Die Unterlegenheit der französischen Marine

Das in der Royal Navy hohe Offiziersstellen Adligen vorbehalten blieb stimmt bestenfalls eingeschränkt, was allerdings im Nachhinein für den Betrachter kaum auffällt, da viele Offiziere in hohen Positionen geadelt wurden - John Jervis, 1. Earl of St. Vincent und Horatio Nelson, 1. Viscount of Nelson, der erstere Sohn eines Rechtsanwalts, letzterer Sohn eines Pfarrers, erscheinen der Nachwelt genauso selbstverständlich adlig wie etwa Thomas Cochrane, 10. Earl of Dundonald - obwohl sie alle drei beim Eintritt in die Marine keinen regulären Titel (Cochrane düfte als erster Sohn eines Grafen den Höflichkeitstitel eines Lords geführt haben) vorzuweisen hatten!

Es gibt dazu eine Untersuchungen einem Herren Lewis. Und zwar hat er die Eintritte ins Offizierskorps von 1793 bis 1815 untersucht. Dazu hat er den Rang, den der wenige 1849 inne hatte nachgeguckt.
Zum anderen hat er nachgeguckt was die Eltern waren. Ob Hochadel, Barone Landadel Akademiker, Geschäftsleute und Handwerker.
Danei kommt heraus das der Hochadel auch sehr viele hochrangige Kommandostellen inne gehabt hat. Je niedriger die Herkunft, desto schlechter die Karriereaussichten.

Zu finden ist die Untersuchung unter anderem in "Herrscherin der Meere" von Frank Adam. Wenn man Glück hat bekommt man es noch im Antiquariat.

Apvar
 
Ergänzung zur Marine Frankreichs zur Zeit des ancien régime.

Die vom Duc de Choiseul „initiierten Maßnahmen zum Wiederaufbau der Marine, in deren Kontext die Ordonnanz von 1765 zu sehen ist, zeitigten nicht zuletzt auch durch die Einführung eines modernen Schiffstyps durchaus bemerkenswerte Erfolge. Im Jahre 1772 verfügte die franz. Flotte insgesamt über 165 Einheiten: 66 Linienschiffe, von ihnen waren 27 mit 74 und 20 mit 64 Kanonen bestückt, 35 Fregatten – davon 19 mit 26 Kanonen – und 21 Korvetten.“ [1/Seite 105]

„Da man seit 1776 einen engl. Übergriff auf die Antillen befürchtete, widmete sich (Marineminister) Sartine mit tatkräftiger Unterstützung des Königs, der sich sehr für das Marinewesen interessierte, dem forcierten Ausbau der franz. Flotte. Mit 6 Ordonnanzen vom 27. Sept. 1776 reformierte er die Strukturen der Marineadministration von Grund auf. Die Konstruktion und den Bau von Kriegsschiffen wurden nach einheitlichen Vorgaben rationalisiert. Sartine … legte das Schwergewicht auf den Bau von drei großen Schiffstypen: Kriegsschiffe mit 110, mit 80 und mit 74 Kanonen … Geplant war die Konstruktion von 110 Linienschiffen und 60 Fregatten. Davon wurden unter dem Ministerium Sartines 22 Linienschiffe und 33 Fregatten gebaut. Ungefähr 30 Einheiten wurden modernisiert. Trotz der unbestreitbaren Erfolge … wies die franz. Marine zur RN aner einige gravierende Mängel auf Die Beförderungen erfolgten zumeist nach dem Prinzip der Anciennität. Eignung und Fähigkeit sowie bisher erworbene besondere Verdienste spielten … eine untergeordnete Rolle.

Außerdem gab es keinen Stab, der mit der Planung, Ausarbeitung und obersten Leitung der Operationen zur See befasst war. In den Jahren, in denen Frankreich auf der Seite der ehemals engl. Kolonien am Amer. Unabh.-Krieg beteiligt war, wurden alle Entscheidungen über die Operationen der franz. Flottenverbände in einem kleinen Ministerkomitee von 4 Personen getroffen, die sich um den König versammelten. Diesem Komitee gehörten Maurepas, Vergennes, Sartine und Montbarrey an. Keiner verfügte aber über einschlägige seemännische und kriegsmarinespezifische Kenntnisse.“ [1/ Seiten 149/150]

Der letzte Absatz scheint mir bedeutend und erklärt wohl, warum die RN der franz. Flotte in Fragen der Strategie und Taktik überlegen war.

Grüße
excideuil

[1] Malettke, Klaus: Die Bourbonen, Bd. II: Von Ludwig XV. bis Ludwig XVI. 1715-1789/92, W. Kohlhammer, Stuttgart, 2008
 
Im letzten Jahr ist ein interessantes Buch erschienen:

Todorov, Nicola Peter: 1812 - Moskau oder London? Napoleons Landungsprojekte auf den britischen Inseln nach Trafalgar von 1806 bis 1813, tredition GmbH, Hamburg, 1813

Inhaltsverzeichnis und einen Teil der Einleitung hier:
https://www.academia.edu/2604697/18...ritischen_Inseln_nach_Trafalgar_von_1806-1813

Bei einem großen Online-Buchhändler heißt es zum Buch:
"Einer weit verbreiteten Meinung zufolge hätte Napoleon nach Trafalgar 1805 jegliche maritime Ambitionen aufgegeben. Diese Abhandlung beschäftigt sich mit Napoleons Seekriegsstrategie nach Trafalgar. Nach einer grundlegenden Untersuchung zu den eigentlichen Zielstellungen der Kontinentalsperre wird das Flottenrüstungsprogramm des Jahres 1810 und die Umsetzung der napoleonischen Strategie untersucht. Dabei zeigt sich, dass Napoleon keinesfalls nach Russland gezogen ist, um es zur Anwendung der Kontinentalsperre zu zwingen."

Nach der Lektüre bin ich zu folgender Ansicht gekommen:
Ohne Frage ist das Buch gut recherchiert, was die zahlreichen - auch ungedruckte - Quellen und über 500 Anmerkungen und Verweise im Text belegen. Allerdings richtet sich die Recherche fast ausschließlich auf das Thema Marine und läßt wichtige Aspekte der Politik, z.B. zum extrem politisch spannenden Jahr 1806 außen vor.

Im Buch wird deutlich, dass Napoleon die maritime Aufrüstung ab 1810 verstärkt betrieben hat, um seine Ziel (Niederringung des Gegners England) zu erreichen.

Der Autor sieht aber keinen Kurswechsel - was für mich eher akzeptabel und logisch wäre - zur Politik bis 1810, sondern dokumentiert eine Kontinuität, sprich, es war schon immer Ziel N. gewesen, England mit einer überlegenen Marine zu schlagen. Diese Sicht der Kontinuität muss m.M.n. zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Zunächst aus einem Brief N. an Marineminister Decrés vom 8. März 1811
"Wenn 1812 die Umstände günstig sind und ich einen Teil meiner Truppen, die jetzt in Spanien sind, zur Verfügung habe, beabsichtige ich, die Sizilienexpedition oder die nach Ägypten im Mittelmeer und im Ozean die nach der Martinique, Dominica, der Guadeloupe, nach Cayenne und Surinam und dem ganzen holländischen Kontinent zu machen. Mein Geschwader würde aus der Schelde auslaufen mit 30000 Mann und nachdem alles vorbereitet gewesen wäre, um Irland zu bedrohen, würde es sich nach Amerika begeben, würde sich in vier Expeditionen teilen, nämlich eine nach Französisch Guyana, eine nach Surinam und die beiden anderen nach den oben erwähnten Inseln." (Seite 71-72)

Der hervorgehobene Teil bekommt noch Bedeutung. Sichtbar wird, dass N. koloniale Pläne hatte, die Briten über Irland (auch Pläne über Schottland gab es) bedrohen will.
Im Buch sind weitere Pläne nach Agypten, die Bedrohung engl. Gebiete in Kanada oder Indien beschrieben.

Zu den Schlussfolgerungen:

Kontinentalsperre:
"Damit ist klar, dass das Flottenrüstungsprogramm und das strategische Programm, die am 17. Sept. 1810 von N. umrissen wurden, nicht dazu dienen sollten, die britischen Finanzen durch weitere Gegenrüstungen zu strapazieren, um eine Finanzkrise in England auszulösen. Im Gegenteil, die Kontinentalsperre wurde in derselben Zeit, in der das Flottenprogramm ausgearbeitet wurde, durch ein System von Handelslizenzen aufgeweicht, deren Ziel die Versorgung mit Kolonialwaren und vor allem die Auffüllung der franz. Staatskasse war." (Seite 221)
Da stellt sich mir die Frage, was sollte denn die Kontinentalsperre ab Verkündung 1806 erreichen?

Aber es kommt noch besser:
"Die von Napoleon ab 1810 betriebenen Annexionen und die damit die direkte Kontrolle über bedeutende europäische Küstenabschnitte dienten nicht der rigerosen Anwendung der Kontinentalsperre, sondern der Nutzung des Reservoirs europäischer Seeleute, der Ausweitung der Flottenbasen und der Forcierung des Schiffbaus. Hauptziel napoleonischer Politik war also immer der Aufbau einer bedeutenden Flotte." (Seite 221)
Bei Fournier findet sich die Anleitung zur Kontinentalsperre einschließlich der Sicherung eines schmalen Küstenstreifens bereits z.Zt. der Revolution. Was N. tatsächlich tat, war also eine Blaupause.
Widersprüchlich zur (hervorgehobenen These) die tatsächlichen Rüstungsausgaben für die Marine (Jahr - Frankreich - GB:

1801: 93 370
1802: 96 433
1804: 220 199
1805: 152 294
1808: 115 419
1810: 109 481
1811: 157 501
1812: 164 489
1813: 116 513
Summe (1801-1813): 1743 5192 (Seite 224)
Aus den Zahlen ist das postulierte Hauptziel trotz Ausbeutung der nichtfranz. Recourcen nicht erkennbar.

Spanienkrieg:
"Auch der Spanienkrieg erscheint völlig neu im Lichte der Seekriegspläne N. Das Festfahren des Krieges in Spanien war nicht das Ergebnis der Sturheit eines größenwahnsinnig gewordenen Kaisers, der sich den Realitäten verschlossen hätte. Die dauerhafte Präsenz Wellingtons auf der Pyrenäenhalbinsel brachte N. strategische Vorteile. Sie trug dazu bei, britische Truppen und Schiffe von anderen Punkten abzuziehen und dort franz. Landungsoperationen zu erleichtern. Auch verringerte die Bindung brit. Streitkräfte in Spanien und Portugal die Erfolgschancen brit. Operationen gegen die spektalutär anwachsenden franz. Seestreitkräfte." (Seite221)
Mal davon abgesehen, dass der Krieg nicht zur Bindung brit. Streitkräfte begonnen wurde, wird aus dem w.o. hervorgehobenen Satz deutlich, dass bereits 1811 in "Friedenszeiten" eine Überdehnung der franz. Möglichkeiten bestand.

Rußlandfeldzug:
"Erst die vom Zaren im Frühjahr 1811 geplante Aggression und die N. bekanntgewordene Mobilisierung hat franz. Kriegsrüstungen ausgelöst. Die vom Zaren zurückgewiesenen Angebote, die Streitpunkte beizulegen, veranlassten N., seine eigenen Rüstungen zu Lande weiter zu treiben und wesentlich mehr Geld als vorgesehen in die Armee zu stecken. Auf die Dauer konnte diese Rüstung nur zu Lasten der Marine gehen. Als die diplomatische Krise mit Russland im Nov. 1811 nicht beigelegt war, schickte sich N. an, seine Armee vom Gegner unterhalten zu lassen, da die Kosten für die dauerhafte Finanzierung einer solchen Armee nicht tragbar waren. Doch genau darauf hatte es die russische Führung vllt. schon seit 1810 angelegt ..." (Seite 222/3)
Diese Begründung ist mir noch nicht untergekommen. Da stellt N. die größte Armee auf, und dies dann nur in der Absicht, sie vom Gegner unterhalten zu lassen?

Liest man weiter: "Die Franzosen sollten je nach den verschiedenen Plänen mehr oder weniger weit ins russische Landesinnere gelockt werden ... Die bewusst geplante Aufgabe und Verwüstung weiter Landstriche im wirtschaftlichen und kulturellen Herzen Russlands durch den Zaren zeugt von dem von der europäischen Aristokratie gewollten totalen Krieg gegen den Kaiser der Revolution. Denn wirklich ernste Kriegsgründe gab es nicht." (Seite 223)
Eine wohl abenteuerliche These, die Russland die Schuld am Konflikt zuschiebt und die bösen europ. Aristokraten gleich mit ins Boot gegen den (doch guten?) franz. Imperator holt und so tut, als ob Russland nicht eigene Gründe hatte. Dabei wirkten auf der anderen Seite Aristokraten wie Metternich, die keine franz. gegen eine russische Hegemonie tauschen wollten.
Machtpolitik hat nix mit Adel, Aristokratie zu tun.

Zum Schluss noch ein paar Zahlen:

Zerstörte Einheiten von 1793-1815
Land Linienschiffe Fregatten
GB 5 16
Frankreich 56 135
Gegner GB Summe 92 172 (Seite 77)

Und die sprechen nicht für Frankreich.

Grüße
excideuil
 
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