Die Bestimmungen des Versailler Vertrages

Turgot schrieb:
Kamen nicht die entscheidenden Kredite aus den USA?
Stimmt, die Kredite aus den USA in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre waren tatsächlich wesentlich bedeutender als die englischen oder französischen.
 
Das war sehr verständlich! Vielen vielen lieben Dank!
Auch danke an die Anderen fürs Beantworten meiner Fragen. Hat mir sehr weiter geholfen! :yes:

Freut mich sehr das Positive Feedback. Bisweilen hat man ja das Gefühl, wenn hier jemand eine Frage stellt, ob er das überhaupt noch liest (naja, kann ich auch nachvollziehen, ist erst Mal die Arbeit abgegeben oder die Prüfung vorbei, kommt schon das nächste Thema).

Und wenn wir Dir geholfen haben, dass Du Dich inskünftig nicht mehr als "0" in Geschichte bezeichnest, dann freuen wir uns doppelt.
 
Stimmt, die Kredite aus den USA in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre waren tatsächlich wesentlich bedeutender als die englischen oder französischen.

Stimmt, aber die Kausalkette zu den Reparationen ist eine hartnäckige Legende.
Siehe die Analysen von Ritschl.

"Between the return to the Gold Standard in 1924 and the beginning of World War II, the German economy went through a succession of reparation arrangements, which coincided with balance of payment regimes. These were characterised by increasingly tight foreign borrowing constraints and growing levels of debt default. Germany went from being a massive capital importer during the Dawes Plan of 1924-29 to a sudden stop in its current account under the Young Plan of 1929/30"

Die deutsche Geldpolitik sorgte für hohe Zinsen, diese wiederum für ein Zinsgefälle zu den USA und insbesondere zum kurzfristigen Zufluss von US-Krediten an Banken (sic!), Stadtwerken, Kommunen, Ländern. Die deutschen Staatsdefizite waren dagegen überwiegend inlandsfinanziert.

http://cep.lse.ac.uk/pubs/download/dp1155.pdf
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http://dev3.cepr.org/meets/wkcn/1/1649/papers/Ritschl.pdf
Oder die Darstellung:
Schuker, American 'Reparations' to Germany 1919-1933
https://collab.itc.virginia.edu/acc...american-reparations-to-germany-1919-1933.pdf

Siehe auch die umfangreiche Diskussion hier:
http://www.geschichtsforum.de/f63/wieso-hat-amerika-kredite-deutschland-gegeben-44246/
http://www.geschichtsforum.de/376239-post96.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Danach ist deutlich zwischen den eigentlichen Wurzeln der Hyperinflation im Krieg und durch die desaströse Kriegsfinanzierung selbst, und den Ereignissen 1922/23 als Katalysatoren der bereits zerrütteten finanziellen Basis des Deutschen Reiches zu unterscheiden. Wer das nachvollziehen will, und die Wirkungen von denen des Versailler Vertrages und der Reparationsdiskussionen abtrennen will, dem sind ein paar Zahlen und Fakten (auch hier im Forum zu finden) zu den tatsächlichen Reparationsleistungen 1919/23 empfohlen, außerdem eine getrennte Betrachtung der endogenen Abläufe innerhalb der deutschen Nachkriegs-Ökonomie und den Wirkungen der Zahlungsbilanz inkl. Reparationen.
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Nun ja, das eine war, dass man den Zeichnern der Kriegsanleihen, wie auch den anderen, die während des Krieges Geld angespart hatten, nicht sagen wollte: Euer Geld habt Ihr eigentlich falsch investiert - in einen Siegfrieden von uns nämlich. Wieder das andere war, wie man diese aufgestauten Kosten danach verteilt hatte, in der schlechtesten aller möglichen Varianten - in einer Hyperinflation. Zu den Kriegskosten kamen zwar jetzt auch die Reparationskosten, aber die waren eigentlich nicht so erheblich. Dienten aber zum Alibi.

Man hatte ja eigentlich einige Möglichkeiten. Eine wäre gewesen, die Kriegsanleihen auszusetzen (aber mit Zinszahlungen zu bedienen), die Sparguthaben analog ähnlich (d.h. die Gelder wären "da", nicht verloren, wären verzinst worden, konnten aber nicht abgehoben wereden), aber sonst "neu" zu beginnen. Es ware aber mit einem verbunden gewesen: Wir haben den Krieg verloren und nun müssen wir alle dafür zahlen. Das aber wollte man vermeiden. So wurde man gefangen in einer Spirale der Unehrlichkeit, dann noch angefacht mit Spekulation gegen die eigene Währung. Und dann noch der Ruhrkampf.

So kam die Hyperinflation, wo jeder, der Geld hatte, es so schnell wie möglich los wurde. Das kann man durchaus mit einer Totaleskalation in einem Konflikt vergleichen. Sofort, sobald man Geld hatte, wurde es gleich ausgegeben, jeder der konnte, erhöhte die Preise. Auf der Strecke blieb der, dessen Einnahmen nicht dieser Spirale angepasst werden konnte: Lohnempfänger, Rentner. Der Händler, der eine Ware gekauft hatte, konnte sie ja gleich der stündlichen Inflation angepasst weiterverkaufen. Der Lohnempfänger aber, dessen Lohn nicht so schnell nicht angepasst wurde, blieb so auf der Strecke.

Natürlich hätte man dies, wenn man es politisch gewollt hätte, nach dem Ende der Inflation durch Revaluation von Guthaben und Lasten-Steuerausgleich wiedergutmachen können. Wenn die politische Einsicht und der Wille da gewesen wären. Aber die waren nicht da. Stattdessen beschuldigte man einmal mehr Versailles, auch untersützt durch Keynes. Und so nahm das Schicksal (oder um im Goebbelsschen Duktus zu bleiben: die Vorsehung) seinen Lauf.
 
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Es ging nicht so sehr um Demütigung, sondern, insbesondere bei Frankreich, um Sicherheit. Frankreich wollte möglichst eine vollständige große Sicherheit, doch die gibt und gab es nicht. Gerade Frankreich hat es versäumt, man hüte sich aber vor voreiliger Kritik, eine Politik der Versöhnung in die Wege zu leiten.

Immerhin setzte sich Aristide Briand der auch Bestimmungen des Versailler Vertrags kritisierte, für eine Annäherung und Aussöhnung mit Deutschland ein und erhielt 1926 gemeinsam mit Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis.

Stresemann ist übrigens auch ein Beispiel für einen Poltiker, der sofern er überhaupt eine meinung und Überzeugung besitzt, fähig ist diese zu überdenken und revidieren. Während des Krieges trat Stresemann für massive Annexionen ein und war eng mit Ludendorff verbunden.
 
Immerhin setzte sich Aristide Briand der auch Bestimmungen des Versailler Vertrags kritisierte, für eine Annäherung und Aussöhnung mit Deutschland ein und erhielt 1926 gemeinsam mit Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis.

Stresemann ist übrigens auch ein Beispiel für einen Poltiker, der sofern er überhaupt eine meinung und Überzeugung besitzt, fähig ist diese zu überdenken und revidieren. Während des Krieges trat Stresemann für massive Annexionen ein und war eng mit Ludendorff verbunden.

Stresemann würde ich in die Kategorie Realpolitiker einordnen, womit ich aber ihn nicht als Opportunisten bezeichnen möchte. Er hat das getan was vernünftig war, seine ehemaligen rechten Parteigenossen dürften ihn gewiss nicht alle gelobt haben. Wer weiss, wie die Geschichte gelaufen ware, wenn er noch ein paar Jahre länger gelebt hätte.
 
Stresemann war aber nicht bereit mit Polen einen vergleichbaren Versuch der Versöhnung wie mit Frankreich zu unternehmen. Diese Grenze wurde auch nicht anerkannt; hier wurde eine Revision angestrebt.
 
Meine Frage, die ich zu der Abgabe der Handelsflotte habe: Hätte man nicht für den Export Schiffe ausländischer Reeder einsetzten können? Hätte halt bezahlen müssen, vielleicht teurer, aber es wär gegangen oder?
Ich denke, ohnehin lag die Exportwirtschaft erst mal eine Zeit lang darnieder, den die Wirtschaft war auf Kriegsproduktion orientiert. Eine Umstellung auf Export ging wohl eine Zeit
Trotzdem, keine Frage, die Requisition der Handelsflotte, war das falsche Signal, zu Recht auch von Keynes kritisiert.

Das ist ein interessanter Randaspekt der Reparationsfrage, einer, der sich schnell durch die Ablieferung bzw. Herausgabe des Schiffsbestandes klärte.

Wenn Interesse besteht, kann ich dazu aus der Literatur einige Details vorstellen.

Die makroökonomischen Folgen sind mW nie erforscht worden. Zum einen ist der Hinweis von Marek richtig, dass im Prinzip ("theoretisch") anderer Transportraum benutzt werden konnte, und außerdem ist die Exportlage 1919/23 zu beachten. Importseitig entstanden allerdings weitere Abhängigkeiten von ausländischen Handelsflotten. Das alles schlägt sich für die 20er-Jahre in den Zahlungsbilanzen nieder, hier dürfte die Dienstleistungsbilanz negativ beeinflusst worden sein (mit Folgewirkungen auf die Devisenbilanz, diese wiederum auf die Goldbestände bzw. inländische Geldmenge).

Auf der anderer Seite entwickelte sich aus dem Problem ein beachtliches staatliches Beschäftigungsprogramm für die Werftindustrie (möglicherweise einer der größten Vorgänge dieser Art), die mit Subventionen an die Wiederherstellung der Handelsflotte gegangen ist, was bis 1930 im Wesentlichen auf dem postkolonial erforderlichen Niveau auch erreicht worden ist (eine Impulswirkung).

Eine neuere wirtschaftshistorische "Totaluntersuchung" zu dem Thema existiert nicht. Zeitgenössische Äußerungen dazu kann man nach dem rudimentären "Methodenstand" der Nationalökonomie zwar empirisch verwerten, die sind aber mE darüber hinaus insbesondere in Schlußfolgerungen und in der Beschreibung von Wirkungsketten nahezu wertlos.
 
Das ist ein interessanter Randaspekt der Reparationsfrage, einer, der sich schnell durch die Ablieferung bzw. Herausgabe des Schiffsbestandes klärte.

Wenn Interesse besteht, kann ich dazu aus der Literatur einige Details vorstellen.

Die makroökonomischen Folgen sind mW nie erforscht worden. Zum einen ist der Hinweis von Marek richtig, dass im Prinzip ("theoretisch") anderer Transportraum benutzt werden konnte, und außerdem ist die Exportlage 1919/23 zu beachten. Importseitig entstanden allerdings weitere Abhängigkeiten von ausländischen Handelsflotten. Das alles schlägt sich für die 20er-Jahre in den Zahlungsbilanzen nieder, hier dürfte die Dienstleistungsbilanz negativ beeinflusst worden sein (mit Folgewirkungen auf die Devisenbilanz, diese wiederum auf die Goldbestände bzw. inländische Geldmenge).

Auf der anderer Seite entwickelte sich aus dem Problem ein beachtliches staatliches Beschäftigungsprogramm für die Werftindustrie (möglicherweise einer der größten Vorgänge dieser Art), die mit Subventionen an die Wiederherstellung der Handelsflotte gegangen ist, was bis 1930 im Wesentlichen auf dem postkolonial erforderlichen Niveau auch erreicht worden ist (eine Impulswirkung).

Eine neuere wirtschaftshistorische "Totaluntersuchung" zu dem Thema existiert nicht. Zeitgenössische Äußerungen dazu kann man nach dem rudimentären "Methodenstand" der Nationalökonomie zwar empirisch verwerten, die sind aber mE darüber hinaus insbesondere in Schlußfolgerungen und in der Beschreibung von Wirkungsketten nahezu wertlos.

Interesse besteht. Aber es ist in der Tat, nur ein Teilaspekt. Was mich in der Bewertung des Versaller Vertrags interessiert, inwieweit es der Deutschen Wirtschaft möglich war, diese zu erfüllen. Mein Verdacht ist, dass man sich von Deutscher Seite zu sehr darauf versteift hat, zu beweisen, die Ungerechtigkeit oder Unerfüllbarkeit des Vertrags unter Beweis zu stellen, statt sich darauf zu fokussieren, die Wirtschaft flott zu kriegen und den Vertrag dann quasi en passant zu erfüllen.
 
Interesse besteht. Aber es ist in der Tat, nur ein Teilaspekt. Was mich in der Bewertung des Versaller Vertrags interessiert, inwieweit es der Deutschen Wirtschaft möglich war, diese zu erfüllen. Mein Verdacht ist, dass man sich von Deutscher Seite zu sehr darauf versteift hat, zu beweisen, die Ungerechtigkeit oder Unerfüllbarkeit des Vertrags unter Beweis zu stellen, statt sich darauf zu fokussieren, die Wirtschaft flott zu kriegen und den Vertrag dann quasi en passant zu erfüllen.

"Das grosse Versäumnis der Deutschen Politik nach 1918 war es, Versailles für alles schlechte verantwortlich zu machen statt sich der eigenen Verantwortung für das, was man gemacht hatte, aber auch das, was man nach 1918 tat, bewusst zu werden.​

Ich hoffe das war verständlich."​

Diese Bewusstwerdung setzt die Erkenntnis voraus, dass der im August 1914 im deutschen Volk aufgekommene Ausdruck ein rückwärtsgewandter gewesen ist, mit dem das geschichtlich überholte in die Kriegs-Gegenwart transportiert wurde, der, nach dem Ende des 1. WK beispielsweise mit Worten wie „Friedensdiktat“ sich zur Sprache gebracht. Frühjahr 1919 wurde beispielsweise in München versucht, die deutsche Wirtschaft als Planwirtschaft zu gestalten. Der Wiener Marxist Otto Neurath und Walter Rathenau, der als Leiter der Rohstoffabteilung im Kriegsministerium mit der Planwirtschaft bereits Erfahrung gesammelt, fanden sich in München ein. Ausgegangen wurde davon, dass in Russland die Planwirtschaft sich entwickeln werde. Diese in Deutschland begonnene Verwirklichung der von Räten getragenen Planwirtschaft, mit der zugleich auf ein außenpolitisches Bündnis mit Russland gesetzt wurde, ist mit der blutigen Niederschlagung der Räterepublik beendet worden.

Seit April 1919 stand in Deutschland nicht mehr die Planwirtschaft auf der politischen Tagesordnung, sondern beispielsweise zunehmend das Frankreich anklagende moralische Geschrei, beispielsweise die einseitig an Frankreich sich orientierende SPD-Außenpolitik und im Inneren der von der SPD-Regierung eingeleitete Rechtsdrift der WR, mit dem die Ökonomie unangetastet geblieben. Jenen Rechtsdrift dem auf der Bühne des Parlamentarismus, beispielsweise von Frühjahr bis Herbst 1922 mit einer Koalitionspolitik des linken Flügels des Zentrum (Wirth-Rathenau-Rapallo) und Sozialisten der Wind aus den Segeln nicht genommen werden konnte.

Diesen Räterepublikanischen und Planwirtschaftlichen Trägern der deutschen Umbruchszeit zeichnet beispielsweise die Erkenntnis aus, dass, beginnend August 1914 die historischen bürgerlichen Demokratien und die historische bürgerliche Ökonomie ihre Begrenztheit an den Tag legten. Jenseits von deutschen Moral-Geschrei, von Schuldzuweisung im Politischen (und Ökonomischen) wurde versucht, wenn auch nur in einem kurzen Zeitraum des Frühjahres 1919, eine Innen- und eine ausgewogene Außenpolitik sowie eine Wirtschaftsausrichtung in Deutschland auf dem Weg zu bringen, mit der souverän erfüllt werde. Politik und Ökonomie, die mit jenem moralisch-antiwestlichen Sprachgebrauch nicht operierte, der dann in der WR, beispielsweise im Ruhrkampf, verstärkt aufgetreten ist. Die deutsche Wirtschaft, genauer die deutsche Schwerindustrie, näherte sich nach dem Ruhrkampf dem zuvor bekämpften Frankreich, um von den Reparationszahlungen - innenpolitisch weiterhin auf die Nation, das Nationale, setzend -, sich praktisch zu entlasten. Entlastung mit der die entsprechenden sozialen Milieus der WR belastet worden. Belastung, die von der deutschen Innenpolitik getragen wurde, die den an Frankreich orientierten Kurs der deutschen Schwerindustrie unangetastet gelassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ein interessantes Zitat von Llyod George vom 26.März 1919:

"Ich bin überzeugt, dass die Deutschen die Vorschläge, die wir haben, nicht unterzeichnen werden. Ich würde das an ihrer Stelle auch nicht tun. Deutschland wird zum Bolschewismus übergehen. Europa wird mobilisiert bleiben, unsere Industrien still stehen, unsere Staaen werden bankrott gehen und man wird zurecht sagen, das wir daran schuld sind, weil wir es nicht verstanden haben, Frieden zu schließen. (1)

(1) Les delierations du Conseil des Quatre, 24 mars-28 juin 1919, Paris 1955, Bd.1, S.28f
 
Das waren die Befürchtungen, scharf zusammengefasst.

Es wurde dann unterzeichnet, das Deutsche Reich erlebte keine "bolschewistische" Revolution, man arrangierte sich später außenpolitisch in den Reparationsfragen und bei der Eingliederung Deutschlands in den Völkerbund, schloss Anti-Kriegs-Verträge, aber versagte beim "Ostpakt".

Brüning und seine Vorgänger schwächten die Reparationen erheblich ab, die Früchte erntete allerdings der NS. Dazwischen kamen die Existenzängste der WWK, und die innenpolitische Demagogie des NS, der auf diesen Vertrag und die demokratischen Parteien noch fanatisch eindrosch, als sich die Versailler Ordnung bereits in den Auflösungsjahren befand.
 
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Stimmt das wirklich, dass der deutsche Kaiser als Kriegsverbrecher dargestellt wurden und das er ausgeliefert werden sollte?

Nur mal ein kleiner Hinweis nebenbei: Diese Forderung hat es tatsächlich gegeben. Allerdings war Wilhelm II. zu dem Zeitpunkt schon im Exil in den Niederlanden und Deutschland hätte ihn faktisch gar nicht ausliefern können. Und die niederländische Regierung lehnte seine Auslieferung ab.
 
Das ist ein (auch unter den Allierten) umstrittener Vorgang gewesen, der nicht nur juristisch, sondern auch politisch geprägt war.

Es ging hierbei um die Auslieferungsliste. Grundlage für die Auslieferungsgesuche an die Niederlande war zunächst einmal, ihn auf die Liste gegenüber dem Deutschen Reich zu nehmen. Die diplomatischen Noten an die Niederlande scheiterten, mangels Abdeckung durch bestehende Auslieferungsabkommen und mangels völkerrechtlicher Geundlage.

Der Vorgang war nicht nur umstritten (vom Deutschen Reich mal abgesehen), sondern auch juristisch höchst kompliziert.

Die Fragen werden zB bei Schwengler, Völkerrecht, Versailler Vertrag und Auslieferungsfrage, sowie in einem Kapitel bei Hankel, Leipziger Prozesse behandelt.

Eine engagiertes Memo (weitgehend übereinstimmend mit der heutigen völkerrechtlichen Beurteilung) gegen die Auslieferung schrieb übrigens ein Diplomat von Honduras, während der Pariser Vertragsitzungen.

Wenn man über den Sinn urteilt, muss man außerdem die unterschiedlichen Rechtstraditionen in Kontinentaleuropäer und im angelsächsischen Raum beachten. Es gab zu Wilhelm II. eine interessante fachliche Umfrage unter nicht befassten US-Richtern 1919, die erhellt einiges zu diesem juristischen Problem.

Dass der Versuch, Wilhelm II. anzuklagen, mehr politisch als völkerrechtlich begründet war (-> Hankel), sollte allerdings darüber hinwegsehen lassen, dass speziell im Fall Belgien eine Aggression Jahrzehnte geplant dann 1914 durchgeführt worden ist, und sich mit Kriegsverbrechen in Belgien beim Einmarsch und der Verschleppung von Zivilisten sowie in der Ausbeutung der Versorgung während des Krieges vermischte. Es war daher auch gerade nachvollziehbar Belgien, welches die Auslieferung der politischen Spitze verlangte, und speziell dieses in der Person von Bethmann-Hollweg realisieren wollte (wieweit dieser nun "schuldig" nach der belgischen Sicht war, sei mal dahingestellt - das sollte ohnehin nach Ansicht Belgiens dann ein rechtsstaatlicher Prozeß klären).
 
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Der Versailler Vertrag war ein Kompromiss zwischen den Siegermächten. Den Franzosen ging er nicht weit genug: Sie sahen 1918/19 die einmalige Chance, Deutschland auf Dauer zu schwächen. Denn der mächtige Nachbar östlich des Rheins war größer und in Paris fürchtete man, dass ein wiedererstarktes Deutschland bald eine Revanche anstreben würde.


Die Engländer waren ebenfalls daran interessiert, die Machtstellung Deutschlands zu beeinträchtigen, aber gleichzeitig war das Land in der Mitte des Kontinents wichtig als Stabilitätsfaktor.


Der amerikanische Präsident Wilson musste seinen Verbündeten weit entgegenkommen.


Silesia hat bereits darauf hingewiesen: Der Vertrag ist eine Sache; seine Wahrnehmung in Deutschland eine andere.


Die Gebietsabtretungen hätten bei nüchterner Betrachtung zu der Erkenntnis geführt, dass die deutsche Außenpolitik neue Freiräume gewonnen hätte. In Elsass-Lothringen konnte die deutsche Verwaltung nie viel Sympathie gewinnen; außerdem belastete die Annexion der beiden Länder seit 1871 das Verhältnis zu Frankreich (wenn es auch zeitweise zu einer Entkrampfung kam).Also auch eine Chance für einen Neubeginn, wenn der Pulverdampf mal verflogen wäre.


Der Verlust der Kolonien führte dazu, dass Berlin nicht mehr in internationale Konflikte zwischen England, den USA und Frankreich hineingezogen werden konnte.


In Deutschland hatte man im Oktober 1918 die dritte Wilsonnote falsch interpretiert. Außerdem informierten die Militärs im Oktober 1918 die Reichstagsabgeordneten zum ersten Mal über den Ernst der Lage. Nicht nur für Alldeutsche hatten Probleme, die Niederlage einzusehen: Da standen deutsche Truppen im Westen und im Osten auf feindlichem Gebiet, und auch wenn es an der Westfront seit Sommer 1918 Rückschläge gegeben hatte – mit so einer katastrophalen Lage rechnete niemand.


Auch die Art und Weise, in der in Versailles „verhandelt“ wurde, machte deutlich, dass Deutschland gedemütigt werden sollte. Verhandlungen waren das nicht.


In den Jahren zwischen 1919 und 1923 machten beide Seiten – die Siegermächte und Deutschland – schwere Fehler. Frankreich hielt den Druck aufrecht, denn die Höhe der Reparationen musste ja noch ausgehandelt werden. Die Phase der Demütigungen für Deutschland war noch nicht vorbei.


In Berlin fehlte es meines Erachtens an einer klugen Außenpolitik, so wie sie Gustav Stresemann zwischen 1923 und 1929 betrieb. Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass jeder deutsche Politiker des Zentrums, der DDP oder der Sozialdemokratie, der sich zur „Erfüllungspolitik“ bekannte, sein Leben aufs Spiel setzte.


Der Versuch der deutschen Regierung, die Inflation schon 1922 als Waffe im Kampf gegen die Reparationen zu benutzen, entpuppte sich als Fehler.


Doch ebenso naiv war der Versuch der Alliierten, die deutschen Streitkräfte auf 100 000 Mann im Heer und 15 000 Mann bei der Marine zu begrenzen. Die Rüstungskontrolle, bis 1927 im Amt, vermutete immer, dass die Deutschen die Rüstungsbestimmungen unterliefen.


Doch machen wir uns eines klar: Hätte Deutschland den Krieg gewonnen, wäre ebenfalls ein ungerechter Frieden geschlossen worden.
 
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