Die DDR - Staat der Arbeiter und Bauern oder Diktatur?

Barbarossa

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Liebe Forumsmitglieder!
In vielen Pfaden ist mir aufgefallen, daß die Diskussionen über DDR-Themen oft schon an den Definitionen scheitern, was denn nun Revolution oder Konterrevolution sei, oder Demokratie oder Diktatur usw. usf. Ich möchte diese Diskussion eröffnen mit zwei Zitaten, um anhand dieser Zitate, so sie denn zutreffen (Wieger wird bestimmt darauf eingehen :winke:) auf den wirklichen Charakter des Staates "DDR" schließen zu können.

1.) Diktatur des Proletariats: polit. Herrschaft der Arbeiterklasse (AK), die im Ergebnis des polit. Sieges der sozialist. Revolution errichtet wird. Die D. wird durch die führende Rolle der AK u. ihrer marxist.-leninist. Partei charakterisiert u. ist eine spezif. Form des Klassenbündnisses der AK mit anderen werktätigen Klassen u. Schichten, vor allem der werktätigen Bauernschaft; sie ist eine allg. Gesetzmäßigkeit der sozialist. Revolution u. des sozialist. Aufbaus. Die D. ist die Fortsetzung des Klassenkampfes der siegreichen AK in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, gegen die besiegte, aber noch existierende Bougeoisie, die in dieser oder jener Form versucht, ihre Macht wieder zu errichten. Die D. ist aber nicht nur u. nicht in erster Linie Gewaltanwendung. Ihr entscheidender Wesenszug ist die schöpfer., aufbauende Arbeit, die Schaffung sozialist. Produktionsverhältnisse, die durch kameradschaftliche gegenseitige Hilfe u. Zusammenarbeit gekennzeichnet ist. Vor allem ergibt sich die Notwendigkeit der D. daraus, daß die AK u. ihre marxist.-leninist. Partei die schöpfer. Initiative der Volksmassen für den sozialist. Aufbau freisetzen, sie führen u. organisieren müssen. Mit dem Sieg der sozialist. Produktionsverhältnisse u. der Gestaltung der entwickelten sozialist. Gesellschaft tritt die Untrdrückungsfunktion der D. mehr u. mehr in den Hintergrund; ihre organisierende, gestaltende u. erzieher. Rolle wird immer bedeutungsvoller. Der sozialist. Staat selbst entwickelt u. festigt sich ständig. "Er ist das Hauptinstrument der von der AK geführten Werktätigen bei der Gestaltung der entwickelten sozialist. Gesellschaft u. auf dem Wege zum Kommunismus" (Programm der SED). Er dient der Lösung der wirtschaftl.-organisator. u. kulturell-erzieher. Aufgaben. Mit der Entstehung u. Festigung des sozialist. Weltsystems hat der internat. Charakter der D. eine neue Qualität erhalten. Sie findet ihren Niederschlag vor allem im RGW u. im Bündnis der Warschauer Vertragsstaaten. Die Anerkennung des zutiefst dem Charakters der D. für die Werktätigen ist das entscheidende Kriterium für den revolut. Charakter u. die Wissenschaftlichkeit der Theorie u. Politik der Arbeiterparteien.
Zitat: Weltgeschichte Teil 2 (1979)

2.) Diktatur [lateinisch] die, Herrschaftsform mit unbeschränkter Macht einer Person oder Gruppe; besonders als Gegensatz zur Demokratie verstanden. Zu unterscheiden sind: 1) die vorübergehende Vereinigung außerordentlicher Machtbefugnisse zur Überwindung von Notlagen (Notstandsdiktatur); sie erlaubt Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung; 2) die dauernde Konzentration der gesamten Macht in der Hand eines Einzelnen oder einer Gruppe, häufig mit ideologischer Begründung (eigentliche Diktatur). – Die Diktatur als Dauerherrschaft ist verbunden mit der Unterdrückung der Opposition, der Aufhebung der Gewaltenteilung, der Ausschaltung oder Behinderung der Öffentlichkeit bei der Kontrolle politischer Macht sowie der weitgehenden Einschränkung der verfassungsmäßigen Grund- und Mitwirkungsrechte der Bürger. Sie stützt sich meist auf eine Partei, auf das Militär oder das Proletariat. Die national- und sozialrevolutionären Bewegungen des 20. Jahrhunderts (Faschismus, Nationalsozialismus, Kommunismus) entwickelten die Form der totalitären Diktatur (Totalitarismus).
Definition: Diktatur - Meyers Lexikon online

Meine Fragen nun dazu, die möglichst der Reihe nach abgearbeitet werden sollten:

1.) Sind diese Zitate noch aktuell? (Vor allem das über die Diktatur des Proletariats)

Und wenn 1.) geklärt ist:

2.) War nach den aktuellen Definitionen die DDR nun ein Staat der Arbeiter und Bauern (Diktatur des Proletariats) oder eine Diktatur nach Zitat 2.2?
 
Mir scheint, ich muß hier wohl einen auf Alleinunterhaltung machen?
:S
Hab noch was gefunden zum Begriff der "Diktatur des Proletariats":

"...Das Ergreifen der politischen Macht durch das Proletariat ist der Ausgangspunkt seiner Revolution, der Hebel, mit dem es Zug um Zug das Wirtschaftsleben der Gesellschaft umwandeln wird, mit der Perspektive der Abschaffung aller Ökonomie. “Die Revolution überhaupt - der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse - ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg. (Marx, Kritische Randglossen, 31.7.1844)

Da der Kapitalismus seine ökonomische Basis bereits vor der bürgerlichen Revolution geschaffen hatte, war Letztere im Wesentlichen politisch. Die Revolution des Proletariats beginnt im Gegensatz dazu mit einem politischen Akt, der die Entwicklung nicht nur der ökonomischen Aspekte, sondern auch und vor allem ihrer gesellschaftlichen Aspekte bedingt.
Somit sind die Arbeiterräte keineswegs Organe des “Selbstmanagements”, Organe für das Management der kapitalistischen Wirtschaft (d.h. des Elends). Sie sind politische Organe, deren vorrangige Aufgabe es ist, den kapitalistischen Staat zu zerstören und die proletarische Diktatur auf Weltebene zu errichten. Doch sie sind auch Organe für die ökonomische und soziale Umwandlung der Gesellschaft, und dieser Aspekt macht sich von Anbeginn des revolutionären Prozesses bemerkbar (Enteignung der Bourgeoisie, Organisierung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung etc.). Mit der politischen Niederlage der Bourgeoisie kommt die ökonomische und soziale Dimension immer mehr zur Geltung."
Zitat aus: Kommunismus IV | Internationale Kommunistische Strömung

Der von mir dick hervorgehobene Teilsatz hat mir zu denken gegeben, denn: Muß es zur Errichtung einer "Diktatur des Proletariats auf Weltebene" nicht auch bereits ein weltweit existierendes Proletariat geben? Das scheint mir für 1917 aber nicht zutreffend zu sein. Kam die Revolution (rein von der Logik her und aus kommunistischer Sicht gesehen) vielleicht etwa 50-100 Jahre zu früh?
:grübel:
 
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Machs doch kürzer:
- der Kommunismus wollt den Himmel auf Erden erschaffen.
- das Paradies auf Erden erschaffen.
Beides durch Gleichschaltung der individuellen Vielfältigkeit der Natur (hier Mensch).
Ob alte Definitionen (wie die "werktätigende Bauernschaft") überholt seien, ist doch eh überflüssig. Niemand will eine Diktatur des Proletariats haben. Selbst die sogenannten Linken nicht.
Und damals hat man mit Theorien die Leute zu gespastet, die Wirklichkeit sah doch anders und höchst erbärmlich aus.
 
Der von mir dick hervorgehobene Teilsatz hat mir zu denken gegeben, denn: Muß es zur Errichtung einer "Diktatur des Proletariats auf Weltebene" nicht auch bereits ein weltweit existierendes Proletariat geben? Das scheint mir für 1917 aber nicht zutreffend zu sein. Kam die Revolution (rein von der Logik her und aus kommunistischer Sicht gesehen) vielleicht etwa 50-100 Jahre zu früh?
:grübel:
Als man in Russland die Taktik der Revolution ausarbeitete, bestand das Proletariat dort nur aus wenigen Prozent. Das Ziel hätte eigentlich eine Bauernrevolte sein müssen. Da man aber erkannte, dass dem Proletariat eines Tages die Zukunft gehört (historischer Materialismus;)), weil diese Klasse vor der Revolution die einzige Klasse ohne Privatbesitz an Produktionsmitteln ist, wurde die Arbeiterklasse als die führende Klasse im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft erwählt. Und der Umsturz gelang, überstand die Intervention,den Bürgerkrieg und den Vaterländischen Krieg. Das Elend der Ausbeutung und Unterdückung war so groß, dass es selbst das vielgeprüfte russische Volk zur Revolution trieb. Erstaunlich ist nur, dass in den entwickelten Industrieländern Europas, wo das Proletariat zahlenmäßig viel größer und gesellschaftlich besser organisiert war, als in Russland, die Revolution ausblieb, bzw. in den Anfängen steckenblieb. Ich glaube, da wäre 50 Jahre später oder heute auch nicht viel mehr passiert.
Etwas anderes ist es jetzt, wenn die Globalisierung um sich greift. Globalisierung heißt, der Lebensstandard der Völker wird sich nicht an den Unseren anpassen, sondern nach und nach wird auch die Mehrzahl der Einwohner des Abendlandes verelenden. Dann steht die Frage einer weltweiten Erhebung völlig neu. Und dann ist auch der Frieden in Gefahr ...

Man möge mir verzeihen, wenn ich nicht so mit Links dienen kann. Dadurch werde ich immer etwas ungenau bleiben, das ist mein Dilemma. Mein Wissen ist angelesen und vielfach selbst erlebt und kommt demnach aus mir selbst.
 
Erstaunlich ist nur, dass in den entwickelten Industrieländern Europas, wo das Proletariat zahlenmäßig viel größer und gesellschaftlich besser organisiert war, als in Russland, die Revolution ausblieb, bzw. in den Anfängen steckenblieb.
Erstaunlich ist das nur, wenn man die marxistische Sicht zugrunde legt.
Man könnte auch sagen:
Das hartnäckige Ausbleiben der vorausgesagten Revolution widerlegt Marx ganz zentral.

Auch in Rußland kann man ja nicht davon sprechen, dies wäre eine Revolution à la Marx gewesen - nicht nur fehlt weitgehend die Arbeiterschaft, es war auch eher ein Putsch einer kleinen Gruppe in einer chaotischen Situation in einem kriegsgeschwächten Land.

Globalisierung heißt, der Lebensstandard der Völker wird sich nicht an den Unseren anpassen,
Globalisierung heißt erst einmal recht neutral, daß Grenzen unwichtiger werden, Personen und Waren freier reisen können und die Regionen durch moderne Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten zusammenwachsen.

Was daraus weiter folgen wird, ist tagespolitisch heftig umstritten und daher nicht Thema hier im Forum.

Für den bisherigen Verlauf kann man aber eindeutig feststellen, daß von einer "Verelendung" nirgendwo die Rede sein kann, sondern bisher die Globalisierung in jedem teilnehmenden Land zu deutlichem Wohlstandszuwachs geführt hat.
Man müßte also schon sehr ausführlich begründen, warum man hier ein Kippen des langfristigen Trends erwartet.
 
Erstaunlich ist nur, dass in den entwickelten Industrieländern Europas, wo das Proletariat zahlenmäßig viel größer und gesellschaftlich besser organisiert war, als in Russland, die Revolution ausblieb, bzw. in den Anfängen steckenblieb. Ich glaube, da wäre 50 Jahre später oder heute auch nicht viel mehr passiert.

Das könnte aber einfach auch an der Auseinandersetzung mit den Marxschen Thesen liegen. Die Einführung der Sozialgesetzgebung unter Bismarck bis zum Prinzip der Sozialen Martkwirtschaft in der Bundesrepublik in den 1950er sind doch Antworten auf die Soziale Frage, die durch die Industrielle Revolution in den Fokus kam und die Marx eben auf seine Art reflektierte. Die Regierenden haben Marx eben auch gelesen und zogen aus Teilen seiner Lehren Konsequenzen.
Wenn heute noch jemand 60 Stunden und mehr von Montag bis Samstag ohne jegliche Absicherung schwere körperliche Arbeit für einen Hungerlohn leisten müsste, dann würde er in Europa sicher auf die Barrikaden gehen.

Zur Frage:

Ich weiss ehrlich nicht, was mit dieser Frage bezweckt wird.:(

Die DDR war ein totalitärer Staat, der seiner Bevölkerung vorgab ein Staat der Arbeiter und Bauern zu sein. Aber das die Bevölkerung dies anders sah, erkennt man an den noch freien Wahlen in den ersten Jahren in der SBZ in denen die SED auf keinen grünen Zweig kam, dem Aufstand 1953 und der Massenflucht bis zum Bau der Mauer im Jahre 1961. Und der Repression gegen die eigene Bevölkerung.

Die DDR war ganz klar eine Diktatur nach 2.2, da genau das Beschriebene gegeben war:
Die dauernde Konzentration der gesamten Macht in der Hand eines Einzelnen oder einer Gruppe, häufig mit ideologischer Begründung (eigentliche Diktatur). – Die Diktatur als Dauerherrschaft ist verbunden mit der Unterdrückung der Opposition, der Aufhebung der Gewaltenteilung, der Ausschaltung oder Behinderung der Öffentlichkeit bei der Kontrolle politischer Macht sowie der weitgehenden Einschränkung der verfassungsmäßigen Grund- und Mitwirkungsrechte der Bürger.
 
Als man in Russland die Taktik der Revolution ausarbeitete, bestand das Proletariat dort nur aus wenigen Prozent. Das Ziel hätte eigentlich eine Bauernrevolte sein müssen.

Die Bauernrevolte fand auch statt. Allerdings gegen die Bolschewiki! =)
 
Also ich bin ziemlich zwiegespalten! Einerseits ist richtig das die Grundrechte der einzelnen Bürger stark beschnitten wurden. Andererseits bin ich der Auffassung, dass natürlich gerade die Bürger den Staat mitgeprägt haben. Das die Bürger an der Diktatur nicht mitgewirkt hätten kann man doch nun nicht behaupten. Demzufolge sehe ich die Diktatur des Proletariats nicht als totalitäre Diktatur an sondern als autoritäre Diktatur in denen den Menschen durchaus Mitgestaltungsrechte eingeräumt wurden, freilich in den vorgegebenen Bahnen der Partei. Ausserdem wird hier Die Erhaltung des Status quo angestrebt, was für die autoritäre Diktatur spricht. Punkt 1. ist daher zutreffend, d.h. die Partei hat hier versucht erzieherisch, organisatorisch, sowie gestalterisch aufzutreten, mE. also nicht veraltet und überholt. Das die Bestrebungen der Partei letzten Endes nicht von Erfolg gekrönt war, ändert am Wesen nach nichts.

Meinen Ausführungen folgend, muss die Antwort auf die 2. Fragestellung eindeutig mit Nein beantwortet werden.
 
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Das könnte aber einfach auch an der Auseinandersetzung mit den Marxschen Thesen liegen. ...
Die Regierenden haben Marx eben auch gelesen und zogen aus Teilen seiner Lehren Konsequenzen.
M. W. haben Bismarck und die übrigen Regierenden Marx nicht gelesen.
Und ich bezweifele auch, daß sie sich mit seinen Thesen auseinandergesetzt haben.
Sie haben ganz realpolitisch auf die Probleme ihrer Zeit reagiert, und dabei machtpolitisch natürlich darauf geachtet, z. B. der SPD inhaltlich das Wasser abzugraben.

Die theoretische Marx-Grundlage, die bei Sozialdemokraten und/oder Gewerkschaftern in verschiedenem Ausmaß eine Rolle gespielt hat, wird der Regierung egal gewesen sein - es ging um konkrete Themen wie Renten- oder Krankenversicherung.

Ansonsten stimme ich Deinem Beitrag voll zu.
 
Getreu dem Marxismus-Leninismus erhob die SED einen absoluten Herrschafts- und Führungsnaspruch, der vom Kriegsende bis zum Dezember 1989 galt. Das von der SED praktizierte herrschaftssystem war totalitär, denn die "Einheitspartei der Arbeiterklasse" suchte, gestützt auf die Ideologie des Marxismus- Leninismus bzw. dessen stalinistische Spielart, die Bürger gleichmäßig zu formen, zu beeinflussen und in das propagierte Gesellschaftsideal des Sozialismus zu integrieren. Dabei griff sie auch auf repressive Maßnahmen zurück, wie sie in allen Staaten mit totalitären Systemen üblich sind.

Die totalitäre Herrschaft bzw. Diktatur der SED wurde auch durch die Blockpolitik nicht begrenzt, sondern eher kaschiert und damit perfektioniert. Die enge Verflechtung von Staats- und Parteiapparat sorgte zusätzlich für die Durchsetzung der Beschlüsse der Partei. Kennzeichnend für die Diktatur war auch das Fehlen einer Gewaltenteilung und die höchst begrenzte Geltung allgemein gültiger Rechtsnormen. Das machte die Bürger vom Wohlwollen der Machthaber abhängig und erzwang Wohlverhalten und Anpassung in vielen Angelegenheiten des Alltags. Die Massenmedien realisierten täglich das Meinungsmonopol der SED. Alle Teilbereiche der Wirtschaft wurden nach ideologischen Vorgaben direkt durch die SED angeleitet oder überwacht.

Im Rückblick muss die SED-Herrschaft als ein importiertes totalitäres Regime interpretiert werden, welches völlig von der sowjetischen Führung abhängig war, deren politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kursänderungen ihren Niederschlag in der DDR fanden.

In ihrem Statut definierte sich die SED als führende Kraft im "einheitlich revolutionären Prozess", der "die antifaschistisch-demokratische Umwälzung durchgeführt und die sozialistische Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik zum Siege geführt" hat. In ihrem Parteiprogramm von 1976 bezeichnete es die SED als wichtige Aufgabe, "die Arbeiterklasse und alle Werktätigen mit den revolutionären Ideen des Marxismus-Leninismus auszurüsten". Das System der DDR wurde als Ergebnis der "siegreichen sozialistischen Revolution" und insbesondere der "revolutionären Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse" sowie als Form der "Diktatur des Proletariats" dargestellt.

Von der "Proletarischen Revolution" hatte man sich in Wirklichkeit jedoch längst verabschiedet, denn es herrschte nicht das "Proletariat", sondern eine bürokratische Funktionärskaste, die keine Revolution, sondern ihren Machterhalt erstrebte.
 
Seldschuk schrieb:
Das die Bürger an der Diktatur nicht mitgewirkt hätten kann man doch nun nicht behaupten. Demzufolge sehe ich die Diktatur des Proletariats nicht als totalitäre Diktatur an sondern als autoritäre Diktatur in denen den Menschen durchaus Mitgestaltungsrechte eingeräumt wurden, freilich in den vorgegebenen Bahnen der Partei.
Dazu muß ich einschränkend sagen, daß es eine gewisse Mitbestimmung gab, jedoch - soviel ich weiß - nur auf dem Gebiet der Produktion. Man nannte das damals "Neuererbewegung", wo man als Arbeiter Vorschläge zum Bereich der Produktion machen konnte, wie man Produkte besser, billiger oder/und schneller herstellen konnte. Diese Vorschläge wurden dann geprüft und wenn sich der gewünschen Effekt voraussichtlich zu erwarten war, wurde er auch angenommen.
Im Bereich der Politik war jedoch nach meinem Erleben die Möglichkeit der Mitbestimmung gleich null. Da hieß es tatsächlich nur: einer redete, die anderen nickten alles ab - jedenfalls nach außen hin. Einmal habe ich auch erlebt, wie jemand in einer Sportgemeinschaft(!) (bei einer Weihnachtsfeier nach Alkoholgenuß) auch einmal die Mangelwirtschaft kritisierte. Schon am nächsten Tag war er seinen Posten los und ich habe ihn danach auch nicht mehr gesehen.
 
Ich verstehe Seldschuk eher machtsoziologisch: wenn niemand die Macht der Regierung trägt (Parteifunktionäre etc.) dann bricht diese auf Dauer zusammen. Das ist dann ja auch '89 passiert.
 
Andererseits bin ich der Auffassung, dass natürlich gerade die Bürger den Staat mitgeprägt haben. Das die Bürger an der Diktatur nicht mitgewirkt hätten kann man doch nun nicht behaupten. Demzufolge sehe ich die Diktatur des Proletariats nicht als totalitäre Diktatur an sondern als autoritäre Diktatur in denen den Menschen durchaus Mitgestaltungsrechte eingeräumt wurden, freilich in den vorgegebenen Bahnen der Partei.

Das System der DDR war ein aus der Sowjetunion importiertes totalitäres Regime, über das die Bevölkerung nie Gelegenheit hatte abzustimmen.

Man kann also nicht von einer "Mitwirkung der Bürger" sprechen, wie wir das in Bezug auf demokratische Systeme tun. Ein solcher Begriff würde ganz falsche Assoziationen wecken. Korrekt ist es zu sagen, dass die Bevölkerung den von der Partei verordneten, befohlenen und erzwungenen Weg beschritt, ohne dass sie eigene Gestaltungsmöglichkeiten in wirklich entscheidenden politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Fragen hatte.
 
Ich verstehe Seldschuk eher machtsoziologisch: wenn niemand die Macht der Regierung trägt (Parteifunktionäre etc.) dann bricht diese auf Dauer zusammen.
Wenn er das so gemeint hat, dann fände ich das trivial und nichtssagend.
Denn jedes Regime braucht natürlich eine gewisse Schicht von Leuten, die es mittragen. Mit einer "Mitwirkung der Bevölkerung" hat das aber nichts zu tun, obwohl diese Leute natürlich auch zur Bevölkerung gehören.
 
Die Regierenden haben Marx eben auch gelesen und zogen aus Teilen seiner Lehren Konsequenzen.

Und ich bezweifele auch, daß sie sich mit seinen Thesen auseinandergesetzt haben.
Sie haben ganz realpolitisch auf die Probleme ihrer Zeit reagiert, und dabei machtpolitisch natürlich darauf geachtet, z. B. der SPD inhaltlich das Wasser abzugraben.
Da würde ich R.A. zustimmen.
Bei der Sozialen Marktwirtschaft dürfte das Bestreben wesentlich gewesen sein, die wirtschaftlich bedingten, später politischen Eruptionen der Weimarer Republik möglichst für die Zukunft auszuschließen. Das erforderte neben einer leistungsfähigen Marktwirtschaft auch eine verstärkte soziale Prägung.

Wenn man schon Gründe dieser Bedenken nennen wollte, wäre die Erfahrung nationalsozialistische Herrschaft neben Marx zu nennen. Parallel zu der wirtschaftspolitischen Konzeption ist der gleiche Ansatz in der Verfassung zur Vermeidung Weimarer Verhältnisse erkennbar: Stabilität
 
Ich verstehe Seldschuk eher machtsoziologisch: wenn niemand die Macht der Regierung trägt (Parteifunktionäre etc.) dann bricht diese auf Dauer zusammen. Das ist dann ja auch '89 passiert.
Das ist eine recht komplizierte Sache. Einerseits hatte die SED nach meinem Erleben nie Personalprobleme in der Zeit der Wende (trotz der Austrittswelle, die nun begann), andererseits begann mit der Wende auch eine Zeit, in der es die SED innerlich hätte zerreißen können. Das sah man dann besonders auf ihrem Parteitag im Dezember 1989, als sich die Deligierten ziemlich lange nicht mal auf eine gemeinsame Tagesordnung einigen konnten. (Der Parteitag wurde über lange Strecken live übertragen und ich hab es mir angesehen. Irgendwann wurde diese Übertragung dann beendet und zwar, als ihnen das Ganze dann nach meinem Empfinden zu peinlich wurde.)
Aber den ersten Stein zum Rollen brachten die Demos einerseits + die Fluchtbewegung nach Westen. Nichts kam da von innen heraus.
 
Wenn heute noch jemand 60 Stunden und mehr von Montag bis Samstag ohne jegliche Absicherung schwere körperliche Arbeit für einen Hungerlohn leisten müsste, dann würde er in Europa sicher auf die Barrikaden gehen.
Im Frühkapitalismus -in der Vergangenheit vor dem sozialistischen Weltsystem - war diese Arbeitszeit normal. Im Kapitalismus - als das sozialistische Lager bestand - reichten 35 Stunden in der Woche. Von der Gegenwart - ohne das soz. Lager - wollen wir nicht reden. In der Zukunft wirst du froh sein, wenn du deine 48+x Stunden auch bezahlt bekommst.
 
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Im Frühkapitalismus -in der Vergangenheit vor dem sozialistischen Weltsystem - war diese Arbeitszeit normal. Im Kapitalismus - als das sozialistische Lager bestand - reichten 35 Stunden in der Woche.

Die Entwicklungen der Arbeitszeit haben aber primär nichts mit Sozialismus und/oder Kapitalismus zu tun, sondern waren bzw. sind ökonomische Entwicklungen.
1868 wurde der 8h Tag erstmals in Deutschland praktiziert, und als erstes Land der Welt führte Australien 1901 den gesetzlichen 8h Tag ein - da gab es noch kein sozialistisches Lager, noch nicht einmal einen sozialistischen Staat.
Und wenn wir dazu noch in Betracht ziehen, wann die Arbeitswoche zu einer 5 Tage Woche wurde, so geschah dies schrittweise in der BRD ab 1955/56 mit der endgültigen Einführung der 40h Woche 1965 (5 Tage a 8h), während in der DDR die Verordnung über die Einführung der 5 Tage Woche in jeder zweiten Woche am 22.12.1965 erfolgte.
Die stetige Verkürzung der Wochenarbeitszeit war bzw. ist also vordergründig eine zeitlich-ökonomische Entwicklung...

Von der Gegenwart - ohne das soz. Lager - wollen wir nicht reden. In der Zukunft wirst du froh sein, wenn du deine 48+x Stunden auch bezahlt bekommst.

Richtig; von der Gegenwart sprechen wir hier nicht - und übrigens auch nicht von der Zukunft (die wir ehedem nicht kennen), weil auch dies die Gefahr einer Diskussion mit sich bringt, welche ins Politische abgleiten kann.
Und das wollen wir doch nicht... :fs:
 
Im Frühkapitalismus -in der Vergangenheit vor dem sozialistischen Weltsystem - war diese Arbeitszeit normal. ... Im Kapitalismus - als das sozialistische Lager bestand - reichten 35 Stunden in der Woche.

Nicht nur im Frühkapitalsimus, auch "früher" dürfte das für die Masse der Bevölkerung so gewesen sein.

Mit sozialistischen Gegensätzen hatte die Einführung der 35-Stunden-Woche in den Auseinandersetzungen nichts zu tun, sondern mit

1. durch die Gewerkschaften erstrittenen Weitergaben der Produktivitätsteigerungen

2. mit einer (sehr hitzig gegührten) ökonomischen Debatte, inwieweit die 35-Stunden-Woche die Arbeitslosigkeit vermindert bzw. die verminderte Arbeitszeit gerecht verteilt. Die fand auch in den Hörsälen statt, im Streit um Auswirkungen auf Produktions- und Kostenfunktionen, Arbeitsmarkt etc.

Wie Timo richtig dargestellt hat, stehen die 35 in einer Tradition der Auseinandersetzung über die Arbeitszeit, als Aspekt der Tarifstreite. Für das erstrittene freie Wochenende (leider bis auf bestimmte Berufe, die als Abschreckungsbeispiele zum Sozialismus ausgenommen waren: zB Krankenschwestern, Feuerwehr, Post, etc. :still: ) galt der Slogan: "Samstags gehört Papi mir".
 
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