Die Polen im Ruhrgebiet

rolo

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Noch heute gibt es im Ruhrgebiet sehr viele Familien die polnische Namen tragen.
Es waren Wanderarbeiter aus Polen und Masuren, die für den Bergbau in den "Pott" geholt wurden.
Wer weiß noch mehr? Wann begann es alles, welche Traditionen, die ursprünglich in Polen zuhause waren, wurden mit ins Ruhrgebiet gebracht, hielten die Polen an ihrer Sprache fest und gaben sie weiter, was ist heute noch übrig von all dem (außer den polnischen Namen):confused: ???
 
Auf Grund einer Freizeitbeschäftigung ist ein Begriff dieser Volksgruppe erhalten geblieben: Borussia.
 
Ein paar Fakten die ich schonmal habe:
Die Einwanderung fand von 1871 bis zum 1.WK statt.
Im Ruhrgebiet gab es um die Jahrhundertwende 260 Schulen an denen 20.000 Kinder die die polnische Sprache sprachen unterrichtet wurden.
1918 zog es viele Polen wieder in ihr Heimatland, nachdem der neue polnische Nationalstaat entstanden war.
Es gab sogar ein eigenes Arbeiterkomitee, dass die Interessen der Polen vertrat, es wurde 1934 aufgelöst.
Es gab nicht nur Einwanderung aus Polen, sondern auch aus der näheren Umgebung, sowie Ostdeutschland.
Ein bekannter Pole war der Fußballspieler Szepan, der in den 30er Jahren die Meisterschaft mit Schalke holte, bei Schalke war damals die Mehrheit der Spieler polnischer Abstammung, weswegen die Leute davon ausgingen, die Meisterschaft sei in polnischer Hand.
Ein weiterer Punkt war das Optionsverfahren, das im Versailler Friedensvertrag festgelegt war.
Demnach konnten Polen die in Deutschland lebten und Deutsche die in Polen lebten entscheiden, welche Staatsbürgerschaft sie annehmen wollten.
Die Entscheidung der Ruhrpolen hatte dabei weitreichende Konsequenzen.
Nach neuen Erkenntnissen optierten insgesamt 55.000 Personen, darunter nur 5.000 aus dem Ruhrgebiet, für Polen.
Mit den Familienangehörigen ist von etwa 20.000 Optanten auszugehen.
Das Ruhrgebiet war damals französisch besetzt, und die Optanten belasteten das deutsch-polnische Verhältnis. Es kam zu Auseinandersetzungen, dem "Optantenkrieg".
Ausweisungen Deutscher aus Polen und Polen aus Deutschland waren die Folge.
Die letzten Optantenfälle wurden noch in den 30er Jahren abgewickelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schätze mal, das grosse Anteile der polnischen Namen heutzutage auch von den Ostvertriebenen stammt.

Als ich in Krakau die Klingelschilder las, hätte es auch in Deutschland sein können, bei sovielen: Nowaks, Grabows, Borowskys und Kowalskys,......
 
das heutige ruhrgebiet bestand z.zt. der industrialisierung ab mitte des 19ten jh. zum größten teil aus dörfern mit einigen hundert bis 1000 einwohnern.mit der wachsenden industrie und ihrem bedarf an arbeitskräften stieg die bevölkerungzahl drastisch an ( z.b. oberhausen: von 1000 einw. ca 1850 auf 100000 ca 1914 ).aus abgelegenen dörfern wurden innerhalb zweier generationen großstädte.die zuwanderer kamen aus vielen ländern europas ( facharbeiter oft aus england u. frankreich,dort war die industr. schon weiter fortgeschgeschritten und die junge deutsche industrie brauchte ihre kenntnisse ) und vor allem aus den deutsch. ostgebieten und aus polen.die meisten dieser arbeiter kamen aus ländlichen,armen verhältnissen und suchten im "revier" ein besseres auskommen,da die löhne etwas höher und die arbeitsbedingungen besser waren.die unterbringung der vielen menschen in den kleinen gemeinden stellte ein problem dar das die unternehmer mit werkssiedlungen ( kollonien ) und männerunterkünften ( "bullenklöster" ) zu lösen versuchten.viele aber wurden kostgänger,d.h. sie mieteten sich bei arbeiterfamilien ein.die verbesserten ihre kargen einkünfte durch vermietung eines zimmers ( auch mit verpflegung ) in ihrer ohnehin schon kleinen (werks-)wohnung.aber so hatten die polen bereits kontakte mit den einheimischen und deren leben.da die meisten deutsch sprachen ( ihre heimat waren ja meist das deutsch-polnische grenzgebiet oder die deutschen ostgebiete ) fanden sie sich schnell in das neue leben ein,blieben aber ihrer lebensweise,religionsausübung und gebräuchen treu ( siehe ob. beiträge anderer mitglieder ).die eingliederung ging verhältnismäßig gut vonstatten.viele polen änderten ihren namen ( mehrere eindeutschungenphasen bis in die nazizeit ).so hatte z.b. ein polnischer vater in mülheim vier söhne mit vier verschiedenen familiennamen was ihm kummer machte da er gerne seinen poln. familienname weitergegeben hätte.ein probleim war die kleidung.die arme deutsche bevölkerung trug schlichte,dunkelfarbige kleidung.die polen liebten wohl eher bunte sachen in für deutsche unüblicher kombination.das forderte den derben,direkten ruhrgebietlerhumor zu "stänkereien" heraus (z.b. rot und blau pollakkfrau,od. aus einem längeren lied: jetzt sitzen alle um den tisch,mit rotem hemd und gelbem schlips ), die aber nur sehr selten böswillig oder gehässig waren.im rückblick kann ich sagen dass zu meiner kindheit in den 50er jahren nichts mehr von der zuwanderung der vielen polnischen bürger zu spüren war ( nur die namen sind geblieben ).
 
Zitat:" ihre heimat waren ja meist das deutsch-polnische grenzgebiet oder die deutschen ostgebiete "

Sind es die Leute die in Schlesien als "Wasserpolaken" bezeichnete?
 
??? - keine ahnung wie die schlesier ihre mitmenschen betittelten. den ausdruck habe ich aber schon mal gehört aber was,wen od. wie er gemeint ist/hat kann ich nicht sagen.
 
Das sind die Grenzbewohner deren Deutsch so mit polnisch vermischt war, das niemand mehr wusste, ob es Deutsche sind die polnisch im Dialekt aufgenommen haben oder ob es Polen sind die ihererseits viele deutsche Vokabeln aufgenommen haben.

Aufgrund dieses zweifels sind nicht alle aus Oberschlesien vertrieben worden.
 
askan schrieb:
Das sind die Grenzbewohner deren Deutsch so mit polnisch vermischt war, das niemand mehr wusste, ob es Deutsche sind die polnisch im Dialekt aufgenommen haben oder ob es Polen sind die ihererseits viele deutsche Vokabeln aufgenommen haben.
Das ist überhaupt kein Problem. Es läßt sich leicht feststellen, ob Deutsch mit vielen polnischen Vokabeln oder Polnisch mit vielen deutschen Vokabeln gesprochen wird.

Das Problem ist vielmehr: Wie klassifiziere ich zweisprachige Grenzbewohner? Wenn jemand fließend Deutsch spricht und fünf Minuten später fließend Polnisch, hat er dann in der Zwischenzeit die Nationalität gewechselt?
 
hyokkose schrieb:
Das Problem ist vielmehr: Wie klassifiziere ich zweisprachige Grenzbewohner? Wenn jemand fließend Deutsch spricht und fünf Minuten später fließend Polnisch, hat er dann in der Zwischenzeit die Nationalität gewechselt?

Das sollte man denen am besten selber überlassen, welcher Nationalität sie sich in dem Fall zugehörig fühlen.
 
Ehm, das war damals richtig Zündstoff! Denn damals mochte es keine Seite das man einfach die Seiten wechselt. Nicht ohne Grund fing der Einmarsch nach Polen in genau diesem gebiet an. Nach dem Krieg waren sich die Polen nicht sicher ob es nun Deutsche oder polen seien die dort wohnen, also dürfen sie bleiben.
 
Über die "Wasserpola[c]kei" hat sich Engels anno 1848 schon amüsiert.
Engels schrieb:
Der in den preußischen Krautjunker aufgegangene Slachcic <polnische Adlige> aus der Wasserpolackei liefert uns ein lebendes Exempel von dem, was die liebevolle preußische Regierung aus dem posenschen Adel zu machen gedenkt. Herr Lichnowski ist trotz aller seiner Beteuerungen kein Deutscher, er ist ein "reorganisierter" Pole; er spricht auch kein Deutsch, sondern Preußisch
Neue Rheinische Zeitung" Nr. 91 vom 1. September 1848
http://www.mlwerke.de/me/me05/me05_319.htm
 
Da ich Oberschlesier bin und in letzter Zeit immer öfter im Ruhrpott verkehre, kann ich hier sprachliche Merkmale erläutern, die mir aufgefallen sind.
So stand in unserem alten Deutschunterrichtsbuch ein Spruch der Zechenarbeiter, der so lautete: "Vom Mlotek zum Hi-Tech"

"Mlotek" , (dass kleine "L" müsste eigentlich ein "I" mit Schrägstrich dadurch sein.)
bedeutet übersetzt "Hammer". Im Pott wurde der Ausdruck dann oft insgesamt für das Werkzeug eines Zechenarbeiters verwendet.

Auch sagt man im Ruhrpott "Galotte" zu einer langen grauen Bergmannsunterhose, im polnischen Schlesien meint gleiches Wort einfach "Hose".

Und wenn ein alter Ruhrpotter sich über etwas freut, so hört man ihn manchmal rufen "Dobsche, dobsche dralala!"
"Dobrze" meint in Polen "Gut".

Auch gibt es im Pott die Bezeichnung "Polackenflachrennen", dieser Begriff wird verwendet wenn man eine Menge beschreibt, die auf etwas zudrängt, wie zum Beispiel beim Sommerschlussverkauf.

Also die polnischen Einflüsse kann man im Ruhrpott sehr gut erkennen.

Wer die Begriffe aus dem Ruhrpott nachlesen möchte, findet sie auf folgender HP:
http://www.ruhrgebietssprache.de/

Pozdrawiam serdecznie
Rafael
 
Zuletzt bearbeitet:
Rafael schrieb:
Da ich Oberschlesier bin und in letzter Zeit immer öfter im Ruhrpott verkehre, kann ich hier sprachliche Merkmale erläutern, die mir aufgefallen sind.

Auch gibt es im Pott die Bezeichnung "Polackenflachrennen", dieser Begriff wird verwendet wenn man eine Menge beschreibt, die auf etwas zudrängt, wie zum Beispiel beim Sommerschlussverkauf.

Schön, dass du öfter hier verkehrst und es dir offensichtlich bei uns gefällt!
Übrigens heißt unsere Region Ruhrgebiet oder Kohlenpott - den Begriff "Ruhrpott" benutzen eigentlich nur Auswärtige oder Zugereiste... :p

Das schöne Wort "Polackenflachrennen" interpretierst du wesentlich zu positiv - wenn du das nächste Mal in der Gegend bist, frag doch mal einen echten Kumpel, was er wirklich darunter versteht... :rofl:


Zum Schluss noch einen wunderbaren Schüttelreim für dich, der unseren Pott so beschreibt, wie er ist:

Ein Mann, der kam ins Ruhrgebiet,
wo er nach Marl und Buer geriet.
Doch alles stellt in Schatten weit
das wunderschöne Wattenscheid!

(Quelle weiß ich leider nicht - habe ich in der Grundschule gelernt)
 
Kirlon schrieb:
Zum Schluss noch einen wunderbaren Schüttelreim für dich, der unseren Pott so beschreibt, wie er ist:

Ein Mann, der kam ins Ruhrgebiet,
wo er nach Marl und Buer geriet.
Doch alles stellt in Schatten weit
das wunderschöne Wattenscheid!
Ein Schüttelreim ist das leider nicht. Der könnte so lauten:

Die Sonne wirft die Schatten weit -
es wird bald Nacht in Wattenscheid.
 
Hier in den "Kohlenpott" (ja ich habs gelernt :king: ) treibt mich die Liebe mehr, als geschichtliches und gesellschaftliches Interesse. Das muss auch mal sein ;) .
Aber danke für die Grüße und die Kritik. Lerne immer wieder gern dazu.
In dem o.g. Link aber zur Ruhrpottsprache ist das Wort "Polackenflachrennen" so beschrieben und dort steht auch (wenn ich mich nicht irre), dass sich der Kumpel, der das sagt, mit einschließt.

Seltsam seid ihr aber hier (bin schon wieder bei euch), hier gibt es so viele Ausländer, meist aber in der Gegend von Wanne-Eickel und Herne ernte ich böse Blicke von sehr netten Menschen, wenn ich mein Buch "Historia Polski" lese. ;)
Aber auch das Phänomen von Rechtsradikalismus ist, denke ich, sehr eng damit verknüpft, dass hier ein so großer Ausländeranteil ist. Das Problem, was ich da auch manchmal sehe, ist das, dass auch einige mit polnischen Vorfahren hier sich dem Rechtsradikalismus geneigt zeigen.
 
Die Liebe ist ja nicht der schlechteste Grund, um ins Ruhrgebiet zu kommen. Und nette Mädels gibt's hier alle Male :) - ich habe auch schon ein paar davon kennengelernt. :p

Ich finde allerdings - wenn du schon mal da bist - solltest du deine historischen Interessen nicht zu kurz kommen lassen! Es gibt hier doch einiges, das sehr sehenswert ist.
Solltest du bisher in dieser Richtung noch nichts unternommen haben, empfehle ich dir als Einstieg einen Besuch in der Villa Hügel (ist auch nicht weit von Herne oder Wanne...)!

Zu deinem Statement bzgl. Ausländerproblematik: Ich finde, im Großen und Ganzen läuft das Zusammenleben in unserer Region nicht nur erfreulich friedlich, sondern manchmal sogar harmonisch ab. Das mag daran liegen, dass ja die meisten Familien, die im Pott ansässig sind, irgendwann selbst zugezogen sind. Hier mischen sich schon lange die verschiedensten "Landsmannschaften" - und dem Ruhrgebietsmenschen wird ja auch eine gewisse Offenheit nachgesagt. :p
Einzelne politisch Verirrte gibt es hier - zugegebenermaßen - allerdings leider auch.

Dass du selbst negative Erfahrungen machen musstest, tut mir sehr Leid! Ich hoffe jedenfalls, dass die positiven überwiegen! :yes:
 
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