Scorpio
Aktives Mitglied
guten abend,
ja und nein. an dieser stelle kreisen wir. wir hatten diesen punkt nämlich schon, aber natürlich musst du mir nicht zustimmen, wenn ich sage, wir sollten verstehen und bewerten in der geschichtsbetrachtung voneinander trennen. das ist meine meinung. ich behaupte, wir können uns gar nicht 100%ig in das damalige denken hineinversetzen, denn dann würden wir ja so denken wie damals. wir können immer nur aus heutiger sicht bewerten - nur jeweils mehr oder weniger "wohlwollend".
verstehen bedeutet, dass ich weiß, warum die DDR eine mauer baute (z.B. um die massenabwanderung nach westdeutschland zu unterbinden, weil dadurch die wirtschaft zusammenzubrechen drohte). bewerten bedeutet, dass man das z.b. als freiheitsberaubung auffasst und deshalb nicht gut findet. auch andere bewertungen sind möglich - je nach politischem lager, also dem "wohlwollen" oder der "abneigung" gegenüber der DDR. (dieses trennen von verstehen und bewerten funktioniert auch zu anderen zeiten)
ich finde allerdings, du vermischst beides. doch nur so kannst du die DDR geißeln für etwas, was in anderen staaten, die du aber nicht geißeln willst (das ist nämlich der punkt!!!) und/oder zu anderen zeiten durchaus auch passierte. das ist jedoch keine ergebnisoffene analyse historischer ereignisse, sondern eine rein ergebnisgeleitete (man sucht sich die passenden fakten und argumente, um ein ergebnis, das bereits vor der untersuchung feststeht, nur noch zu bestätigen). ich finde das unwissenschaftlich!!!
wenn du dann wiederum 100 oder 200 jahre zurückgehst, dann siehst du, dass es durchaus in "deutschen landen" auch verbote gab auszuwandern. ich erinnere mich da an abwerbungen ausländischer herrscher (stichwort wolgadeutsche), muss aber zugeben, dass ich keinen beleg und keinen genauen fakt bei der hand habe. letztlich zeigt dein hinweis wieder, was ich meine: du suchst dir nur die fakten heraus, die deine bereits vorhandene meinung über die DDR stützen. was dem widerspricht, wird ignoriert oder geleugnet oder schlecht geredet oder abgewertet. übrig bleibt, was übrig bleiben soll. das ist zwar alles menschlich verständlich - so wie wenn wir auch privat jemanden nicht mögen ("auf dem kieker haben"), aber zur "wahrheitsfindung" trägt es wenig bei, vielmehr verstellt und verzerrt es den blick.
ich verstehe nicht so richtig, was du damit sagen willst. vielleicht interpretiere ich dich also falsch und bitte dann um nachsicht! in den jahrhunderten "vor der DDR", gab es da schon freie medien, legale politische oppositionen??? da wäre also die DDR in diesem sinne nichts besonderes?!? oder willst du damit sagen, dass, weil es ja noch keine freien medien gab, man den damaligen staaten nachsehen muss, dass menschliche werte noch nicht so sehr beachtet wurden? willst du folter im mittelalter damit rechtfertigen, dass es noch keine freien medien gab, die darüber berichten konnten? ich glaube, dann fußt dein geschichtsverständnis aber auch nicht gerade auf dem "verstehen aus der zeit heraus".
ich verstehe, warum sie im mittelalter folterten (ein stichwort, weil es sonst zu weit führen würde: der geist ist willig, aber das fleisch ist schwach) und dennoch werde ich folter immer als unmenschlich bewerten! (übrigens auch in der DDR, sollte es dort sowas gegeben haben.) wie könnte man denn sagen: folter im mittelalter war ok, aber heuzutage ist folter nicht mehr in ordnung?!?
gruß!
Ich würde es als ziemlich ärgerlich betrachten, wenn mir auf einen berechtigten Einwand eine Scheinargumentation und Geschichtsklitterung unterstellt wird, um die DDR verurteilen zu können, aber ich bin ja auch nicht @timotheus. Die freie Ausreise war in der DDR verboten, ebenso wie in den meisten deutschen Ländern die Auswanderung verboten war.
Die Peuplierungspolitik der absolutistischen Staaten mit der Ausreisepolitik der DDR zu vergleichen, muss zwangsläufig zu Fehlschlüssen und schiefen Vergleichen führen. Man kann alles miteinander vergleichen, auch Äpfel und Birnen- man sollte sich nur vor Gleichsetzungen hüten, denn bei näherer Betrachtung gibt es doch recht viele Unterschiede zwischen Äpfeln und Birnen, mögen sie auch beide Obst sein.
Du argumentierst reichlich historisch querfeldein mit deiner Argumentation und gehst dabei sehr selektiv vor, was du aber gerade selbst anderen vorhälst.
Ich bezweifle ehrlich gesagt auch die Tauglichkeit eines Systems der "gefühlten Demokratie/Diktatur" und den Sinn eines Models der Zufriedenheitsskala. Wenn die Medien kontrolliert werden und das System einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten kann, wird es wohl die schweigende Mehrheit darin aushalten können und viele mögen der Meinung sein, dass dieses System großartig ist, vielleicht es für so großartig halten, dass man gleich auf Jahrtausende vorplanen kann.
Das Dritte Reich hätte vermutlich in den sogenannten "goldenen Jahren" von 1936- Herbst 1938 von der Mehrheit der Bevölkerung ein Zufriedenheitsattest bekommen- es gab ja nur wenige "Miesmacher" und "Meckerer" wie Goebbels sie nannte. Viele Leute dachten und denken noch im hohen Alter positiv an HJ- und BDM-Abende zurück.
"Das war schön!" sagen sie und sie sagen ja die Wahrheit, geben nur offen ihre subjektiven, positiven Erinnerungen wieder. Dass das schöne und das hässliche, dass KZ und KDF zusammengehörten, haben nur wenige reflektiert.