Die Neolithische Revolution in Europa - Wie und warum?

Zur Suche angeregt durch http://www.geschichtsforum.de/f4/drogen-und-ihr-wandel-der-gesellschaft-27877/index2.html#post422412 fand ich https://www.openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/1887/10045/1/1_957_054.pdf Mohnsamen scheinen zu den frühesten Resten der ersten Bauern im westlichen Europa zu gehören.
Wahrscheinlich liegt sein natürliches Verbreitungsgebiet sogar im westlichen Mittelmeergebiet.
Das könnte
1. eine Andeutung für einen weiteren Verbreitungsweg der Landwirtschaft entlang der Küsten über Nordafrika, Spanien, Frankreich sein.

2. und nun wird es höchst spekulativ und gewagt.
Ich frage mich, warum findet man ausgerechnet Mohnsamen in den Siedlungsresten. Besonders nahrhaft ist Mohn nicht, enthält etwas Öl und diese speziellen Alkaloide.
Wenn ich mir aber das europäische Szenario von 8000 - 5000 BC vorstelle, die eiszeitlichen Mammuts und Großtierherden sind ausgestorben, der Wald breitete sich aus, da wurde vielleicht alles gejagt und gesammelt, was einigermaßen eßbar war.
Und dann fiel mir eine kürzlich gesehene Doku über Andenbauern ein, die noch immer Kokablätter kauen, um das Hungergefühl zu betäuben.
Könnte der Mohn nicht aus ähnlichen Gründen geröstet und gegessen worden sein, darüberhinaus wirkt er schmerzstillend und schlaffördernd.
 

Nein, da hast du mich mißverstanden.
Ich meinte nicht, dass man in Westeuropa zur Landwirtschaft oder besser zum Gartenbau überging, weil man so scharf auf Mohn war.
Sondern ich spekuliere, ob das frühe Auftreten von Mohnsamen ein Indiz dafür sein könnte, dass bereits vor / mit Ankunft der LBK-Idee samt ihres nahöstlichen Saatguts etc "der Boden dafür bereitet war" und man die Idee bereitwillig übernahm, da sie quasi schon in der Luft lag.
Wahrscheinlich hatte man bereits eigene gärtnerische Erfahrungen u.a. mit Mohn und man hatte Hunger.
Unter diesen Umständen kann ich mir vorstellen, dass der Übergang zur Nahrungsmittelproduktion leichter fiel, weil er quasi schon begonnen hatte.
Natürlich ist das alles Spekulation, mir scheint eine Kombination zwischen vollständiger Übernahme und eigener Entwicklung ohne Einfluß von außen plausibler zu sein.
 
Rena8 – du sprichst ein großes Problem gelassen an.

Zum Mohn – nun ja, der Artikel im Arch. Korrespondenzblatt ist bei nur zwei Funden schon ein wenig spekulativ.
Abgesehen davon, dass Mohn in den späteren neolithischen Kulturen immer wieder auftaucht und man/frau sich sicher den Kopf über dessen Verwendung zerbrechen kann, bleibt jedoch tatsächlich die eigentliche Frage, ob die neolith. Revolution nun wirklich ausschließlich über den Balkanraum nach Mitteleuropa gelangte.

Einen Joker gibt´s: Die La-Hoguette-Kultur. Sie taucht in Form von Scherben und einigen Flintgeräten in LBK-Siedlungen auf.
Das eigenartige ist dabei, dass sie selbst offenbar keine Siedlungen hinterließ, zumindest keine, die Befunde hinterlässt.
Die Verbreitung deckt sich mit dem im Artikel angesprochenen Rhein/Mosel Gebiet (unter anderem)
Die Funde stammen meines Wissens nach bislang nur aus LBK Inventaren, z.b. zusammen mit „normalen“ LBK-Material in Gruben.
Der Verdacht liegt nahe, dass die LBK-Leute also am Rhein „ansässige“ Menschen trafen, die bereits dort über Gefäßkeramik verfügten.
Da sich die La-Hoguette Flintindustrie leicht aus mesolithischen Traditionen ableiten lässt, liegt weiterhin der Verdacht nahe, dass es sich vielleicht nicht um „Neolithiker“, also eine sesshafte Kultur, sondern eher noch um eine Kultur mit starken mesolithischen Spuren oder Traditionen handelt.
Auch sind geschliffene Steinbeile wohl kein sicherer Hinweis auf „Neolithikum“. Funde und Befunde liegen hier auch in mesolithischem Zusammenhang vor. (Ofnet-Höhle, die mesolithischen Schädel wurden nach dem Stand der Forschung mit Steinbeilen eingeschlagen )

M.E. gibt es verschiedene Erklärungsansätze.
Entweder tatsächlich eine zusätzliche Einwanderung über Westeuropa, oder ein Aufeinandertreffen von LBK-Leuten und Spätmesolithikern, die zumindest z.T. über Werkzeug und Gerät verfügten, die man/frau üblicherweise dem N. zuordnet.
Ich denke im Moment an die zweite Möglichkeit.
Wissenstransfer ist nicht notwendigerweise mit „Menschentransfer“, Zuwanderung, verbunden.
Allerdings, wenn die im Artikel erwähnte Wildverbreitung des Mohns stimmt, könnte der Mohn tatsächlich über die La-Hoguette Kultur in den Bereich der LBK eingeschleppt worden sein.
Was nun kein Hinweis auf konkrete Verwendung des Mohns sein soll. Da halte ich mich zurück. Die Verwendung ist vielfältig und außerdem wachsen Mohn und Getreide nun mal gerne zusammen....

Just my two poppies.

Thomas
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Mohn stellt sich doch die Frage einer Analogie (endlich eine) zu der weiblichem Todesursache des Sokrates. War es nicht seine Xanthippe, die ihn aus dem Hause schreckte, weshalb er so viel Zeit dazu hatte, sich so unbeliebt zu machen, daß die Männer von Athen es vorzogen, auf sein Weiterleben zu verzichten? Womöglich beginnt ja der Ackerbau damit, daß eine Steinzeitdame so davon genervt ist, daß ihr Göttergatte sich mit Mohn betört, daß sie die reife und trockene Mohnkapsel zerquetscht und die Körnchen im großen Bogen über den Platz vor der gemeinsamen Behausung verstreut. Und, oh Wunder, im nächsten Frühling bescheren die Götter dem ihnen gleichen Gatten hunderte von Mohnpflanzen, so daß er durch göttliche Fügung wieder in sein Recht eingesetzt wird.
 
Beim Mohn stellt sich doch die Frage einer Analogie (endlich eine) zu der weiblichem Todesursache des Sokrates. War es nicht seine Xanthippe, die ihn aus dem Hause schreckte, weshalb er so viel Zeit dazu hatte, sich so unbeliebt zu machen, daß die Männer von Athen es vorzogen, auf sein Weiterleben zu verzichten? Womöglich beginnt ja der Ackerbau damit, daß eine Steinzeitdame so davon genervt ist, daß ihr Göttergatte sich mit Mohn betört, daß sie die reife und trockene Mohnkapsel zerquetscht und die Körnchen im großen Bogen über den Platz vor der gemeinsamen Behausung verstreut. Und, oh Wunder, im nächsten Frühling bescheren die Götter dem ihnen gleichen Gatten hunderte von Mohnpflanzen, so daß er durch göttliche Fügung wieder in sein Recht eingesetzt wird.

So wird es nicht gewesen sein, es gibt ja auch schon Funde aus dem PPNA u. PPNB die zeigen, dass verschiedene heutige Kulturpflanzen gesammelt wurden. Vor allem die Ursorten der verschiedenen Getreide und Hülsenfrüchte gehören dazu
Außerdem hinkt an dem Bsp. das man Mohn zwar nutzen kann, aber er keinerlei Nahrungswert hat. Also warum etwas "anbauen" dass nicht als Nahrung dienlich ist.
Schau dir vielleicht (ohne die Quelle genau verifziert zu haben) folgendes an:
Artikel: Mohn - Eine alte Kulturpflanze erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf

Das es eine Mohnnutzung im Neolithikum gegeben hat, wie sie auch immer ausgesehen hat, bleibt davon aber unbestritten.
 
So ernst hatte ich das eigentlich nicht gemeint. Ich dachte, das wäre gar nicht zu übersehen. :winke:

Aber trotzdem:grübel:: Selbst wenn Mohn völlig unnütz gewesen wäre (was ich auch nicht glaube), hätte die beschriebene Szene dazu führen können, daß jemand einen Geistesblitz :autsch:bekommt, wie das mit den Pflanzen so funktioniert. Und dann muss man halt noch auf die Idee kommen, die Analogie zu anderen Pflanzen mal auszuprobieren. Vielleicht fand die Dame aber die Mohnblüten vor ihrer Haustür dann doch ganz schick und hat Zierpflanzen angebaut, bevor man das dann auch auf Nutzpflanzen bezog; etwa so wie man hierzulande nach dem II. Weltkrieg Blumenrabatten um die Rathäuser lieber für Kohl und Kartoffeln genutzt hat.
 
Einen Joker gibt´s: Die La-Hoguette-Kultur. Sie taucht in Form von Scherben und einigen Flintgeräten in LBK-Siedlungen auf.
Das eigenartige ist dabei, dass sie selbst offenbar keine Siedlungen hinterließ, zumindest keine, die Befunde hinterlässt.
Die Verbreitung deckt sich mit dem im Artikel angesprochenen Rhein/Mosel Gebiet (unter anderem)
Die Funde stammen meines Wissens nach bislang nur aus LBK Inventaren, z.b. zusammen mit „normalen“ LBK-Material in Gruben.
Der Verdacht liegt nahe, dass die LBK-Leute also am Rhein „ansässige“ Menschen trafen, die bereits dort über Gefäßkeramik verfügten.
Da sich die La-Hoguette Flintindustrie leicht aus mesolithischen Traditionen ableiten lässt, liegt weiterhin der Verdacht nahe, dass es sich vielleicht nicht um „Neolithiker“, also eine sesshafte Kultur, sondern eher noch um eine Kultur mit starken mesolithischen Spuren oder Traditionen handelt.
Auch sind geschliffene Steinbeile wohl kein sicherer Hinweis auf „Neolithikum“. Funde und Befunde liegen hier auch in mesolithischem Zusammenhang vor. (Ofnet-Höhle, die mesolithischen Schädel wurden nach dem Stand der Forschung mit Steinbeilen eingeschlagen )

M.E. gibt es verschiedene Erklärungsansätze.
Entweder tatsächlich eine zusätzliche Einwanderung über Westeuropa, oder ein Aufeinandertreffen von LBK-Leuten und Spätmesolithikern, die zumindest z.T. über Werkzeug und Gerät verfügten, die man/frau üblicherweise dem N. zuordnet.
Ich denke im Moment an die zweite Möglichkeit.
Wissenstransfer ist nicht notwendigerweise mit „Menschentransfer“, Zuwanderung, verbunden.
Allerdings, wenn die im Artikel erwähnte Wildverbreitung des Mohns stimmt, könnte der Mohn tatsächlich über die La-Hoguette Kultur in den Bereich der LBK eingeschleppt worden sein.

Ja, La Hoguette/Impresso-Keramik könnte ein Indiz sein. Dazu kommt die Überlegung, dass Europa durch die Mittelmeerküsten mit Nordafrika verbunden ist und wir nicht genau wissen, ob der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise vielleicht ansatzweise auch in Nordafrika stattgefunden hat.
Überhaupt beschäftigt mich die Frage, wie revolutionär dieser Wechsel wirklich abgelaufen ist.
Dass die Landwirtschaft sich von mehreren Zentren unabhängig voneinander und mit verschiedenen Leitpflanzen und Tieren entwickelt hat, ist ja unstrittig. Das bedeutet für mich, dass es unter bestimmten Umständen bei steigender Bevölkerungszahl eine gewisse Zwangsläufigkeit gibt, die vom Sammeln zum Anbau führt. Beim Sammeln erwirbt man Pflanzenkenntnisse, hat man diese, erkennt man bevorzugte Nutzpflanzen schon als Sämling und weiß, wo diese wann wachsen. Man macht Erfahrungen, wie man durch gärtnerische Unterstützung das Wachstum dieser Pflanzen fördern kann. In erster Linie durch Jäten, also dem Ausreißen von lästiger Konkurrenz für die Nutzpflanze (Unkraut). In humiden Gebieten wird dieses Jäten, die wichtigste gärtnerische Maßnahme gewesen sein, in trockenen Gebieten evtl. auch Wässern. Die Aussaat ergibt sich bei größeren lagerfähigen Samen fast von selbst, wenn man die Keimlinge kennt.

Was nun kein Hinweis auf konkrete Verwendung des Mohns sein soll. Da halte ich mich zurück. Die Verwendung ist vielfältig und außerdem wachsen Mohn und Getreide nun mal gerne zusammen....

Heute wachsen Klatschmohn und Getreide auf großen Feldern gern zusammen. Der Getreideanbau ist aber weiter im Süden aufgekommen, in einem klimatischen Zeitfenster, das großräumig Gräser förderte, so dass die dort lebenden Menschen sich an die Verwendung von Mehl gewöhnten. Die speziellen Mahlsteine findet man mW schon aus 10000 - 15000 Jahre alten Schichten.

...... es gibt ja auch schon Funde aus dem PPNA u. PPNB die zeigen, dass verschiedene heutige Kulturpflanzen gesammelt wurden. Vor allem die Ursorten der verschiedenen Getreide und Hülsenfrüchte gehören dazu
Außerdem hinkt an dem Bsp. das man Mohn zwar nutzen kann, aber er keinerlei Nahrungswert hat. Also warum etwas "anbauen" dass nicht als Nahrung dienlich ist.
Schau dir vielleicht (ohne die Quelle genau verifziert zu haben) folgendes an:
Artikel: Mohn - Eine alte Kulturpflanze erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf

Das es eine Mohnnutzung im Neolithikum gegeben hat, wie sie auch immer ausgesehen hat, bleibt davon aber unbestritten.


In Mitteleuropa gab es nicht viele natürlich vorkommende Pflanzen, die sich für einen robusten Anbauversuch eignen, selbst die großsamigen Leguminosen Erbsen, Bohnen, Linsen stammen aus dem Süden. Bei der Ackerbohne ? Wikipedia könnte es vielleicht ähnliche Formen gegeben haben.
Die Wildkohl/Rettich/Ackersenf-Familie könnte ich mir noch als einheimisch vorstellen aber ohne die spätere Zucht und Auslese, bot er nur grüne Blätter, die man ohnehin sammelte.
Ich frage mich, was haben die Mesolithiker schon vorher in Europa gesammelt und was eignete sich darüberhinaus als Wintervorrat.
Es gab Wildobst, Nüsse, Beeren, Pilze, die man darren konnte. Aber Obst eignet sich nicht für erste Anbauversuche, da merkt man sich, wo der Baum steht und geht zur Reifezeit hin. Knollen und Wurzeln wären geeignet, die heimischen Wildmöhren haben aber winzige Samen und sind für Aussaatversuche nicht robust genug.

Die Mohnkapseln dagegen kann man gut sammeln. Sollte auch somniferum einheimisch oder westeuropäisch gewesen sein, wurde er durch seine Kombiwirkung als Medizin und Ölsaat vielleicht schon seit Jahrtausenden gesammelt, die Kapseln sind lagerfähig und die Samen keimen bei Ausstreuen von selbst. Man erkennt den Sämling leicht und die Pflanze wächst robust wie Unkraut in der Nähe des Menschen.

Wenn man mit Mohn oder anderen Pflanzen schon Erfahrungen gemacht hat, nimmt man Erbsensamen o.ä. bereitwilliger als willkommene Bereicherung des Speiseplans an.

:winke: Ok, ich gebe zu, meine gärtnerische Ader geht da etwas mit mir durch.
 
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Ich frage mich, was haben die Mesolithiker schon vorher in Europa gesammelt und was eignete sich darüberhinaus als Wintervorrat.

Auf die Frage gibt es eine Antwort, Haselnüsse. Es gibt sehr starke Indizien das die Mesolithische Bevölkerung die Haselnussbäume gehegt und gepflegt haben.
Es kann mglw. eine Art der Gartenbaukultur (Gartenbau im Sinne der Ethnologie) für diese Zeit festgestellt werden.
 
Auf die Frage gibt es eine Antwort, Haselnüsse. Es gibt sehr starke Indizien das die Mesolithische Bevölkerung die Haselnussbäume gehegt und gepflegt haben.
Es kann mglw. eine Art der Gartenbaukultur (Gartenbau im Sinne der Ethnologie) für diese Zeit festgestellt werden.

Ja, stimmt, von den Haselnußschalenhaufen, die man in England gefunden hat, habe ich auch gelesen.
Und die Nüsse sind sehr gut lagerfähig, nur die bewußte Aussaat muß man sich anders vorstellen als bei einjährigen Feldfrüchten.
Die Haselnuß keimt gut und der Sämling ist von anderen Baumschößlingen gut zu unterscheiden.
Gärtnerischer Einsatz dürfte sich dann auf die Sauberhaltung der Nussplantage und vernünftige Abstände der Großsträucher beschränkt haben. Der Nußgarten könnte in der Nähe der Siedlung entstanden sein, vielleicht ergänzt um einige Holunderbüsche.
War der europäische Mesolithiker also eher ein Obstbauer als Gemüsegärtner oder Landwirt?? :confused:

Nur das Knacken stelle ich mir mühsam vor, danach kann die Haselnuß auch zwischen Steinen gemahlen werden, vielleicht zusammen mit Bucheckern. Mit Wasser verrührt, hätte man einen Brei, der mit Beeren und Honig gesüßt werden konnte und für besondere Gelegenheiten wurde Mohn darübergestreut.
Wenn ich mal ganz viel Zeit habe, werde ich mit meinen Haseln ausprobieren, wie lange ich für eine Schüssel Brei arbeiten muß und wie das Müsli ohne Getreide so schmeckt. :winke:
 
Gärtnerischer Einsatz dürfte sich dann auf die Sauberhaltung der Nussplantage und vernünftige Abstände der Großsträucher beschränkt haben. Der Nußgarten könnte in der Nähe der Siedlung entstanden sein, vielleicht ergänzt um einige Holunderbüsche.
War der europäische Mesolithiker also eher ein Obstbauer als Gemüsegärtner oder Landwirt??

In der Hauptsache war der Mesol. auf jeden Fall Jäger und Sammler, da sich aber in dieser Zeit die Fauna deutliche änderte von Großsäugern zu Kleinsäugern, war es wohl nicht mehr notwendig dem Wild zu folgen, sondern man konnte Hirsche, Pferde etc. auch von nun länger benutzten Jagdlagern aus bejagen. Daneben spielte je nach Habitat eben auch das Sammeln von pflanz. Nahrung eine große Rolle.
Die Haselnuss scheint m.E. eine wichtige Rolle gespielt zu haben.

vgl. als Einstieg:
Mesolithikum
Europäische Esskultur: eine ... - Google Buchsuche
 
Ich denke, der ursächliche Faktor für den Übergang zur Seßhaftigkeit ist die Bevölkerungsdichte. Dieser Faktor wurde hier schon genannt, aber ich möchte noch weitergehen und ihm die Auslöserolle in einem einseitigen Kausalmechanismus zuschreiben (womit man immer sehr vorsichtig sein sollte...).

Zählungen/Schätzungen bei den noch verbliebenen Wildbeutern haben gezeigt, dass ihre Bevölkerungsdichte höchstens um 1/km² liegt, in der Regel deutlich drunter. Wenn sie sich vermehren, wandern sie in benachbarte Gebiete aus. Irgendwann war die Erde aber komplett besiedelt und freie Gebiete zum Auswandern gab es nicht mehr. Dann blieben die Möglichkeiten der Geburtenkontrolle oder einer Umstellung des Lebensstils.
Die Seßhaftigkeit ist die erste Umstellung. Im weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte korrelieren laut Oesterdieckhoff landwirtschaftliche Reformen mit einer Zunahme der Bevölkerungsdichte, was ebenfalls für Bevölkerungsdichte als entscheidenden Faktor spricht. Ein weiteres Indiz ist, dass auf mehreren Kontinenten unabhängig voneinander der Übergang von Wildbeuterei zur Landwirtschaft stattgefunden hat.

Selbst wenn man die Bevölkerungsdichte als Hauptfaktor ansehen will, muss man auch eine Reihe weiterer verstärkender oder hemmender Faktoren berücksichtigen. Wenn die Umgebung besonders wildreich war, konnte der Übergang verzögert werden. Wenn die Umgebung aufgrund der Bodenverhältnisse und der vorhandenen Pflanzen besonders einladend für landwirtschaftliche Nutzung war (wie der fruchtbare Halbmond), konnte der Übergang beschleunigt werden. Und manche Kulturen haben Geburtenkontrolle betrieben, so dass die kritische Bevölkerungsdichte nie überschritten wurde.

Diese Theorie ließe sich an den Verhältnissen der heutigen Zeit gut überprüfen. Wir befinden uns in einer Zeit starken Bevölkerungswachstums. Die Menschen dringen in immer entlegenere Gebiete vor. Und damit wird den letzten "Naturvölkern" immer mehr Raum weggenommen. Der Theorie nach müssen diese, sobald eine kritische Bevölkerungsdichte erreicht ist, zu einer effizienteren Raumnutzung übergehen. Wildbeuter müssten seßhaft werden und mit Landwirtschaft anfangen, Kulturen mit der uneffizienten Brandrodungslandwirtschaft müssten zu einer effektiveren Landwirtschaftsform übergehen (Dreifelderwirtschaft, oder naheliegender, der Einsatz von Düngemittel). Wenn sie es nicht tun, müssten diese Kulturen ihre Bevölkerungszahl reduzieren, z.B. durch kriegerische Auseinandersetzungen. Aufgrund der Aufzeichnungen fremder Kulturen müssten sich solche Übergänge für die letzten 100-200 Jahre nachweisen lassen. Afrika als Spielball expandierender Mächte könnte auch viele Hinweise beisteuern.

In manchen Ethnologie-Dokus lässt sich das ansatzweise erahnen. Ehemalige Wildbeuter-Nomaden werden seßhaft, weil ihre Lebensräume abgeholzt werden und sie sich von der kleiner werdenden Fläche nicht mehr versorgen können.
Vom Prinzip her würde ich mir das etwa so auch für die Umstellung in Europa vorstellen. Landwirte können viel mehr Menschen pro Flächeneinheit ernähren. Ihrer Expansion können sich die zahlenmäßig unterlegenen und verhältnismäßig schwach vernetzten Wildbeutergruppen nicht erwehren. Entweder übernehmen sie die neue seßhafte Lebensweise freiwillig und werden damit konkurrenzfähig oder sie werden überrollt und die neue Lebensweise wird ihnen aufgezwungen (vgl. die überschwemmungsartige Besiedelung Amerikas durch Europäer und die erzwungene Anpassung der Indianer). Vielleicht steuern sie schon von selbst auf den kritischen Punkt zu, wo eine Umstellung der Lebensweise notwendig wird. Dann hängt der Wandel eh schon in der Luft und ein paar Erfahrungsberichte von Reisenden beschleunigen den Prozess.
 
@Beral: Dein Modell der durch fremden Bevölkerungsdruck notwendig werdenden Seßhaftigkeit macht m.E. zunächst da Sinn, wo die Möglichkeit zur Seßhaftigkeit in Verbindung mit land- und/oder viehwirtschaftlichen Ernährungsgrundlagen den Betroffenen bekannt ist. In den beschriebenen Fällen europäischer Expansion und eines dadurch entstehenden Drucks auf indigene Jagdbeuterbevölkerungen treffen ja mehrere Faktoren aufeinander: Bevölkerungsdruck, Unterwerfung und Kulturschock. Soweit mir bekannt, war aber auch in diesen Fällen die Anpassung hin zur Seßhaftigkeit und entsprechenden Wirtschaftsformen erst die ultima Ratio, nämlich vor der Alternative der Ausrottung oder sie wurde unmittelbar erzwungen.

Insofern stellt sich die Frage, wie sich Bevölkerungsdruck unter Jägern und Sammlern auswirkt, die keine Ahnung von den Möglichkeiten des Ackerbaus und der Viehhaltung haben. Da würde ich mal auf Krieg tippen.

Andererseits frage ich mich, ob nicht auch für Jäger und Sammler in einer Situation mit reichlichem Nahrungsangebot die Seßhaftigkeit Sinn macht. Warum sollte man seinen ganzen Kram ständig durch die Gegend schleppen, wenn man es sich an einem netten Plätzen bequem machen kann: Eine angenehme Höhle oder Hütte, eine feste Feuerstelle mit passenden Steinen drumrum, viele Kaninchen, Beeren, Wurzeln, ein Bach in der Nähe mit sauberem Wassen und gutem Fisch. Vielleicht hat man ein Sommer- und ein Winterlager, die man immer wieder aufsucht. Dann muß man nur zwei Mal im Jahr mit dem ganzen Gerödel durch die Gegend ziehen.

Grundsätzlich gilt doch, daß Erfindungen meist entweder aus Faulheit oder aus Not entstehen. Zudem ist die Gelegenheit wichtig. Für diesen, letzten, Punkt wäre eine Einengnung des Jagd- und Sammelreviers durch Bevölkerungsdruck günstig, da sie bis hin zur Seßhaftigkeit führen können wird. Nur wenn Menschen länger am selben Ort bleiben, haben sie die praktische Gelegenheit zu erkennen, daß in den Boden gestreute Samen neue Pflanzen hervorbringen, die schließlich gleichartige Samen produzieren.
Jäger und Sammler müßten erst zufällig an denselben Ort zurückkehren und dann noch den Kausalzusammenhang erkennen.
 
Ich habe den Eindruck, ihr setzt Wildbeuter und Jäger/Sammler gleich; dies sind jedoch unterschiedliche Wirtschaftsformen.

Beral schrieb:
Entweder übernehmen sie die neue seßhafte Lebensweise freiwillig und werden damit konkurrenzfähig oder sie werden überrollt und die neue Lebensweise wird ihnen aufgezwungen (vgl. die überschwemmungsartige Besiedelung Amerikas durch Europäer und die erzwungene Anpassung der Indianer)
Wobei anzumerken ist, daß die meisten der indianischen Ethnien bei Ankunft der Weißen seßhaft und halbseßhaft lebten und Feldbau betrieben.


Andererseits frage ich mich, ob nicht auch für Jäger und Sammler in einer Situation mit reichlichem Nahrungsangebot die Seßhaftigkeit Sinn macht. Warum sollte man seinen ganzen Kram ständig durch die Gegend schleppen, wenn man es sich an einem netten Plätzen bequem machen kann: Eine angenehme Höhle oder Hütte, eine feste Feuerstelle mit passenden Steinen drumrum, viele Kaninchen, Beeren, Wurzeln, ein Bach in der Nähe mit sauberem Wassen und gutem Fisch. Vielleicht hat man ein Sommer- und ein Winterlager, die man immer wieder aufsucht. Dann muß man nur zwei Mal im Jahr mit dem ganzen Gerödel durch die Gegend ziehen.

Auf Nordamerika bezogen: die Jäger/Sammler sind natürlich nicht d.u. [dauernd unterwegs] gewesen, sondern haben mehrmals im Jahr die Lagerplätze gewechselt - und selbstverständlich entsprechend ausgesucht. Im Winter also ein vor Kälte und Schneemassen halbwegs geschütztes Quartier, in dessen Umgebung es aber Wildvorkommen gab. Ab Erntezeit der verschiedenen genutzten Pflanzen wurden die Lagerplätze auch so ausgewählt, daß man möglichst viel bei möglichst wenig Laufaufwand sammeln konnte.

Jäger und Sammler müßten erst zufällig an denselben Ort zurückkehren und dann noch den Kausalzusammenhang erkennen.
Siehe oben; so zufällig kehren die nicht an den gleichen Ort zurück. Das Wissen darum, wo es zu welcher Jahreszeit das größte/beste Nahrungsangebot gibt, ist bei dieser Wirtschaftsweise Voraussetzung für das Überleben!
Beispiel: in Nordamerika wurde Manomin (wilder Reis) auch von halbseßhaft lebenden Ethnien geerntet. Dies ist eine Wildpflanze, die in Seen wächst. Es ist bekannt, daß die Indianer den Manomin auch in Seen ausbrachten, in denen er zuvor nicht wuchs. Mit anderen Worten: der Kausalzusammenhang wurde erkannt.

Auch wenn das Neolithikum bereits ein paar Jahre her ist: wir sprechen da über Homo sapiens sapiens - die Menschen damals waren nicht blöder als wir heutzutage auch (oder so).
 
......... Und manche Kulturen haben Geburtenkontrolle betrieben, so dass die kritische Bevölkerungsdichte nie überschritten wurde.

Bis dahin kann ich dir folgen, evtl. sogar bis zur Geburtenkontrolle, wenn du sie weniger technisch gemeint hast. Beschränkung der erwünschten Kinderzahl durch Erbrecht, Sitten, Moral und Lebensumstände würde ich vom Ergebnis auch zur Geburtenkontrolle rechnen.

Diese Theorie ließe sich an den Verhältnissen der heutigen Zeit gut überprüfen. Wir befinden uns in einer Zeit starken Bevölkerungswachstums. Die Menschen dringen in immer entlegenere Gebiete vor. Und damit wird den letzten "Naturvölkern" immer mehr Raum weggenommen. Der Theorie nach müssen diese, sobald eine kritische Bevölkerungsdichte erreicht ist, zu einer effizienteren Raumnutzung übergehen. Wildbeuter müssten seßhaft werden und mit Landwirtschaft anfangen, Kulturen mit der uneffizienten Brandrodungslandwirtschaft müssten zu einer effektiveren Landwirtschaftsform übergehen (Dreifelderwirtschaft, oder naheliegender, der Einsatz von Düngemittel).
Ich bin skeptisch, ob man die heutigen Prozesse wirklich 1:1 übertragen kann und vor allem sehe ich den angeblichen Fortschritt in der Landwirtschaft kritisch.
Gut, Brandrodung können wir uns nicht mehr leisten, aber ob unsere industriealisierte, hochspezialisierte Landwirtschaft mit maximalem Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz wirklich nachhaltig effizienter ist?
Und ob sie in den entlegenen Gebieten langfristig überhaupt möglich ist?
In Alaska ist Gartenbau nur unter großem technischen Aufwand möglich und wirtschaftlich nicht sinnvoll. In Wüsten und Halbwüsten kann es nur Oasen- oder Flußtalanbau geben.


.......Wenn sie es nicht tun, müssten diese Kulturen ihre Bevölkerungszahl reduzieren, z.B. durch kriegerische Auseinandersetzungen.
Die Menschen, die heute als Jäger/Sammler leben, kann man mE nicht mit den mesolithischen Europäern vergleichen, weil sie sich über einen längeren Zeitraum (wie lange wissen wir nicht) auf eine Lebensweise spezialisiert haben, die den knappen Ressourcen ihrer Umgebung gerecht wird. Man findet sie nur in Gebieten, in denen Landwirtschaft fast nicht möglich ist.
Oder kannst Du mir Beispiele nennen, wo vorher als Jäger/Sammler oder Nomaden lebende Menschen in die Seßhaftigkeit "entwickelt" wurden und danach ohne staatliche Alimentation von dem gleichen Land als Bauern leben konnten?
 
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