...unter uns Pastorentöchtern: ist die Skepsis bzgl. der religiös motivierten Askese so ganz und gar nicht nachvollziehbar? Woher und seit wann kennen wir solche Praktiken??
Sicher ist die Skepsis nachvollziehbar. Mir scheint nur, dass hier auch wieder ein Definitionsproblem vorliegt. Es hat ja niemand die Existenz einer prähistorischen Flagellanten-Sekte postuliert. Letztlich geht es doch nur um die Frage, warum die Bilder oft nicht an die Höhlenwand neben dem Herdfeuer gemalt wurden, sondern ganz bewusst an Wände, die nur durch erheblichen Aufwand erreichbar waren - sei es in Form von Klettertouren oder vorbereitendem Gerüstbau.
Religiös motivierte Askese kommt ja schon deshalb nicht in Betracht, weil man Schamanismus gar nicht als "Religion" begreifen kann. Ist es konsensfähig, wenn wir die Formulierung "religiös motivierte Askese" ersetzen durch "aus spirituellen Gründen selbst auferlegte Mühen"?
ein theologisch-religiöses Motiv solcher Art (Askese, Selbstkasteiung etc.) ist eine geistige Haltung, und wo diese nicht bildlich oder schriftlich fixiert / tradiert ist, da kann man sie nicht nachweisen.
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...oder sachlicher formuliert, da wiederhole ich mich, klingt es nach Rückprojektion (was wir nicht erklären können, das deuten wir mit unseren Motiven))
Nachweisen kann man gar nichts. Weder die These noch das Gegenteil. Man kann nur mehr oder minder begründet vermuten. Ich bin allerdings im Gegensatz zu Dir der Ansicht, dass Rückprojektion in dem Zusammenhang gar nichts verwerfliches ist. Wie schonmal geschrieben, können wir ungezwungen davon ausgehen, dass die Menschen, die vor 25.000 Jahren gelebt haben, uns sehr ähnlich waren. Wir können genauso davon ausgehen, dass sie ähnliche Lösungen für ähnliche Probleme gefunden haben. Oder eben ähnliche Ideen entwickelt haben. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass es praktisch überall auf der Welt Schamanismus gab und gibt.
Dessen prägendes Element ist die Erkenntnis, dass es eine materielle Welt (Fleisch, Knochen, Steine...) gibt, daneben aber auch eine immaterielle: Geist. Ich denke, also bin ich etc. Jenseitsvorstellungen hängen eng damit zusammen. Was passiert mit dem "Geist" eines Mammuts, wenn wir es aufgegessen haben? Oder was passiert mit dem Geist von Kollege Mug-Wumb, wenn das Nashorn ihn umgenietet hat? Dass die Menschen damals die Überreste von Mug-Wumb und seinen Leidensgenossen bestattet haben, betrachte ich als Beweis, dass sie Vorstellungen von Leben und Tod entwickelt und das als Mysterium begriffen haben.
Schamanismus ist der Versuch, dieses Mysterium mangels wissenschaftlicher Erklärungsmöglichkeiten mit "Magie" zu lösen. Es ist der Versuch, mit dem Geist in unsichtbare Bereiche der Welt vorzudringen. Etwa in den Geist von Beutetieren. Oder ins "Jenseits". In so ziemlich allen schamanistisch geprägten Gesellschaften wurden diese "Geistreisen" unter anderem auch mit Praktiken zu ermöglichen, die man überspitzt als "Askese" bezeichnen könnte. Wie gesagt, spielte auch regelmäßig gewisse bewusstseinsverändernde Substanzen eine Rolle. Schon der Steinzeitmann wusste eben: No Dope, no Hope.
Sicher ist es nicht beweisbar, dass Mug-Wumbs Zeitgenossen das auch so gemacht haben. Es erscheint aber plausibel.
Wir sollten die Politik zwingen, in der universitären Ausbildung viel stärker die Unterwasserarchäologie zu fördern. Wenn Du Recht hast, sind dadurch bahnbrechende Erkenntnisse möglich.
feif:
wie ist das denn in nicht künstlich belüfteten Höhlen: wenn man da 1-2-3 Stunden rummalt (oder forscht) und dann die Luft schlecht wird, man rechtzeitig rausgeht: wie lange dauert es, bis man wieder 1-2-3 Stunden drin rummalen oder forschen kann?
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist es bezüglich der zitierten Höhle in Frankreich so, dass die Luft für drei Stunden Arbeit reicht und dass sie sich am nächsten Tag so weit ausgetauscht hat, dass man wieder drei Stunden arbeiten kann. Das wird aber von Höhle zu Höhle verschieden sein. Und es beantwortet nicht die Frage: Warum machte man sich die Mühe, in einer Höhle rumzumalen, in der man sich nur kurzzeitig aufhalten kann? Warum bemalte man nicht lieber ganz entspannt die gemütliche eigene Wohnhöhle?
Der Faktor "selbst auferlegte Mühe" scheint für den Prozess des Malens wichtig gewesen zu sein. Jedenfalls in einigen Fällen. Bekanntlich gibt es ja auch Malerein und Ritzungen an gut zugänglichen Stellen.
MfG