Die DDR - Staat der Arbeiter und Bauern oder Diktatur?

Richtig; von der Gegenwart sprechen wir hier nicht - und übrigens auch nicht von der Zukunft (die wir ehedem nicht kennen), weil auch dies die Gefahr einer Diskussion mit sich bringt, welche ins Politische abgleiten kann.
Und das wollen wir doch nicht... :fs:
Ich weiß, ich habe den Forenregeln zugestimmt. Es ist trotzdem ein Mangel, in einem Geschichtsforum in historischen Abläufen herumzustochern, ohne dabei Rückschlüsse auf die Gegenwart und Zukunft ziehen zu dürfen. Das ist wie Kochbuch lesen ohne zu brutzeln und zu kosten. Aber wir wollen die Moderatoren und Studierzimmer nicht überbeanspruchen. Das war keine Kritik sondern meine persönliche Meinung. Es ist auch nicht immer klar, wo die Vergangenheit aufhört und die Gegenwart beginnt, weil doch alles irgendwie aufeinander aufbaut.

Barbarossa zitierte Marx: “Die Revolution überhaupt - der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse - ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg. (Marx, Kritische Randglossen, 31.7.1844)


Die Revolutionen sind wie Rauchen abgewöhnen, es wird immer wieder gewollt und versucht, aber nur in seltenen Fällen hält man durch. In der französischen Revolution 1789 – 1794 wurde der Anfang gemacht. Das war die Stunde des Bürgertums. Die Monarchie wurde gestürzt. Weitere Revolutionsversuche folgten 1848 und vor allem die Pariser Kommune 1870/71. Hier war das Ziel, Macht den Arbeitern!, schon klarer. Alles aber scheiterte, weil der vorhandene Staatsapparat nicht zerschlagen und ersetzt wurde. Und dann kam die deutsche Intervention. In der russischen Revolution Februar und Oktober 1917 wurde alles schon konkreter und im Bündnis mit der zahlreichen Bauernschaft erledigt. Aber Revolution und Erringung der politischen Macht sind das eine. Wichtig ist jedoch der Aufbau und Erhalt der wirtschaftlichen Macht unter den Bedingungen eines kapitalistischen Umfelds. In solch einer Periode der Gefahr der kapitalistischen Restauration besteht die Demokratie [ (Demokratie [griechisch, „Volksherrschaft”], Staatsform, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht („getragen” wird) und direkt oder (und) indirekt von ihm ausgeübt wird. Bertelsmann Lexikon] aus der Diktatur des Proletariats im Bündnis mit den werktätigen Schichten und Klassen der Bevölkerung. Und wenn hier Fehler gemacht wurden, der diese Revolution letztendlich auch scheitern ließ, dann wird eines Tages ..... aber siehe oben.:still:
 
Kleiner Nachtrag:

Segulas These vom Reflex der Sozialen Marktwirtschaft auf den real existierenden Sozialismus (und umgekehrt) dürfte übrigens ihren Hintergrund in einer politischen Debatte haben, die mW bis in die 70er Jahre geführt worden ist:

Konvergenztheorie - Lexikon
Konvergenztheorie - Wikipedia


EDIT:
Zur Historie der Arbeitszeitverkürzung ist der Bericht des Sachverständigenrates von 83/84 ganz interessant.
Dort und im Folgebericht sind die ökonomischen Auswirkungen aufgerissen, verbunden mit Prognosen. Diese hier, S. 206 der BT-Drucksache 10/0066, ist ganz interessant: Es geht um das Problem des damit verbundenen Lohnverzichts (Kaufkraftschwund), Umverteilung der Beschäftigung durch Arbeitsverkürzung auf kurze Sicht (die bereits rd. 30 Jahre lief), und der Aufzehrung dieser Beschäftigungseffekte durch den zusätzlich erwartbaren Druck auf Produktivitätssteigerungen auf mittlere Sicht.

Ergebnis: ein "Tausch" der Beschäftigungseffekte aus Arbeitszeitverkürzung gegen Beschäftigungseffekte aus Kostensenkungen. Folge: kein Zuwachs der Beschäftigtenzahl (zu diesem Zeitpunkt gab es saisonbereinigte Arbeitslosenzahl von rd. 2-2,3 Mio - Westdeutschland).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß, ich habe den Forenregeln zugestimmt. Es ist trotzdem ein Mangel, in einem Geschichtsforum in historischen Abläufen herumzustochern, ohne dabei Rückschlüsse auf die Gegenwart und Zukunft ziehen zu dürfen. Das ist wie Kochbuch lesen ohne zu brutzeln und zu kosten. Aber wir wollen die Moderatoren und Studierzimmer nicht überbeanspruchen. Das war keine Kritik sondern meine persönliche Meinung. Es ist auch nicht immer klar, wo die Vergangenheit aufhört und die Gegenwart beginnt, weil doch alles irgendwie aufeinander aufbaut.


Vielen Dank für Deine Meinung. Die Diskussion über Geschichte hört da auf, wo über aktuelle Politik oder gar Zukunftsszenarien debattiert wird. Die allermeisten Mitglieder kommen ganz gut damit klar, über geschichtliche Themen zu diskutieren, ohne ständig mit ihren politischen Meinungen hausieren zu gehen.
Ich möchte darum bitten, hier nicht auch noch eine Nebendiskussion über Sinn und Unsinn der Forenregeln zu eröffnen und erinnere daran, daß das Thema lautet:
Die DDR - Staat der Arbeiter und Bauern oder Diktatur?
 
IIn der russischen Revolution Februar und Oktober 1917 ...
Es ist eine interessante Frage, ob man das überhaupt als "Revolution" bezeichnen kann.
Sie war eine Revolution, wenn man es am Umfang der folgenden Veränderungen festmacht.
Sie war keine, wenn man wie meist üblich (und bei Marx erst recht!) damit eine Massenbewegung impliziert.
Denn eigentlich war das nur ein Staatsstreich einer kleinen Gruppe, eben der Bolschewiken, die sich nur mühsam und mit extremer Gewaltbereitschaft gegen die Mehrheit durchsetzten.

im Bündnis mit der zahlreichen Bauernschaft erledigt.
Die Bauern spielten da keine Rolle, die Machtergreifung der Bolschewiken war im wesentlichen eine Sache der städtischen Zentren, vor allem in Sankt Petersburg.
Die folgenden Jahre bestanden ja im wesentlichen darin, das neue Regime gegen die Bauernschaft durchzudrücken.

Wichtig ist jedoch der Aufbau und Erhalt der wirtschaftlichen Macht unter den Bedingungen eines kapitalistischen Umfelds.
Im Prinzip könnte das kapitalistische Umfeld da ziemlich egal sein, wenn der eigene sozialistische Wirtschaftsraum groß genug ist - was nun bei der SU deutlich der Fall war.

besteht die Demokratie aus der Diktatur
Öhm - da sieht man doch schon einen deutlichen Widerspruch ...

des Proletariats im Bündnis mit den werktätigen Schichten und Klassen der Bevölkerung.
Was soll denn da jetzt der Unterschied zwischen dem diktierenden Proletariat und den verbündeten werktätigen Schichten sein?
 
Segulas These vom Reflex der Sozialen Marktwirtschaft auf den real existierenden Sozialismus (und umgekehrt) dürfte übrigens ihren Hintergrund in einer politischen Debatte haben, die mW bis in die 70er Jahre geführt worden ist
Das glaube ich nicht.
Die Konvergenztheorie läuft ja auf die These hinaus, ähnliche Probleme würden auch zu ähnlichen Lösungen/Strukturen führen.
Das hätte nichts mit "Reflexen" zu tun, DDR oder BRD hätten sich im Gegenteil laut Konvergenztheorie genauso entwickelt, wenn der jeweils andere Staat gar nicht existiert hätte.

M. W. ist diese Theorie auch in den 70ern mehr und mehr aus der Mode gekommen (nicht, daß sie vorher mal eine größere Anhängerschaft gehabt hätte), eben weil sich die deutschen Staaten immer unterschiedlicher entwickelt haben, das war mit Konvergenz nicht erklärbar.

Segulas These läuft genau aufs Gegenteil hinaus. Danach hätte sich der kapitalistische Westen strukturell "eigentlich" ganz anders entwickelt (nämlich so wie nach 1990), wenn es nicht die "Systemkonkurrenz" DDR gegeben hätte, und die "Herrschenden" im Westen darauf hätten Rücksicht nehmen müssen.

Ich weiß nicht, wann diese These entstanden ist. Wahrgenommen habe ich sie erst einige Jahre nach 1990 und sie schien mir von DDR-Anhängern entwickelt worden zu sein, um nachträglich noch eine Rechtfertigung für die DDR zu finden.

Details zum Ursprung dieser These würden mich aber interessieren, vielleicht hat jemand dazu Quellen.
 
Mit sozialistischen Gegensätzen hatte die Einführung der 35-Stunden-Woche in den Auseinandersetzungen nichts zu tun ...

Im Kapitalismus und in der spätkapitalistischen "Sozialen Marktwirtschaft" ist Arbeit eine "Ware", die sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Ist das Angebot an Arbeitskräften groß, vermindern sich die Löhne und verschlechtern sich die Arbeitszeiten. Ist das Angebot an Arbeitskräften gering, steigen Löhne und Gehälter und es können seitens der Arbeitnehmer günstigere Arbeitszeiten ausgehandelt werden. Das alles hat nichts mit Ideologie, sondern mit den Mechanismen des Marktes zu tun.

Die marxistische Auffassung von "Arbeit" ist natürlich eine völlig andere. Nach ihr ist Arbeit das konstitutive Merkmal menschlichen Seins. Zugleich ist sie der einzige produktive Faktor, der die aus der Natur gewonnenen Ressourcen umformt und einen "Mehrwert" schafft, der weit über den zu seiner Erhaltung erforderlichen Güterverbrauch hinausgeht. Diesen "Mehrwert" würden sich in einem auf Privateigentum an den Produktionsmitteln beruhenden kapitalistischen Wirtschaftssystem die Kapitaleigner aneignen, mit der Konsequenz wachsender Absatzschwierigkeiten und steigender Massenarbeitslosigkeit.

Im Gegensatz dazu sei unter sozialistischen Produktionsbedingungen die rationelle Nutzung des Faktors "Arbeit" sichergestellt, weil jeder arbeitswilligen Person ein Arbeitsplatz garantiert und damit das "Recht auf Arbeit" stets verwirklicht werde, das in der DDR den Status eines verfassungsmäßig garantierten Grundrechts hatte. Vollbeschäftigung sei damit eine der großen "Errungenschaften" des Sozialismus.

Als Beleg für die Überlegenheit des Sozialismus wurde auf die offiziellen Statistiken verwiesen, die in der DDR seit 1960 keine Arbeitslosen mehr auswiesen. Fehlende Registrierung und formale Arbeitsplatzgarantie verhindern jedoch nicht automatisch eine Verschwendung menschlicher Arbeitskraft, wie sie in marktwirtschaftlichen Systemen durch die Arbeitslosenzahlen dokumentiert wird. Wie wir heute wissen, gab es in allen sozialistischen Staaten eine verdeckte Arbeitslosogkeit: Hunderttausende von Arbeitsplätzen waren weitgehend unproduktiv und wären in kommerziellen Unternehmen gestrichen worden.

Man könnte hier einwenden, dass im Sozialismus eben auch solche Beschäftigungsverhältnisse ihre Berechtigung hatten, da sie den Menschen das Gut "Arbeit" garantierten. Der Preis war jedoch eine zunehmende Verarmung des Staates, die sich in einem sinkenden Lebensstandard der gesamten Bevölkerung und einem schleichenden Verfall dokumentierte: Fabriken, Maschinen, Städte sowie die gesamte Infrastruktur konnten mangels eines ausreichenden Kapitalstocks nicht mehr erneuert werden und zerfielen.

Nur unter idealtypische Bedingungen hätte eine solche Wirtschaftsweise vielleicht funktionieren können, doch diese Betrachtungsweise akademisch.
 
Das glaube ich nicht.
Die Konvergenztheorie läuft ja auf die These hinaus, ähnliche Probleme würden auch zu ähnlichen Lösungen/Strukturen führen.
Das hätte nichts mit "Reflexen" zu tun, DDR oder BRD hätten sich im Gegenteil laut Konvergenztheorie genauso entwickelt, wenn der jeweils andere Staat gar nicht existiert hätte.

Nicht nur, der Wettbewerb der Systeme ist ebenfalls ein entscheidender Faktor der Angleichung nach diesem Ansatz. So ist mir das aus der Diskussion Ende 70er/Anfang 80er in Erinnerung, vor der angesprochenen Aufwärmung in den 90ern.

Im übrigen sollte "Herkunft" keine Gleichsetzung sein, sondern nur den Blick auf die historische Debatte dazu lenken. Das erschien mir ganz interessant.
 
Wie wir heute wissen, gab es in allen sozialistischen Staaten eine verdeckte Arbeitslosogkeit
Wie hieß es damals so schön: "Die tun so, als würden sie uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir dafür arbeiten".

In manchen Betrieben lief der Arbeitsalltag de facto auf Arbeitslosigkeit mit ab und zu Anwesenheitspflicht in der Firma hinaus ...
Und wenn man dann den Lebensstandard damals mit dem eines Hartz-IV-Empfängers heute vergleicht, ist der faktische Unterschied auch nicht groß, der liegt dann fast nur noch in der sozialen Anerkennung.
 
Es ist eine interessante Frage, ob man das überhaupt als "Revolution" bezeichnen kann.
....

Die Bauern spielten da keine Rolle, die Machtergreifung der Bolschewiken war im wesentlichen eine Sache der städtischen Zentren, vor allem in Sankt Petersburg.
Die folgenden Jahre bestanden ja im wesentlichen darin, das neue Regime gegen die Bauernschaft durchzudrücken.
Die Bolschewiki setzten ihr System diktatorisch gegen die Kulaken durch. Der arbeitenden mittellosen Bauernschaft hatten sie demokratisch Land verteilt. Die Bodenreform war eine der ersten Maßnahmen nach dem Oktober. Doch bald wurde erkannt, dass im Gegensatz zum Proleten die Bauern Privateigentum an Produktionsmitteln besaßen und daher fortwährend Kleinkapital erzeugten. Zitat Lenin:
Der Bauer als Werktätiger neigt zum Sozialismus hin und zieht die Diktatur der Arbeiter der Diktatur der Bourgeoisie vor. Der Bauer als Getreideverkäufer neigt zur Bourgeoisie, zum freien Handel hin, d.h. zurück zum „gewohnten“, alten, „von jeher bestehenden“ Kapitalismus. (Lenin)Brief an die ungarischen Arbeiter.

Daraufhin wurde Jahre später die Artelbildung (Genossenschaftswesen) durchgesetzt.
 
Die Bolschewiki setzten ihr System diktatorisch gegen die Kulaken durch.
Unter anderem.
Erst einmal setzten sie es gegen die Menschewiki, gegen die Mehrheit in den Räten und gegen die Mehrheit bei der Wahl zur Konstituanten durch.
Und dann gegen die Bauern, egal ob gegen Kulaken oder gegen andere.

Es kann auf jeden Fall keine Rede davon sein, daß sie "im Bündnis" mit den Bauern Revolution gemacht hätten - es war schlicht ein Putsch, der mangels vernünftig organisierten Widerstands erfolgreich war.
 
R.A. schrieb:
Was soll denn da jetzt der Unterschied zwischen dem diktierenden Proletariat und den verbündeten werktätigen Schichten sein?
Die Kommunisten nannten das nicht umsonst "Diktatur des Proletariats", welche die erste Stufe zum vollendeten Sozialismus sein sollte. In diesem Stadium sollte das Proletariat (Arbeiterschaft) die herrschende Klasse sein. Daneben rechneten sie vor allem die Bauernschaft und die Intellektuellen als jeweils eigene Klassen, die jedoch im Bündnis zum Proletariat standen und den "Sozialismus" mitgestalteten. Weiterhin gab es in ihren Augen auch noch die Bougeoisie, die nun allerdings eine besiegte und sterbende Klasse darstellte. Somit gingen sie davon aus, daß auch der "Sozialismus" keine klassenlose Gesellschaft darstellt, sondern das sollte dann der "Kommunismus" sein.
 
Unter anderem.
Erst einmal setzten sie es gegen die Menschewiki, gegen die Mehrheit in den Räten und gegen die Mehrheit bei der Wahl zur Konstituanten durch.
Und dann gegen die Bauern, egal ob gegen Kulaken oder gegen andere.

Es kann auf jeden Fall keine Rede davon sein, daß sie "im Bündnis" mit den Bauern Revolution gemacht hätten - es war schlicht ein Putsch, der mangels vernünftig organisierten Widerstands erfolgreich war.
Lenin hat schon vor dem Oktober darüber geschrieben:
Verfolgen wir Schritt für Schritt in den Werken Lenins die praktische Geschichte der Losung „Diktatur des Proletariats und der armen Bauernschaft“ von April bis Oktober 1917.
April 1917:
„Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewusstseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft“ legen muss.“ (Siehe Lenins „Aprilthesen“, 4. Ausgabe, Bd. 24, S. 4 [deutsch in „Ausgewählte Werke“ in zwei Bänden, Bd. II, S. 81.)
...
September 1917:
Nur die Diktatur der Proletarier und der armen Bauern“ ist imstande, den Widerstand der Kapitalisten zu brechen, eine wahrhaft großartige Kühnheit und Entschlossenheit ihrer Macht zu zeigen und sich die begeisterte, rückhaltlose, wahrhaft heroische Unterstützung der Massen sowohl in der Armee wie in der Bauernschaft zu sichern.“ (Siehe 4. Ausgabe, Bd. 25, S. 346/347, russ.) Hervorhebungen sind von mir.
Das ganze ist komplett nachzulesen bei:
Stalin Werke und Texte - Band 9 - Über die Losung der Diktatur des Proletariats und der armen Bauernschaft in der Periode der Vorbereitung des Oktobers
Das ist mein erster Link!:rotwerd:

Ein anderer Aspekt war, die Soldaten verließen die Front, um bei der Landverteilung nicht zu kurz zu kommen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Es ist eine interessante Frage, ob man das überhaupt als "Revolution" bezeichnen kann.
Im Prinzip könnte das kapitalistische Umfeld da ziemlich egal sein, wenn der eigene sozialistische Wirtschaftsraum groß genug ist - was nun bei der SU deutlich der Fall war.

Eine Revolution, die von Bestand sein soll, muss etwas qualitativ neues und Fortschrittliches erreichen. Vor allem in der Produktivität, den Produktionsmitteln und der Produktion an sich. Trotzki formuliert das sehr treffend:Die sozialistische Gesellschaft muß in produktionstechnischer Hinsicht im Vergleich zu der kapitalistischen Gesellschaft ein höheres Stadium darstellen. Sich das Ziel zu stecken, eine national isolierte sozialistische Gesellschaft aufzubauen, bedeutet, trotz aller vorübergehenden Erfolge, die Produktivkräfte, sogar im Vergleich zum Kapitalismus, zurückzerren zu wollen. Leo Trotzki Die permanente RevolutionVorwort zur deutschen Ausgabe
Wenn jetzt die SU auf das Ressort Weltwirtschaft hätte zurückgreifen können wäre sie in viel besseren Startlöchern gewesen. Aber so musste sie das Rad neu erfinden, musste eine Schwerindustrie aufbauen, die rückständige Bauernschaft mit Traktoren versorgen, na was eben alles so dazu gehört, bis hin zur Elektrifizierung des Riesenlandes. Das kapitalistische Umland war ja nicht zur Mitarbeit bereit, es intervenierte. Wäre, wie ersehnt, in einigen europäischen Ländern die Revolution erfolgt, so wäre die Bourgeosie in diesen Ländern geschwächt worden und der Aufbau der Wirtschaft im sozialistischen Lager differenzierter und landesspezifischer erfolgt.

Letztendlich, und das gebe ich unumwunden zu, ist auch dieser Versuch einer Revolution gescheitert.

Einmal in den 80iger Jahren sagte ich in einem beruflichen Weiterbildungslehrgang, wo M/L ohne Ausnahme Pflicht war, zum Dozenten: "Wenn der DDR-Bürger mit staatlicher Unterstützung an der Adria Urlaub machen könnte, DAS wäre Ausstrahlung des Sozialismus auf den Kapitalismus! Dann bräuchten wir wirklich Stacheldraht und Mauer - damit nicht so viele rüberkämen!" - Hätte ich mir lieber auf die Zunge gebissen....
 
Wenn jetzt die SU auf das Ressort Weltwirtschaft hätte zurückgreifen können wäre sie in viel besseren Startlöchern gewesen. Aber so musste sie das Rad neu erfinden, musste eine Schwerindustrie aufbauen, die rückständige Bauernschaft mit Traktoren versorgen, na was eben alles so dazu gehört, bis hin zur Elektrifizierung des Riesenlandes. Das kapitalistische Umland war ja nicht zur Mitarbeit bereit, es intervenierte. Wäre, wie ersehnt, in einigen europäischen Ländern die Revolution erfolgt, so wäre die Bourgeosie in diesen Ländern geschwächt worden und der Aufbau der Wirtschaft im sozialistischen Lager differenzierter und landesspezifischer erfolgt.
Hätte ...
Nun ja, die Rüstung wäre auch als Erschwernis zu berücksichtigen. Immerhin wurden in den 30ern mehr Panzer und Flugzeuge als Traktoren erzeugt. Ein Zeitraum, bei dem man wohl kaum auf die westlichen Interventionen abstellen kann. (Hier zeigt sich die mangelnde Leistungsfähigkeit in der Untermotorisierung der RA.)

Kanonen statt Butter führt auch in marktwirtschaftlichen Systemen zu Verwerfungen zwischen Volkseinkommen und Angebot (Lebensstandard), wenn man das nicht aus der Substanz bezahlen kann.

Anschließend folgten die gigantischen Zerstörungen in der ehemaligen Sowjetunion in Folge des Zweiten Weltkrieges, verbunden mit Millionen Toten.
 
Wie hieß es damals so schön: "Die tun so, als würden sie uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir dafür arbeiten".

In manchen Betrieben lief der Arbeitsalltag de facto auf Arbeitslosigkeit mit ab und zu Anwesenheitspflicht in der Firma hinaus ...
Und wenn man dann den Lebensstandard damals mit dem eines Hartz-IV-Empfängers heute vergleicht, ist der faktische Unterschied auch nicht groß, der liegt dann fast nur noch in der sozialen Anerkennung.
Ich weiß nicht, woher man derlei Quellen hat, aber so mancher Akkordlohnempfänger und 3Schichtarbeiter hatte in der DDR ein straffes Arbeitspensum zu bewältigen. Ich selbst arbeitete viele Jahre ind der Landwirtschaft in der Tierproduktion. Da gab es keinen Feiertag, Heiligen Abend oder Silvester frei, da konnte man auch nicht vorarbeiten. Später war dann die "Rollende Woche" ein Fortschritt, wo man immerhin Freie Tage bekam, weil im Wechsel gearbeitet wurde. Trotz allem empfand ich das nicht als Diktatur. Im Gegenteil, für die Kinder der Arbeitnehmer gab es preiswerte Kindergartenplätze (12,- DDR Mark im Monat). Weiterbildung und Qualifizierung, die in den meisten Fällen zu Lohnerhöhung führte war kostenlos. Ich kam im Zuge einer solchen Bildungsmaßnahme unter anderem kostenlos ( nicht umsonst :winke:) zum Führerschein (damals Fahrerlaubnis). Auch konnte man zu dieser Zeit ganz offen IM BETRIEB über betriebliche Belange diskutieren und kritisieren. Das war eigentlich sehr demokratisch gehandhabt. Nicht in Frage stellen oder kritisieren durfte man allerdings die Partei, die Funktionäre, die Regierung oder die politische Linie usw.. Hier spürte man die Diktatur. Deshalb wurden hinter vorgehaltener Hand gern und viel politische Witze erzählt. ...
Dass es natürlich auch verdeckte Arbeitslosigkeit gab streite ich nicht ab. So manche Eisenbahnschranke wurde von Hand auf- und zugedreht. So manche Neuerung wurde nicht verwirklicht, weil sonst eine Arbeitskraft ihren Job los geworden wäre. Vor allem bei behinderten Arbeitskräften wurde so verfahren, wenn eine Fortbildung nicht geeignet war. Aber dadurch fiel der Betroffene nicht ins soziale Abseits und nahm weiterhin am gesellschaftlichen Leben teil.
 
Wie hieß es damals so schön: "Die tun so, als würden sie uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir dafür arbeiten".

In manchen Betrieben lief der Arbeitsalltag de facto auf Arbeitslosigkeit mit ab und zu Anwesenheitspflicht in der Firma hinaus ...
Und wenn man dann den Lebensstandard damals mit dem eines Hartz-IV-Empfängers heute vergleicht, ist der faktische Unterschied auch nicht groß, der liegt dann fast nur noch in der sozialen Anerkennung.

Also "In manchen Betrieben" muß schon sehr betont werden. Ich habe das Gegenteilige erlebt. Aus Mangel an Arbeitskräften in der Produktion mußten wir, aus dem IT-Bereich, in vielen Schichten, eine Arbeitskraft in die Produktion schicken. Dort arbeiteten wir mit ca. 150 Vietnamesen zusammen. Während meines Studiums mußten wir im Winter (1 Woche) im Braunkohlentagebau aushelfen. Dort trafen wir dann auf polnische Leiharbeiter. Es gibt aus der DDR auch genügend Beispiele für einen Arbeitskräftemangel. Begründet war dieser durch eine geringere Produktivität und die unatraktivität bestimmter Jobs (z.B. Fließbandarbeit).
Dein Vergleich mit einem heutigen Hartz-IV Empfänger hinkt gewaltig. Ein Durchschnittsverdiener in der DDR konnte sich dort auch ein durchschnittliches, relativ normales Leben leisten. Ob die Wohnung nun 35 qm oder 80 qm groß war, spielte bei den kleinen Mieten für Ihn, keine Rolle. Der Kino und Theater war für Ihn nie ein finanzielles Problem, der Urlaub in einem FDGB-Heim ebenso wenig. Da sehe ich dann schon deutliche Unterschiede zu einem heutigen Hartz-IV Empfänger. Geparrt mit der von Dir erwähnten sozialen Anerkennung, sehe dann zwischem einen heutigen Hartz-IV Empfänger und einen Arbeiter in der DDR mit durchschnittlihem Einkommen einen erheblichen Unterschied.
 
Also "In manchen Betrieben" muß schon sehr betont werden.
Wenn es um die Beispiele geht, in denen fast nichts gearbeitet wurde, hast Du völlig recht, das hätte ich deutlicher machen sollen.

Dieses "wir tun so, als würden wir arbeiten ..." war aber wohl durchaus verbreitet. Insbesondere war es wohl durchaus üblich, aus diversen Gründen mal ein paar Stunden später zu kommen oder recht ordentliche Pausen zu machen.

Dein Vergleich mit einem heutigen Hartz-IV Empfänger hinkt gewaltig.
Wohlgemerkt, ich habe ihn nur auf den rein materiellen Lebensstandard bezogen.
Und einen billigen Theaterbesuch vs. einem Farbfernseher, billiger Frisör vs. Bananen im Supermarkt - das gibt sich letztlich nicht viel.

Ein Durchschnittsverdiener in der DDR konnte sich dort auch ein durchschnittliches, relativ normales Leben leisten.
Ja logisch - ein Durchschnittsverdiener kann sich ein durchschnittliches Leben leisten.

Der Knackpunkt ist das "relativ normal".
Wenn alle ringsum vergleichbar leben, ist man mit seinem Lebensstandard meist zufrieden.
Und wenn es nicht den Westen als sichtbares Gegenmodell gegeben hätte, hätten sich die Leute wohl auch nicht an Trabbis oder fehlenden Südfrüchten gestört.

Was den Hartz-IV-Empfänger wirklich ärgert, das ist m. E. nicht der eigentliche Lebensstandard, sondern die fehlende soziale Anerkennung, die fehlenden Zukunftsperspektiven und die Tatsache, daß der Nachbar mit Job sich halt mehr leisten kann.
 
Dieses "wir tun so, als würden wir arbeiten ..." war aber wohl durchaus verbreitet. Insbesondere war es wohl durchaus üblich, aus diversen Gründen mal ein paar Stunden später zu kommen oder recht ordentliche Pausen zu machen.
Nun ja - es gab für alles Normen, die geschafft werden mußten. Wenn die Norm erfüllt war, braucht man den Rest der Arbeitszeit eben nur noch absitzen oder konnte andere Dinge machen. Das hing dann davon ab, wie schnell jeder arbeiten konnte - bei uns jedenfalls.
:D

Was den Hartz-IV-Empfänger wirklich ärgert, das ist m. E. nicht der eigentliche Lebensstandard, sondern die fehlende soziale Anerkennung, die fehlenden Zukunftsperspektiven und die Tatsache, daß der Nachbar mit Job sich halt mehr leisten kann.
Viele zermürbt auch das Rumsitzen zu Hause, nichts zu tun haben, sich nicht gebraucht fühlen etc. - weiß ich zumindest aus Fernsehberichten...
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn es um die Beispiele geht, in denen fast nichts gearbeitet wurde, hast Du völlig recht, das hätte ich deutlicher machen sollen.

Dazu eine Anmerkung, ebenfalls aus eigener Erfahrung in Industrie-VEBs, Zustand Anfang 1990.

Die Verwaltungen waren um ein Mehrfaches stärker besetzt als in westdeutschen Unternehmen, ich würde dieses auf das Fünffache aufwärts schätzen (natürlich branchenabhängig). Ein Teil davon war einfach technisch bedingt (EDV), ein ganz beachtlicher Teil resultierte aus der Planungsorganisation und der Dokumentation und betrieblichen Statistik. Diese Verwaltungen zogen sich einerseits weiter hoch in die vorgeordneten Kombinate bis ins Ministerium. Andererseits zog sich dieses in den Betrieben durch alle Funktionsbereiche (insbesondere Materialwirtschaft, Produktion). Dazu kam die Belastung der Industriebetriebe mit der Organisation der sog. nichtindustriellen Warenproduktion (niWP), die von oben aufgedrückt wurde und häufig unwirtschaftlich organisiert werden mußte.

All das hat sich in Personallagen niedergeschlagen, die nicht mit westdeutschen Unternehmen vergleichbar waren. Dass etwa nicht gearbeitet wurde, habe ich nicht bemerkt. Im Gegenteil, der oben beschriebene Verwaltungsaufwand war umfangreich. Fertigungsseitig bestanden die schon beschriebenen Probleme mit der technischen Ausrüstung, die den Personaleinatz eben steigen ließen.
 
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