Deutscher Herbst - Gefahr für die Demokratie?

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User7899

Gast
Hey, beschäftige mich gerade mit der RAF und der Fragestellung aus dem Titel.

Meine Frage: Über welches Hintergrundwissen/Zusatzinformationen sollte ich mich dazu passend noch informieren, um in einer Präsentation zu diesem Thema weitergehende Fragen des Prüfers gut beantworten zu können?
 
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Eine Gefahr für die Demokratie hätte der Deutsche Herbst ja theoretisch auf beiderlei Weise sein können: Je nach Rückhalt der Terroristen in der Bevölkerung oder der Art der Reaktion des Staates (also das Paradoxon?? von Freiheit und Sicherheit). Ich denke, aus dieser Anmerkung lassen sich zwei Rechercheansätze für dich herausarbeiten:
1.) Wie bedeutend war die RAF überhaupt? Wie groß ihre Unterstützerszene?
2.) Mit welchen Mitteln reagierte der Staat und war seine Reaktion angemessen?

Vorsicht bei meinen Fragen. Teilweise sind sie (einigermaßen) objektiv zu beantworten, teilweise forschen sie nach der Meinung/Bewertung.
 
Hallo,
Wollte mich zunächst einmal für die Antwort auf meine Frage bedanken.

Habe allerdings noch ein paar Fragen dazu,
1. Was genau ist gemeint mit dem Paradoxon von Freiheit und Sicherheit?
2. Kann ich die Frage Gefahr für die Demokratie in einer Präsentation überhaupt eindeutig beantworten? Also mit Ja oder Nein?
Oder sollte ich eher ausführen wie es eine Gefahr für die Demokratie sein könnte UND wie es keine Gefahr sein könnte?

Ich hätte dann gesagt dass es eine Gefahr für die Demokratie war in dem Sinne dass der Staat sich in der Zeit des Deutschen Herbstes zu einem Polizeistaat entwickelte (Kontaktsperren, Verbot der Presse, Isolationshaft usw)

Aber auch dass es keine wirkliche Gefahr war da die RAF nicht wirklich genügend Unterstützung aus dem Volk hatte um den Staat/die Demokratie ernsthaft und langfristig zu gefährden.

Wäre das so alles korrekt?
 
1. Was genau ist gemeint mit dem Paradoxon von Freiheit und Sicherheit?
Je mehr Freiheit du lässt, desto geringer die Sicherheit; je mehr du auf Sicherheit setzt, desto bedrohter die Freiheit. Nehmen wir mal einen Polizeistaat: In dem bist du einigermaßen sicher - sofern du dich eben nicht oppositionell äußerst.
 
Könnte ich vielleicht auch eine Antwort auf meine Hauptfrage bekommen?

Deutscher Herbst, War er nun eine Gefahr für die Demokratie? Ja? Nein?

Stimmen meine oben aufgeführten Ansätze?
 
Könnte ich vielleicht auch eine Antwort auf meine Hauptfrage bekommen?

Deutscher Herbst, War er nun eine Gefahr für die Demokratie? Ja? Nein?

Stimmen meine oben aufgeführten Ansätze?

Ich denke, man wird eindeutig sagen können, dass die RAF zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland war. Sie war vielleicht eine Gefahr für einzelne Bundesanwälte, Arbeitgeberpräsidenten und hochrangige Entscheidungsträger, niemals aber für die staatlichen Institutionen. Einzelne Positionen und Kritikpunkte mögen manche Intellektuelle geteilt und berechtigt gefunden haben, keineswegs aber die Morde an Buback, Ponto und Schleyer. Zahlenmäßig war der Kreis der RAF Terroristen und selbst der Leute, die man im allerweitesten Sinne als Unterstützer und Sympathisanten bezeichnen könnte eine verschwindende Minderheit. Renate Riemeck, die mit Ulrike Meinhofs Mutter eng bekannt war und Meinhof von frühester Jugend an kannte, forderte sie in einem offenen Brief dazu auf, sich zu stellen, da der Kampf sinnlos sei und die Idee einer Stadtguerilla allenfalls Potenzial zu einem "Schinderhannesabenteuer" habe, das zum Scheitern verurteilt sei. Damit hatte sie wohl recht. So dramatisch der Kampf von " gegen 60 Millionen" wie Heinrich Böll es einmal nannte, in den 1970er Jahren auch erschien, so bestand zu keinem Zeitpunkt wirklich eine Gefahr für die politischen Institutionen der Bundesrepublik.

Wenn objektiv wirklich Grund zur Besorgnis für demokratische Institutionen und die freiheitlich demokratische Grundordnung bestand- darauf hat El Quichote schon hingewiesen dann weil der Staat teilweise überreagierte und mit der paranoiden Hatz auf alles, was auch nur im entferntesten im Verdacht stand, ein Sympathisant zu sein gegen Grundsätze eines bürgerlichen Rechtsstaates verstieß und besorgniserregende Schritte unternahm in Richtung eines Polizei- und Überwachungsstaates. das BKA war Ende der 1960er Jahre eine ziemlich bescheidene Behörde, Ende der 1970er war sie extrem ausgebaut worden und wucherte wie ein Krebsgeschwür wie Kritiker sagten. Menschen, die etwa den Polizeieinsatz anlässlich des Besuchs von Reza Pahlevi kritisierten, bei dem Polizeikräfte unterstützt von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes Sawak Jagd auf friedliche Demonstranten machten, wurden in die Nähe der RAF gerückt und als Sympathisanten verunglimpft. Bei diesem "Polizeistaatsbesuch" des Shahs wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Gutachten von Ärzten wurden gefälscht, Zeugenaussagen manipuliert. Es kam zu Berufsverboten und die Bild-Zeitung schürte Aggressionen gegen die Studentenbewegung. Eine Diskussion um berechtigte Kritikpunkte wurde vielfach vermieden. Willy Brandt war Anfang der 1970er Jahre noch angetreten mit dem Versprechen "Mehr Demokratie wagen". Dazu passten die Verschärfungen und Radikalenerlässe nicht. Man kann daher durchaus sagen, dass
Entscheidungsträger der Bundesrepublik Deutschland bei der Bekämpfung des Terrorismus besorgniserregende Schritte in Richtung Polizei- und Überwachungsstaat unternahmen, die mit den in der Verfassung garantierten Grundrechten nur schwer oder gar nicht zu vereinbaren waren. Damit haben sie letztlich die Demokratie mehr gefährdet, als es die RAF jemals mit noch so schlimmen Attentaten und Morden gekonnt hätte. Darauf wollte El Quichote hinaus. Mit Maßnahmen, die
mit dem Argument der Terrorismusbekämpfung begründet werden, steigt vielleicht die Sicherheit von unpolitischen und unkritischen Bürgern die glauben, dass sie nichts zu verbergen haben, wenn dabei aber die Bürger- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, die in der Verfassung garantiert sind, wenn der Staat
vorgeht, gegen Sympathisanten oder auch nur die denen man unterstellt, Sympathisanten und Unterstützer der RAF zu sein und es zu einer Hexenjagd kommt mit überzogenen Sanktionen, dann hat der Staat selbst dazu beigetragen, die demokratisch freiheitliche Grundordnung zu schädigen, die er eigentlich zu schützen hat. Ich denke damit dürfte klar geworden sein, was El Quichote meint.
begründet werden, steigt vielleicht

von Voraussetzungen eines demokratischen Rechtstaats abrückten und Schritte unternommen wurden, die damit schwer zu vereinbaren waren. Damit haben sie die Demokratie im Grunde mehr beschädigt, als es die RAF trotz all ihrer Anschläge jemals hätte tun können.
 
Oder sollte ich eher ausführen wie es eine Gefahr für die Demokratie sein könnte UND wie es keine Gefahr sein könnte?

Ich hätte dann gesagt dass es eine Gefahr für die Demokratie war in dem Sinne dass der Staat sich in der Zeit des Deutschen Herbstes zu einem Polizeistaat entwickelte (Kontaktsperren, Verbot der Presse, Isolationshaft usw)

Aber auch dass es keine wirkliche Gefahr war da die RAF nicht wirklich genügend Unterstützung aus dem Volk hatte um den Staat/die Demokratie ernsthaft und langfristig zu gefährden.

Im Prinzip hast Du die zwei zentralen Überlegungen zu dem Thema getroffen und es ermöglicht eine m.E. korrekte Einschätzung der - objektiv geringen - politischen Bedeutung für eine "revolutionäre Politik". Und es zeigt die - m.E. objektiv hohe Bedeutung - für die Erweiterung von Instrumenten zur Eindämmung von politischer Gewalt.

In diesem Sinne würde ich Dir zwei Artikel empfehlen, die aus der Zeit das Thema angemessen analytisch und objektiv darstellen.

Zentral die These von Wellmer:
" Ich möchte jetzt die These erläutern, dass der individuelle Terrorismus der RAF .....nicht als radikale Spielarten linker Politik verstanden werden kann, dass er vielmehr objektiv der gesellschaftlichen Reaktion in die Hände arbeitet." (ebd. S. 268).

Wie absurd und wie anmaßend die Ambitionen der RAF waren, beleuchtet dann zusätzlich der Beitrag von Fetscher.

Interessant wäre die Sicht auf eine Berichterstattung der Medien, bei der "Deutschland im Herbst" - jenseits von realen Gründen - sich in eine "Bürgerkriegspsychose" gesteigert hatte.

Nicht zuletzt, weil von beiden Seiten die Öffentlichkeit instrumentalisiert wurde.

Wenn es möglich ist, würde ich mir aus der Zeit die Schlagzeilen der wichtigsten "Leitmedien" ansehen, um fundiert argumentieren zu können, dass es sich in dieser Phase um eine spezifische Form des Agendasettings gehandelt hatte.

Fetscher, Iring (1981): Die sechs politischen Trugschlüsse des Terrorismus. In: Hermann Glaser (Hg.): Fluchtpunkt Jahrhundertwende. Ursprünge und Aspekte einer zukünftigen Gesellschaft. Band 1. 2 Bände. Frankfurt/M, Berlin, Wien: Ullstein (Ullstein Sachbuch), S. 303–311.
Wellmer; Albrecht (1979): Terrorismus und Gesellschaftskritik. In: Jürgen Habermas (Hg.): Stichworte zur "Geistigen Situation dder Zeit". 1. Band: Nation und Republik (edition suhrkamp), S. 262–293.
 
Menschen, die etwa den Polizeieinsatz anlässlich des Besuchs von Reza Pahlevi kritisierten, bei dem Polizeikräfte unterstützt von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes Sawak Jagd auf friedliche Demonstranten machten, wurden in die Nähe der RAF gerückt und als Sympathisanten verunglimpft. Bei diesem "Polizeistaatsbesuch" des Shahs wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Gutachten von Ärzten wurden gefälscht, Zeugenaussagen manipuliert.
Scorpio? Darf ich mich mal über deine chronologische Verkehrung wundern? Die RAF und die sich mit der RAF ideologisch (und später personell) überschneidende Gruppe Bewegung 2. Juni (letztere mit ihrem Namen Bezug auf den Mord von Kurras an Ohnesorg), wurden erst Jahre nach 1967 gegründet. Die Demonstranten beim "Polizeistaatsbesuch" konnten noch gar nicht in die Nähe der RAF gerückt werden.
 
Ja stimmt, die RAF gab es 1967 noch nicht, einige der Akteure, die bei der Aktion gegen den Polizeichef Albertz beteiligt waren wie Gudrun Enslin wurden durch die Vorfälle um den Tod von Ohnesorg radikalisiert. Die Studenten- und Protestbewegung wurde allerdings vor allem von der Springerpresse extrem verunglimpft, und den Demonstranten, die gegen Reza Pahlevi protestierten und von den Jubelpersern vom Sawak zusammengeschlagen wurde, warf man vor einen Gast der Bundesrepublik beleidigt zu haben.
Was z. B. eine Ulrike Meinhof, die als renommierte Journalistin die Missstände in Fürsorgeeinrichtungen thematisiert hatte, einmal in den Untergrund getrieben hatte, wurde allerdings von einigen Medien ausgeblendet, und in der paranoiden Atmosphäre der 1970er Jahre wurden selbst namhafte Literaten wie Nobelpreisträger Heinrich Böll in die ideologische Nähe von Sympathisanten der RAF gerückt
 
Ich denke, man wird eindeutig sagen können, dass die RAF zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland war.

Ich denke, das kann man so pauschal nicht verneinen. Für mich ist allein die Art der Fahndung ein Indiz dafür, das man die RAF als Gefahrenquelle sah. Allein die Aktion Wasserschlag war schon ein logistisches und kostspieliges Kaliber. Für normale Wald und Wiesen Verbrecher hätte man diesen Aufwand sicherlich nicht betrieben.

Man darf auch nicht vergessen, das die RAF Anfangs durchaus Zustimmung in Studentenkreisen und Teilen der Bevölkerung fand.

Was hätte sich entwickelt, wenn die sich etwas gemäßigter gegeben hätten? Aussagen wie „Polizisten sind Schweine und Schweine darf man erschießen“, sowie die Art ihrer Anschläge und deren Opferzahlen haben doch zu einem Umdenken der Sympathisanten geführt. Hätten die jemanden mit PR Erfahrung gehabt, der dann auch noch Baader und Ensslin in den Griff bekommen hätte,- ja dann wäre es bestimmt für den Staat gefährlich geworden.

Aber im Nachhinein kann man alles konstruieren.

[...]Was z. B. eine Ulrike Meinhof, die als renommierte Journalistin die Missstände in Fürsorgeeinrichtungen thematisiert hatte,[...]

Übrigens denke ich nicht, das Ulrike Meinhof eine renommierte Journalistin gewesen ist. Der Name war doch erst nur in Studentenkreisen bekannt. Erst 1970 mit der „Baader Befreiung“ wurde sie überregional bekannt,- und das nicht als Journalistin, sondern als Terroristin.
 
Übrigens denke ich nicht, das Ulrike Meinhof eine renommierte Journalistin gewesen ist. Der Name war doch erst nur in Studentenkreisen bekannt. Erst 1970 mit der „Baader Befreiung“ wurde sie überregional bekannt,- und das nicht als Journalistin, sondern als Terroristin.
Sie hatte 1961 einen Artikel geschrieben, in dem sie Strauß scharf angriff. Der klagte erfolglos gegen sie. Seitdem war sie auch im Fernsehen mehrfach präsent, wobei dies mehr als politische Aktivistin denn als Journalistin. Also nicht erst mit ihrm Gang in den Untergrund.
 
Sie hatte 1961 einen Artikel geschrieben, in dem sie Strauß scharf angriff. Der klagte erfolglos gegen sie. Seitdem war sie auch im Fernsehen mehrfach präsent, wobei dies mehr als politische Aktivistin denn als Journalistin. Also nicht erst mit ihrm Gang in den Untergrund.

Entschuldigung, das war mir so noch nicht bekannt.
War das der Artikel "So wie wir unsere Eltern nach Hitler fragen, werden wir eines Tages nach Herrn Strauß gefragt werden."?

Ich muss mich wohl in der Tat, mehr mit der Frau beschäftigen. Bislang war sie für mich eher eine Art Randfigur.
Da werde ich wohl in der nächsten Zeit, Tante Google bemühen müssen.
Für den Fall das jemand interessante Artikel von der Meinhof hat, würde ich mich über eine kurze Quelleninfo freuen.
 
Ich denke, das kann man so pauschal nicht verneinen. Für mich ist allein die Art der Fahndung ein Indiz dafür, das man die RAF als Gefahrenquelle sah. Allein die Aktion Wasserschlag war schon ein logistisches und kostspieliges Kaliber. Für normale Wald und Wiesen Verbrecher hätte man diesen Aufwand sicherlich nicht betrieben.

Daß 'man' die RAF als Gefahrenquelle sah, heißt ja noch lange nicht, daß sie auch tatsächlich eine Gefahr war. Und sie war keine Gefahr für den Staat. Wie Scorpio ausführte: für einige Staatsvertreter war die RAF eine Gefahr, nicht aber für den Staat als Ganzes.

Man darf auch nicht vergessen, das die RAF Anfangs durchaus Zustimmung in Studentenkreisen und Teilen der Bevölkerung fand.
Das ist so auch nicht den Fakten entsprechend. Die von der RAF begangenen Anschläge und Morde waren der Bevölkerung nicht vermittelbar und auch in 'Studentenkreisen' nicht. In letzteren wurde aber häufig ein moralisches 'Brecheisen' angesetzt, um Personen zu Unterstützungsleistungen zu bewegen, die diese lieber abgelehnt hätten. Was das Vorgehen betrifft: Nach der Entführung von Schleyer wurde kurzfristig von 'der Bevölkerung' mal anders kommentiert, nämlich: "Wenn die mit dem angefangen hätten...." Mit dem Arbeitgeberpräsident Schleyer hatten viele Arbeitnehmer in der Tat einige Probleme. Der Mord an Schleyer änderte die Situation wiederum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist so auch nicht den Fakten entsprechend. Die von der RAF begangenen Anschläge und Morde waren der Bevölkerung nicht vermittelbar und auch in 'Studentenkreisen' nicht.
Sorry Ingeborg, aber ich denke die Unterstützerszene ist durchaus ein Beweis, das anfänglich durchaus Sympathien dagewesen sind, - und das nicht nur in Studentenkreisen, sondern auch in der Bevölkerung. Es gibt auch einige Netzartikel, die dieses zumindest nicht für abwegig halten.

Ich weiß das Wiki nicht unbedingt ein verbindlicher Beweis ist, aber das ist der einzige der mir auf die schnelle einfällt.
Wikipedia schrieb:
In Teilen der ehemaligen Studentenbewegung, den K-Gruppen und aus anderen Kreisen der Bevölkerung gab es zunächst Sympathien für die Gruppe. Dies äußerte sich etwa in Unterstützungsaktionen und einer weitverzweigten, halblegalen Unterstützer-Logistik, vor allem durch die Rote Hilfe. Auch die Liste prominenter Verteidiger der ersten Generation ist ein Indiz dafür.
Quelle: https://www.wikiwand.com/de/Rote_Armee_Fraktion

Nach der Entführung von Schleyer wurde kurzfristig von 'der Bevölkerung' mal anders kommentiert, nämlich: "Wenn die mit dem angefangen hätten...." Mit dem Arbeitgeberpräsident Schleyer hatten viele Arbeitnehmer in der Tat einige Probleme. Der Mord an Schleyer änderte die Situation wiederum.

Nicht nur der Mord an Schleyer änderte etwas. Das fing schon vorher an, - wie schon gesagt, die ausgewählten Ziele, die Art der Anschläge, die große Anzahl an Opfern und ganz besonders das in Kauf nehmen von "unschuldigen zivilen Opfern". .. Das hat der RAF gewaltig an Akzeptanz gekostet.

Aber ich will hier nichts vom Zaun brechen. ;) Kann ja sein das ich mit meiner Einschätzung daneben liege.
 
Felix Moeller (Sohn von Margarethe von Trotta) hat einen Film mit dem Titel "Symphatisanten" produziert.
In diesem Film kommen u.a. Margarethe von Trotta, deren damaliger Lebensgefährte Volker Schlöndorff, Christof Wackernagel und weitere Personen zu Wort.
Thema: wie weit hieß man die Vorgänge der RAF gut, was war man bereit zu tun (würde man Untergetauchte in die Wohnung lassen, hilft man z.B., in dem man den Ausweis verleiht usw)

Ebenso wird erwähnt, dass das Domizil von Schlöndorff in Italien von der Polizei durch sucht wurde, weil man vermutete, dass die Familie RAF-nahen Personen Unterschlupf gewähren würde.

Christof Wackernagel wählte damals den Weg ins Umfeld der RAF. Er hätte auch als Schauspieler nach Hollywood gehen können.

So gab es sicher Personen, die dachten, "es muss in Deutschland etwas passieren, vielleicht ist der Weg der RAF einer der möglichen." Es gab aber auch sehr viele, die die Gewalt ablehnten.

Meiner Meinung nach war die Stimmung in Deutschland im deutschen Herbst von Angst, Misstrauen und Vorsicht auf jeder Seite geprägt. (allerdings war ich '77 zu jung, um die Situation bewusst mit zu bekommen)
 
Aust (Baader-Meinhof Komplex) schreibt zu Recht, dass die RAF eine Projektionsfläche für viele waren, die mit dem politischen System unzufrieden waren. Daraus ergab sich aber keine gemeinsame Programmatik und noch weniger ein gemeinsamer Handlungsrahmen. Und schon gar nicht ein Ansatz zur "Gefährdung" der Demokratie in der BRD.

In diesem Kontext gab es eine politische Diskussion über "Systemkrisen", "Volksbefreiungsbewegungen" etc., die auch die "Sympathisanten" geführt haben. Und so ergibt sich ein komplexer Diskurs, bei dem sich allerdings die RAF autoradikalisiert hatte.

Mit Verweis auf wichtige Positionsbestimmungen - auch der Linken - durch Fetscher und Wellmer / vgl. #7 (um halbwegs seriöse Autoren mal wieder anzuführen) gab es eine deutliche Ablehnung in der radikalisierten Zuspitzung durch Gewalt bzw. Mord.

Aus diesem Diskurs der Linken über die Zukunft des Kapitalismus ergab sich eine "Systemfrage", aber diese wurde nicht durch die - unsinnigen - Aktionen der RAF virulenter, da sämtliche Voraussetzungen für eine massive Mobilisierung gegen das politische System der BRD nicht gegeben waren.
 
Ich habe bei der Bundeszentrale für politische Bildung noch etwas gefunden:
pbp schrieb:
[...]Der zweite Punkt besteht darin, dass das Kapitel RAF eine Ausnahme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist; weder davor noch danach hat es eine größere Herausforderung der politischen Ordnung gegeben. Schließlich hatte die RAF das Gewaltmonopol des Staates zu brechen versucht und verwarf damit zugleich die Voraussetzungen des Rechtsstaates[...]
Quelle: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/geschichte-der-raf/49194/einleitung

Für mich bestätigt sich damit die These, das man die RAF durchaus als Gefahr sah. Aber wie schon oben geschrieben, kann man im Nachhinein alles mögliche konstruieren.

Für den einen ergibt sich aus der Geschichte, das die RAF eine Gefahr darstellt,- der andere sieht darin eine Gefahr für Personen aber nicht für den Staat.

Aber wer kann denn jetzt beweisen, welche beider Parteien nun recht hat? Ich denke mal, keiner.
 
Noch mal was zu dem obigen Zitat aus der wiki-wand:

So pauschal wie in dem Artikel die K-Gruppen in die Unterstützerszene gestopft werden, ist das nicht nur gegen die Fakten, es ist im Grunde schon Geschichtsklitterei. Die sogen K-Gruppen umfaßten ein sehr breites ideologisches Spektrum: Leninisten, Maoisten, andere waren am kambodschanischen Steinzeitkommunismus orientiert, für wieder andere war Albanien mit Enver Hodscha die Instanz, von der sie siegen lernen wollten undsoweiter.

Bei der RAF handelte es sich - mal plakativ und etwas platt formuliert - um Leninisten mit Knarre.
Da läßt sich eigentlich schon recht gut vorstellen, wieviel Unterstützung es aus den Reihen der K-Gruppen für die RAF geben konnte....
Es sagt ja auch andererseits bereits einiges, wenn zwar in weiten Teilen der Bevölkerung die Einstellung "es muß sich was ändern" vorhanden war - jedoch bei vielen mit dem Zusatz: "aber nicht durch derartige Gewalt". Daß auch ein Teil derer (worüber es jedoch - naturgemäß? - kein belastbares Zahlenmaterial gibt), die Unterstützung geleistet haben (zb Nachtquartier, Ausweis), nur durch Nötigung dazu bewegt werden konnte, sagt auch einiges aus über das Standing, das die RAF in einer breiten linken Szene hatte.

Ich habe bei der Bundeszentrale für politische Bildung noch etwas gefunden:

Quelle: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/geschichte-der-raf/49194/einleitung
Die BP veröffentlicht viele gute und sogar ausgezeichnete Publikationen - was nicht heißt, daß einzelne Angebote nicht auch mal richtig heftige Bolzen enthalten können. Das Zitat oben stellt einen solchen dar: die ausgeübte Gewalt von Rechts und die damit einhergehende Gefahr für den Staat wird nicht wahrgenommen! Die der RAF in der Äußerung zugeschobene Einzigartigkeit beruht nicht auf Fakten, sondern auf ideologischer Verbrämung.

Für mich bestätigt sich damit die These, das man die RAF durchaus als Gefahr sah. Aber wie schon oben geschrieben, kann man im Nachhinein alles mögliche konstruieren.

Für den einen ergibt sich aus der Geschichte, das die RAF eine Gefahr darstellt,- der andere sieht darin eine Gefahr für Personen aber nicht für den Staat.

Aber wer kann denn jetzt beweisen, welche beider Parteien nun recht hat? Ich denke mal, keiner.

Richtig, 'der Staat', sprich seine Vertreter, sahen in der RAF eine Gefahr. Das wiederum heißt NICHT, daß die RAF realiter eine Gefahr darstellte - denn das war sie für den Staat als Ganzes ganz sicher nicht. Diesen Unterschied sollte man erfassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber wer kann denn jetzt beweisen, welche beider Parteien nun recht hat? Ich denke mal, keiner.

Stimmt nicht und sowas kann man wohl auch nur schreiben, wenn man sich mit dem Thema nicht wirklich beschäftigt hat.

Rückblick auf die Zeit in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre und der empirischen Befunde! Also der Fakten, die das damalige Weltbild - auch der Politik - mit strukturiert haben. Zumal diejenigen, die diese Studien geschrieben haben, auch gleichzeitig Politikberatung der Spitzen der Parteien betrieben haben, wie Kaase, Klingemann etc.

1. Es war die Zeit des diagnostizierten Wertewandels und des Aufkommens eines aktiv partizipierenden, demokratiebejahenden Bürgers in den USA und West-Europa. Dem "Post-Materialisten" wie Inglehart es diagnostizierte.

2. Dieser Wertewandel spiegelte sich in einer kritischen Sicht auf Demokratiedefizite in vielen gesellschaftlichen Bereichen, die neben der Politik auch den wirtschaftlichen Bereich und die Hochschulen betrafen, wie Alemann resümiert.

3. Es gibt dabei eine enge Verbindung zwischen dem Aufkommen des Post-Materialismus und unterschiedlichen Formen der Partizipation. Wobei das Aufkommen der "unkonventionellen Partizipation", also auch gewaltbereiter Formen des politischen Protestes, der einzige Ansatz ist, um "eine Gefahr" für das politische System der BRD hätte darstellen zu können.

4. Faktisch hat sich dieser gewaltorientierte Protest in keine Form der Kooperation mit der RAF eingelassen. Und somit ergab sich keine Massenbasis, die die notwendige Voraussetzung für eine revolutionäre Veränderung gewesen wäre (vgl. dazu z.B. Tilly).

5. Stattdessen kann man eine Reihe von subkulturellen Milieus im linksextremistischen Umfeld erkennen, die in vielen Aspekten wenige Gemeinsamkeiten aufweisen, wie die Ergebnisse der Infratest-Studie es deutlich illustrieren. Und diese mangelhafte Homogenität wäre keine Basis gewesen, eine gefestigte Demokratie herauszufordern, die sich auf mehr als 90 Prozent Zustimmung zu ihren demokratischen Prinzipien berufen konnte. Wobei die gravierende Infragestellung der Demokratie in Bonn bereits auch damals - so die Sinus-Studie von 1981 "Wir sollten wieder einen Führer haben" - aus dem rechtsextremen Umfeld kam!!!

6. Dass sich die links-liberale Eliten vom radikalen Protest der Apo und noch deutlicher von der RAF distanzierten und ihnen so die publizistische Unterstützung nicht gewährten, ließ diese extremen Formen des Handelns als nicht mehr legitim erscheinen (vgl. #7). Und nach den Morden ohnehin nicht mehr.

7. Ergo, so konstatiert der Altmeister Wehler: "Die arg strapazierte Problembewältigungskapazität hatte dank einer glücklichen politischen Konstellation im Bonner Entscheidungszentrum und dank der realistischen Handlungsbereitschaft unter schwierigsten Bedingungen zur Bewältigung der Krise ausgereicht." (S. 320)

Es war eine "Krise", die die Bonner Demokratie vor neue Probleme gestellt hatte, die sie problemlos im Rahmen der GG-Vorgaben gelöst hat.

Der Rest an Gerede über "Gefährdung" der Demokratie ist Ideologie und man muss sich fragen, welche Intentionen damit verbunden sind.

Alemann, Ulrich von (Hg.) (1978): Partizipation - Demokratisierung - Mitbestimmung. Problemstand und Literatur in Politik, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft. Eine Einführung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Barnes, Samuel Henry; Kaase, Max (Hg.) (1979): Political action. Mass participation in five western democracies. Beverly Hills, London: Sage Publications.
Infratest Wirtschaftsforschung GmbH (1978): Politischer Protest in der Sozialwissenschaftlichen Literatur. Stuttgart: Kohlhammer.
Infratest Wirtschaftsforschung GmbH (1980): Politischer Protest in der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zur sozialempirischen Untersuchung des Extremismus. 2 Bände. Stuttgart: Kohlhammer.
Inglehart, Ronald (1977): The silent revolution. Changing values and political styles among Western publics.
Tilly, Charles (2014): The politics of collective violence. Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge studies in contentious politics).
Wehler, Hans-Ulrich (2008): Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band, Bundesrepublik und DDR. 1949-1990. 5 Bände. München: Beck.
 
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