Muspilli
Aktives Mitglied
@ Klaus
Daher noch kurz etwas zur Diskussion mit Lili:
@ Lili & KLaus
Übrigens kann man aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive auch den amerikanischen Psychoanalytiker Erik Erikson als einen Pionier der Psychohistorie ansehen. Und um es komplett unübersichtlich zu machen: Es gibt auch eine Historische Psychologie ...
Seine Theorie nannte De Mause ja auch nicht von ungefähr "psychogenetisch"! Das ist ja das wirklich seltsame, daß er seine Theorie so sehr verabsolutierte anstatt gründlichere Studien über die Geschichte der Kindheit anzustrengen.deMause sieht jede gesellschaftliche Veränderung "psychogen" [...]. Mir ist eine solche Interpretation zu eindimensional, ich bevorzuge die Sichtweise einer wechselseitigen Ursache-Wirkungs-Beziehung (weil die Kindererziehung sich ändert, ändert sich die Gesellschaft und umgekehrt) . Damit widerspreche ich auch jedem Determinismus in Psychologie oder Geschichte.
Was Lloyd de Mause nach seinem Entwurf einer psychogenetischen Theorie der Kindheit machte, war die Entwicklung einer psychogenetischen Theorie der Geschichte, in der seine ersteren Befunde - nämlich die Annahme verbreiteter Kindheitserfahrungen in Beziehung setzte zu historischen Ereignisse und sich diese psychologisch zu erklären erlaubte über den Begriff der Gruppenphantasien. Das ist in der Tat ein mehr oder weniger neues Paradigma.Ich möchte noch einmal hervorheben, dass es hier nicht darum geht, durch welchem Erziehungsstil welche Art von Persönlichkeit begünstigt wird (das wäre ja "nur" Psychologie), sondern darum, was passiert, wenn derselbe Erziehungsstil massenhaft in einem Land zu einer Zeit angewandt wird und somit die Befindlichkeit eines ganzen Volkes prägt. Aus dieser hohen Synchronität ergibt sich die neue Qualität der Psychohistorie gegenüber der Psychologie des Individuums.
Daher noch kurz etwas zur Diskussion mit Lili:
@ Lili & KLaus
Freilich nicht nach De Mause; dieser hat sich von beiden Disziplinen vehement abgegrenzt, weil diese seine monokausale Geschichtserklärung schwerlich teilen können.das ist nicht "nur" Psychologie, sondern auch Soziologie und Sozialpsychologie.
Vorausgesetzt man aberkennt der psychoanalytischen Methode jegliche Wissenschaftlichkeit (wohlgemerkt ein wissenschaftstheoretischer Standpunkt, den ich nicht teilen würde).die Psychohistorie beschäftigt sich damit im wissenschaftlichen Sinne nicht.
Bekanntlich gibt es die Tradition der sog. Frankfurter Schule/ Kritische Theorie, die sich auch in historischer Perspektive begonnen hatte, sich dem Thema anzunehmen: Stichwort "analytische Sozialpsychologie". Interessanterweise nahm einer ihrer Vertreter ein ähnliches Projekt in Angriff wie Lloyd de Mause: die Tiefenhermeneutik/tiefenhermeneutische Kulturanalyse Alfred Lorenzers. Die kritische Sozialpsychologie starb leider zum Teil mit einem ihrer wichtigsten Vertreter: Klaus Horn... Aber die kürzlich erst an anderer Stelle empfohlene Literatur sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden: http://www.geschichtsforum.de/f82/autorit-re-charaktere-im-nationalsozialismus-33426/#post500613 - freilich ist diese Sozialpsychologie dann aber doch meilenweit entfernt von der experimentellen Sozialpsychologie, wie sie Lili wohl im Auge hat!Was bliebe dann noch als Unterschied zwischen Psychohistorie und Sozialpsychologie übrig ? Es geht doch wohl darum, dass geschichtliche Enwicklungen über die kollektive Psychologie der Indviduen einer Gesellschaft im geschichtlichen Verlauf interpretiert werden. Hat die Sozialpsychologie ebenfalls eine geschichtliche Perspektive ? Wenn ja, ist einer der beiden Begriffe überflüssig.
Übrigens kann man aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive auch den amerikanischen Psychoanalytiker Erik Erikson als einen Pionier der Psychohistorie ansehen. Und um es komplett unübersichtlich zu machen: Es gibt auch eine Historische Psychologie ...