werden, dass eine russische Generalmobilmachung einen deutschen Angriff triggern würde. Zumindest wurde das unmissverständlich kommuniziert.
Dies durch die Regierung des DR aber auch den britischen Botschafter in St. Petersburg.
 
Die Planungen des DR waren, wenn auch nicht im Detail, so doch im Grundschema bekannt.
Es musste auch davon ausgegangen werden, dass eine russische Generalmobilmachung einen deutschen Angriff triggern würde. Zumindest wurde das unmissverständlich kommuniziert.
Dies durch die Regierung des DR aber auch den britischen Botschafter in St. Petersburg.

Das Ausmaß des "triggerns" wurde auf allen Seiten nicht erkannt, was hier im Forum intensiv unter dem Stichwort Bedeutung der Mobilisierung und Kult der Offensive diskutiert wurde.

Levy/Thompson fassen den Stand der Literatur unter dem Aspekt der politikwissenschaftlichen Krisenforschung als fehlende "Political-Military Integration" (wie auch Mombauer den wachsenden Druck des Militärs in der entscheidenden Kriseneoche beschreibt) wie folgt zusammen:

"The problem of low political–military integration is compounded if political leaders are ignorant of the details of military plans, because they may not realize the extent to which they lack the military options to support their foreign policy objectives. This ignorance was an important source of escalation in 1914. Whereas the military saw mobilization as a means of preparing for a war that they perceived to be inevitable, political decision-makers generally saw it as an instrument of deterrence or coercive diplomacy. They had little conception, until it was too late, that they lacked the means to support a coercive or deterrent strategy based on a fine-tuning of military threats, or that their room to maneuver had been severely restricted. As a result, they did not realize that actions taken in all sincerity to avoid war while preserving vital interests only made war more likely."

Die Entscheidung der russischen Mobilisierung war im Kern die politische, einen Versuch der Abschreckung gegen ÖU mit Zielrichtung der Vermeidung des lokalen Krieges auf dem Balkan zu betreiben. Da der Aspekt, wer wem den Krieg erklärt, in Russland nachrangig war, hätte man ansonste - mit dem unterstellt "festen Willen" zum Krieg - direkt in den Aufmarsch und die Offensive übergehen müssen, wie es nach der Strategiestreit im russischen Generalstab vorgesehen war. Dann wären die politischen Drohmanöver überflüssig gewesen.

Diesen Weg ging man nicht, man konnte ihn garnicht gehen. Die Erklärung hierfür liegt in der Unsicherheit über französischen Beistand und über britische Einmischung. Im Zeitpunkt der russischen Entscheidung zur Kriegsvorbereitungsphase gab es nur zwei Szenarien:
A) Abschreckungsversuch gegen ÖU
B) politisch-diplomatischer Totalrückzug aus der Krise, und damit Preisgabe Serbiens gegen den als sicher angenommenen militärischen Angriffs ÖUs.

Man entschied sich für A.
 
Das Ausmaß des "triggerns" wurde auf allen Seiten nicht erkannt, was hier im Forum intensiv unter dem Stichwort Bedeutung der Mobilisierung und Kult der Offensive diskutiert wurde.
...

Diskutiert auch hier: http://www.geschichtsforum.de/f62/r...eintritt-den-ww1-48326/index9.html#post729208

Es ist erwähnenswert, dass Trachtenberg zu der Einschätzung kommt, dass die Mobilisierung aus russischer Sicht keine Abschreckungsmaßnahme war, sondern eine bewußte Entscheidung für einen Krieg, der als unausweichlich gesehen wurde. NachdemTrachtenbergs seine Schlüsse sehr gut belegt und argumentiert,
und ich auch nichts vergleichbares kenne, das sich so intensiv gerade mit dieser Frage auseinandersetzt, bin ich geneigt anzunehmen,
dass das "triggern" von russischer Seite, aber auch von britischer, erkannt wurde.

Man kann das offenkundig verschieden sehen. Es wäre aber, nach meinem Dafürhalten, zumindest verfehlt, von einer eindeutigen Sachlage auszugehen.
Da der Aspekt, wer wem den Krieg erklärt, in Russland nachrangig war, hätte man ansonste - mit dem unterstellt "festen Willen" zum Krieg - direkt in den Aufmarsch und die Offensive übergehen müssen, wie es nach der Strategiestreit im russischen Generalstab vorgesehen war. Dann wären die politischen Drohmanöver überflüssig gewesen.
Dass der Aspekt wer zuerst den Krieg erklärte gerade in Russland nachrangig gewesen sein kann leuchtet mir nicht ein. Ich würde doch weit eher annehmen, dass dieser gerade im politisch instabilen Russland ganz besondere Wichtigkeit hatte.
Es leuchtet mir auch nicht ein, dass Russland in der Lage gewesen sei unmittelbar zu einer Offensive übergehen zu können.
 
Es ist erwähnenswert, dass Trachtenberg zu der Einschätzung kommt, dass die Mobilisierung aus russischer Sicht keine Abschreckungsmaßnahme war, sondern eine bewußte Entscheidung für einen Krieg, der als unausweichlich gesehen wurde. NachdemTrachtenbergs seine Schlüsse sehr gut belegt und argumentiert,
und ich auch nichts vergleichbares kenne, das sich so intensiv gerade mit dieser Frage auseinandersetzt, bin ich geneigt anzunehmen,
dass das "triggern" von russischer Seite, aber auch von britischer, erkannt wurde.

Hier ist zu unterscheiden (siehe Trachtenberg, aber auch Lieven, Albertini etc.):
Die von Dir zitierte Aussage Trachtenbergs bezieht sich (nur) auf die Mobilisierung vom 30.7.1914.

Bzgl. der Teilmobilisierung (und der Kriegsvorbereitungsphase 24 Stunden zuvor) geht es um den Entscheidungshorizont der Reaktion auf das ÖU-Ultimatum, und hier resümmiert auch Trachtenberg, dass dies zu einem "softening" der deutschen Position geführt hat, der Versuch des Aufbrechens des "deadlock" (exakt das ist Zweck des Abschreckungsversuches gewesen) und theoretisch der Rahmen einer politischen Verständigung bereitet werden konnte (wäre die Abschreckungspolitik gegen ÖU "aufgegangen").

Die Teilmobilisierungsentscheidung war auch nach Lieven (Russian Origins) keine Entscheidung für den Krieg, gleichwohl aber - Faktor für die Abschreckungsstrategie, die keine leere Hülse darstellte - das Einkalkulieren der Eskalation bis zum Krieg. Das Ausmaß des "triggerns" ausgehend von der Teil-Mob-Entscheidung wurde daher mE nicht erkannt.


Dass der Aspekt wer zuerst den Krieg erklärte gerade in Russland nachrangig gewesen sein kann leuchtet mir nicht ein. Ich würde doch weit eher annehmen, dass dieser gerade im politisch instabilen Russland ganz besondere Wichtigkeit hatte.
Es leuchtet mir auch nicht ein, dass Russland in der Lage gewesen sei unmittelbar zu einer Offensive übergehen zu können.

Die russischen Operationsplanungen gingen von einer Offensive von Beginn an aus. Das gilt auch gegenüber Deutschland, wie die Konsultationen mit dem frz. Generalstab 1911/14 zeigen. Ebenso gegen ÖU, wobei hier Improvisationen in den letzten Tagen sowie die ÖU-Reaktion im Aufmarsch tatsächlich nicht zur Realisation führten.

Natürlich kann man aufgrund der tatsächlichen Lage diskutieren, ob man faktisch dazu in der Lage war.

Der Aspekt der Kriegserklärung - wer wem zuerst? - ist kein innenpolitischer in den russischen Quellen gewesen. Hier drehte sich alles um die Außenpolitik, Innenpolitik war nicht von Wichtigkeit, wie an den russischen Eskalationsentscheidungen (insb. Teil-Mob und Mob-Entscheidungen) im Detail ablesbar ist.

Hier spielte eine gewichtige Rolle vielmehr die Außenpolitik, wie nämlich FRA und GB in der Krise reagieren würden. Insbesondere die Haltung GBs war für die russische Seite unklar. Bereits dieser Umstand macht klar, dass die Teil-Mob-Entscheidung (s.o.) noch keine Entscheidung der russischen Seite für den Krieg war, wenn sie auch die Eskalation einkalkulierte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Silesia

Hier ist zu unterscheiden (siehe Trachtenberg, aber auch Lieven, Albertini etc.):
Die von Dir zitierte Aussage Trachtenbergs bezieht sich (nur) auf die Mobilisierung vom 30.7.1914.

Bzgl. derTeilmobilisierung (und der Kriegsvorbereitungsphase 24 Stunden zuvor) geht es um den Entscheidungshorizont der Reaktion auf das ÖU-Ultimatum, und hier resümmiert auch Trachtenberg, dass dies zu einem "softening" der deutschen Position geführt hat, ..
Das ist zutreffend. Trachtenberg beschreibt das so:
„Die politischen Führer – nicht nur Sazonov – sondern auch der britische Außenminister
Sir Edward Grey und sein deutscher Gegenpart Gottlieb von Jagow, die beide in ihrer Weise
bezüglich der russischen Teilmobilisierung übereinstimmten, - glaubten sicher nicht, dass diese
unweichlich zum Krieg führen würde.“

Meaning Of Mobilisation - Seite 131 – Übersetzung durch mich

Was die Generalmobilmachung angeht so ist Trachtenberg der Ansicht:
„Die Vorstellung die Russen hätten, als die Mobilisierung anordneten, im Glauben gehandelt, „Mobilisierung wäre eine Abschreckung vor dem Krieg“ entbehrt jeder Grundlage. Sie verstanden genau, dass mit der Ausrufung der Mobiliserung der Rubikon überschritten wurde: es gab kein Zurück mehr.“
Meaning Of Mobilisation - Seite 126 – Übersetzung durch mich.

Der Aspekt der Kriegserklärung - wer wem zuerst? - ist kein innenpolitischer in den russischen Quellen gewesen. Hier drehte sich alles um die Außenpolitik, Innenpolitik war nicht von Wichtigkeit, wie an den russischen Eskalationsentscheidungen (insb. Teil-Mob und Mob-Entscheidungen) im Detail ablesbar ist.
Ich kann das nicht bestreiten. Aber es wäre doch verwunderlich wenn dem so gewesen sein sollte oder war.

„Aber in den zwei Jahren nach 1912 gab es eine dramatische Zunahme bei den Fabrikstreiks sowohl an Zahl auch an Militanz. Sie kulminierte im Juli 1914 in einem Generalstreik in St. Petersburg, wo es während eines Staatsbesuchs des fränzösischen Präsidenten zu Straßenkämpfen und zu Errichtung von Barrikaden kam. ….
Trotz aller Anstrengungen für politische Reformen befand sich das städtische Russland am Vorabend des Ersten Weltkriegs am Rande einer neuen und potenziell gewaltsameren Revolution, als es die „Kostümprobe“ von 1905 gewesen war“

Orlando Figes, Russland – Die Tragödie eines Volkes – Seite 252.

Interessant ist auch die These von Imanuel Geiss (Der Lange Weg In die Katastrophe -Seite 60),
„Nikolaus II. hatte nach dem verlorenen Krieg [1905 gegen Japan, Anmerkung durch mich] nur noch die Wahl zwischen sozialer Revolution von links und panslawistischem-chauvinistischem Umsturz von rechts als Reaktion auf ein Zurückweichen vor dem deutschen Ultimatum [ die Generalmobilmachung vom 30.07.1914 zurückzunehmen, Anmerkung durch mich] .“

Und nimmt man noch das Durnovo-Memorandum vom Februar 1914 hinzu,
http://novaonline.nvcc.edu/eli/evans/his242/documents/Durnovo.pdf
also das Memorandum in dem der ehemalige Innenminister auf die besonderen innenpolitischen Gefahren für Russland im Falle eines europäischen Krieges, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die erste Russische Revolution 1905/06, hinweist,
dann muss man ja geradezu erstaunt darüber sein, dass der Aspekt wer zuerst den Krieg erklären würde nicht erheblich gewesen sein soll.

Wenn also dem so war, so frage ich mich, wie ich das in das in das Netz der mühsam gewonnenen Vorstellung hineinweben könnte.

Man könnte vermuten, dass hier eine nicht ungewöhnliche Ignoranz zu sehen ist, deren Gipfel der Zar selber ist. Es gäbe ja nicht wenige Anhaltspunkte dafür.
Ebenso könnte man annehmen, dass es überhaupt keine Option war den Krieg als erster zu erklären.
Das würde nicht nur den innenpolitischen Rahmen abbilden, sondern auch den außenpolitischen.
In beiden Fällen aber wäre die Quellenlage bezüglich innenpolitscher Erwägungen wohl eher dürftig.

Und da bleibt es erstmal wahrscheinlich so wie Du sagst:
Der Erste Weltkrieg wird von den verschiedenen "beteiligten"/engagierten wissenschaftlichen Disziplinen als eines, oder sogar als das komplexeste Ereignis der Weltgeschichte angesehen.

Und wie sagt der Schüler so 'schön', der Faust aufsuchen wollte, und dann auf Mephisto traf: "mir wird von Alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum."
 
Zuletzt bearbeitet:
Entweder ungewöhnliche Ignoranz, oder die Wahrnehmung der Situation im Land durch die politische Führung - trotz des zitierten warnenden Vermerks vom Februar 1914 über Revolutionsgefahren bei einem Kriegsausbruch - ergab trotz Streiks, Demonstrationen und örtlichen Unruhen vor der Julikrise nichts "Ungewöhnliches".

Die russische Mobilisierung und die Stimmung im Land ist ja hinreichend untersucht. Da fand man viele Facetten, von Unruhen bis Desertionsraten von 10%, ungewöhnliche Ruhe oder eben auch lärmige nationalistische Demonstrationen.

Solche innenpolitischen Erwägungen oder Analysen findet man indes mW nicht in den Führungskreisen in der Julikrise, speziell in der entscheidenden Phase. Gut möglich allerdings, dass solche Überlegungen zB auch in den Sitzungen zur Reaktion auf das ÖU-Ultimatum eine Rolle spielten, aber vielleicht nicht der Bedeutung angemessen protokolliert wurden. Wenn wir dazu nichts finden, bleibt nur Spekulation.
 
Entweder ungewöhnliche Ignoranz, oder die Wahrnehmung der Situation im Land durch die politische Führung - trotz des zitierten warnenden Vermerks vom Februar 1914 über Revolutionsgefahren bei einem Kriegsausbruch - ergab trotz Streiks, Demonstrationen und örtlichen Unruhen vor der Julikrise nichts "Ungewöhnliches".

Die russische Mobilisierung und die Stimmung im Land ist ja hinreichend untersucht. Da fand man viele Facetten, von Unruhen bis Desertionsraten von 10%, ungewöhnliche Ruhe oder eben auch lärmige nationalistische Demonstrationen.

Solche innenpolitischen Erwägungen oder Analysen findet man indes mW nicht in den Führungskreisen in der Julikrise, speziell in der entscheidenden Phase. Gut möglich allerdings, dass solche Überlegungen zB auch in den Sitzungen zur Reaktion auf das ÖU-Ultimatum eine Rolle spielten, aber vielleicht nicht der Bedeutung angemessen protokolliert wurden. Wenn wir dazu nichts finden, bleibt nur Spekulation.
(Hervorhebung durch mich)

Darüber grüble ich (nichts "Ungewöhnliches"). Es ist vielleicht sogar ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt.
(Es mag themenfremd erscheinen, ich will es aber dennoch bemerken:
bei der Bedienung einer gefährlicher Maschine, ist es ein Aspekt der Arbeitsicherheit, dass Unfälle gehäuft dann auftreten, wenn sich der Bediener an die Maschine gewöhnt hat.)

Angenommen, die Sensibilität für eine vorhande Gefahr nimmt mit derem Andauern ab, was mir ja naheliegend erscheint, dann müsste dies für das Europa des Vorabends der Katastrophe insgesamt gelten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das meinte ich mit "nichts Ungewöhnliches". Die innenpolitischen Zustände im Juli 1914 in Russland wiesen wohl für die herrschende Elite keine Besonderheiten auf.

Die Gewöhnung an politische Krisen Short of War oder das Phänomen gerade noch "Vermiedener Kriege" (Dülffer) wird von einigen als gefährlicher Kontext der Julikrise beschrieben.

Seine Brisanz erhält das in Verbindung mit der weitverbreiteten Auffassung vom "unvermeidbaren" Krieg, den politisch-militärischen "Illusionen des kurzen Krieges" und dem militärischen Kult der Offensive iVm den Kriegsplänen und damit Mobilisierungsplänen.

Wenn man sich fragt, warum das vorher - zB Annexionskrise - gut gegangen ist, dann ist hier mE ein wichtiger Punkt der "lange Weg in den Krieg", bei dem sich über die diversen Krisenzuspitzungen der Vorjahre laufend Lageverschärfungen ergeben haben, bildlich Auftürmen von Altlasten für die Krisendiplomatie.

Ein Beispiel ist die fortgeschrittene "Domestizierung des Bündnispartners ÖU" über die vorherigen Krisenverläufe (Angelow), ein anderes die fortgeschrittenen Rüstungen, oder veränderte ökonomische Rahmenbedingungen (Russland, Krisenbeginn Deutsches Reich 1913/14) oder auch die Zuspitzung der Überzeugungen des "unvermeidbaren Krieges" in deutschen Militär- und Politikkreisen des Frühjahrs 1914 - unmittelbar vor dem Attentat.
 
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