deutsche Marinerüstung 1919 - 1933

Köbis17

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zitat schrieb:
Im Herbst 1932 wurde für den Aufbau einer modernen und kampfkräftigen Marine bis 1938 ein sogenanntes Umbauprogramm beschlossen. (Anordnung des Reichswehrministers vom 15. November 1932)
In einer Denkschrift vom 2. November 1932 hatte dazu die Wehrabteilung A I im Marinekommandoamt auch den Aufbau einer kleinen Ubootflotte von je [...] vorgeschlagen. Der Chef der Flottenabteilung A II, Kpt z.S. Guse, stimmte zu.
[...]
Quelle: E. Rössler - Geschichte des deutschen U-Bootbaus Band 1

Bisher habe ich immer gelesen, daß die Untergrabung des VV im Bezug auf Marinerüstung erst nach der Machtübernahme Hitlers stark zunahm bis hin zum deutsch-britischen Flottenabkommen 1935. Doch geht aus den o.g. Informationen hervor, daß die Bestimmungen des VV Vertrages im Bezug auf die Marine schon vor 1933 übergangen wurden.
Kennt jemand nähre Infos zu der Anordnung oder der Denkschrift des Marinekommandoamtes?
 
Um die Beschränkungen des VV zu entgehen, operierte die Reichsmarine und später auch die Kriegsmarine einfach mit falschen Zahlen. Viele Neuaufbauten waren um zehn bis zwanzig Prozent, in manchen Schiffsklassen sogar um dreissig Prozent grösser als zulässig. Raeder hatte diesen Betrug nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich angeordnet.
Auch in Punkto der U-Boote wurde der Versailler Vertrag übergangen: Noch 1920 hatte die Germania-Werft und die Vulkan-Werft mit Zustimmung der Marineleitung die Konstruktionsunterlagen der Boote U-142 und U-117 an Japan verkauft. In Japan wurden nach diesen Unterlagen unter Aufsicht deutscher Konstrukteure U-Boote gebaut, bei deren Erprobung auch ein früherer U-Boot-Offizier teilnahm. Etwa zur selben Zeit gründeten drei deutsche Werften unter dem Namen einer Deckfirma in den Niederlanden ein Konstruktionsbüro für U-Boote, in dem dreissig deutsche Ingenieure und Konstrukteure beschäftigt waren. Nach den in den Niederlanden erarbeiteten Plänen wurde mit Unterstützung der Leitung der Reichsmarine 1925 für die Türkei ein 250-Tonnen-Boot gebaut. Etwas später vergab die Marineleitung Entwicklungs- und Bauaufträge für ein 750- und ein 1000-Tonnen-Boot nach Finnland. Die Probefahrten dieser beiden U-Boote wurden bereits zur praktischen Ausbildung von See- und Ingenieuroffizieren der künftigen deutschen U-Boote genutzt. Weitere Entwicklungs- und Bauaufträge wurde an schwedische und spanische Werften vergeben. Die Probefahrt des in Spanien gebauten U-Bootes fand 1931 ausschließlich unter deutscher Leitung und mit deutschem Personal statt. Später organisierte die Marineleitung einen Verkauf dieses Bootes an die Türkei, die es unter dem Namen "Gür" in ihre Kriegsmarine einreihte. Dieses Boot, das nach den Forderungen der Marineleitung gebaut worden war, war der Prototyp des 862-Tonnen-Bootes I A. Ein erneuter Bauauftrag an eine finnische Werft ist 1930 vergeben worden. Dieses 250-Tonnen-Boot wurde der Prototyp für die späteren U-Boote U-1 bis U-24, die in zwei Varianten gebaut wurden.
1932 begann die Reichsmarine mit der illegalen Ausbildung von U-Boot-Besatzungen. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurde der Aufbau der U-Boot-Waffe beschleunigt vorangetrieben. Unter strengster Geheimhaltung wurden Maschinen, Apparaturen und Zubehör für 12 der 250-Tonnen-Boote in Kiel eingelagert und Baukapazitäten für 6 weitere Boote dieses Typs geschaffen...


Zwei Empfehlungen:
Internetseite über Geschichte der Marine Geschichte

Buch "Die Reichsmarine zwischen Küstenverteidigung und Weltmachtstreben: Probleme der deutschen Seestrategie 1918-1933. Militärgeschichte und Wehrwissenschaften" von Stefan Kiekel
 
Bisher habe ich immer gelesen, daß die Untergrabung des VV im Bezug auf Marinerüstung erst nach der Machtübernahme Hitlers stark zunahm bis hin zum deutsch-britischen Flottenabkommen 1935. Doch geht aus den o.g. Informationen hervor, daß die Bestimmungen des VV Vertrages im Bezug auf die Marine schon vor 1933 übergangen wurden.
Kennt jemand nähre Infos zu der Anordnung oder der Denkschrift des Marinekommandoamtes?

Während die Rüstungsplanungen des Heeres in den zwanziger Jahren auf die Abwehr eines polnischen Angriffs abgestellt waren, nahm die Reichsmarine durchgängig einen Zweifrontenkrieg gegen Polen und Frankreich als wahrscheinlichsten Einsatzfall an. Das ist schon in den „Richtlinien für die beabsichtigte Verwendung der Marine im Kriege und für die Durchführung von Kriegsvorbereitungen“ der Marineleitung vom Mai 1922 der Fall.

Entsprechend dem Wehrgesetz vom 18. Juni 1921 hatte die Reichsmarine die Hauptaufgabe den „Schutz Deutschlands zur See“ und als Kampfauftrag „den Feind zur See bekämpfen“. In den Richtlinien wird als „Feind“ Frankreich und Polen angenommen und daraus die Hauptaufgabe abgeleitet der „deutschen Volks- und Kriegswirtschaft die Möglichkeit der Überseezufuhr zu erhalten“. Dabei erhoffte man sich eine wohlwollende Neutralität Großbritanniens und der USA.

Die Verhinderung einer Seeherrschaft der beiden kontinentalen Gegner in der Nord- und Ostsee und damit die Verhinderung der Unterbrechung der Überseezufuhr nach Deutschland und –speziell im Fall Ostsee – nach Ostpreußen blieben als Hauptaufgaben über die Jahre gleich und finden sich auch in den „Richtlinien für die Verwendung unserer Seestreitkräfte in einem zukünftigen Kriege“ vom 30.4.1928, den die Marineleitung für Reichswehrminister Gröner ausgearbeitet hatte.

Auch die Führerkriegsspiele der Reichsmarine von 1923 bis 1932 stellen, in immer wieder etwas unterschiedlichen Varianten, auf dieses Szenario ab. Seeherrschaft in der Ostsee zur Sicherstellung der Versorgung Ostpreußens und der Erzzufuhr aus Schweden und damit die Fähigkeit, die polnischen Marine niederkämpfen zu können, Sperrung der Belte gegen eine Vereinigung der polnischen und der französischen Flotte, Verhinderung einer Blockade der deutschen Nordseehäfen durch die französische Marine – diese Aufgaben kehren immer wieder.

Dabei muss man dem Abstellen auf einen Zweifrontenkrieg natürlich auch ein egoistisches Motiv der Marineleitung unterstellen, da nur ein Gegner Frankreich mit Erfolg für eine Forderung nach größeren Schiffen eingesetzt werden konnte.

Schon in den zwanziger Jahren umging die Reichsmarine dabei die Bestimmungen des Versailler Vertrages in vielen Bereichen (siehe Wiki-Beitrag Lohmann-Affäre). Die Planungen kumulierten dann in dem Aufbauprogramm für die Reichsmarine vom 15. November 1932, dem Gröner-Programm, so genannt, obwohl Gröner wegen harten Vorgehens gegen die Nationalsozialisten zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Programms durch die Reichsregierung schon einige Monate von seinem früheren Chef des Ministeramtes und damit seiner rechten Hand und jetzigen Reichskanzler Schleicher aus seinem Amt verdrängt worden war. In dem Aufbauprogramm werden u.a. bis 1934 drei Flugzeugträger gefordert.

Noch der Entwurf des Flugzeugträgers „Graf Zeppelin“ spiegelt mit seiner schweren Artilleriebewaffnung, der Kasemattaufstellung der Geschütze und der damit verbundenen flächenmäßigen Einschränkung des Flugdecks und der Zahl der Flugzeuge diese Gedankenwelt eines Ostseekrieges der Zwanziger-Jahre wieder
 
Nur kurz ergänzt: der so genannte "Umbauplan" wurde von Schleicher unterzeichnet, mit ihm hatte sich Konteradmiral Saalwächter und das Amt A I (Marinewehrabteilung für Personalfragen) durchgesetzt, obwohl eigentlich A II - Flottenabteilung zuständig war.

Um die Zahlen aus #1 auszufüllen: vorgesehen war 3 Halbflottillen mit insgesamt 16 U-Booten, die jedoch erst bestellt werden sollten, "wenn die politische Lage dies gestattet". Dazu der handschriftliche Vermerk von Schleicher im Zeichnungsprotokoll: "Den Zeitpunkt für Bau bzw. Kauf von U-Booten zu bestimmen, behalte ich mir vor."

Kwschaefer hat den Kontext dargestellt. 1932 wurden dieses Umbauprogramm bzw. seine Planvorgänger auch international als Grundlage für Forderungen in Zusammenhang mit den Reparationsgesprächen und der Abrüstungskonferenz verwendet. Das DR verhandelte hier über einen Ausbau der Flotte und des Heeres (Aufstockung auf 300.000 Mann).

Treue/Möller/Rahn, Die deutsche Marinerüstung 1919/42, "Treue-Denkschrift"
Dülffer, Weimar, Hitler und die Marine, S. 232.
Salweski, Marineleitung, MGM 1971, Verwendung in Dokument 4
Dreessen, Die deutsche Flottenrüstung, S. 84
Die von Köbis hinterfragte Quelle weist danach aus: 6 Linienschiffe bzw. Panzerschiffe, 1 Flugzeugträger, 6 Kreuzer, 6 Zerstörer- bzw. TB-Halbflottillen, 16 u-Boote, 9 Marinefliegerstaffeln.
 
[...]
Treue/Möller/Rahn, Die deutsche Marinerüstung 1919/42, "Treue-Denkschrift"
[...]

Das lese ich zur Zeit, ist aber schwere Kost, da, wie du schon darauf mit dem Hinweis "Treue Denkschrift" vermerkt hast, sehr nah an der deutsche Marinerüstung unter Hitler geschrieben ist. Im Grunde besteht schonmal ein großer Teil der Einleitung aus der Biographie des Schreibers und aus dieser Denkschrift, die von 1942 stammt. Darauf baut das Buch auch auf und es werden viele Worte und Zusammenhänge verwendet, die auch dieser Epoche zu zuordnen sind.
Im einzelnen werden die mangelnden Baufortschritte vor 1933 an dem VV und der Finanzierungsnot festgemacht, der Aufbau nach 1933 hingegen orientierte sich an der Angeprangerten Typenstandardisierung nach den Vorgaben des WV. Dieser wiederum ist nur zustande gekommen, weil die US Navy die Größenbestimmung benötigte, um den Panamakanal nicht wieder vergrößern zu müssen usw.

Aber vielleicht gibt das Buch aber auch noch ein paar Wertvolle Informationen preis ....
 
Zuletzt bearbeitet:
Wird in dem o.g. Werk überhaupt nicht angesprochen: Die Planung der Panzerschiffe vor der Feststellung, daß für die Beschränkungen des VV von 10.000t Verdrängung und Kalibergröße 28cm die optimale taktische Ausrichtung eines Types na am schweren Kreuzer zu suchen war.

Siehe auch dazu hier, z.B. Beitrag 10:
http://www.geschichtsforum.de/f63/das-politische-kriegsschiff-der-weimarer-republik-22152/

Auch die Fragen nach der Problematik, warum nicht schon vor der Wiedererlangung der Wehrfähigkeit bzw. des Flottenabkommens von 1935, Kreuzer, Zerstörer, Uboote und Kleinkampfmittel mit Nachdruck geplant oder gar gebaut wurden, erliegt der einfachen Aussage, daß zum einen die finanziellen Möglichkeiten keinen Spielraum ergaben, wie die innenpolitische wie außenpolitische Wirkung einer neuen Kriegsflotte durch die Erfahrungen der kaiserlichen Marine "gebeutelt" waren.

Interessant sind einige Darstellungen der Planung vom Panzerschiff zum schnellen Schlachtschiff oder Schlachtkreuzer Scharnhorst und Gneisenau.

Ansonsten hat das Buch keine wirkliche neue Erkenntnisvorlage und ist zudem durch die Darlegung der Denkschrift zur Problematik aus dem Jahr 1942 sehr stark ideologisch in seinen Aussagen von Objektivität beschnitten.
 
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