Die größten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches – Subjektiv und objektiv

Kleiner Nachtrag:
Ich habe jetzt die alte Diskussion zum Thema gefunden
http://www.geschichtsforum.de/f303/reichsitalien-der-fr-hen-neuzeit-21716/

Da finden sich einige Beispiele für Reichsrechte in Italien ...

Zu den Reichsrechten in Italien dieser schon weiter vorn angeführte Auszug:

Den Gegensatz zum engeren Reichsgebiet (Römisches Reich Deutscher Nation) bildete das weitere Reichsgebiet, zu dem nunmehr nur noch Italien gehörte, indes die die Reste des Königreichs Burgund (Regnum Arelatse), soweit dessen Gebiet nicht von Frankreich in Besitz genommen oder an die Schweizerische Eidgenossenschaft gefallen war, dem engeren Reichsgebiet zugerechnet wurden (Savoyen, Bistum Basel, Mömpelgard).

Von einer geschlossenen Herrschaft des Reiches in Italien konnte nicht mehr die Rede sein. Es gab hier nur noch einzelne kaiserliche Rechte. Der Kurfürst von Köln führte zwar den Titel eines "Erzkanzlers durch Italien" (sacri imperii per Italiam archicancellarius), doch war das Erzamt ohne eigentliche Bedeutung, weil es keine italienische Kanzlei mehr gab. Die italienischen Reichsangelegenheiten besorgte die Reichskanzlei.

Dem Kaiser standen (nach 1648) in Italien folgende Rechte zu:

1. das Recht, Standeserhöhungen vorzunehmen,

2. das Recht, die obere Gerichtsbarkeit über unmittelbare und mittelbare Reichsglieder durch den Reichshofrat ausüben zu lassen,

3. das Recht, Abgaben (Laudemien, Sportlen usw.) einzuziehen und in Kriegszeiten Steuern zu erheben,

4. das Recht, die Lehnshoheit über die Reichslehen auszuüben.

Während der Thronerledigung stand dem Herzog von Savoyen, obwohl sein Land nicht zu Italien, sondern zum engeren Reichsgebiet gehörte, das Reichsvikariatsrecht über seine eigenen und die angrenzenden Länder zu (...)

Die Verwaltung der kaiserlichen Rechte in Italien lag in der Hand eines Vicarius generalis, dem ein Commissarius generalis beigeordnet war. Ein Reichstag für Italien bestand nicht. Der Kaiser war in der Verwaltung der Reichsrechte in Italien an die Wahlkapitulationen gebunden. Insebsondere konnte der Kaiser ohne Zustimmung des Reichstags keine Güter und Rechte des Reichs in Italien veräußern oder verpfänden (Wahlkap. von Franz I. von 1745, Art. X § 1).

(Hermann Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Band II, Karlsruhe 1966, S. 110 f.)
 
Wir sind in diesem Thread bedauerlicherweise sehr vom Thema abgeschweift. Es ging um "Die größten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches - subjektiv und objektiv", wobei wir z.B. Karl V. zwar genannt, aber überhaupt noch nicht diskutiert haben. Auch der Luxemburger Karl IV. ist sicherlich eine in Betracht kommende Herrscherpersönlichkeit.

In hoher Gunst stand besonders zur Nazi-Zeit Heinrich I., da er lustigerweise als "kernig deutsch" und nicht päpstlich-kirchlich korrumpiert betrachtet wurde, was die Nazis besonders Otto dem Großen nachsagten. Vom "Sachsenschlächter" Karl dem Großen gar nicht zu reden, doch der gehört nicht in die Reihe der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.
 
Vielleicht würde Karl V. als der größte Kaiser des HRR gelten, wenn er 1548 (oder spätestens 1550) gestorben wäre. Man würde die Mißerfolge der folgenden Jahre (die vermutlich auch unter einem Ferdinand I. bzw. Philipp II. eingetreten wären) nicht auf ihn schieben und mutmaßen, daß es unter Karl V. evtl. anders geworden wäre. Zweifellos war er auf dem Höhenpunkt seiner Macht, im Jahre 1548, der mächtigste Kaiser seit Jahrhunderten.
 
Vielleicht würde Karl V. als der größte Kaiser des HRR gelten, wenn er 1548 (oder spätestens 1550) gestorben wäre.

Man denkt dabei immer an das "Reich, in dem die Sonne nicht untergeht". Allerdings hat Karl V. diese gewaltige Ländermasse nicht zusammengebracht, sondern sie dank der klugen Heiratstaktik der Habsburger teils von seinem Vater Philip dem Schönen ererbt (Spanien u. Neue Welt), teils durch Bestechungsgelder an die deutschen Kurfürsten erschlichen.

Das alles musste er nun zusammenhalten und das fiel ihm - auch wegen der chronischen Geldknappheit der Habsburger - ziemlich schwer. Vorhalten muss man ihm, dass er es nicht geschafft hat, die Protestanten quasi in ein Toleranzedikt einzubinden, was den späteren Glaubenskrieg hätte verhindern können.

Insgesamt hat er den Bettel mit Müh und Not zusammengehalten und man muss Karl zubilligen, dass das angesichts der überall lauernden politischen und religiösen Brandsätze eine schier übermenschliche Aufgabe war.
 
Man denkt dabei immer an das "Reich, in dem die Sonne nicht untergeht".
Und das war eben das Königreich Spanien, nicht das HRR.
Man könnte auch sagen, Kaiser war Karl V. nur im Nebenjob, und in dem hat er eigentlich nicht viel gerissen. Was vielleicht, wie Du ja dargestellt hast, auch kaum möglich war mit den damaligen Rahmenbedingungen.
 
Das Reich spielte in der "Universalmonarchie" Karls V. lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Dies wird schon ersichtlich an seinen Aufenthalten: Zwischen 1519 und 1541 war er lediglich dreimal im engeren Reich*: Oktober 1520–Juni 1521, April 1530–Januar 1531 und Januar–Oktober 1532.

Seine Präsenz im Reich nahm in den 1540er Jahren allerdings spürbar zu: Januar–August 1541, Juli–August 1543, Januar–Juli 1544, Mai–August 1545, März 1546–September 1548, Juni 1550–November 1552.

Tyler unterscheidet hier allerdings das engere Reichsgebiet von den Niederlanden und von Lothringen, die aber reichsrechtlich auch dazu gehörten. Nimmt man diese dazu, so kommt man auf folgendes: Juni 1520–Mai 1522, April 1530–Oktober 1532, Januar 1540–August 1541, Juli 1543–Juli 1544, September 1544–September 1556.

Das ergibt, daß sich Karl V. zwischen 1540 und 1556 fast ununterbrochen auf Reichsgebiet aufhielt. Unterbrochen wurde dies lediglich von kurzen Aufenthalten in Italien (August–Oktober 1541) und Spanien/Balearen (OKtober 1541) vor dem Algier-Unternehmen (Oktober–November 1541). Danach weilte er von November 1541–Mai 1543 in Spanien, um über Italien (Mai–Juli 1543) wieder ins Reich zu ziehen. Lediglich während des Frankreich-Feldzuges (Juli–September 1544) war der Kaiser dann noch einmal außerhalb des Reichsgebietes. Von September 1544–September 1556 sollte er volle zwölf Jahre ununterbrochen auf Reichsboden sein, ehe er sich im September 1556 nach Spanien begab, wo er zwei Jahre später starb.

Von daher muß man differenzieren. Ab Anfang der 1540er Jahre nahm das Heilige Römische Reich deutlich an Bedeutung zu für Karl V., während Italien und Spanien spürbar in den Hintergrund traten. Er suchte die Entscheidung in Mitteleuropa, erst gegen Kleve, dann gegen Frankreich und den Schmalkaldischen Bund. Zwischen Mühlberg (April 1547) und dem neuerlichen Kriegsbeginn mit Frankreich (September 1551) stand Karl V. auf dem Gipfel seiner Macht.

* nachfolgend zit. nach Royall TYLER, Kaiser Karl V., 3. Aufl., Stuttgart 1961, S. 347 f.
 
Er suchte die Entscheidung in Mitteleuropa, erst gegen Kleve, dann gegen Frankreich und den Schmalkaldischen Bund. Zwischen Mühlberg (April 1547) und dem neuerlichen Kriegsbeginn mit Frankreich (September 1551) stand Karl V. auf dem Gipfel seiner Macht.

... und als er 1558 starb, starb mit ihm der letzte Vertreter der mittelalterlichen universalen christlichen Kaiseridee, die sich durch den Humanismus, die Reformation und das Aufsteigen der Nationalstaaten überlebt hatte.
 
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