Deutsche Waffentechnik: Wurde der Krieg zu früh begonnen?

Und in diesem Bereich wies die WM in 1939 einen temporären, "komparativen Wettbewerbsvorteil" auf. Insofern war das Zeitfenster, um diesen Vorteil für die Kriegsführung nutzen zu können, für die hitlersche Kriegsführung maximal bis 1942 offen.
Sehe ich etwas anders. Bis 1942 gestattete dieser Vorteile Erfolge im Angriff, danach gab es ihn immer noch. Dies zeigen die Taktiken im Rückwärtsgang an der Ostfront, aber auch sogar noch die ersten Erfolge in den Ardennen 1944.

Nur war der materielle Nachteil bereits so groß, dass die Niederlage nur noch verzögert werden konnte. Die Umstrukturierungen 1943, die Bildung von Divisionen mit wirklich verbundenen Waffen, zeigen die taktische Flexibilität. Nur gab es viel zu wenige solcher Truppenteile und statt vernünftigen Ersatz zu stellen wurden lieber noch neue Verbände gebildet. Diese Zersplitterung erlaubte nur noch sehr lokale Erfolge - aber es gab sie.
 
Treffend formuliert, diese Kombination von Elementen.:winke:

In gewissem Maße waren Unterschätzungen der operativen Möglichkeiten der Wehrmacht noch ein ergänzender Faktor. Dieses Überraschungsmoment zog in Norwegen 1940, als die Allierten von dem Ausmaß der Hasardeur-artigen Aktion völlig überrascht wurden.

Gleiches gilt für Polen, was sich bei ähnlicher Armeestärke trotz dreiseitiger Umfassung nicht in das Warthe-Weichsel-Dreieck zurückzog und versuchte, 3 Monate Zeit im zähen Stellungskrieg hinter Flußhindernissen zu gewinnen.

Und es waren die Allierten, die eben im operativen Kalkül die Benelux-Länder nicht ihrem aussichtslosen militärischen Schicksal überließen, um damit ein paar Monate Zeit in 1940 zu schinden.

Die jeweilig erbeuteten Rohstoffreserven (siehe dann auch die Schlüsselposition Balkan!) und die direkte politische Folge des siegreichen Westfeldzuges (Öffnen des rumänischen Ölhahnes - weit bedeutender als alle erreichten Ziele im Westen zusammen) erlaubten der Rüstungswirtschaft im dritten Reich, sich von Halbjahr zu Halbjahr zu durchzuwursten.
 
Muß man die Erfolgschancen eines später begonnenen Krieges der Nazis nicht schon deswegen auf 0 veranschlagen weil die USA dann sehr viel früher schon über die Atombombe verfügt hätten?

Darüber hinaus finde ich solche Spekulationen...nunja...zu spekulativ, weil man die politische Entwicklung, die es ja einem hypothetisch friedlichen Europa 39-4X auch noch gegeben hätte, nicht abschätzen kann. So war Hitler ja überhaupt nicht an einem Westfeldzug interessiert und hatte 1939 bis zuletzt versucht, Polen als Verbündeten (inkl.Durchmarschrechte) zu gewinnen. Das einzige was ihn interessierte war die Sowjetunion, und keiner kann sagen wie sich diese wiederum von 39-4X entwickelt hätte - und ob die Westallierten Stalin ohne eigene Not überhaupt geholfen hätten. Hätte es ohne den Westfeldzug den sowjetischen Überfall auf Finnland gegeben? Wenn nein, wären die Reformen in der Roten Armee also bis zu einem deutschen Angriff ausgeblieben? Und je weiter man das spinnt, desto größer werden diese Unsicherheiten. Was bleibt ist die Forschung der USA an der Atombombe, die allen Spekulationen 1945 ein Ende setzt.

Gruß Alex
 
Eine Anmerkung zur Atombombe:
Deren Entwicklung hätte wahrscheinlich einige Jahre länger gedauert, wenn nicht ausgerechnet die Nation, die bis in die späten 30er führend in der Kernphysik war, ihre Nachbarn, einen nach dem anderen, erfolgreich überfallen hätte.


Sebastian Haffner schreibt in seinen Anmerkungen zu Hitler, dass ohne Hitlers Antisemetismus wahrscheinlich Deutschland, und nicht die USA, als erste Macht der Welt über Nuklearwaffen verfügt hätte.

Als Grund führt er an, dass vor 1933 das Weltzentrum für Atomforschung in Göttingen lag.

Nach der "Machtergreifung" verlagerte es sich in die USA.
 
Wenn ich mir Hitlers Aussagen / Pläne zum Zeitpunkt des Beginns des 2. Weltkriegs anschaue, dann scheint es mir, als hätte er zunächst eher 1941 oder 1942 als Jahr des Kriegsbeginns im Auge gehabt. Aus bestimmten Gründen scheint er dann der Ansicht gewesen zu sein, dass der Krieg schon 1938 beginnen sollte (hier kam ihm aber das Münchner Abkommen dazwischen).

Gründe dafür könnten die Verschuldung des dt. Reiches, Zeitdruck aus anderen Gründen (Rüstung der Sowjetunion, eigene Gesundheit, etc) sein ...

Ich denke, Hitler hat nicht in den Kategorien gedacht, ob das jetzt waffentechnisch sinnvoll ist, oder nicht.

Ich stimme dir in allen Punkten zu.

Für mich stellt sich folgende Frage:

Wenn der Kriegsbeginn in den Jahren 1938 - 42 geplant war, wie passt in diese Planung die Marinerüstung, deren Pläne für den Aufbau der Flotte in der Zeitspanne 1944 (H-Klasse) - 1947/48 (Abschluss des Aufbaues) endeten.

Das wären ca. 5 - 10 Jahre, die zwischen dem Beginn des Krieges und der Fertigstellung der Flotte liegen.

Eine reichlich lange Zeit.

Hat jemand eine Erklärung dafür?
 
Spekulation: Flotte für den europäischen Krieg nicht unbedingt nötig (eine Blockade durch England wie im Ersten Weltkrieg wäre ja ohne Wirkung, wenn die geplante Eroberung weiter Teile der Sowjetunion gelingt und Überseekolonien wollte man ja nicht) ... aber nach dem europäischen Krieg denkt Hitler ja im zweiten Band von Mein Kampf durchaus über einen Krieg mit den USA um die Vormachtstellung in der Welt nach ...
 
Die Wehrmacht war bereits im Frankreichfeldzug materiell (quantitativ und qualitativ) nicht überlegen, vgl. zB die Darstellung bei Frieser, Blitzkrieg-Legende, oder Ellis, The War in the West 1939-40, HMSO.

Absolute Zustimmung. Gerade Frieser hat das eigentlich sehr gut dargestellt.
Und daraus ergeben sich diverse Fragen - und genau darum geht es in diesem Thema. Der Erfolg im Westfeldzug war wohl bedingt durch den durchaus neuartigen Einsatz der Panzerwaffe (Konzentration und Durchbruch mit anschliessendem Vorstoss an bestimmten Punkten) in Verbindung mit der Luftwaffe.

Geht man jetzt in der Geschichte des 2. Weltkriegs ein Stück weiter, so ergibt sich m.E. ein waffentechnisch wiederum interessanter Punkt:

Fast genau ein Jahr nach Beendigung des Westfeldzugs kam es zum Überfall auf die Sowjetunion. Hier spielte die Blitzkriegstrategie eine zentrale Rolle. Der ganze Krieg im Osten war auf einen Blitzsieg ausgerichtet. Und anfangs sah ja auch alles danach aus. Nun gibt es natürlich viele Gründe für den letztendlichen Ausgang, wie z.B. die Unterschätzung der roten Armee, die Weite des Landes, Wetter, Ressourcenmangel etc.

Aber meine Ausgangsfrage bezieht sich nunmal auf den Punkt der Waffentechnik. Und hier fallen natürlich zwei Dinge auf:

1.
Das Unterschätzen der roten Armee hinsichtlich der Waffentechnik. Hier möchte ich das plötzliche Auftauchen der Panzer der KW Reihe und natürlich ab August 1941 den T 34 nennen. Das ist der deutschen Aufklärung offensichtlich verborgen geblieben, obwohl der KW I wohl schon im Winterkrieg 1940/41 eingesetzt wurde.

2.
Gerade im Bereich der Kampfpanzer erkennt man zumindest technisch auf deutscher Seite nach dem Westfeldzug keine gravierenden Fortschritte. Die Anzahl der schwereren Panzer, wie z.B. dem Panzer IV wurde quantitativ erhöht, genauso wie die Anzahl der tschechischen Panzer. Danach wurde der Panzer IV lediglich modifiziert. Aber wirkliche Neuentwicklungen gab es nicht. Offensichtlich vertraute man zu sehr der Blitzkriegstrategie. Die Entwicklungsgeschichte des "Tiger" beginnt zwar schon Ende der 30er Jahre, wurde aber erst Ende 1941 vorangetrieben. Und der "Panther" war eher eine direkte Reaktion auf den T 34.

Natürlich stimme ich auch mit Köbis17 überein, daß der Verlauf eines Krieges die Waffentechnik stark beeinflusst - und genau das ist auch hier der Fall. Aber andererseits drängt sich natürlich der Verdacht auf, daß das deutsche Reich weder waffentechnisch noch rüstungstechnisch auf einen solchen Krieg vorbereitet war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und daraus ergeben sich diverse Fragen - und genau darum geht es in diesem Thema. Der Erfolg im Westfeldzug war wohl bedingt durch den durchaus neuartigen Einsatz der Panzerwaffe (Konzentration und Durchbruch mit anschliessendem Vorstoss an bestimmten Punkten) in Verbindung mit der Luftwaffe.

Dieser Einsatz war im Kern durch den Operationsplan vorgegeben, der wiederum von Manstein stammte, der mit Panzerwaffe vom Werdegang bis dato nicht viel am Hut hatte. Der Plan war auch nicht vom Durchbruch (als Gefecht) bestimmt, sondern von Schwerpunktbildung (auf Korpsebene!) mit umfassung und basierte neben den gepanzerten Verbänden auf dem "Nachschieben" ordinärer Infanteriedivisionen (bei Halder als "Paternoster"-Prinzip beschrieben) für die immer länger werdende Flanke.

Wenn man den "Erfolg" des Planes bewerten will, gehört dazu als ganz wichtiger Bestandteil der operative Fehler der Alliierten, zur Dyle-Stellung vorzugehen, Belgien "vorwärts" zu verteidigen und sich somit "umfassen" zu lassen. Der Manstein-Plan hing hier am seidenen Faden, wenn genau diese Reaktion nicht erfolgt wäre (und durch die Einkesselung nicht große Teile der allierten Truppen ausgeschieden wären).

Als worst case in diesem Vabanque-Spiel sah man vielmehr auch die Gefahr, wieder im Stellungskrieg in Nordfrankreich zu enden.
 
Das ist jedenfalls Meinung von Frieser und anderen, auch nachvollziehbar anhand von Beispielen. Ob das entscheidend war, ist eine ganz andere Frage.

Für den so definierten Erfolg des Westfeldzuges, Waffenstillstand mit Frankreich, kann man wohl (a) den Operationsplan und (b) die operativen Fehler der Westalliierten im Frühjahr 1940 unter den gegebenen materiellen Verhältnissen nicht ohne Beachtung lassen.
Raymond Cartier beschreibt in seinem Werk über den 2. Weltkrieg den Unterschied zwischen einem deutschen und einem französischen General. Es ist natürlich eine Verallgemeinerung, dennoch ganz interessant. Ich habe die Stelle nicht so schnell finden können, aber er beschreibt, wie der französische General zig Kilometer hinter der Front fein diniert und auf Meldungen seiner Frontoffiziere wartete, während Guderian und Rommel sich bei der Vorhut ihrer Truppen befanden. Das wirkt ganz anders auf die gemeinen Soldaten, das motiviert. Und gerade dort hatten die französischen Soldaten ein Defizit. Wer wollte für Polen sein Leben riskieren, wo Polen doch bereits gefallen war? Rekonstruiere ich die Geschichte der Einheit meines Großvaters, dann ist der Großteil ein wildes Hinterhergehechte hinter den zurüpckweichenden Franzosen. Nur gelegentlich leisten die Franzosen Widerstand, dann aber meist heftig und gegen die frz. Panzer hatte man hohe Verluste wie zB bei LeFerrasie.
Die Franzosen kämpften einen weiteren 2. Weltkrieg, auf deutscher Seite war man deutlich weiter, wenn es auch hier Differenzen in der Ansicht über moderne Kriegsführung gab, siehe zB den Haltebefehl.
 
Beim Haltebefehl würde ich keine Differenzen bzgl. der Ansichten über die Operationsführung sehen, sondern "Flankenangst", Kompetenzgerangel zwischen Armee, Heeresgruppe und OKH sowie Aufklärungsirrtümer.
http://www.geschichtsforum.de/f68/waren-hitlers-gr-nde-f-r-den-halt-bei-d-nkirchen-15969/index2.html

Die erfolgreiche Umsetzung beim Manstein-Plan basierte entscheidend auf der Vorwärtsbewegung des rechten alliierten Flügels zur Dyle-Stellung mit der Absicht, Belgien zu verteidigen. Ohne Vorwärtsbewegung, auf die spekuliert wurde, keine Umfassung.

Dort, wo der Operationsverlauf Gelb/Rot entsprechende Voraussetzungen schuf, gab es zT schweren frz. Widerstand. Diese Phase kann man nicht vergleichen mit der rastlosen, mehr oder weniger ohne festgesetzten Widerstand durchgeführten Verfolgung (nach Durchbruch der Weygand-Linie - Fall "Rot"). Sehr unterschiedlich ist hier auch die Qualität der Einheiten, wie auch schon bei "Gelb", siehe hierzu Friesers Bemerkungen zum Sedan-Durchbruch.
 
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