Die Dekadenz Italiens

Die Lombardei zählte im 18. Jahrhundert zu den reichsten Gegenden Europas, das Pro-Kopf-Einkommen war nur noch in den Niederlanden höher.
Gut, dass Du das Thema "wiederbelebt" hast. :winke:

Ich wäre natürlich sehr interessiert, mehr Einzelheiten zu erfahren, auch methodischer Art (Wie errechnete man das Pro-Kopf-Einkommen? usw.).

Tja, ich muss korregieren - von einer Dekadenz Italiens keine Spur! Braudel schildert faszinierend wie Genua...
Das Stichwort "Dekadenz" ist tatsächlich weit verbreitet, wird z.B. auch von Rudolf Lill angeführt und mit einer eindeutigen Schuldzuweisung versehen [1].

Das Problem liegt auch an der z.T. fehlenden regionalen Spezifikation. Ich würde zwar Genua nicht unbedingt der Lombardei zurechnen, aber der Nord-Süd-Unterschied, der Italien auch heute noch prägt, war auch damals schon vorhanden: hie Lombardei und Piemont - dort Kirchenstaat und Neapel usw.

Auch die zeitliche Eingrenzung ist wohl bedeutsam. Gerade was die Lombardei betrifft, geht ein Teil der Literatur davon aus, dass die theresianischen Reformen nach 1748 die Region stark beeinflusst und in vielen Bereichen - auch wirtschaftlich - nach vorn gebracht hätten [2].

Wenn bei manchen Wirtschaftshistorikern gleichwohl der Lombardei wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, dann auch deswegen, weil die "ökonomische Meistererzählung", die Instrustrialisierung in Europa, an anderen Regionen spektakulärer darstellbar ist.

Was die Landwirtschaft betrifft, war immer schon unstrittig, dass die Lombardei vergleichsweise hohe Erträge lieferte - bis hin zur berühmtem lombadischen Kuh, die um 1750 mit einem Tagesdurchschnitt von 9-12 Litern Milch ganz an der Spitze rangierte (zum Vergleich Schleswig-Holstein um 1740: 3 Liter!) [3].


[1] Siehe das Kapitel "Italiens Dekadenz / Wirtschaftliche Regression - Spanische Herrschaft - Gegenreformation - Barock " in seiner Geschichte Italiens vom 16. Jahrhundert bis zu den Anfängen des Faschismus, Darmstadt 1980, S. 7-30.
[2] So die Darstellung von Lill (S. 44 ff.), aber auch von Procacci (Geschichte Italiens und der Italiener).
[3] Zahlen bei Muriel Grindrod in: Cipolla (Hg.), The Fontana Economic History of Europe. Glasgow 1974, Band 2, S. 344
 
Die Lombardei zählte im 18. Jahrhundert zu den reichsten Gegenden Europas, das Pro-Kopf-Einkommen war nur noch in den Niederlanden höher.

Zweifellos war die zweite Hälfte des 18. Jh. für Italien eine Zeit der Reformen, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass es 1748 in Aachen zum Vorfrieden kam, dem dann am 28.10. der endgültige Friede folgte. Damit war für ein halbes Jahrhundert die Zeit der Gebietsveränderungen abgeschlossen, was sich günstig auf Italiens Wirtschaft auswirkte.

Im österreichischen Bereich - Toskana und Lombardei - kam es zu einer Reform des Steuer- und Abgabewesens, ferner einer Reform der Kommunal- und Provinzverwaltung, bei der es gelang, ein für diese Zeit erstaunlich ausgewogenes Verhältnis von Zentralisation, lokaler Selbstverwaltung und Autonomie zu erreichen. Beachtenswert ist, dass eine enge Verbindung zwischen dem lombardischen Adel bzw. den Gebildeten und der Reformpolitik bestand, d.h. diese Schicht beteiligte sich intensiv an den Reformen und am Staatsleben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass besonders die Zeit zwischen 1765 und 1782 gekennzeichnet war von einer Straffung des gesamten Regierungs- und Verwaltungsapparats und von einer impulsgebenden Wirtschafts- und Handelspolitik. Nicht vergessen darf man, dass die merkantilistische Industrieförderung und eine besondere Förderung der Landwirtschaft die Schicht der Bürger und Bauern begünstigte.

Bedauerlicherweise hemmte Kaiser Joseph II. diesen Prozess durch straffe Zentralisierungstendenzen, was in der Lombardei zu Missstimmung führte. Den Gleichschaltungsaktionen fielen die alten Herzogtümer Mailand, Mantua, Sabionetta zum Opfer, es wurden 8 Provinzen gebildet, alte staatliche Einrichtungen wurden beseitigt. Diese und andere unüberlegte Maßnahmen führten zu einem Prozess der Entfremdung, in dem sich die Lombardei zunehmend als ausgebeutete Provinz eines fremden Staates fühlte. Damit leisteten Josephs Maßnahmen schließlich der Revolution Vorschub, die 1796 zum gänzlichen Umsturz der alten Ordnung führte.

Wenn die Rückkehr der Österreicher 1815 von weiten Kreisen begrüßt wurde, so war das angesichts erneuter Ungeschicklichkeiten und einem erwachten Nationalgefühl nur von kurzer Dauer.
 
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Eher zum Eingangsbeitrag:
Gemeinhin wird es so dargestellt, dass sich zumindest das Venedig von Giovanni Batista und Giacomo Casanovas Zeiten noch in einem vorgegaukelten Glanz selbst betrog. Der internationale Bedeutungsverlust erschien den Venezianern nicht so wichtig, weil sich Venedig noch lange durch die Besucher und das geschickte diplomatische Manöverieren als einen Nabel der Welt empfinden durfte. Ich sehe es durchaus so, dass sich Venedig im Krieg gegen die Osmanen aufgerieben hatte, zu einer Zeit als die anderen Mächte wie Frankreich, Österreich, Russland und Brandenburg aufstiegen.
Genua erging es gewissermaßen mit dem scheinbar dauerhaften Problemen mit Korsika, das sie bekanntlich erst 1768 loswurden, wenig anders.

Scheinbar hatte es ehedem genügt, wenn ein Stadtstaat hinter einem territorial ausgedehnten Staatswesen stand. Der Krieg gegen die Türken überstieg aber die Kräfte Venedigs. Manchmal wird auch angeführt, die großen venezianischen Familien hätten sich aufs Land, rund um Venedig zurückgezogen und lieber das Leben von Landedelleuten genossen und das hinge auch mit dem Rückgang expansiver Kraft zusammen.

Nun, ich sehe es so, wie es Heinz Schilling in seinem "Höfe und Allianzen. Deutsche Geschichte von 1648 bis 1763" für Deutschland vorstellt: Bis zum 17.Jh. konnten auch flächenmäßig unbedeutendere Mächte durchaus im großen Mächtekonzert noch mitspielen. Doch zur Zeit der Herausbildung moderner Staatlichkeit wurden die Größen von Fläche und Bevölkerung weitaus maßgeblicher als ehedem.
Mein Ansatz ist eine ganz einfache Komponente, die rein militärischer Natur ist. Vermochte das vor"absolutistische" Frankreich auch bloß Heere von ein paar tausend Mann zusammen zu stellen, womit selbst kleinere deutsche Fürsten wie dem der Pfalz mit einem geschickten Söldnerführer mithalten konnten, so war es dem "absolutistischen" Frankreich möglich gewaltige Heere ins Feld zu werfen, gegen welche die kleineren Staaten keinerlei Chance hatten (was ja bekanntlich wie im HRR z.B. dazu führte, sich dann um so mehr unter die schützenden Schwingen des doppelköpfigen Adlers zu flüchten).

Das Beispiel Brandenburg-Preußen, also warum Brandenburg-Preußen Großmacht wurde aber nicht ein unbedeutender italienischer Staat, erklärt sich m.E. nur aus der brandenburgischen Geschichte und den außenpolitischen Umständen der Zeit des Aufstieges (Schwächung Polens, Zusammenbruch Schwedens etc.).
 
@Brisso: Der internationale Bedeutungsverlust erschien den Venezianern nicht so wichtig, weil sich Venedig noch lange durch die Besucher und das geschickte diplomatische Manöverieren als einen Nabel der Welt empfinden durfte. Ich sehe es durchaus so, dass sich Venedig im Krieg gegen die Osmanen aufgerieben hatte...

Ein Aspekt, den wir beim Niedergang Norditaliens im Auge behalten sollten: Seuchenzüge. Gerade im 17./18. Jahrhundert hatte die Malaria wieder einmal Oberwasser und machte ganze Landstriche unbewohnbar. Und Venedig erlebte zu allem Überfluß eine Pestepidemie, die den Stadtstaat binnen einen Jahres 1/3 der Bewohner kostete und ökonomisch-gesellschaftliche Leben zum Erliegen brachte. Davon erholte sich die Stadt am Lido nie wieder richtig.
Pest in Venedig: Das große Sterben - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft
 
Gemeinhin wird es so dargestellt, dass sich zumindest das Venedig von Giovanni Batista und Giacomo Casanovas Zeiten noch in einem vorgegaukelten Glanz selbst betrog. Der internationale Bedeutungsverlust erschien den Venezianern nicht so wichtig, weil sich Venedig noch lange durch die Besucher und das geschickte diplomatische Manöverieren als einen Nabel der Welt empfinden durfte. Ich sehe es durchaus so, dass sich Venedig im Krieg gegen die Osmanen aufgerieben hatte, zu einer Zeit als die anderen Mächte wie Frankreich, Österreich, Russland und Brandenburg aufstiegen.

Der Bedeutungsverlust der Serenissima war schleichend! Er begann mit dem steten Vordringen der Türken im Mittelmeer, dem Verlust aller venezianischen Stützpunkte mit östlichen Mittelmeerraum, den Handelseinbußen durch die osmanische Kontrolle der vorderasiatischen Handelswege und schließlich der Entdeckung der Neuen Welt, wonach sich der Handel Europas allmählich dorthin verlagerte. Venedig blutete finanziell aus und war im 18. Jh. als Lokalmacht nur noch ein Schatten einstiger Größe. Ob der bereits danals einsetzende europäische Tourismus und der Carneval die venezianischen Eliten dafür entschädigte, wage ich zu bezweifeln.

Genua erging es gewissermaßen mit dem scheinbar dauerhaften Problemen mit Korsika, das sie bekanntlich erst 1768 loswurden, wenig anders.

Anders als Venedig stand Genua vielfach unter fremder Vorherrschaft - Visconti, Spanien, Frankreich - und hatte im Mittelalter und der frühen Neuzeit längst nicht das politische und miliärische Gewicht Venedigs.

Italien insgesamt krankte wie auch Deutschland am Gebrechen einer Fülle kleiner Territorien, die ohne einigende Ziele dem Zugriff ausländischer Mächte ausgesetzt waren. Und so finden wir dann über Jahrhunderte rivalisierende Spanier, Franzosen und Habsburger auf italienischem Boden, die sich in immer neuen und wechselnden Koalitionen zusammentaten oder bekämpften.

Während es Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation zumindest noch einen staatlichen Rahmen gab - wie locker auch immer - und ein Staatsoberhaupt mit einer mächtigen Hausmacht an der Spitze, gab es in Italien nichts dergleichen. Aus dieser chaotischen Situation der mit- und gegeneinander kämpfenden italienischen Lokalmächte, unterstützt von auswärtigen Staaten, denen gewiss nicht das Interesse Italiens am Herzen lag, resultiert die teilweise anarchische politische Situation auf der Apenninhalbinsel.

Anders als in Deutschland entwickelte sich erst im 18./19. Jh. mit Savoyen eine Ordnungsmacht, die dann allerdings sehr rasch die nationale Eingung Italiens bewirkte.
 
Der Bedeutungsverlust der Serenissima war schleichend! Er begann mit dem steten Vordringen der Türken im Mittelmeer, dem Verlust aller venezianischen Stützpunkte mit östlichen Mittelmeerraum, den Handelseinbußen durch die osmanische Kontrolle der vorderasiatischen Handelswege und schließlich der Entdeckung der Neuen Welt, wonach sich der Handel Europas allmählich dorthin verlagerte.
Es kommt eben darauf an einen Wandel in welchem zeitlichen Rahmen man als "schleichend" bezeichnet.
Aber ich würde Dir Recht geben, dass es zumindest für die Venezianer selber nicht "plötzlich" kam. Wenn wir hingegen die Zeit von der Mitte des 17. Jh. zum 18.Jh. als eine recht kurze ansehen, könnte man schon eher von einem Absturz als einem Abstieg sprechen.

Kulturell war aber Venedig und auch ganz Italien immer noch ganz gut dabei. Was z.B. Andronikos zum Weggang der italienischen Meister beschrieb, kann ich nicht nachvollziehen. Das war ein ständiger Austausch. Die Bibienas reisten als gefeierte Baumeister durch Europa. Tiepolo ging nach Würzburg, ging von da aber auch wieder weg. Großartige Werke schuf auch Giovanni Dominico Tiepolo, der Sohn und Mitarbeiter von Giovanni Batista Tiepolo. Der Sohn starb in Venedig, sein Vater in Madrid. Das deutsche Malergenie Anton Raphael Mengs bspw. schuf viele seiner Meisterwerke in Italien und verschied auch in Rom, der große Anton von Maron, der Mengs Schwester geheiratet hatte, ebenso. Angelika Kaufmann ließ sich ebenfalls in Italien nieder und starb in Rom, allerdings schon im 19. Jh.. Der berühmte sächsische Komponist Hasse ging nach dem Niedergang der italienischen Oper seines Stils, dessen Hauptvertreter er neben bspw. Graun gewesen war, am Lebensende nach Italien, wo er in Venedig ebenso wie seine ehemals gefeierte Gattin Faustina Bordoni starb.
Italien hatte aus verschiedenen Gründen eine große Anzierhungskraft für die Deutschen, Engländer, Franzosen und anderen Europäer. Hier waren die Wiegen der Kultur, wie man es damals wahrnahm. Das Reisen bis hin zu den antiken Stätten nach Griechenland war noch nicht in Mode und aus verschiedenen Gründen vielleicht auch noch nicht möglich. Man orientierte sich also an den römischen antiken Stätten, v.a. natürlich in Rom, aber dann später auch bei Neapel, was durch den Deutschen Winckelmann einen noch größeren Aufschwung erhielt. Neben Paris (was aber von vielen Nichtfranzosen musikalisch abgelehnt wurde) fand man in Italien die Hochburgen der Musik - danben gab es auch noch Wien als ein wichtiges Zentrum der Musik (auf Händel un Mozart hatte Italien offenbar eine Faszination). Aber auch die Bauten der italienischen Renaissance (z.B. Palladios) erfreuten sich rasch einer großen Verehrung, welche derjenigen für die antiken Bauwerke kaum nachstand. Die bildenden Künstler hatten gleich einige Gründe sich Italien anzuschauen. Da waren die Vorbilder der Antike und der Renaissance, aber eben auch die finanzkräftigen Kunden, sein es nun lokale Machthaber oder aber die Deutschen, Franzosen und v.a. Engländer, welche für damalige Verhältnisse als ein regelrechter Touristenstrom sich über Italien ergoss. (Unzählige Male kommen solche Fremden sowohl in den Reisebeschreibungen der berühmten Italienreisenden wie Goethe und Erdmannsdorff als auch den Memoiren von Casanova vor.)
 
Kulturell war aber Venedig und auch ganz Italien immer noch ganz gut dabei. ... Winckelmann...
...schrieb am 4.2.1758 an Franke: "In Rom, glaube ich, ist die hohe Schule für alle Welt" [1].

Die "Dekadenz-Theoretiker" wie der zitierte Lill legten stets Wert auf die Feststellung, dass die kulturelle Blüte Italiens andauerte, als "Trostpflaster" sozusagen.

Vielleicht wäre es auch notwendig, mal genauer zu untersuchen, worauf sich "Dekadenz" überhaupt in solchen Urteilen überhaupt bezieht. Die ökonomische Situation allein kann ja eigentlich nicht gemeint sein; zur politischen Dimension hat Dieter schon Einiges geschrieben. Auch die Frage, wann jemand von Dekadanz redete - ob als Zeitgenosse oder ein Jahrhundert später* -, scheint mir nicht unwichtig.

*Siehe auch die jüngste Dekadenz-Diskussion bei uns. :pfeif:


[1] zit. in Justi, Winckelmann und seine Zeitgenossen. 5. Aufl. Köln 1956, Band II, S. 10
 
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Vielleicht wäre es auch notwendig, mal genauer zu untersuchen, worauf sich "Dekadenz" überhaupt in solchen Urteilen überhaupt bezieht. Die ökonomische Situation allein kann ja eigentlich nicht gemeint sein; zur politischen Dimension hat Dieter schon Einiges geschrieben. Auch die Frage, wann jemand von Dekadanz redete - ob als Zeitgenosse oder ein Jahrhundert später* -, scheint mir nicht unwichtig.
Dekadenz hat sicherlich mit der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung und einer objektiven Wahrnehmung zu tun.
Ich glaube auch schon sowas gelesen zu haben, was in die Richtung ging, dass man sich selbst in Venedig ein Bild überbliebener Größe vorgaukelte. Kritik sei von der Staatsinquisition, in dessen Dienste sich Casanova bei seinem letzten Aufenthalt in seiner Vaterstadt stellte (er, der selber in den Bleikammern geschmachtet hatte). Wird aber schwierig für mich bis unmöglich das nachzuweisen, weil ich dann alle Bücher evtl. erfolglos, weil in einem aus der Bibliothek entliehenen, durchwühlen muss.:rotwerd:
 
Vielleicht wäre es auch notwendig, mal genauer zu untersuchen, worauf sich "Dekadenz" überhaupt in solchen Urteilen überhaupt bezieht. Die ökonomische Situation allein kann ja eigentlich nicht gemeint sein; zur politischen Dimension hat Dieter schon Einiges geschrieben. Auch die Frage, wann jemand von Dekadanz redete - ob als Zeitgenosse oder ein Jahrhundert später* -, scheint mir nicht unwichtig.

Wie ich oben schon schrieb, trifft der Begriff der "Dekadenz" auf die wirtschaftliche Lage Italiens im 18. Jh. nicht zu. Schon ab etwa 1740 wurde die vorangehende Stagnation überwunden und es kam zu einem moderaten Aufschwung. Zu den Highlights der Entwicklung zählen innovative Bestrebungen in der Landwirtschaft sowie der Griff nach Marktnischen wie z.B. in der Seiden- und Waffenproduktion bzw. Verarbeitung. Die besser florierende Wirtschaft bot den Oberschichten und Eliten nun die Möglichkeit, die Kultur zu fördern und Bauprojekte zu realisieren. So erklärt sich auch der kulturelle Aufschwung, der diese Epoche kennzeichnet.

Dabei haben wir es mit einer "aufgeklärten Kultur" zu tun, die sich besonders in Florenz und Mailand, mit Abstrichen auch in Neapel, entwickelte. Zu Beginn steht diese Kultur noch ganz auf der Seite der Mächtigen, doch macht sich auch eine Opposition zu politischen Entscheidungsträgern breit, die Veränderungen im System anstrebt. Wie auch in Deutschland strebt sie an, die Gesellschaft von kirchlicher und staatlicher Bevormundung zu befreien.

Wenn also von "Dekadenz" im 18. Jh. die Rede ist, so ist das entweder eine unzutreffende Behauptung oder der Begriff zielt auf die politische Situation. Die war allerdings weniger dekadent als vielmehr anarchisch.

Mit "dekadent" könnte man allenfalls noch die innenpolitische Situation im bourbonischen Staat Neapel-Sizilien bezeichnen, wo erheblich weniger Reformkräfte am Werk waren und ab 1760 konservative Strömungen den Feudalismus und die Kirche stärkten. Einen Gegenkurs zu modernistischen bzw. aufklärerischen Tendenzen steuerte auch das Papsttum im Kirchenstaat, was sich unter Pius VI. im Licht der aufziehenden Französischen Revolution sogar zu einer Absage an die Idee der Menschenrechte und eine Verweigerung der Souveränität des Volks steigerte. Damit war der Kirchenstaat ein Hort der Restauration und des Konservatismus und in dieser Hinsicht wirklich ein "dekadentes Gebilde".
 
Vielfältig wird vorgetragen, die Venezianischen Nobili seien im 17./18. Jahrhundert dekadent geworden, man hätte sich nur noch dem Vergnügen gewidmet und nicht mehr in ertragreiche Geschäfte investiert. Solch interessengeleitetes Geschwätz, das faktisch nur die Verbrechen Napoléons und der Österreicher an Venedig als folgerichtige Konsequenz einer selbst verschuldeten Entwicklung rechtfertigen soll, hält einer sachlichen Überprüfung nicht stand.
„War Venedig im 18. Jahrhundert dekandent? Die Adelsrepublik ist nicht durch einen revolutionären Umsturz ihrer inneren Ordnung zu Fall gebracht worden, sondern durch militärische Gewalt von außen... Die moralisierende Vorstellung einer dekadenten, in Agonie befindlichen Gesellschaft jedoch ist wohl allzusehr aus der Rückschau entstanden... Das politische System Venedigs war bis zuletzt funktionsfähig und erfolgreich.“ (Oliver Thomas Domzalski: Politische Karrieren und Machtverteilung im venezianischen Adel (1646-1797). Sigmaringen 1996 S. 173) „Wie in Hinblick auf andere Staaten hat man auch im Fall Venedig gegen gegen das Konzept der ‚Dekadenz‘ Bedenken erhoben, und in der jüngsten Geschichtsschreibung, die sich mit der späten Republik beschäftigt, dient es nicht länger als interpretatorischer Leitfaden.“ (Volker Hunecke: Der venezianische Adel am Ende der Republik 1646-1797. Demographie, Familie, Haushalt. Tübingen 1995 S. 2f, s. auch S. 333 und Gaetano Cozzi, Michael Kapton, Giovanni Scarabello: La Repubblica di Venezia nell'età moderna. Torino 1992; Helmut G. Koeningsberger: Sinn und Unsinn des Dekadenzproblems in der europäischen Kulturgeschichte der frühen Neuzeit. In: Johannes Kunisch (Hg.): Spätzeit. Studien zu den Problemen eines historischen Epochenbegriffs. Berlin 1980; Frederic C. Lane: Venice. A Maritime Republic. Baltimore/London 1973 S. 423f) „Was nun die Ursachen der Dekadenz angeht, rangierte... der Verfall der Sitten an erster Stelle... Diese so gut wie nie mit handfesten Belegen untermauerten Jereminaden... haben allerdings nachhaltig das Bild vom ‚dekadenten‘ Venedig geprägt, an dem Reiseschriftsteller, Journalisten, seriöse und weniger seriöse Historiker seit dem späten 17. Jahrhundert mit Fleiß gemalt haben.“ (Hunecke S. 7 verweist auf: Ph. Monnier: Venise au XVIIIe siècle. Paris 1907, 7. Auflage 1911; N. Jonard: La vie quotienne à Venise au 18e siècle. Paris 1965, Genève 1978)


Der wirtschaftliche Aufschwung und die politische Stabilität Venedigs von Mitte des 16. bis zum 18. Jahrhundert spricht für alles andere, denn für Dekadenz und schon gar keine durch Orientierung auf entartetes Landleben verursachte: Im 16. Jahrhundert konnte sich Venedig weitgehend von Getreideimporten unabhängig machen und sich zunehmend aus der terraferma versorgen (vgl. Fernand Braudel: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Übersetzt von Grete Osterwald. Frankfurt 1990 (zuerst frz. 1949) Bd. 2 S. 357ff). Es gab eine regelrechte Agrarrevolution, die 1750 Gewinne von 28,3 %, 1763 von 130 % einbrachte (Ders.: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Der Handel. München 1986 S. 307-311).
 
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Findest du zu diesen kopierten Texten auch noch einige Worte? :grübel:
Bin ich damit gemeint? Mir scheint, was es zur Dekadenzdiskussion zu sagen gibt, habe ich gesagt. Wer es genauer wissen will, muß in der von mir zitierten Fachliteratur nachlesen: Bei dem Gerede von Dekadenz, das im 19. Jahrhundert aufkam, handelt es sich, soweit ich sehe, meistens (nicht immer: mit Superlativen muß man sehr vorsichtig sein!) im interessegeleitetes Geschwätz, insbesondere, wenn es sich auf die Venezianischen Nobili bezieht.
 
Vielfältig wird vorgetragen, die Venezianischen Nobili seien im 17./18. Jahrhundert dekadent geworden, man hätte sich nur noch dem Vergnügen gewidmet und nicht mehr in ertragreiche Geschäfte investiert. Solch interessengeleitetes Geschwätz, das faktisch nur die Verbrechen Napoléons und der Österreicher an Venedig als folgerichtige Konsequenz einer selbst verschuldeten Entwicklung rechtfertigen soll, hält einer sachlichen Überprüfung nicht stand.
„War Venedig im 18. Jahrhundert dekandent? Die Adelsrepublik ist nicht durch einen revolutionären Umsturz ihrer inneren Ordnung zu Fall gebracht worden, sondern durch militärische Gewalt von außen... Die moralisierende Vorstellung einer dekadenten, in Agonie befindlichen Gesellschaft jedoch ist wohl allzusehr aus der Rückschau entstanden... Das politische System Venedigs war bis zuletzt funktionsfähig und erfolgreich.“ (Oliver Thomas Domzalski: Politische Karrieren und Machtverteilung im venezianischen Adel (1646-1797). Sigmaringen 1996 S. 173) „Wie in Hinblick auf andere Staaten hat man auch im Fall Venedig gegen gegen das Konzept der ‚Dekadenz‘ Bedenken erhoben, und in der jüngsten Geschichtsschreibung, die sich mit der späten Republik beschäftigt, dient es nicht länger als interpretatorischer Leitfaden.“ (Volker Hunecke: Der venezianische Adel am Ende der Republik 1646-1797. Demographie, Familie, Haushalt. Tübingen 1995 S. 2f, s. auch S. 333 und Gaetano Cozzi, Michael Kapton, Giovanni Scarabello: La Repubblica di Venezia nell'età moderna. Torino 1992; Helmut G. Koeningsberger: Sinn und Unsinn des Dekadenzproblems in der europäischen Kulturgeschichte der frühen Neuzeit. In: Johannes Kunisch (Hg.): Spätzeit. Studien zu den Problemen eines historischen Epochenbegriffs. Berlin 1980; Frederic C. Lane: Venice. A Maritime Republic. Baltimore/London 1973 S. 423f) „Was nun die Ursachen der Dekadenz angeht, rangierte... der Verfall der Sitten an erster Stelle... Diese so gut wie nie mit handfesten Belegen untermauerten Jereminaden... haben allerdings nachhaltig das Bild vom ‚dekadenten‘ Venedig geprägt, an dem Reiseschriftsteller, Journalisten, seriöse und weniger seriöse Historiker seit dem späten 17. Jahrhundert mit Fleiß gemalt haben.“ (Hunecke S. 7 verweist auf: Ph. Monnier: Venise au XVIIIe siècle. Paris 1907, 7. Auflage 1911; N. Jonard: La vie quotienne à Venise au 18e siècle. Paris 1965, Genève 1978)


Der wirtschaftliche Aufschwung und die politische Stabilität Venedigs von Mitte des 16. bis zum 18. Jahrhundert spricht für alles andere, denn für Dekadenz und schon gar keine durch Orientierung auf entartetes Landleben verursachte: Im 16. Jahrhundert konnte sich Venedig weitgehend von Getreideimporten unabhängig machen und sich zunehmend aus der terraferma versorgen (vgl. Fernand Braudel: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Übersetzt von Grete Osterwald. Frankfurt 1990 (zuerst frz. 1949) Bd. 2 S. 357ff). Es gab eine regelrechte Agrarrevolution, die 1750 Gewinne von 28,3 %, 1763 von 130 % einbrachte (Ders.: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Der Handel. München 1986 S. 307-311).

Aus welchen PDF Dateien ist das kopiert worden? Wir haben hier Urheberrechte man kann nicht einfach hier Texte reinkopieren ohne eine genaue Quellenangabe.

Bitte nenne uns deine Quelle, ansonsten müssen wir die Beiträge löschen.
 
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Was soll die Unterstellung, ich hätte den Text irgendwo abgekupfert? Die im Text enthaltenen Zitate sind eindeutig mit "..." ausgewiesen und die Quellen sowie weitere wissenschaftliche Literatur ist dazu angegeben.
Wenn ich jetzt sage, daß die kommentierenden Textpassagen vor mir sind, nämlich aus einem von mir fast fertigestellten Buchmanuskript, dann wird man mir wahrscheinlich wieder mal Eigenwerbung vorwerfen, wobei ich nicht so genau weiß, was man daran eigentlich so verwerflich findet, es sei denn, man hat überhaupt etwas gegen Werbung.
Riskiere ich jetzt gleich wieder eine Sperre?
 
Jetzt bitte mal ganz langsam! Der Text wurde nachweislich in das Antwortfenster kopiert, was grundsätzlich gegen die Urheberrechte verstoßen kann. Du wurdest jetzt mehrmals gefragt, woher die Textstellen sind. Eine kurze, freundliche Antwort, dass du die Texte aus einem selbst erstellten Manuskript kopiert hast, wäre völlig ausreichend gewesen.
 
Dann nenn doch mal, wenn du von "interessegeleitetem Geschwätz" sprichst, Ross und Reiter: Cui bono?
Ja, die könnte ich nennen, z.B. die ausufernde antivenezinanische Literatur des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Dazu müßte ich wieder aus meinem Buchmanuskript zitieren, was sicher hier nicht genehm ist. Daher seien nur zwei der besten Venedigkenner des 19. und 20. Jahrhunderts, die Venezianer Molmenti und Zorzi, zitiert:
Pompeo Gherardo Molmenti wies dezidiert darauf hin, daß „Beobachtungen... zum Theil unsern Geschichtsschreibern entgangen oder nicht genügend in Erwägung gezogen worden“1. Am Ende seines Buches faßte Molmenti zusammen. Die Namen - die meisten sind inzwischen vergessen - sind austauschbar: „Als Venedig reich und mächtig war, da nannten es seine Verehrer ein Zauberland; als es zu Tode getroffen niedersank, stimmten Viele bei den Verleumdungen seiner Mörder mit ein... Man würde aber sehr irren, wollte man die Geschichte Venedigs aus den Memoiren von Casanova oder den trügerischen Schriften von Longo und Ballerini lernen, oder nach dem Buche von Mutinelli, oder gar nach den Romanen und düsteren Balladen, welche jenseits der Alpen verfaßt werden, oder selbst nach der Geschichte von Daru oder anderen, noch neueren Schriften, die von Cesare Balbo nicht ausgenommen, beurtheilen. Wir billigen nicht die Lobeserhebungen und unerschöpflichen Rechtfertigungen von Karl Botta, verurtheilen aber eben so sehr das System ungerechter Verdammung.“ (Ebd.S. 552f) 1 Pompeo Gherardo Molmenti: Die Venetianer. Hamburg 1886 S. 28

Obwohl die Geschichte Venedigs in und außerhalb von Italien Gegenstand leidenschaftlicher Forschungen und Studien ist, ist sie... nur ein Jagdrevier für diejenigen, die ‚sich in der Materie auskennen‘. Für alle anderen bleibt sie mehr oder weniger auf die unheimlichen und verleumderischen Klischees beschränkt, die nach dem Todesstoß gegen die alte Republik hauptsächlich von der französischen Propaganda verbreitet worden sind (es handelte sich um ein systematisches Werk der Diffamierung..., eine Rechtfertigung, deren sich auch Österreich bedienen und den größten Nutzen daraus ziehen sollte). Der Verleumdung wurde dann eine systematische Fehlinformation hinzugefügt, der sich das Italien der Zeit nach dem Risorgimento nicht hatte widersetzen können oder wollen.“ (Alvise Zorzi: Venedig. Die Geschichte der Löwenrepublik. Düsseldorf 1985, Frankfurt 1987, Hildesheim 1992 (zuerst Milano 1979) S. 694)
 
Was soll die Unterstellung, ich hätte den Text irgendwo abgekupfert? Die im Text enthaltenen Zitate sind eindeutig mit "..." ausgewiesen und die Quellen sowie weitere wissenschaftliche Literatur ist dazu angegeben.

Das war keine Unterstellung, sondern eine Feststellung. Da es offfensichtlich um einen kopierten Text handelt.

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Riskiere ich jetzt gleich wieder eine Sperre?

Ach du hast dich also hier schon einmal registiert und wurdest wegen Verletzung der Forenregeln gesperrt. Dem müssen wir nachgehen und wenn du einen Doppelaccount hast, dann ist das wieder eine Verletzung der Forenregel.

Vielleicht solltest du dich an einen Moderator wenden und dein anderer Account mitteilen, bevor wir es herausfinden.

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Ganz genau.
 
Das war keine Unterstellung, sondern eine Feststellung. Da es offfensichtlich um einen kopierten Text handelt.



Ach du hast dich also hier schon einmal registiert und wurdest wegen Verletzung der Forenregeln gesperrt. Dem müssen wir nachgehen und wenn du einen Doppelaccount hast, dann ist das wieder eine Verletzung der Forenregel.

Vielleicht solltest du dich an einen Moderator wenden und dein anderer Account mitteilen, bevor wir es herausfinden.




Ganz genau.
Jetzt aber bitte mal ganz langsam! Wenn ich sage, daß "ich gleich wieder eine Sperre riskiere", heißt das keineswegs, daß ich auf diesem Forum schon mal gesperrt worden bin (Wenn man etwas wieder riskiert, ist damit keineswegs zwangsläufig gesagt, daß das Riskierte schon mal eingetreten ist, sondern nur, daß man es schon mal riskiert hat.). Das ist mir allerdings auf wikipedia passiert, weil - soweit ich es sehe - ich einen Standpunkt vertreten hatte, der einem Administrator dort sehr gegen den Strich ging.
Es geschieht halt nichts neues unter der Sonne.
Übrigens: Wenn es nur möglich wäre, mit seinem wirklichen Namen aufzutreten - wie ich das stets tue - und nicht anonym mit Kennwort, gäbe es das Doppelaccout-Problem gar nicht.
Ich finde es schon etwas merkwürdig, daß einem hier gleich alle möglichen Bösartigkeiten unterstellt werden (Riskiere ich mit diesem Satz vielleicht wieder eine Sperre?).
 
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