Die Schlacht an den pontes longi.

salvus

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Die Schlacht an den pontes longi übt wohl für einige eine Art Faszination aus. Kein Wunder, da sie ja fast in einer gigantischen Katastrophe für die Römer geendet hätte.

Zum einen ist diese Schlacht eine Art Balsam auf der Haut der Kalkriese-Gegner. Es hat zumindest den Anschein, daß hinsichtlich der Topographie in den Quellen (Dio, Tacitus), Kalkriese wirklich in Frage kommen könnte. Andere (Schoppe) verlegen die pontes longi zwischen Lippstadt und Wiedenbrück - ohne dies wirklich richtig begründen zu können.

Welche Vermutungen bezügl. des Ortes gibt es noch? Und wie sind diese zu begründen?

Und woher weiß der Tacitus von der Opposition im germanischen Lager, die ja letztendlich wohl den Sieg gekostet hat?
Und warum sollten die Legionen ausgerechnet diesen Rückweg nehmen? Um diese pontes longi wiederherzustellen - vieleicht für den nächsten Feldzug? Oder wären sie ohnehin dort vorbeigekommen? Gibt es wirklich ernsthafte Anhaltspunkte, diesen Ort westlich der Ems zu suchen? Oder könnte er auch weiter östlich gelegen haben?
 
Doch, doch: Wiedenbrück = weite Brücken = lange Brücken = pontes longi. Die meinen das ernst! :rofl:

Donnerwetter!

Das ist ja just bei mir um die Ecke!:yes:

Da gehe ich gerade morgen mal los - natürlich mit Spaten und fange einfach mal an zu graben!

Da gehe ich in die Geschichte ein!:yes:
 
Welche Vermutungen bezügl. des Ortes gibt es noch? Und wie sind diese zu begründen?

Soweit ich weiß, gibt es bzgl. pontes longi neben der Fundregion Kalkriese (z.B. durch Kehne und Wolters) sowie der Verbindungsstrecke zwischen Wiedenbrück und Lippstadt (Schoppe) noch folgende Lokalisierungen:
(a) Allgemein zwischen Rhein und Ems (Johne - vgl. dazu bspw. Die Rmer an der Elbe: das ... - Google Bcher)
Anm.: Wie im verlinkten Buch bei Google nachzulesen ist, bezeichnet Johne zugleich jene Versionen, wonach die pontes longi im Bourtanger Moor oder nördlich des Sees Dümmer (etwa Linie Diepholz - Lohne/Oldeburg: "zwischen Mehrholz und Brägel") zu verorten seien, als "nicht überzeugend" und verweist zudem darauf, daß der in der Region nahe Kalkriese ausgegrabene Knüppeldamm ("zwischen Bramsche und Barnstorf") mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wohl eine Anlage sein muß, welche die Römer bereits vorfanden. Zwar bin ich diesbezüglich alles andere als ein Experte, aber zumindest lesen sich seine Erklärungen (z.B. "... nach der Schilderung des Tacitus nur sehr allgemein...") schlüssig.
(b) Gegend zwischen Münster und Coesfeld - dies ist eine bis vor einigen Jahren anscheinend häufig anzutreffende, aber inzwischen offenbar veraltete Lokalisierung; dazu kann ich leider gar nichts weiter sagen...
 
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Wir haben das in "Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft" schon recht ausführlich diskutiert. Dreh- und Angelpunkt dieser Diskussionen ist der Wall.
Diejenigen, welche in Kalkriese pontes longi sehen, verwiesen darauf, dass der Wall von Kalkriese römischer Bauart sei und Tacitus berichtet, dass die Germanen versuchten, den Wall zu unterspülen.
Gegenargument: Die Cherusker waren als römische Hilfstruppen vermutlich in der Anlage römischer Wälle geschult, der V-Graben ist auf der falschen Seite, die Knochengruben etc. Außerdem fehlt bis dato der Nachweis, dass hinter der Engstelle ein römisches Lager zu finden ist, wie dies im weiteren Verlauf der Schlacht bei pontes longi der Fall war.
 
Naja,
wenn man so die Quellen ließt, dann käme Kalkriese durchaus in Betracht. Schon alleine wegen der erwähnten Topographie.

Allerdings sprechen die Funde eine absolut andere Sprache. Warum hat man vor dem Wall ein erhöhtes (römisches) Fundaufkommen? Doch wohl offensichtlich deshalb, weil die Römer diesen Wall angegriffen haben.

Gibt es eigentlich gesicherte Erkenntnisse, daß Kalkriese wirklich an dieser berühmt wichtigen Ost/West Verbindung gelegen hat?
 
Wall und Graben...

Gegenargument: Die Cherusker waren als römische Hilfstruppen vermutlich in der Anlage römischer Wälle geschult....

Wobei ich auf Caesars "de bello gallico" verweise, wo er schildert wie die Krieger des Ariovist befestigte Lager anlegen - ohne das mir bekannt ist, dass diese Krieger durch die "römische Militärschule" gegangen sind. Es ist also mit Sicherheit keine zwingende Voraussetzung, dass übergelaufene Auxilien u.ä. notwendig sind derart einfache Befestigungen zu errichten. Wer den in diesem Jahr bei Kalkriese "rekonstruierten" Wall gesehen hat erkennt leicht, das für derartige Feldbefestigungen kein besonderes Knowhow, sondern eher ein fester Wille des Feldherrn erforderlich sind.

Was mich in Kalkriese irritiert ist der Wall an der "Bergseite" - also der falschen, den Römern abgewendeten Seite der Ereignisse. Gewöhnlich wird der Graben VOR dem eigentlichen Wall errichtet, was militärisch auch sinnvoll ist. Hier werden die Gräben als Schutz vor Unterspülung und Drainage beschreiben. Das sollte doch eigentlich nur der Fall sein, wenn die Anlage für eine längere Nutzungsdauer vorgesehen ist - wogegen die sonstige Konstruktionsweise eher dagegenspricht...? Ich kann mir ad hoc nur denken, dass der niedrige Wall besser zu verstecken gewesen ist, wenn kein Graben davor lag… Immerhin ist ein Grassodenwall per se recht gut verschleiert und Flechtwerk an seiner Spitze ist auch leicht zu kaschieren, aber diese Überlegung ist rein spekulativ… So recht leuchten mir die dortigen Beschreibungen dazu nicht ein. Es müsste schon sehr nass und regnerisch gewesen sein, wenn derartige Drainagen damals notwendig gewesen sein sollten um eine temporäre Feldbefestigung überhaupt zu ermöglichen…

....Warum hat man vor dem Wall ein erhöhtes (römisches) Fundaufkommen? Doch wohl offensichtlich deshalb, weil die Römer diesen Wall angegriffen haben...

Es muss zwingend so gewesen sein, weil einen Wall zur "Hangseite" hin gegen Angriffe von dort aus zu errichten widerspricht jeder Logik, zumal sich weiter nach Norden hin einst das "Große Moor" ausbreitete...
 
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Wobei ich auf Caesars "de bello gallico" verweise, wo er schildert wie die Krieger des Ariovist befestigte Lager anlegen - ohne das mir bekannt ist, dass diese Krieger durch die "römische Militärschule" gegangen sind.

Es geht ja hier um die Spitzgräben an Ost- und Westende, jeweils zur nördlichen Seite (Sumpfseite) des Walls hin ausgerichtet. Diese Spitzgräben sind es, die einige dazu veranlassen, zu behaupten, der Wall sei römischer Bauart.

Was mich in Kalkriese irritiert ist der Wall an der "Bergseite" - also der falschen, den Römern abgewendeten Seite der Ereignisse. Gewöhnlich wird der Graben VOR dem eigentlichen Wall errichtet, was militärisch auch sinnvoll ist. Hier werden die Gräben als Schutz vor Unterspülung und Drainage beschreiben. Das sollte doch eigentlich nur der Fall sein, wenn die Anlage für eine längere Nutzungsdauer vorgesehen ist - wogegen die sonstige Konstruktionsweise eher dagegenspricht...? Ich kann mir ad hoc nur denken, dass der niedrige Wall besser zu verstecken gewesen ist, wenn kein Graben davor lag… Immerhin ist ein Grassodenwall per se recht gut verschleiert und Flechtwerk an seiner Spitze ist auch leicht zu kaschieren, aber diese Überlegung ist rein spekulativ… So recht leuchten mir die dortigen Beschreibungen dazu nicht ein. Es müsste schon sehr nass und regnerisch gewesen sein, wenn derartige Drainagen damals notwendig gewesen sein sollten um eine temporäre Feldbefestigung überhaupt zu ermöglichen…

Die als Drainage angesprochenen Gräben an der Süd- bzw. Bergseite des Walls sind flach und unterschiedlich tief.
 
Die V-Gräben sind eher nordwesentlich bis westlich vorgelagert, würde ich sagen. Jedenfalls scheinen sie aber nicht gegen den Berg gerichtet zu sein.

tejason schrieb:
Es muss zwingend so gewesen sein, weil einen Wall zur "Hangseite" hin gegen Angriffe von dort aus zu errichten widerspricht jeder Logik

Der sanfte Anstieg ist nur nach norddeutscher Interpretation ein "Berg". Am Standort des Walls hat man von diesem "Berg" kommend keine dramatischen Vorteile, soweit ich das erkennen kann. Die Steigung auf seiner Seite zu haben ist zwar immer noch günstiger, aber auch in der Gegenrichtung würde er noch einen gewissen Zweck erfüllen.

tejason schrieb:
Ich kann mir ad hoc nur denken, dass der niedrige Wall besser zu verstecken gewesen ist, wenn kein Graben davor lag…

Das Material für den Wall wurde laut den Ausgräbern ja _vor_ dem Wall gewonnen. Das spricht für mich eigentlich gegen eine gute Tarnung der Anlage, die, ebenfalls laut Ausgräbern, nur für kurzfristigen Gebrauch gedacht und in wenig standhafter Bauweise errichtet worden sein soll. (Teile sollen ja schon während bzw. kurz nach den postulierten Kampfhandlungen eingestürzt sein.)

Außerdem gab es ja, wie gesagt, stellenweise vorgelagerte Gräben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Material für den Wall wurde laut den Ausgräbern ja _vor_ dem Wall gewonnen.

Ja. Im Wallmaterial fanden sich Scherben aus den Abfallgruben des vor dem Wall liegenden Gehöfts, die Fläche dort war bis 20 m vor dem Wall wie "abrasiert" (ich meine den Begriff hätte Wilbers-Rost in einer der Publikatioen verwendet, vermutlich Römisch-Germanische Forschungen Bd. 65, Kalkriese 3)

Teile sollen ja schon während bzw. kurz nach den postulierten Kampfhandlungen eingestürzt sein.

Dafür spricht, dass das im Wall liegende Maultier noch zur Hälfte intakt war (außer dem Genickbruch, der es tötete) und nicht von Aasfressern zerrupft worden war. Die dürften ausreichend Aas auf dem Schlachtfeld vorgefunden haben, dass sich buddeln nicht lohnte.
 
Insbesondere waren die Metallteile des Zaumzeugs noch ziemlich vollständig vorhanden, also wohl noch nicht geplündert.
 
Also jetzt noch einmal meine (persönliche) Theorie:

Zur Varusschlacht:

Ich glaube, daß die Römer nie und nimmer durch die tiefen germanischen Wälder gezogen sind. Varus wollte den Aufstand im Norden sofort niederschlagen und ist den (bekannten) Weg entlang des Wiehengebirges gegangen. Sein Tross wurde durch die bekannte germanische Taktik angegriffen und ständig dezimiert. Das Ende kam dann durch den Hinterhalt am Kalkrieser Berg. Arminius kannte die Stelle genau und hat die Römer genau dort hingelockt.

Ich denke, daß die Schriften des Dio (Schluchten, dichte Wälder, schlechtes Wetter etc.) einfach viel zu allgemein beschrieben sind. Er wollte die Niederlage nür beschönigen.

Kalkriese ist daher der Ort der Varusschlacht und nicht der Schlachtort der pontes longi.
 
Was mich in Kalkriese irritiert ist der Wall an der "Bergseite" - also der falschen, den Römern abgewendeten Seite der Ereignisse. Gewöhnlich wird der Graben VOR dem eigentlichen Wall errichtet, was militärisch auch sinnvoll ist. Hier werden die Gräben als Schutz vor Unterspülung und Drainage beschreiben. Das sollte doch eigentlich nur der Fall sein, wenn die Anlage für eine längere Nutzungsdauer vorgesehen ist - wogegen die sonstige Konstruktionsweise eher dagegenspricht...?

Ich kann nur berichten, dass dort das Wasser sehr schnell vom Berg runter fließt, eine Nacht Regen und man ist wieder im Sumpf.
Das Anlegen des Grabens zur Bergseite ist durchaus sinnvoll, auch wenn die Nutzung nur für ein paar Tage vorgesehen war.
Wir haben unseren Teil der Kalkriesefeierlichkeiten genutzt, Gräben zu ziehen und das Wasser von den Zelten weg zuleiten. :scheinheilig:
Selbst als der letzte Tag so gut wie regenfrei war, ist der Wasserspiegel nicht stark gesunken und nach 5 cm ist man im Nassen gewesen. :weinen:
 
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Danke für all die Hinweise! Bei den Kalkriesefestlichkeiten war ich übrigens auch - als Besucher dort gewesen. Dass die Rasensoden auf der "römischen Seite" des Walls gestochen worden sein sollten, hatte mir nicht ganz eingeleuchtet. Unter Anderem wird angegeben, dass dadurch für die (römischen) Gegenangriffe der Boden besonders unwegsam und ungünstig gewesen sein soll...
Ich kann jetzt diese Argumente besser nachvollziehen! Besonders wenn ich an den Regenschutt am späten Nachmittag in Kalkriese denke...

Timber schrieb:
Die V-Gräben sind eher nordwesentlich bis westlich vorgelagert, würde ich sagen. Jedenfalls scheinen sie aber nicht gegen den Berg gerichtet zu sein.
Das leuchtet ein, immerhin sind damit die Eckpunkte und besonders gefährdeten Flanken des Walls besser abgesichert. An und für sich sind diese Stellen kritische Schwachstellen der Anlage und damit besser geschützt.

Timber schrieb:
Der sanfte Anstieg ist nur nach norddeutscher Interpretation ein "Berg".
Dem kann ich ebenfalls nur beipflichten! Der "Berg" dürfte damals gewiss ebenfalls bewaldet gewesen sein und war eine gute Deckung für den Hinterhalt und vielleicht auch eine psychologische Stütze für die dort stehenden Krieger.
 
Ich denke, daß die Schriften des Dio (Schluchten, dichte Wälder, schlechtes Wetter etc.) einfach viel zu allgemein beschrieben sind. Er wollte die Niederlage nür beschönigen.

Dichte Wälder und schlechtes Wetter passen doch einigermaßen zu Kalkriese?

salvus schrieb:
Kalkriese ist daher der Ort der Varusschlacht und nicht der Schlachtort der pontes longi.

Beides am selben Ort schließt Du also aus? ;o)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dichte Wälder und schlechtes Wetter passen doch einigermaßen zu Kalkriese?

Beides am selben Ort schließt Du also aus? ;o)

Naja, diese Senke in der diese Schlacht stattfand wird rechts vom Wiehengebirge (Wald) begrenzt und rechts von einem großen Moor. Das Schlachtfeld selber war jedoch eine eher ebene und waldfreie Fläche. Von schroffen Felsen und Schluchten einmal ganz zu schweigen.

Allerdings ist diese Beschreibung zusammen mit den (natürlich;)) schlechten Wetterverhältnissen eine sehr vage und allgemeine Beschreibung.

Beide Schlachten am selben Ort?
Das schließe ich absolut aus!
 
Das Wetter ist dort schlechter als in der Umgebung.
Jedenfalls so meine Erfahrungen durch viele Autofahrten dort hin und vorbei.
Der Rest der Umgebung liegt höher, was dazu führt das sich Nebel, Regen und Feuchtigkeit dort sammelt und nicht weiter ziehen kann.
Kalkriese hat ein Geländemodell ziemlich versteckt im Wald, hinter der Wall Reko stehen.
Google Earth dürfte aber auch einen guten Eindruck vermitteln
Ob dies nun im Jahr 9 auch so war? Keine Ahnung, sind halt moderne Eindrücke vor Ort.
 
Zumal Caecina a) auf dem Rückweg vom Varusschlachtfeld war und b) Tacitus ihn den Aus dem Sumpf wieder emporkommenden Varus sich einbilden lässt. Das sind zwar keine schlagenden Argumente für ein sich überschneidenes Schlachtfeld, aber sie rücken die Überschneidung immerhin in den Bereich des Möglichen.
 
Zumal Caecina a) auf dem Rückweg vom Varusschlachtfeld war und b) Tacitus ihn den Aus dem Sumpf wieder emporkommenden Varus sich einbilden lässt. Das sind zwar keine schlagenden Argumente für ein sich überschneidenes Schlachtfeld, aber sie rücken die Überschneidung immerhin in den Bereich des Möglichen.

Ist das nicht ein Widerspruch? Wenn Caecina auf dem Rückweg vom Varusschlachtfeld war, dann war er eben auf dem Rückweg von demselben und nicht am gleichen Ort. Er sollte ja auf ausdrücklichen Wunsch bzw. Befehl des Germanicus den Rückweg via den pontes longi nehmen. Den hat er dann genommen und diese pontes longi auch erreicht. Sie können daher nicht mit dem Varusschlachtfeld identisch sein.

Außerdem:
Noch eine Schlacht (und eine fast verlorene) auf dem Varusschlachtfeld? Das hätte Tacitus mit Sicherheit erwähnt!!
Schließlich endete die pontes longi Schlacht siegreich:D für die Römer. Ein Sieg auf dem Feld einer ehemals großen Niederlage? Das wäre dem Tacitus sicher eine Erwähnung wert gewesen.:S
 
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