Die Schlacht an den pontes longi.

Wichtig ist das cupido ... invadit. Ob das nun so stimmt oder nicht, ist dabei zeitrangig, jedenfalls ist es so überliefert, dass Germanicus plötzlich den Wunsch verspürte die Legionen zu bestatten, nachdem die Brukterer zerstreut und ihre Ländereien verwüstet wurden. Ob nun zuerst der Legionsadler erobert oder zuerst das Ende des Bruktererlandes erreicht wurde, ist für die Argumentation völlig irrelevant. Relevant ist: Nachdem all dieses passier war, soll ich Germanicus entschlossen haben (cupido ... invadit) die Legionen zu bestatten. Wir wissen weder, wo er sich da genau befand - nur dass er das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet haben soll - noch, wo genau der saltus Teutoburgensis lag und wo wiederum in dem nicht genau definierten Gebiet des saltus Teutoburgensis die Legionen zu suchen gewesen wären. Jedenfalls müssen die römischen Pioniere unter Führung Caecinas erst einmal die Wege dorthin herrichten. Also war man dort noch nicht.

Ich habe leider die Karte nicht mehr in blanco auf meinem Rechner gefunden, daher habe ich sie einfach überzeichnet:

cupido invadit.jpg

Grün Germanicus und seine Flottebewegung, blau Caecina und sein Marsch an die Ems, den ich hier mit Absicht über Haltern habe laufen lassen. Dann der gemeinsame Zug durch's Lippe-Ems-Gebiet. Neu hinzugefügt die Beschriftungen aus der Quelle und der Zug zum Varusschlachtfeld, von einem unbekannnten Ort A (angesetzt relativ weit östlich im Gebiet zwischen Ems und Lippe) zu einem unbekannten Ort B. In der älteren Zeichnung ist natürlich der Weitermarsch in Richtung des Varusschlachtfeldes bei Kalkriese schon eingezeichnet, hier habe ich mit den sternförmig auseinanderstrebenden lila Linien versucht ausdrücken, dass der Text uns keine Richtung angibt.
 
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Ich beziehe mich auf folgende Sätze:
ElQ: "Das habe ich alles verstanden."
und
"Die Schilderung für die Emslandung AD 15 und für die Emslandung AD 16 sind völlig unterschiedlich."
Und genau hier habe ich Zweifel, besonders mit der ersten Aussage!
Kessler bezieht sich in dem von mir beschriebenen Teil nur auf das Jahr 16 und schreibt, dass hier für ein Geschehnis (Germanicus kommt an der Weser an) zwei Quellen vorlagen, die Tacitus irrtümlich doppelnd, beide in seinem Text verarbeitet hat und dadurch zwei Anlandungen/Überquerungen entstehen (Zuerst an der Ems - die es nach ihm nie gab in 16, dann an der Weser).
Was ist daran schwer zu verstehen? Germanicus kommt (in 16) an der mittleren Weser an, schifft in Ruhe und ungestört seine Leute und das Material linksseitig aus, sendet Stertinius gegen die Angrivarier, inzwischen trifft Arminius ein. Der muss auf Zeit spielen (hat noch nicht alle Truppen zusammen?), verhindert vorerst den Übergang der Legionen, nur die drei Reiterabteilungen werden bekämpft (dabei die Bataver fast vernichtet). Inzwischen sind fast alle Germanen am heiligen Hain angekommen, die Schlacht wird vorbereitet und die Weser freigegeben. Jetzt überquert Germanicus auf inzwischen errichtete Brücken den Fluss, kurze Zeit später geht die Schlacht los...

Nicht falsch verstehen, ich habe nicht geschrieben, die Emsaktionen 15 und 16 sind gedoppelt, sondern Ems und Weser in 16 sind es (nach Kessler!)
(Übrigens weist Kessler mehrere solcher Dopplungen nach, auch interessant seine Ausführungen zur Meuterei der Legionen in 14!)

Und nochmal, wenn ich, natürlich spekulativ, davon ausgehe, dass im ganzen Text ein Irrtum vorliegt, nämlich die Deutung von Amisia und Lupia als Flüssen und nicht als Orte, gleichzeitig vermute, dies sei durch einen Fehler eines Kopisten entstanden, der den ihm hier (ihm sind die Orte Amisia und Lupia unbekannt) unverständlichen Text so richtigstellt (aus seiner Sicht), dass er mit kleinen Änderungen (Zusatz von flumen und amnis) auskommt und das Werk auch für ihn verständlicher wird,
dann entstelle ich erstens nicht den Sinn des Geschehens! Das läuft genauso ab, wie beschrieben, nur etwas weiter östlich. Geografisch verändert sich etwas, sonst nichts!
Zweitens kann ich dann das "Argumentieren" mit Zitaten aus dem Text, wo Tacitus "ausdrücklich" von Fluss schreibt, nicht ganz nachvollziehen. das lese ich selber ganz gut, nur ist genau das der von mir angenommene Fehler (auch wenn er dreimal hintereinander vorkommt)!
 
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Danke für die Zeichnung!
Das Problem besteht darin, dass, ausgehend vom Treffpunkt an der mittleren Ems (hier melde ich Zweifel an) das Kalkriesefeld sich viel näher befindet als von den äußersten Brukterern.
Die vielen lila Richtungspfeile sind nicht nötig! Da, laut zeitgenössischen Quellen die Schlacht bei den Cheruskern stattfand, genügt eine grobe Richtung Ost bis Nordost.

Aber lieber El Quijote, solange die Ems als Treffpunkt in 15 nicht in Zweifel gezogen wird, ist Kalkriese nicht Pontes Longi (obwohl alle Funde und die Geografie dort darauf genauso gut oder besser passen, als zur Varusschlacht)!

Nachtrag: Es ist nicht irrelevant, aus welchem Anlass Germanicus zum Varusfeld wollte, überhaupt nicht! Wenn dieser Entschluss bei ihm aufkam, weil er den Legionsadler sah, ist Deine Argumentation ok, dann war das vorher kein Thema und auch ein quasi Rückmarsch wäre vertretbar.
Wenn ihm dieser Entschluss aber überkam, weil er sich jetzt, bei den äußersten Brukterern (an der ungefähren Grenze zum Cheruskergebiet?) in der Nähe des Unglücksortes befand, dann mein Lieber, gibt es nur eine Richtung, in die er Caecina vorausgeschickt hat - Osten!
 
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Hierbei wird wohl das Gewicht auf die Richtung gelegt: Angrivariorum defectio a tergo. Die Angrivarier, die östlich der Weser lebten, können nicht im Rücken der römischen Truppen gewesen sein, die gerade mühsam die Ems in West-Ost-Richtung überquert haben.

Die Angrivarier lebten nicht östlich der Weser. Sie lebten auf beiden Seiten der Weser. Nur der Angrivarier-Wall soll nach gängiger Interpretation östlich der Weser liegen.

Um nicht einer falschen Erinnerung auf dem Leim zu gehen, hatte ich dann meinen Post so abgeschickt, konnte den Text dann aber nicht wie gewollt ergänzen.

Daher habe ich aber auch nochmals nachlesen können. Und siehe da: In den Überblickswerken wird gesagt, dass sie beiderseits der Weser wohnten, im Westen wohl bis zur Hunte. Das findet sich z.B. in Buno Krüger (Hrsg.): Die Germanen – Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. 4. Aufl., Band 1, Akademie-Verlag, Berlin 1983, S. 400. Von dort konnten sie sehr wohl einen evt. Rückweg über die Ems bedrohen und einen Feldherrn bewegen das Basislager auf der westlichen Seite des Flusses aufzuschlagen.

Da aus den Schriftquellen nur das beiderseits der Weser zu erschließen ist, sich die andere Angabe auch im DDR-Handbuch findet, vermute ich, dass zu der Schlussfolgerung bezüglich der Hunte archäologische oder Siedlungsgeographische Gründe ausschlaggebend waren, wie sie dort sonst zusätzlich zu den schriftlichen Quellen angeführt werden. Allerdings habe ich nirgends eine Begründung gefunden. Daher ist auch eine bloße Vermutung, vielleicht sogar aufgrund der hier diskutierten Tacitusstellen, möglich.

Jedenfalls ist es eine mögliche Erklärung zu der Bedrohung im Rücken.
 
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Meinst Du Grouchy, der Blücher erledigen sollte und den Befehl, schleunigst zu Napoleon zu stoßen, angeblich zu spät erhielt? Egal, das Gleichnis mit der Einstellung verstehe ich nicht!

Ich hatte diesen Post erst gestern entdeckt, kam aber nicht zur Antwort.

Grouchy hielt es nicht für nötig, Blücher energisch zu verfolgen. Er hielt die Preußen schon für zerschlagen. Daher konnten sie ihn über ihre Marschrichtung täuschen und Wellington rechtzeitig zu Hilfe kommen. Daher simulierten auch die Preußen nach der Schlacht eine Verfolgung der Franzosen, indem sie u.a. die Spielleute auf Pferde setzten. Napoleon hat dementsprechend seine Truppen nicht mehr sammeln können und musste aufgeben. Diese Verfolgung mit einigen Jägern und Spielleuten ging nicht gegen Frauen und Kinder, sondern eine ganze Armee.

Dann wissen wir nicht, mit welchen und wie starken Truppen Stertinius losgeschickt wurde. "cum manu" steht im Text, was man für unsere Zwecke "mit nicht allzuvielen Truppen" übersetzen kann. Germanicus hatte schon bei Chatten und Marsern das Problem, dass seine Schläge nicht ins leere gehen sollten. Bei den Marsern nutzte er bekanntlich eine religiöse Feier. Hier mag er eine berittene Truppe in den Rücken der Krieger geschickt haben, um die Siedlungen anzugreifen.

Aber das können wir nicht wissen, da wir nicht wissen können, ob überhaupt Krieger der Brukterer aufgeboten waren. Jedenfalls hatten sie bestimmt nicht vor Frauen und Kinder unverteidigt dem Gegner zu überlassen, wie Du es vermutest.

Und Germanicus schickte nicht nur Stertinius gegen die Brukterer, er führte seine ganze Armee in das Brukterer-Gebiet. Stertinius 'manus' allein reichte also nach Ansicht des Germanicus, und wahrscheinlich auch tatsächlich nicht für die Brukterer.

Ziel des Feldzugs war es laut Tacitus: "ne bellum mole una ingrueret"; etwa: "[damit] nicht der Krieg zu einer formlosen Masse/ mächtigen Haufen anschwelle". Das lässt zwei Interpretationen zu. Entweder Germanicus wollte Arminius schnell schlagen, wie Du es interpretierst. Dann macht der Feldzug keinen Sinn. Oder er wollte verhindern, dass Arminius viele Verbündete finden konnte. Nach den letzten Feldzügen blieben für Arminius nur Chauken, Angrivarier und Brukterer übrig. Mit den Chauken hat Germanicus sich verbündet, dann die Brukterer angegriffen. Sein Kalkül ging auf. Im folgenden Jahr stand er Angrivariern und Cheruskern gegenüber. Hätte er sich nicht von Arminius reizen lassen, so stellt es Tacitus zumindest dar, wäre der Feldzug ein voller Erfolg gewesen, gekrönt von der Erfüllung der Pflicht den Toten gegenüber. (Stichwort 'pietas', die Pflicht zur 'religio' lies sich für einen Feldherrn, zumindest, wenn sie den Umgang mit Leichen betraf, sowieso nicht Einhalten.) In Wahrheit mag Germanicus gehofft haben, auch mit Arminius noch im Jahr 15 fertig zu werden. Das misslang wohl so gründlich, dass Tacitus über den weiteren Verlauf nichts verrät.
 
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Ich beziehe mich auf folgende Sätze:
ElQ: "Das habe ich alles verstanden."
und
"Die Schilderung für die Emslandung AD 15 und für die Emslandung AD 16 sind völlig unterschiedlich."
Und genau hier habe ich Zweifel, besonders mit der ersten Aussage!

Die beiden Emslandungen 15 und 16 sind zwei völlig unterschiedliche Vorgänge. Die 16 ist in der Emsmündung, hier findet die katastrophale Überquerung der Ems statt, um dann weiter bis zur Weser zu ziehen.
Im Jahr 15 dagegen ist von einer Emsüberquerung nicht die Rede, stattdessen treffen sich drei Heeresteile (Germanicus, Pedo, Caecina).
Auch die Ziele sind völlig andere: 15 die Verwüstung des Gebietes zwischen Ems und Lippe, 16 die Säuberung des Ems-Weser-Gebietes ggf. mit Überquerung der Weser (die dann geschieht und zu den Schlachte von Idistaviso und am Angrivarierwall führt).

Kessler bezieht sich in dem von mir beschriebenen Teil nur auf das Jahr 16 und schreibt, dass hier für ein Geschehnis (Germanicus kommt an der Weser an) zwei Quellen vorlagen, die Tacitus irrtümlich doppelnd, beide in seinem Text verarbeitet hat und dadurch zwei Anlandungen/Überquerungen entstehen (Zuerst an der Ems - die es nach ihm nie gab in 16, dann an der Weser).
Was ist daran schwer zu verstehen?
Nichts ist daran schwer zu verstehen, ich habe das schon die ganze Zeit verstanden. Deshalb habe ich ja auch darauf hingewiesen, dass die Hypothese einer irrtümlichen Dopplung der Landung an der Ems nur bei einer sehr oberflächlichen Betrachtung Bestand haben kann, nicht aber, wenn man sich die Details anschaut.
Ich war letztes Jahr zwei Mal beruflich in den USA. Wenn jetzt mein Biograph berichtet, dass ich im Mai und im August in L.A. gelandet bin, ist das auch keine Dublette sondern eine Tatsache, denn das, was dann folgte, waren zwei ganz unterschiedliche Einsätze. Und genau so ist es mit Germanicus: Der ist zwei Mal mit der Flotte an der Ems gelandet. Was dann folgte, waren zwei ganz unterschiedliche Kriegszüge. Der eine führte in das Gebiet zwischen Ems und Lippe und der andere in das Gebiet zwischen Ems und Weser und darüber hinaus.


Germanicus kommt (in 16) an der mittleren Weser an, schifft in Ruhe und ungestört seine Leute und das Material linksseitig aus, sendet Stertinius gegen die Angrivarier, inzwischen trifft Arminius ein. Der muss auf Zeit spielen (hat noch nicht alle Truppen zusammen?), verhindert vorerst den Übergang der Legionen, nur die drei Reiterabteilungen werden bekämpft (dabei die Bataver fast vernichtet). Inzwischen sind fast alle Germanen am heiligen Hain angekommen, die Schlacht wird vorbereitet und die Weser freigegeben. Jetzt überquert Germanicus auf inzwischen errichtete Brücken den Fluss, kurze Zeit später geht die Schlacht los...
Das ist nicht das, was bei Tacitus steht. Dort steht, dass er am Fluss [Ems] landete, dann verlustreich übersetzte, dann an der Weser Arminius gegenüberstand, dann die Weser überquerte.
Das ist alles kein Problem. Zum Problem wird es, wenn man aus der Ems die Weser macht. Dann hat Germanicus nämlich plötzlich nach Überquerung der Weser Arminius am gegenüberliegenden Ufer stehen. Dieses Problem löst du nun, indem du noch einmal in den Text eingreifst, nämlich indem du die Überquerung im Mündungsgebiet des Flusses einfach unterschlägst bzw. das ausdrücklich beschriebene Ertrinken von Einheiten der Bataver in der Ems bei explizit erwähntem Auflaufen der Flut (nondum adcrescente unda) mit dem Scharmützel von Batavern gegen die Cherusker, bei dem Chariovalda im Kampf fällt, zu einem Ereignis verknüpfst. Abgesehen davon, dass - ich wies bereits darauf hin - von der Mündung (ore!!!) der Ems die Rede ist und du daraus hier die "mittlere Weser" machst. Wer zwingt dich zu all diesen Eingriffen?

Und nochmal, wenn ich, natürlich spekulativ, davon ausgehe, dass im ganzen Text ein Irrtum vorliegt, nämlich die Deutung von Amisia und Lupia als Flüssen und nicht als Orte, gleichzeitig vermute, dies sei durch einen Fehler eines Kopisten entstanden, der den ihm hier (ihm sind die Orte Amisia und Lupia unbekannt) unverständlichen Text so richtigstellt (aus seiner Sicht), dass er mit kleinen Änderungen (Zusatz von flumen und amnis) auskommt und das Werk auch für ihn verständlicher wird,
dann entstelle ich erstens nicht den Sinn des Geschehens! Das läuft genauso ab, wie beschrieben, nur etwas weiter östlich. Geografisch verändert sich etwas, sonst nichts!
Doch veränderst sehr viel. Tacitus' Text ist klar. Er bezieht sich auf Ems und Lippe und mindestens die Ems ist bei ihm per Schiff befahrbar (ad Amisiam würde ja noch funktionieren, aber mit der Flotte per Amisiam zu fahren, funktiniert dann eben nicht mehr). Du machst aber bei aller Klarheit und Logik, aus den Flüssen, die wir ja nicht nur aus Tacitus sondern auch aus anderen Quellen kennen, Orte, die nur Ptolemaios kennt und der wiederum kennt eben auch diese Flüsse, die - nur zur Erinnerung - heute noch dieselben Namen tragen. Um das irgendwie zu rechtfertigen, streichst du dann die wiederholten Bezeichungen als Fluss (flumen, amnis) bzw. die geographische Bezeichung der Flussmündung, ora. Das alles, ohne das Tacitus dich dazu zwingt.

Zweitens kann ich dann das "Argumentieren" mit Zitaten aus dem Text, wo Tacitus "ausdrücklich" von Fluss schreibt, nicht ganz nachvollziehen. das lese ich selber ganz gut, nur ist genau das der von mir angenommene Fehler (auch wenn er dreimal hintereinander vorkommt)!
Wenn du das doch selber liest, dann verstehe ich nicht, wie du aus klaren Angaben "dem Fluss Ems", "zwischen den beiden Flüssen Ems und Lippe", beständig einen Ort Amisiam an der mittleren Weser machen möchtest.

Danke für die Zeichnung!
Das Problem besteht darin, dass, ausgehend vom Treffpunkt an der mittleren Ems (hier melde ich Zweifel an) das Kalkriesefeld sich viel näher befindet als von den äußersten Brukterern.
Nein, denn der Wunsch, das Schlachtfeld zu besuchen, kam ja zumindest der taciteischen Darstellung nach erst dann auf, als das Bruktererland verheert worden war. Da wir nicht in Germanicus Schädel schauen können, und schon gar nicht 2000 Jahre später, müssen wir uns auf Tacitus verlassen oder es bleiben lassen und Tacitus ganz verwerfen. Tacitus zufolge war Germanicus an der Ems gelandet, hatte sich dort mit Caecina getroffen und dann das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet. Dann ließ er Caecina vorausmarschieren, Wege anzulegen, damit die Legionen das Schlachtfeld erreichen konnten. Unlogisch würde - auch nur unter der Bedingung, dass die Brukterer den Römern nicht in den Rücken fielen - das nur dann sein, wenn Germanicus vorab das Varusschlachtfeld hätte besuchen wollen. Dagegen sprechen aber in der taciteischen Version, welche die einzige Überlieferung dieses Sachverhaltes ist, das igitur cupido Caesarem invadit und ggf. auch die von den Brukterern befreiten Gefangenen. Jedenfalls ist hier, bei der Begehung des Schlachtfeldes von den cladis superstites [...] vincula elapsi die Rede. Dass diese gerade erst von den Brukterern befreit wurden, steht bei Tacitus freilich nicht explizit.



Die vielen lila Richtungspfeile sind nicht nötig! Da, laut zeitgenössischen Quellen die Schlacht bei den Cheruskern stattfand, genügt eine grobe Richtung Ost bis Nordost.
Wo steht denn, dass die Schlacht bei den Cheruskern stattfand?

Aber lieber El Quijote, solange die Ems als Treffpunkt in 15 nicht in Zweifel gezogen wird, ist Kalkriese nicht Pontes Longi (obwohl alle Funde und die Geografie dort darauf genauso gut oder besser passen, als zur Varusschlacht)!
Welche Funde passen den besser zu pontes longi als zur Varusschlacht?
Etwa der Münzhorizont mit den VARus-Gegenstempeln (vgl. den Münzhorizont von Germanicus Hauptlager Köln, der bereits 14 ein anderer ist)? Oder die Bestattungen von Toten, einige Jahre nach dem Schlachtgeschehen, wie es explizit für das Varusschlachtfeld beschrieben ist? Oder dass man keine Niello-Verzierungen gefunden hat, die doch eigentlich bei einer spätaugusteischen, frühtiberianischen Armee zu erwarten wäre?
Tacitus beschreibt ausdrücklich die Rückführung des Exercitus an die Ems und die dortige Trennung nebst Ermahnung an Caecina, sich zu beeilen. Wie kommt Caecina dann plötzlich in die Gegenrichtung? Wieso hat man in Kalkriese so viele Wertgegenstände verloren, wo doch der ausdrückliche Befehl ausgegeben worden war, nach der Erfahrung der Varusniederlage nur noch das notwendigste mit in Feindesland mitzunehmen und das Gepäck nach Unnötigem inspiziert wurde? Wieso finden sich bei Kalkriese Frauengegenstände, wo wir doch von Caecina dank einer überlieferten Senatsrede wissen, dass dieser absolut dagegen war, dass Frauen im Heereszug anwesend waren?


Nachtrag: Es ist nicht irrelevant, aus welchem Anlass Germanicus zum Varusfeld wollte, überhaupt nicht! Wenn dieser Entschluss bei ihm aufkam, weil er den Legionsadler sah, ist Deine Argumentation ok, dann war das vorher kein Thema und auch ein quasi Rückmarsch wäre vertretbar.
Wenn ihm dieser Entschluss aber überkam, weil er sich jetzt, bei den äußersten Brukterern (an der ungefähren Grenze zum Cheruskergebiet?) in der Nähe des Unglücksortes befand, dann mein Lieber, gibt es nur eine Richtung, in die er Caecina vorausgeschickt hat - Osten!
Da steht aber nichts von Osten. Tacitus gibt uns weder eine genaue Angabe, wo Germanicus sich befand, noch, in welcher Richtung von dort aus das Varusschlachtfeld zu suchen war.

Die Angrivarier lebten nicht östlich der Weser. Sie lebten auf beiden Seiten der Weser. Nur der Angrivarier-Wall soll nach gängiger Interpretation östlich der Weser liegen.

Das ist in der Argumentation von opteryx nicht weiter von Belang, östlich oder beiderseits. Wichtig ist das a tergo. Hieraus ergibt sich bei Tacitus ein textimmanentes Problem, nämlich dass die Überquerung der Ems und ein Aufstand der Angrivarier im Rücken der Römer nicht passen können. Entweder ist die Angabe Ems falsch oder die Angabe Angrivarier. (Oder Tacitus hat hier einfach dramatisiert, indem er eine völlig unerhebliche Begebenheit durch das a tergo zur ernstzunehmenden Gefahr aufgewertet hat.)
Statistisch gesehen, stehen drei explizite Erwähnungen der Ems, einer Erwähnung der Angrivarier in diesem Kontext gegenüber. Steht also 3:1 für die Ems und gegen die Angrivarier.
An der Ems lebten die Am(p)sivarier (das eingeschobene p ist phonetisch ein Gleitlaut, dier hier graphisch realisiert wird), die Emsleute.
Zwischen Angrivariorum defectio und *Ampsivariorum defectio besteht im Schriftbild ein nur minimaler Unterschied, hier kann leicht ein Fehler passieren.

Da aus den Schriftquellen nur das beiderseits der Weser zu erschließen ist, sich die andere Angabe auch im DDR-Handbuch findet, vermute ich, dass zu der Schlussfolgerung bezüglich der Hunte archäologische oder Siedlungsgeographische Gründe ausschlaggebend waren, wie sie dort sonst zusätzlich zu den schriftlichen Quellen angeführt werden. Allerdings habe ich nirgends eine Begründung gefunden. Daher ist auch eine bloße Vermutung, vielleicht sogar aufgrund der hier diskutierten Tacitusstellen, möglich.
Archäologisch ist man schon froh, dass man ein Einsickern elbgermanischer Sitten, Waren und Formen in den Gebieten westlich der Weser bis zum Rhein in der späten vorrömischen Eisenzeit nachweisen kann. Stämme lassen sich nicht unterscheiden.

In Wahrheit mag Germanicus gehofft haben, auch mit Arminius noch im Jahr 15 fertig zu werden. Das misslang wohl so gründlich, dass Tacitus über den weiteren Verlauf nichts verrät.

Naja, er fuhr zurück, versuchte es 16 erneut und wurde abberufen und bald darauf im Osten des Reiches ermordet.
 
@ElQ:

Danke für diesen Beitrag.

Warum eigentlich den Tacitus nicht so lesen wie er ihn geschrieben hat?
Warum immer zweifeln und irgendetwas hineininterpretieren?

Warum immer spekulieren?

Tacitus selbst beantwortet viele Fragen, wenn man ihn so ließt, wie er es geschrieben hat - auch ich mußte das einsehen.

Und Zustimmung:
Kalkriese läßt sich schwerlich mit pontes longi in Verbindung bringen.
Aber auch dies hatten wir schon...
 
Hallo salvus,
Danke auch für Deinen Beitrag! Natürlich wäre es entspannter und würde tatsächlich einige Fragen beantworten, wenn denn der Tacitus im Original vorliegen würde, was aber leider nicht gegeben ist.
Was aber immer noch nicht die Vermutung Kesslers klären würde, der - und da habe ich mich lediglich angeschlossen - die Landung in 16 an der Emsmündung als irrtümliche Dopplung der eigentlichen, so Kessler, Anlandung an der mittleren Weser sieht, da Tacitus dort seine vorliegenden Quellen nicht genau zuordnen konnte, so Kessler, den ich nur sinngemäß wiedergebe. (Den Link zu seiner Dissertation hab ich ja eingestellt - vielleicht einfach mal lesen?)

Auch Dir, El Quijote, Dank für Deinen langen Beitrag.
Was hast Du denn nun wieder mit dem ominösen "Münzhorizont des Germanicus"? Willst Du die gefundenen neueren Münzen in Köln denn tatsächlich als Beweis anführen , wo doch, laut Deiner Erklärung im bewußten Thraed die Datierung des Brandes nach den Gefundenen Scherben von terra sigillata erfolgt sein soll? Wie genau kann man denn das machen? Ich fand nur das: Liste wichtiger Terra-Sigillata-Gefäßformen ? Wikipedia

Zu den anderen Funden bei Kalkriese: Nachdem bereits in der Nacht das Lager der Römer durch Ableitung der Bäche unter Wasser gesetzt wurde (kann das was mit dem Wall zu tun haben?), muss Caecina am Folgetag durch eine enge Stelle durchbrechen, macht sich einen schönen Plan, damit die Verwundeten (siehe die dort gefundenen verbundenen Hände!) und der Tross (schau, was da alles gefunden wurde dazu!) einigermaßen sicher durchkämen, den dann aber die fliehenden Legionen (5. und 21.) weitgehend zunichte machten!
So kam es denn am Engpass, als die Germanen stundenlang angriffen, zu mancher brenzligen Situation und die Römer konnten mit knapper Not der Engstelle in das neue Lager, westlich gelegen, entkommen! Platzherren an dieser Stelle waren eindeutig die Germanen! Dass ihr dusseliger Lagerangriff danach am Können des Caecina scheiterte, hat mit den Funden der Ausgrabung am Wall nichts mehr zu tun. Reicht das?

Dass die Varusschlacht bei den Cheruskern stattfand, berichtet Strabo:
Strabo, Geographica, 7, Kap. 1/3-4
„…Ihnen gegenüber war Misstrauen sehr angebracht, während diejenigen, denen man Vertrauen schenkte, den schwersten Schaden anrichteten, wie die Cherusker.
Bei ihnen wurden drei Legionen der Römer mit ihrem Feldherrn Quintilius Varus durch Bruch der Verträge verraten und aus dem Hinterhalt vernichtet….“


Übrigens steht auf der Kalkrieseseite statt "Bei ihnen.." - "von denen", interessant nicht? Da ich des Altgriechischen nicht mächtig bin, schau doch mal bitte in den griech. Originaltext des Strabon, wenn möglich, und hilf mir aus der Klemme. Kann ja sein, dass die Präpositionen bei und von im Altgr. identisch sind...

beste Grüße
Ostfale
 
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Im Originaltext steht: Πρὸς οὓς ἡ μὲν ἀπιστία μέγα ὄφελος, οἱ δὲ πιστευθέντες τὰ μέγιστα κατέβλαψαν, καθάπερ οἱ Χηροῦσκοι καὶ οἱ τούτοις ὑπήκοοι, παρ᾽ οἷς τρία τάγματα Ῥωμαίων μετὰ τοῦ στρατηγοῦ Ὀυάρου Κουιντιλλίου παρασπονδηθέντα ἀπώλετο ἐξ ἐνέδρας.

παρά mit Dativ (οἷς=denen) bedeutet "bei", also bei etwas, bei einem bestimmten Ort. παρά kann zwar auch die Bedeutung "von" haben, allerdings müsste dann das folgende Wort im Genitiv stehen.

Zu beachten sind allerdings noch die Wörter καὶ οἱ τούτοις ὑπήκοοι nach "die Cherusker", die in der von Dir zitierten Übersetzung fehlen. Die ganze Wortfolge bedeutet "... die Cherusker und die diesen Gehorchenden, bei denen drei Legionen der Römer mit dem Feldherrn Varus Quintilius ..." "bei denen" kann sich also auch auf die Untergebenen der Cherusker beziehen, wobei im konkreten Fall wohl offen bleiben muss, ob förmliche Vasallen gemeint sind oder Stämme, die sich den Cheruskern für den Aufstand angeschlossen und gewissermaßen - wenn auch nur vorübergehend - dem Arminius als Anführer und somit indirekt auch den Cheruskern untergeordnet hatten.
 
Guten Morgen Ravenik,

herzlichen Dank für die Hilfe! Tatsächlich war meine Textstelle unvollständig zitiert. Wahrscheinlich kann ich also annehmen, dass sich "bei" auf die erstgenannten Cherusker bezieht, berufsmäßige Zweifler werden diese Präposition aber sicher auf die Gehorchenden - ich verstehe das als "die Verbündeten" - beziehen...

Macht aber nichts, denn Varus zog ja, bis er die entfernten Aufständischen zu erreichen glaubte, durch angeblich befreundetes Gebiet und wurde bereits hier angegriffen. Spätestens als er die Cherusker als Feinde erkennen musste, wird er wohl schwerlich seine Ursprungsabsicht und -richtung weiterverfolgt haben. Immerhin hat er relativ früh die hinderlichen Teile seines Trosses verbrannt, sicher um schneller zu werden und sich besser verteidigen zu können. Ein Grund mehr, nun schnellstens einer Örtlichkeit zuzustreben, wo er sich wieder versorgen konnte. Was eignet sich da besser als eine Gegend mit viel Landwirtschaft und Viehzucht - einen Saltus vielleicht? Was soll ihn bewogen haben immer weiter in undurchdringliches, sumpfiges Gelände vorzurücken, zumal er ja anfangs noch einige Kampfkraft vorzuweisen hatte?

Zur Marschrichtung noch ein Punkt, der mich bewegt. Im Jahre 16 schickt Germanicus den Stertinius gegen die Angrivarier, die sich im Rücken der Römer befindend, Tacitus schreibt "a tergo", abgefallen seien. Das macht viele stutzig, den a tergo impliziert, dass sich die Abgefallenen letzlich zwischen dem Heer und dem Rhein befanden, was ja an der Emsmündung schlecht sein kann. Man greift daher zu den ähnlich klingenden Ampsivariern, nur damit das geografisch passt, denn letztere befänden sich a tergo des Heeres.
Jetzt mein Problem. Wenn Varus im Sommer 9 im Cheruskerland (an der Weser?) sitzt und ihm gemeldet wird, dass sich Germanen erheben, die sich ziemlich zwischen ihm und dem Rhein befinden (mal einen Stamm nahe Kalkriese angenommen), warum schreibt dann Dio nicht von "im Rücken befindlicher" Aufständischer, die sie ja, grobe Richtung Osning angenommen, wären, sondern von entfernten Aufrührern? Das fordert ja geradezu die Gegenrichtung, wenn ich bei "entfernt" den gleichen Bezugspunkt des Akteurs (Germanicus/Varus) nehme wie bei "im Rücken", nämlich den Rhein.
Da Paterculus berichtet, außer den Markomannen ist alles an Germanen (bis zur Elbe) besiegt und vertraglich gebunden, könnten die gemeldeten Aufständischen auch die Kalukonen, Fosen, Langobarden etc. gewesen sein, die den Aufstand begannnen, oder?

Ich hoffe, ich vergewaltige und verbiege nicht schon wieder die ach so fehlerlosen (bis auf zwei, drei anerkannte Ausnahmen natürlich), aber mehrfach abgeschriebenen Quellen...
 
Ein Problem hab ich doch noch, entschuldigt meine Wissbegier!
Angenommen, Tacitus berichtet tatsächlich, wie zu lesen ist, vom Treffen der drei Heeresgruppen im Jahre 15 an der (mittleren) Ems um sich anschließend Richtung Süd-Osten zur Gegend zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe zu bewegen.
Warum lässt er dann den Caecina vom Rhein aus, erst der Lippe etwas folgend (so meint El Quijote), dann den ganzen Weg nach Norden zur mittleren Ems marschieren? Damit warnt er ja geradezu die Brukterer, deren Gebiet er sicher am Rand berührt hatte! Ist das nicht reichlich unklug, wenn ein Hauptziel dieser Kampagne tatsächlich in der Vernichtung der Brukterer bestand?
Wäre es nicht sinnlogischer, den Caecina ein wenig mehr der Lippe aufwärts folgen zu lassen um dann, wenn Germanicus und Reiterei, nebst Friesen und Chauken vom Emstreffpunkt losziehen, ihn einen Schwenk nach Norden machen zu lassen und die Brukterer in die Zange zu nehmen (ähnlich wie es Tiberius und Sentius Saturnius seinerzeit mit den Markomannen vorhatten)?
Warum machen die erfolgreichsten Militärprofis der damaligen Zeit nur derartig dämliche Stockfehler? Oder waren sie doch viel cleverer, nur der Berichterstatter oder seine Abschreiber blickten nicht mehr genau durch...
 
Ein Grund mehr, nun schnellstens einer Örtlichkeit zuzustreben, wo er sich wieder versorgen konnte. Was eignet sich da besser als eine Gegend mit viel Landwirtschaft und Viehzucht - einen Saltus vielleicht? Was soll ihn bewogen haben immer weiter in undurchdringliches, sumpfiges Gelände vorzurücken, zumal er ja anfangs noch einige Kampfkraft vorzuweisen hatte?

Wie auch immer, nach Tacitus hat Varus keinen "saltus" im Sinn von "Domäne" erreicht, sondern einen "saltus" im Sinn von "Wald(gebirge)".

Das macht der Textzusammenhang doch hinreichend deutlich:

Ductum inde agmen ad ultiomos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnes inter, vastatum, haud procul Teutoburgiensi saltu, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur.
Igitur cupido Caesarem invadit solvendi suprema militibus ducique, permoto ad miserationem omni, qui aderat, exercitu ob propinquos, amicos, denique ob casus bellorum et sortem hominum. Praemisso Caecina, ut occulta saltuum scrutaretur pontesque et aggeres umido paludum et fallacibus campis imponeret, incedunt maestos locos visuque ac memoria deformes.
Darauf wurde auch schon oft genug hingewiesen:


Tacitus dagegen beschreibt einen saltus, der weit ab vom Schuss ist und hier sei noch mal auf das Argument der Wirtschaftlichkeit eingegangen und auf die römischen Agrarschriftsteller – wie der von dir zitierte Varro – die ganz deutlich machen, dass ein Landgut in der Nähe eines Absatzmarktes sein muss. Sie sprechen von 20 Meilen, der archäologische Befund gibt ihnen Recht: Die meisten Landgüter befinden sich in Radien solcher Größe von den Städten entfernt. Saltuum occulta passen da nicht.
Und wurde schon mal (bestimmt, oder?) Tacitus, Ann 1, 61 mit angeführt, wo beschrieben wird, daß Germanicus erstmal jemanden vorschicken mußte, nämlich Caecina, um durch unwegsames Gelände, Schluchten und Sümpfe, Brücken und Wege anzulegen, damit er mit seinen Truppen zu dem alten Schlachtort vordringen konnte. Und "occulta saltuum" sind doch bestimmt keine geheimen Landgüter?
ja wenn ich das anklicke, erscheint ein übersetzter Abschnitt aus Cassius Dio, worin berichtet wird, dass Varus Legionen in eine unwegsame (also wohl auch unerschlossene) Gegend geleitet wurden... zumindest der Cassius Dio erzählt, dass Varus eben nicht innerhalb erschlossener, vermessener, urbar gemachter Landschaften niedergemetzelt wurde. Tacitus lokalisiert dieses Geschehen ebenfalls nicht in der Nähe neu angelegter römischer Foren in der Germania magna; als ungefähre Ortsangabe für diese wilde, (noch) unerschlossene, unwegsame Gegend nennt er das berühmte teutoburgiensis saltu.
...es ist schon tragisch, wenn ein Provinzstatthalter innerhalb seiner Provinz, die er kontrollieren und ordnen soll, in ihm unbekanntes Gelände gerät...

Zwei antike Römer also, die - wenn auch aus zeitlicher Distanz - die tragischen Ereignisse nicht inmitten beginnender römischer Zivilisation ansiedeln.

Ich frage mich wirklich, wozu bzgl. saltus bei Tacitus so vehement auf Übersetzungen beharrt wird, welche den Studienausgaben etc. widersprechen.
 
Ja, mit reinem Aus- und Unterlegen kommen wir offenbar bei der Lokalisierung der Örtlichkeiten nicht so recht weiter. Es gibt auch den Vorschlag, statt "Amisiam et Lupiam amnes inter" einfach "amnem inter" zu lesen, um Amisia den Flusscharakter zu nehmen. Trotzdem bliebe das Problem einer seltsamen Flächenangabe zwischen einem Punkt und einem Flusslauf.
Was wäre denn, wenn einzelne Aktivitäten der Jahre 14/15 weiter nach Südosten, in den Bereich zwischen Weser und Elbe, gelegen hätten? Seit dem Flottentreffen des Tiberius war ja die Gegend bestens bekannt und sicher auch befestigt. Wäre die Flotte des Germanicus an der Chaucenküste entlang in die Elbe eingefahren, würden sich alle, durch die Ems erzeugten, Widersprüche auflösen. In diesem Zusammenhang wäre noch die Anlandungsstelle des schiffbrüchigen Dreiruderers an der Chaukenküste von Interesse. Diese soll dort gelegen haben, "wo Felsen waren und die Küste an manchen Stellen vorsprang".
Gruß
 
Hallo Opteryx,
jaja, die Übersetzungen...
Besonders für mich nicht einfach, da ich kein Latinum vorweisen kann.
Wenn nicht anerkannte Formulierungen vorlägen, hätte ich laienhaft folgendermaßen übersetzt:
"Von da aus ging das ganze Heer bis zum Äußersten (Rand) der Brukterer, soweit es sich zwischen Amisia und Lupia an den Flüssen erstreckte, nicht weit vom verwüsteten teuto burgiensi Krongut, worin die Übereste des Varus und seiner Legionen unbestattet lagen, wie es hieß."
Sicher ist das nicht astrein, aber gefällt mir.
Gleichfalls hatte dann der Caecina den Auftrag, u.a. die Verstecke in den Ländereien (des Krongutes) zu durchsuchen. Was ist daran so unwahrscheinlich? Grade in bebautem Gelände lassen sich trefflich Verstecke finden (Gebäude aller Art, Strohdiemen, Gräben, Gruben, Keller, auch genutze Wälder natürlich. Ebenso können auch hier natürliche Verstecke vorhanden sein (Berge, Höhlen etc.). Man betrachte nur die Schilderung des Aufsuchens der Unglücksstätten bei Tacitus - großes, intaktes Lager, dann unfertiges Lager, dann auf freiem Feld liegende Gebeine und naheliegende Haine (obacht: Keine Sümpfe, dichte Wälder, steile Schluchten!), alles das kann auch als Gelände eines kultivierten Gebietes verstanden werden.
Offensichtlich war nur vom Ausgangspunkt des Germanicus bei den äußersten Brukterern kein geeigneter Weg vorhanden um zum Saltus zu gelangen. Diesen hatte Caecina, als Experte dafür, herzustellen und ein Lager zu bauen. Logischerweise durchsucht man, so Zeit dafür vorhanden ist, auch die Umgebung eines solchen Lagers in entsprechendem Radius, egal, in welchem Gelände sich das Lager befindet. Oder irre ich mich?

Bei Deiner Vermutung, Germanicus könnte auch die Elbe genommen haben, kann ich Dir nicht beistimmen. Wäre Germanicus über die Elbe gekommen (was immerhin militärisch sinnvoller wäre, als über die Ems, wenn er den Cheruskern an den Kragen wollte), ginge sein Zug sicher irgendwo zwischen Tangermünde und Magdeburg (heutige Orte!) westwärts direkt durch Cheruskergebiet Richtung Weser. Darüber hätte Tacitus mit Sicherheit diese oder jene Bemerkung gemacht...

Grüße
Ostfale
 
Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit eines Krongutes ist interessant! Was treibt Dich, lieber El Quijote, zu schreiben, der Saltus läge weit vom Schuss jeglicher Ansiedlungen? Die neue Provinz war seit Tiberius schon seit ein paar Jahren befriedet, der militärische Chef wurde durch einen Verwaltungsfachmann abgelöst, Dio schreibt von fleckenweise römisch besiedelten Gebieten und der Gründung von Ansiedlungen, die dann sicher den Absatz der Domänen sicherten. Selbst in drei, vier Jahren kann dort einiges entstanden sein, die ansässigen Germanen machten doch offensichtlich gute Miene dazu - sicher profitierten sie auch davon.
Übrigens haben die Hildesheimer und Magdeburger Börde hervorragende Böden, die trefflich Erträge bringen - nicht alles war Sumpf! Bedenke die Erzvorkommen des Harzes! Beim Bau der B6n hat man im Vorharz dutzende Rennöfen an einer Stelle gefunden, die auf nahezu "industriellen" Abbau schließen lassen. Gell, da nimmt man u.U. auch einen etwas längeren Transportweg in Kauf, zumal die Abnehmer für Metalle und Lebensmittel vor Ort waren (Germanen und Römer).
 
...nicht weit vom verwüsteten teuto burgiensi Krongut...
Eine Bitte: Ließe sich die Debatte, ob "saltus" nun als "Waldgebirge" oder "Sprung" oder "Krondomäne" oder als landwirtschaftliches Flächenmaß zu übersetzen ist, auf den zugehörigen Thread beschränken? Ob uns Tacitus ein nicht eindeutig lokalisierbares Waldgebirge nennt oder ein noch weniger lokalisierbares Krongut, spielt doch für die hier diskutierte Fragen keine Rolle. Das Zerfasern des eigentlichen Themenfadens macht's nur unnötig schwer, der auch nach Jahren noch hochinteressanten Diskussion um "saltus" zu folgen.
 
Archäologisch ist man schon froh, dass man ein Einsickern elbgermanischer Sitten, Waren und Formen in den Gebieten westlich der Weser bis zum Rhein in der späten vorrömischen Eisenzeit nachweisen kann. Stämme lassen sich nicht unterscheiden.

Das von mir genannte Werk exerziert an so einigen Stellen vor, dass es eben doch geht. Bei den Chauken etwa. Aber gut, ja, für Rhein-Weser-Germanen ist mir da bisher auch nichts bekannt. Da, wie gesagt, keine Begründung gegeben wurde, hoffte ich hier hätte jemand etwas gewusst. Dann gehe ich mal von der Herleitung durch die angenommene Nachbarschaft zu den Brukterern (aufgrund des späteren Konflikts) und durch die hier diskutierten Tacitus-Stellen aus.
 
Hallo nochmal,

fernab vom Thema hier noch meine Entschuldigung an Lucio Cinico. Ich hatte seinen Nick falsch als Lucio Licino zitiert. Schade, dass er sich seit Monaten rar macht. Seine Beiträge hatten echte Qualität, klar, zielführend, quellensicher und fern jeder kleinkarierten Schulmeisterlichkeit - ein vorbildlicher Ostfale eben!
Und Alfirin, Dein Hinweis ist berechtigt. Nur leider halte ich es oft wie unser Freund El Quijote - ich kann einfach nicht unkommentiert für mich falsche Aussagen stehen lassen. Aber ich gelobe Besserung!
 
In diesem Zusammenhang wäre noch die Anlandungsstelle des schiffbrüchigen Dreiruderers an der Chaukenküste von Interesse. Diese soll dort gelegen haben, "wo Felsen waren und die Küste an manchen Stellen vorsprang".
Gruß

Was könnte mit diesen Felsen gemeint sein? Mir fallen hier nur zwei Möglichkeiten ein:

a) Die "Felsen" bezeichnen Helgoland, als nautische Wegbeschreibung

b) Die "Felsen" sind die zahlreichen Großsteingräber in Nordniedersachsen

Vorspringende Küsten sind zwischen Ems, Weser und Elbe immerhin vorhanden.
 
Leider hat sich die Küste seitdem mehrfach verändert. Daher können wir leider nicht die heutige Küste entlang gehen und nach Felsen oder Hünengräbern Ausschau halten, von denen aus man Küstenvorsprünge sehen kann.
 
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