Die Revolution 1848/49 - verlorene Fakten

Geradezu fasziniert war Heinemann von dem Rechtsanwalt Friedrich Hecker, dem Führer des badischen Aufstandes 1848, dem noch rechtzeitig die Flucht in die USA gelang, wo er als Oberst

Vielen Dank Mercy.
Von dem ausgewanderten Bruder wusste ich nichts.

Die rechtzeitige Flucht Heckers ist aber zumindest verkürzt. Er war nicht rechtzeitig geflohen, er kam zu spät zurück
...
Nach dem von ihm angeführten 1. Badischen Aufstand floh Hecker zusammmen mit Struve in die Schweiz, Muttenz bei Basel (ein bekannter Zufluchtsort südwestdt. Querköpfe:cool:)
Struve ging zurück nach Baden, den nächsten, 2. badischen Aufstand auslösen. Hecker zuerst nach Straßburg, wo er sich angesichts einer drohenden Ausweisung zur Ausreise in die USA entschloß.
1849 während des 3. badischen Aufstands kam er nochmals über den Teich, kehrte aber in Frankreich um.
 
Noch ein Histörchen:

Mir liegt ein Bericht vor über den 25. März 1848 der "Franzosenfeiertag".
Verkürzt und zusammengefasst:

Am Nachmittag kam ein reitender Bote des Oberamtmannes in die Stadt. Wolfach brennt, Rottweil ist erstürmt, die Franzosen ziehen gegen Balingen.
Der Landsturm ist aufgeboten. Sammelplatz Oberamtei in Balingen. Flüchtlinge zogen durch die Stadt, darunter ein Pferdeomnibus besetzt mit Rottweiler Gymnasiasten, die allesamt die Nachrichten bestätigten.

Jungfrauen verstecken ihr "Weißzeug" und übrige Aussteuer, manche verkleidet sich als Mann, andere verstecken sich.
Ehrbare Hausfrauen verstecken das "Silber" in der Latrine! (Ob der "Geschmack" haften blieb, fehlt leider in der Beschreibung:D)

Der Landsturm versammelt sich in den Abendstunden vor dem Rathaus, diverse Pferdewagen sind bereitgestellt, um die Kämpfer schneller an den Feind zu bringen. Die Bewaffnung ist allerdings mehr als jämmerlich. So wundert es nicht, dass so mancher vorne im Licht auf den Wagen stieg, um im Dunkel hinten gleich wieder abzusteigen. Ein Gemeinderat stärkt die allgemeine Moral indem er laufend wiederholt "Jeder muss mit, Jeder muss mit" plötzlich entdeckt er seinen Sohn auf einem der Wagen, "Du nicht Gottlieb, steig sofort von dem Karren runter".
Schließlich fährt die Kolonne ab.

In den frühen Morgenstunden kommt ein reitender Bote mit der Nachricht: "Die Franzosen sind geschlagen und zerstreut".

Wenig später kommt die Fuhre der tapferen Kämpfer zurück. Die Bewaffnung wird in die Kandel geschmissen und es wird mehrheitlich das nächste Wirtshaus aufgesucht, wo "nach altdeutscher Sitte" (steht da wirklich) der entstandene Schrecken mit einem Humpen Bier runtergespült wird.


Der Bericht entstand ca. 1900 aus Gesprächen mit Zeitzeugen und ich denke er wird recht authentisch sein.

Für mit der Geschichte Südwestdeutschlands weniger vertraute: Es war nichts, aber auch überhaupt nichts dran an den Gerüchten. Auf die auch die Staatsmacht hereingefallen ist.
 
Der Bericht entstand ca. 1900 aus Gesprächen mit Zeitzeugen und ich denke er wird recht authentisch sein.
Wers glaubt. :p
Es handelt sich um die Schilderung des Pfarrers Gottlob Bunz: „Der Franzosenfeiertag 1848 Samstag den 25. März“ (Reutlingen 1880), der über die Reaktionen der Landbevölkerung über das Gerücht berichtet und der die Bezeichnung „Franzosenfeiertag“ kreierte.

Der historische Kern: Am 23. Sept. 1848 zog Gottlieb Rau, ein gebürtiger Dürrwanger (heute Balingen) nach Rottweil, um am nächsten Tag vor 4000 bis 5000 Menschen eine Rede zu halten und die Republik zu proklamieren. Alle wehrfähigen Männer sollten sich nach Stuttgart aufmachen, um bei einer großen Volksversammlung beim Cannstatter Volksfest am 28. Sept. seinen politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Balinger Bürgerwehr rückte gar nicht erst aus, und die aus Rottweil mitgekommenen Männer kehrten nach Hause zurück. Von 200 ausgezogenen Männern aus Schramberg kamen nur sieben bis Cannstatt, wo sie bereits von 5000 Soldaten erwartet wurden.

(Art. Balingen in: Revolution im Südwesten, Karlsruhe 1997, S 84ff)
 
Wers glaubt. :p
Es handelt sich um die Schilderung des Pfarrers Gottlob Bunz: „Der Franzosenfeiertag 1848 Samstag den 25. März“ (Reutlingen 1880), der über die Reaktionen der Landbevölkerung über das Gerücht berichtet und der die Bezeichnung „Franzosenfeiertag“ kreierte.

Der historische Kern: Am 23. Sept. 1848 zog Gottlieb Rau, ein gebürtiger Dürrwanger (heute Balingen) nach Rottweil, um am nächsten Tag vor 4000 bis 5000 Menschen eine Rede zu halten und die Republik zu proklamieren. Alle wehrfähigen Männer sollten sich nach Stuttgart aufmachen, um bei einer großen Volksversammlung beim Cannstatter Volksfest am 28. Sept. seinen politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Balinger Bürgerwehr rückte gar nicht erst aus, und die aus Rottweil mitgekommenen Männer kehrten nach Hause zurück. Von 200 ausgezogenen Männern aus Schramberg kamen nur sieben bis Cannstatt, wo sie bereits von 5000 Soldaten erwartet wurden.

(Art. Balingen in: Revolution im Südwesten, Karlsruhe 1997, S 84ff)

Ätsch... Mercy, da bringst Du 2 Sachen durcheinander.
Den Franzosenfeiertag vom 25. März 1848 und Gottlieb Raus Zwetschgenfeldzug (nach dem ich Dich mal vergeblich raten lies:p)
der Aufschrieb, auf den ich mich beziehe, stammt nicht vom Reutlinger Pfarrer sondern vom Ebinger Oberlehrer Gottlob Hummel, und die Ebinger Landwehr (nicht die Bürgerwehr!) ist ausgerückt am Franzosenfeiertag.

Hummel bezieht sich auf diverse Ebinger Zeitzeugen, insbesondere auf Malzfabrikant Keller, Jahrgang 1828 verstorben 1922.
Publiziert hat Hummel seinen Aufschrieb mehrfach, zuletzt in "Geschichte der stadt Ebingen" 1925
 
Wers glaubt. :p
Es handelt sich um die Schilderung des Pfarrers Gottlob Bunz: „Der Franzosenfeiertag 1848 Samstag den 25. März“ (Reutlingen 1880), der über die Reaktionen der Landbevölkerung über das Gerücht berichtet und der die Bezeichnung „Franzosenfeiertag“ kreierte.



(Art. Balingen in: Revolution im Südwesten, Karlsruhe 1997, S 84ff)
In dem genannten Werk findest Du unter Glossar den "Franzosen-Feiertag, -Sonntag -Samstag" kannst es nachlesen.

Ich habe den Bericht nochmals nachgelesen, der Hummel (bis zu seinem Tod 1953 offizieller Stadtchronist)
nennt den Kommandanten der Landwehr, einen Fuhrmann, mehrere Ausrückende, einige Jungfrauen und Hausfrauen namentlich, der Gemeinderat der Angst um seinen Sohn hat, wird namentlich aufgeführt, ...
der hat nicht abgeschrieben.

Im Tailfinger Heimatbuch des Dr. Hermann Bizer von 1951 wird dieser Auszug ebenfalls erwähnt, (die Tailfinger sind bis Balingen marschiert).

Wenn ich sowas schreibe bin ich mir meist sehr sicher, und habe keinen Zweifel an meinen Quellen.
Könntest Du eigentlich wissen, nach rund 10 Jahren virtueller Bekanntschaft.:winke:
Musst doch hier nicht Kurländer spielen.....
 
Noch ein Histörchen:

1848 war es üblich, dass amtliche Bekanntmachungen vom Schultheiß der Bevölkerung verlesen wurden. Praktischerweise meist vom Rathausfenster aus.
In einer Kleinstadt im juli 1848 bekam der Schultheiß (ein März-Schultheiß = durch die Rev. ins Amt gekommen) eine zu verkündende Verordnung des Ministeriums.
Ging er auf die Spitalwiese, wo zu der Zeit 2 Kompagnien der Bürgerwehr exerzierten, hatte er ja die Öffentlichkeit.
Der Schultheiß verliest die amtliche Bekanntmachung.
Tritt ein Wehrmann aus dem Glied und erklärt, er ist Republikaner, das lässt er sich nicht gefallen, er wandert aus.
Es gibt einen Tumult, Hochrufe auf Hecker.
Unter weiteren Hochrufen auf Hecker marschieren die beiden Kompagnien ins Städtchen zurück.

Unterwegs werden dem Schultheiß Vorwürfe gemacht, wie er das dulden kann. Er bleibt entspannt, "warum denn, die Leute können doch hochleben lassen wen sie wollen."

Die Fortsetzung: es werden Unterschriften gesammelt, insgesamt 500! und der Regierung nach Stuttgart eingereicht. "Der gefährliche Unfug der Volksbewaffnung gehört beendet".

500 Unterschriften bei ca. 5000 Einwohner sind schon ein Wort! Wobei natürlich keiner weiß, wie viele mehrfach unterschrieben haben:grübel:

Ein deutliches Zeichen, wie schon im Sommer 48 die Bevölkerung polarisiert war.
 
Noch ein Histörchen:

Steinhofen im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen (heute Bisingen-Steinhofen im Zollernalbkreis) errichtete im März 1848 einen Freiheitsbaum, nichts besonderes damals, bis auf die Aufschrift:

Es lebe die Freiheit und unser Fürst

da fehlen einem schlicht die Worte.

Es ist verbürgt, sonst wäre es völlig unglaublich.
Das Ländchen hat im 17. und 18. Jahrhundert die respektable Zahl von mindestens einem Dutzend Mistgabel-Revolten gegen ihren Grafen und seine Steuereinnehmer zu verzeichnen.
Die Hechinger Grafen und Fürsten ruinierten sich finanziell immer wieder aufs neue und waren dementsprechend ihren Untertanen gegenüber äußerst despotisch.
 
Sehr schöne Geschichte.
Aber eine Sache verstehe ich nicht:

Wieso wollten die ihre Waffen nicht behalten?
Den anschließenden Teil verstehe ich wieder ;-)


Genau so hat es der Lehrer Hummel geschrieben.
Die Frage habe ich mir natürlich auch gestellt. Bei den Tailfingern wird ausdrücklich erwähnt, dass einer eine Flinte dabei hatte, ich nehme deshalb an, dass die entsorgte Bewaffnung sich im Bereich von Knüppeln bewegte.
Die eine Flinte, Messer, Äxte, gerade geschmiedete Sensen usw. werden sie nicht weggeschmissen haben. (hätte sich ja jemand verletzen können:rofl:)

Diese Erfahrungen führten dann aber zu der allgemeinen Volksbewaffnung, Stichwort Bürgerwehr, was, siehe Beispiel, so manchem wiederum zu weit ging.
 
Der Heckerzug, Struves Septemberaufstand, Raus Zwetschgenfeldzug.
Robert Blum in Wien

Eigentlich sind dies ja Aktionen frustrierter und enttäuschter Politiker, die ihren politischen "Freunden" (sind ja meist die größten Feinde) zeigen wollten was eine Harke ist.



OT: Ein bißchen bin ich schon enttäuscht, ist mein Lieblingsthema OK, aber dass es fast keinen interessiert. Immerhin der Beginn unserer Demokratie. Und bestens dokumentiert.
Na ja, auch Ansichtssache.
 
OT: Ein bißchen bin ich schon enttäuscht, ist mein Lieblingsthema OK, aber dass es fast keinen interessiert. Immerhin der Beginn unserer Demokratie. Und bestens dokumentiert.
Na ja, auch Ansichtssache.

Ich habe erst angefangen, das 19. Jhdt. zu entdecken und lese deine Beiträge gern @Repo.
Vielleicht ergibt sich noch eine Diskussion über den besonderen Zeitgeist.:winke:
 
Wie kommst Du denn darauf?
Ist halt nicht so, daß wir mit Deiner Spezialkenntnis mithalten und selber viel beisteuern könnten - aber Deine Beiträge werden aufmerksam gelesen.


Meine "Spezialkenntnis" beschränkt sich aber fast ausschließlich auf den Südwesten, aber woanders hat es doch auch ganz ordentlich gekracht, Wien, Dresden, Berlin, im preußischen Rheinland
und da sind meine Kenntnisse höchstens oberflächlich

Und da hätte ich auf die eine oder andere Info gehofft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe erst angefangen, das 19. Jhdt. zu entdecken und lese deine Beiträge gern @Repo.
Vielleicht ergibt sich noch eine Diskussion über den besonderen Zeitgeist.:winke:


Mir gehts wie Heinemann, mein UrUropa hat zwar nur einen Säbelhieb über den Kopf bekommen, laut Gerichts-Akten ein "Stück vom Kopf abgeschlagen", (die Nachforschung war meine erste selbständige Tat, bin ich noch ganz stolz drauf, war nur noch in Ansätzen, die auch noch falsch waren, in der Familie bekannt) so schlimm war es aber wohl doch nicht "mit dem Stück vom Kopf", er starb erst 1898.
Dann ist das Interesse eben größer, und vermutlich denkt man unterschwellig es müsste bei anderen ebenso sein.


OT: Kann ich übrigens den werten Mitstreitern nur empfehlen, die 150 Jahre (als ich mich drum bemühte, waren es allerdings erst 125 Jahre) sind ein Zeitraum die aus Erzählungen, dem einen oder anderen Familienerbstück oder so, gerade noch fassbar sind. Und die Historie kann eine wesentlich direktere Wirkung auf einen ausüben, wenn man da plötzlich Vorfahr Johann Jakob als Handelnden entdeckt. Wirklich faszinierend!
 
Zuletzt bearbeitet:
I Wie dies Flo´s Ur-Urgroßvater zusammen mit Bismarck vorhatte.
(Auch ein Fakt der noch keinen Niederschlag in der Geschichtsschreibung fand. Der konterrevolutionäre Anschlag auf Berlin von Flo´s Ur-Urgroßvater:D)
Ich möchte dich mal bitten, meinen Urgrossvater da rauszuhalten. der ist im Leben nie aus seinem Dorf rausgekommen.:motz:
Das geht mir etwas zu weit, was du veranstaltest.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte dich mal bitten, meinen Urgrossvater da rauszuhalten. der ist im Leben nie aus seinem Dorf rausgekommen.:motz:
Das geht mir etwas zu weit, was du veranstaltest.


Flo, das war doch nicht persönlich gemeint.

Fakt ist aber, dass Bismarck, wohnte ja da bei Dir ums Eck, dem König FW IV anbot mit seinen Bauern nach Berlin zu kommen, und das ganze "Revoluzzerpack" zum Teufel zu jagen. Und das Flo, muss doch im Kreis Jerichow II Spuren hinterlassen haben. Davon muss doch noch was bekannt sein.

Und wenn ich dann einen Charakterkopf wie dich anschau, könnte es doch immerhin sein, dass der mit Bismarck ziehen wollte.
 
Flo, das war doch nicht persönlich gemeint.

Fakt ist aber, dass Bismarck, wohnte ja da bei Dir ums Eck, dem König FW IV anbot mit seinen Bauern nach Berlin zu kommen, und das ganze "Revoluzzerpack" zum Teufel zu jagen. Und das Flo, muss doch im Kreis Jerichow II Spuren hinterlassen haben. Davon muss doch noch was bekannt sein.

Und wenn ich dann einen Charakterkopf wie dich anschau, könnte es doch immerhin sein, dass der mit Bismarck ziehen wollte.

Schönhausen liegt 60 km weg von Uropa. Weisst du, was damals 60 km bedeuteten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Dorf Bismarck ist 60 km weg von Uropa.
Weisst du, was damals 60 km bedeuteten?

OK Flo, habe ich den Kreis Jerichow zu weit ausgelegt, dachte wir hätten uns auch schon mal über Deinen Landsmann Bismarck in Hohenschönhausen unterhalten.
Schade,
aber wäre doch ein interessantes Bild:
Dein Uropa zusammen mit Bismarck auf dem Weg nach Berlin, FW IV retten.
Oder nicht?
 
... er starb erst 1898.
Das kann ich überbieten ;-)

Ein (diverse Ur-) Großonkel ist offizielles Opfer der Fürstenwillkür (hat sogar in Hannover einen Gedenkstein).

Allerdings ist er nicht im Barrikadenkampf gefallen, sondern hat vor Ärger den Herzschlag bekommen, weil der König seine Zusagen zur Verfassung brach ...
 
Zurück
Oben