Die vergessene Front - Ostfront 1914 bis 1917/18

Repo schrieb:
Verstehe ich ehrlich gesagt nicht, ich entnahm Deinem Posting, ("wer ganz von oben leitete")dass Dir wohl die Rolle Falkenhayns in seiner 2. Karriere nicht klar war, und glaubte dies richtig stellen zu dürfen.
Nachtreten.. mit Gewalt mißverstehen... von meiner Seite keine Rede.

Hier noch etwas:
http://userpage.fu-berlin.de/~broszies/generalstab/schule/rumania/rum01_001.html

Aber nochmals: ich will nicht Recht behalten, kritisieren, nachtreten sondern in fairen Diskussionen neue Erkenntnisse (für mich neue) gewinnen. Sonst nichts.

Grüße
Repo

Wie gesagt: es war ein von mir ausgelöstes "Mißverständnis"... :winke::hoch::winke:
Auf der von Dir genannten Basis ist es doch OK - von meiner Seite betrachte ich das jetzt jedenfalls als ausgeräumt :)
Danke noch für diesen Link; der ist wirklich gut... :hoch::hoch::hoch:
 
Nachdem ich etwas rumgestöbert habe, muß ich gestehen, daß ich nicht unbedingt viel gefunden habe... :rotwerd::oops::sorry:

Tib. Gabinius schrieb:
Ausrüstungsgrade etwa, welche Materialien führten die Soldaten beider Seiten mit sich, wie stand es um Versorgung und Moral?
... die wir im Folgenden besprechen sollten.

Zum deutschen Heer

Von Deutsche Kriegsgeschichte 1914 - 1918
(ist eine private Seite, jedoch IMHO mit brauchbaren Informationen)

Infanterie
Grenadiere, Musketiere, Füsiliere
Bewaffnung: Gewehr 98, Seitengewehr (Weiterentwicklung des Bajonetts)
Neben die genannten Bataillone treten noch die Jäger- und Schützenbataillone; sie besitzen zusätzlich eine Radfahrerkompanie.
Alle Infanteriebataillone werden in jedem Gelände eingesetzt und kämpfen im Verbund mit der Artillerie.
Allen Infanteriebataillonen sind MG Kompanien zur Unterstützung der Feuerkraft zugeteilt (je 6 MGs pro Kompanie).
Zusätzlich gibt es MG Abteilungen zur Unterstützung der Kavallerie und Festungs MG Abteilungen für den Festungskampf.

Kavallerie
Kürassiere, Ulanen, Dragoner, Husaren, Chevaulegers (Kgr. Bayern), Karabiniers (Kgr. Sachsen)
Bewaffnung: Lanze, Karabiner 98 oder Revolver, Säbel
Neben die genannten Gattungen treten noch die Grenadiere zu Pferde und die Jäger zu Pferde.
Die Kavallerieeinheiten kämpfen meistens zu Pferde (Attacke), können aber auch zu Fuß - ähnlich Infanterie - eingesetzt werden; Feuerkraft erhalten sie durch zugeteilte MG Kompanien (vgl. oben).

Artillerie
I. (Leichte) Feld Artillerie
Bewaffnung: Feldkanone, vereinzelt Leichte Feldhaubitze (schwerer als die Feldkanone) - die Soldaten haben dazu noch Pistole und Säbel oder Seitengewehr
Die leichte Artillerie unterstützt entweder im Felde die Infanterie mittels der Feuerkraft der Feldkanone ODER kämpft gegen feindliche Artillerie sowie gegen befestigte Stellungen mittels der Leichten Feldhaubitze.
Die Feld Artillerie besteht aus fahrenden und reitenden Abteilungen.
II. (Schwere) Fuß Artillerie
Bewaffnung: verschiedene Geschützarten (Kanone, Haubitze, Mörser) - die Soldaten haben dazu noch Karabiner 98 und Seitengewehr
Die Schwere Artillerie verfügt über die stärkste Feuerkraft und kämpft deshalb v.a. gegen befestigte Stellungen oder im Festungskampf. Aufgrund ihrer Bewaffnung können die Mannschaften aber ebenso als Infanterie kämpfen.

Pioniere
Bewaffnung: Gewehr 98 und Seitengewehr
Zusätzliche Ausrüstung: Handgranaten, Minenwerfer, Sturmgerät, Scheinwerfer, Leuchtpistolen
Die Pioniere kämpfen wie die Infanterie, allerdings ist ihr Einsatz gewöhnlich
- Anlegen und Zerstören von Befestigungen, Brücken, Wegen, Telegraphenleitungen etc.
- Kampfunterstützung v.a. im Festungskampf mittels ihrer zusätzlichen Nahkampfmittel

Verkehrstruppen
Bewaffnung: Gewehr 88 oder Gewehr 98
Ihr Einsatz liegt in
- Bau und Bedienung von Eisenbahnen und Feldbahnen sowie Fernsprechleitungen
- Erkundung feindlicher Stellungen durch Luftschiffe und Flugzeuge
- Einsatz von Kraftfahrzeugen

Train
Bewaffnung: Revolver und Säbel
Ihr Einsatz liegt im Heran- und Wegschaffen von
- Munition
- Brückenmaterial
- Feldlazaretten
- Verpflegung

Anm.: Der Einsatz von Kraftfahrzeugen bei den Verkehrstruppen war meiner Meinung nach (wenn ich mir bspw. Bilddokumente aus Galizien o.ä. vor Augen halte) im Osten eher wenig verbreitet. Ebenso kenne ich die Erkundung feindlicher Stellungen durch Luftschiffe nur von der Westfront - also "kennen" nicht im Sinne von "persönlich kennen", sondern aus der Literatur :rolleyes:
 
Vom russischen Heer

(nach L. & F. Funcken "Historische Uniformen" mit Regimentskatalogen)

Dazu Grundsätzliches bzgl. der Truppenstärke: es gab jährlich ca. 890000 Rekruten (Eintrittsalter: 20 J.), von denen aber lediglich 240000 zum Dienst herangezogen wurden; die nicht ins Heer aufgenommenen Dienstpflichtigen zahlten eine Militärsteuer!
Die Dienstzeit im Heer betrug 5 Jahre, doch wer besonders fähig war, konnte die Ausbildung binnen eines(!) Jahres absolvieren!
Danach gehörte der russische Soldat 18 Jahre zur aktiven Reserve, bis zum 43. Lebensjahr dann zur Opoltschenije (Miliz).
Die Opoltschenije umfaßte übrigens auch diejenigen, welche nicht gedient hatten...
Mit 22 Rekrutenjahrgängen konnte das zaristische Heer damit ca. 11 Mio Mann mobilisieren, davon ca. 3,5 Mio mehr oder minder gut Ausgebildete.

Die Bewaffnung von Infanterie und Kavallerie war wohl mit jener der deutschen Gegner vergleichbar, während die Artillerie wahrscheinlich etwas geringere Feuerkraft hatte, aber über das widerständigere Material verfügte.
Jedoch ist hier und da herauszulesen, daß die Bewaffnung bei Infanterie und Kavallerie nur für die vorderen Reihen komplett vorhanden war und in den hinteren Reihen "ausdünnte"...

Infanterie
Aktives Heer: 1000 Gewehre pro Bataillon, 4 Bataillone pro Regiment, 2 Regimenter pro Brigade, 2 Brigaden pro Division, insgesamt 48 Divisionen
12 Garde Regimenter (davon 3 Grenadier Regimenter, 1 Jäger Regiment benannt)
16 "gewöhnliche" Grenadier Regimenter
165 Linien Regimenter
insgesamt 862 aktive Infanteriebataillone, davon 90 Jägerbataillone.
Reserveheer: 444 Bataillone
Festungstruppen: 150 Bataillone
Territoriale wachtruppen: 155 Bataillone
Dazu kommen noch 30 Grenzbrigaden (zwei Drittel davon an den Grenzen zu Deutschland und Österreich-Ungarn!) sowie kosakische Infanteristen und irreguläre Milizen.
Abgeschätzte Kriegsstärke der russischen Infanterie: mehr als 1,5 Mio Mann

Kavallerie
Aktives Heer: ca. 22 Divisionen (112 Regimenter)
12 Garde Regimenter (4 Kürassier Regimenter, 2 Dragoner Regimenter, 2 Ulanen Regimenter, 2 Husaren Regimenter, 2 Kosaken Regimenter)
ansonsten noch
51 Dragoner Regimenter
49 Kosaken Regimenter
pro Regiment dazu noch ein Sondertrupp "Jäger Aufklärer" (24 Mann stark)
Da die Zahl der Eskadronen (Abteilungen) nicht einheitlich war, sei abschließend gesagt, daß bei Ausschöpfung aller Reserven an die 500000 Reiter ins Feld geführt werden konnten (wenn die amtlichen Berechnungen stimmen)!

Artillerie
Aktives Heer: 12 Regimenter, davon 1 Garde Regiment
Mehr konnte ich seltsamerweise nicht finden :rotwerd:

Zur Moral u.ä. Dinge bzgl. der Feindestruppen hat - wahrscheinlich nicht ganz objektiv - der deutsche General der Infanterie, v. Tschischwitz, seinerseits als Oberstleutnant Weltkriegsteilnehmer, u.a. folgendes geschrieben...

Der russische Friedenssoldat machte einen vorzüglichen Eindruck. Seine Ausbildung war aber... nicht auf der Höhe. Die Schießausbildung... und die Feuerleistung ließen sehr zu wünschen übrig. Dazu kam die Schwerfälligkeit... , die Entschlußlosigkeit, die ihn für den modernen Gefechts- und Patrouillendienst wenig geeignet und von der - im allgemeinen auch noch mangelhaften - Führung abhängig machten. Daher seine zusammengeballten Massenangriffe mit dem Bajonett in dicken Klumpen, vielfach ohne Feuervorbereitung und ohne Rücksicht auf Verluste...
Schnelle Ausnutzung günstiger taktischer Lagen bekam die russische Führung nicht fertig...
Ende 1914 war die Angriffskraft gegenüber den Deutschen gebrochen. Mit dem Übergang zum Stellungskrieg kam der Russe in sein eigentliches Element... Gewandt in der Geländebenutzung, geschickt in der Herstellung von Erddeckungen und Scheinanlagen, verstand er es musterhaft, sich schnell einzugraben.
Der Russe ging... leidenschaftslos und ohne... Zwang in den Kampf. Als gläubiger Christ und unempfindlich gegen die Wechsel der Kriegslage kämpfte er mit gleicher Tapferkeit. Bei seiner beispiellosen Genügsamkeit war er gewohnt zu leiden...
Der zaristische Russe war ein tapferer Soldat, tapfer im Angriff, tapfer in der Verteidigung. Die Revolution brach seinen Kampfgeist und entnervte ihn in bedenklichem Maße als Soldat...

Disclaimer: Text sinnvoll gekürzt nach Deutsche Kriegsgeschichte 1914 - 1918

PS: Angesichts der Uhrzeit und der Länge der Beiträge mögen sich Tippfehler eingeschlichen haben; wer sie findet, gewinnt eine Gummimaus...
 
Das ist ein sehr interessantes Thema.

Der Vater meines Vaters kämpfte an dieser Front im I. WK.

Abgesehen davon habe ich vor mir, sollte ich mal ein eigenes Pferd haben,
mir einen deutschen Armeesattel zu besorgen und wenn es geht auch
militärische Satteltaschen.

Ich berichte dann von den Erfahrungen.

Es gibt ein Buch von 1912 in welchem wichtige Informationen für die
Deutsche Kavallerie zusammengefast waren.
 
So, ich hab jetzt auf mein öffentliches Profil das Uniform-Bild meines
Großvaters gesetzt.
Kann jemand erkennen um was für eine Einheit es sich handelt?

Truppengattung oder ähnliches? Dienstgrad?

Eindeutig zu erkennen das Eiserne Kreuz, nicht wahr?
 
Lange - meines Erachtens viel zu lange - mußte ich dieses Thema ruhen lassen, was es aber erstens nicht verdient hat und ich zudem zweitens noch etwas ansprechen wollte, was Tib seinerzeit zur Diskussion stellte...

Tib. Gabinius schrieb:
... nichts aber sagten wir über die Bedingungen im Detail.
...
Wie setzte sich das Offizierkorps der russischen Truppen zusammen und woher nahmen diese ihre Ausbildung und Befähigung?

Ich habe versucht, mich zur militärischen Führung der Armee des zaristischen Rußland entsprechend schlau zu machen - die meisten Details, die ich im folgenden auflisten werde, sind auch nachzulesen (Englisch!) auf Commanders Of First World War, wobei ich mich um eine sinnvolle Kürzung der Informationen zu bemühen versuche...

@Survivor: Ich habe Deine Bitte gelesen und Dich per PN kontaktiert - wenn Du wieder online bist, melde Dich doch bitte einmal...
 
Militärische Führung und Generalität der zaristischen russischen Armee

Aufgrund der zahlreichen historischen Personen möchte ich mich auf einige ausgewählte Beispiele beschränken...
Und auch mit dieser Einschränkung wird der Beitrag ziemlich lang - schon einmal :sorry: im Voraus.

Großfürst Nikolai Nikolajevitsch Romanov

Er war der Onkel des Zaren.
Seine Ausbildung erhielt er - wie fast alle höheren Offiziere des russischen Heeres - an der Akademie des Generalstabes, diente im Russ.-Türk. Krieg 1877/78 und war Generalinspekteur der Kavallerie ab 1895 (wo er beträchtliche Reformen in der Ausbildung vornahm) und ab 1905 Kommandeur des Militärbezirks St. Petersburg.
Da Zar Nikolai II. bei Kriegsbeginn das Oberkommando des Heeres zunächst nicht selbst übernahm, wurde der Großfürst dazu berufen. Er sah sich mit einem miesen Kommunikationssystem in der Armee konfrontiert, welches ihn in seiner Tätigkeit mehr behinderte als daß er es nutzen konnte.
Die ersten erfolgreichen Vorstöße nach Ostpreußen verkehrten sich bekanntlich alsbald in eine schwere Niederlage, und die Erfolge in Galizien und den Karpaten gegen Österreich-Ungarn wurden nach deutschem Eingreifen ebenso zunichte gemacht. Als letztendlich den Mittelmächten durch ihren Durchbruch bei Gorlice-Tarnov ein weiterer erheblicher Gebietsgewinn gelang, setzte sich Zarin Alexandra persönlich für seine Entlassung ein. Zar Nikolai II. enthob seinen Onkel eigenmächtig des Oberkommandos und übernahm dieses selbst - um ihn als seinen letzten Akt vor der Abdankung 1917 dann wieder als Oberbefehlshaber einzusetzen.
Ab 1915 war er Stabschef an der Kaukasusfront, wo den Russen unter General Judenitsch erfolgreiche Kämpfe gegen die Truppen des Osmanischen Reiches gelangen.
Anm.: Die Abdankung des Zaren soll der Großfürst wohl 1917 ebenso eingefordert haben, nachdem er seine Reformvorschläge in St. Petersburg nicht durchsetzen konnte.

General Juri Danilov

Er war Stellvertreter des Großfürsten Nikolai Romanov und hatte maßgeblich den russischen Angriffsplan (Plan 19) ausgearbeitet. Dieser Plan sah einen für den Fall des deutschen Angriffs gegen Frankreich einen russischen Zangenangriff über Ostpreußen und Schlesien mit je 2 Armeen vor.
Danilovs Arbeit wurde durch abweichende Meinungen innerhalb des russischen Oberkommandos faktisch zunichte gemacht, da man sich dann doch für die Teilung des Angriffs - 2 Armeen gegen Deutschland und 2 Armeen gegen Österreich-Ungarn - entschied.
Zudem wurde auch Danilovs Tätigkeit stark durch die schlechten Kommunikationswege im russischen Heer behindert; diesem Problem stand der General trotz seines energischen und dynamischen Wesens hilflos gegenüber.
Zeitgleich mit dem Großfürsten wurde auch Danilov seines Postens enthoben und an die Kaukasusfront versetzt.

General Jakov Shilinski

Er wurde 1911 zum Stabschef der russischen Armee berufen (und zudem Kommandeur des Militärbezirks Warschau) und sicherte den westlichen Alliierten zu, innerhalb von 15 Tagen nach Mobilmachung einen Angriff gegen das Deutsche Kaiserreich führen zu können. Militärhistoriker bezeichnen dies als "einigermaßen voreilig"...
Tatsächlich waren die beiden Armeen, welche in Ostpreußen vorrückten, nicht angemessen ausgerüstet für dieses Unternehmen, so daß der geplante Zangenangriff spätestens bei Tannenberg gescheitert war und die Folgen auch noch in der späteren Masurenschlacht zum Tragen kamen. Die Schuld für die russischen Niederlagen jedoch schob er einzig und allein dem Verhalten des Generals von Rennenkampf zu; Shilinski wurde nicht belangt, sondern war überdies ab 1915 als Verbindungsoffizier zum Hauptquartier der verbündeten Franzosen tätig.
Im Jahre 1916 (unter Befehl des Stabschefs Michail Alexejev) sicherte er den westlichen Alliierten zu, daß die russischen Armeen eine Offensive am Naroch See erfolgreich führen könnten. Aufgrund der Anwendung von Taktiken des 19. Jh. zeigte sich, daß die russische Seite auch dieses Versprechen nicht einhalten konnte.
Die militärhistorische Einschätzung Shilinskis ist demzufolge nicht gerade positiv: er gilt als einer von wenig kompetenten russischen Stabschefs des Krieges.

General Nikolai Ivanov

Er war ein leidenschaftlicher Monarchist und erwarb sich die besondere Anerkennung des Zaren durch die Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes 1906.
Ivanov nahm am Russ.-Japan. Krieg 1904/05 teil, war Kommandeur der russischen Truppen bei Kiew ab 1908 und unterstützte dort die Mobilmachung bei Kriegsbeginn.
Als Kommandeur der Armeen in Galizien und den Karpaten agierte er vorsichtig und ließ durch scheinbares Unverständnis, auf die konkrete Situation zu reagieren, somit 1914/15 einige Gelegenheiten aus, den österreichisch-ungarischen Gegner in Bedrängnis zu bringen sowie später bei Gorlice-Tarnov standzuhalten.
Die desaströse Niederlage in jener Schlacht führte dazu, daß er von General Brussilov ersetzt wurde - doch dies erst im März 1916.
Daß Militärhistoriker ihm Inkompetenz und schlechte Truppenführung zubilligen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht wenig plausibel.
Anm.: Ivanov hatte zudem persönliche Querelen und Streitigkeiten mit einem anderen gleichrangigen Kommandeur, General Nikolai Januschkevitsch - der übrigens ähnlich behäbig auf die taktisch-strategischen Gegebenheiten reagierte...

General Michail Alexejev

Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen (Sohn eines Gefreiten), trat 1876 in die Armee ein und absolvierte 1890 die Generalstabsakademie.
Alexejev nutzte folglich die Aufstiegsmöglichkeit, welche ihm das Militär bot - was allerdings nicht selbstverständlich war, da die Offiziere doch eher der Adelsschicht entstammten (tiefe soziale Spaltung des russischen Heeres der Zarenzeit).
1904 wurde er zum General erhoben.
Zunächst im Krieg im Stab der Südarmeen unter Ivanov erhielt Alexejev im März 1915 das Oberkommando für die Nordarmeen, nachdem dort General Januschkevitsch abgelöst worden war.
Trotz daß er weder Ivanovs Karpaten-Offensive unterstützte und auch wichtige Reserven bei Gorlice-Tarnov zurückgehalten hatte, wurde er vom Zaren zum Stabschef des Heeres erhoben, als dieser das Oberkommando selbst übernahm.
Obwohl Alexejev den Großen Rückzug der russischen Armeen nach Gorlice-Tarnov mit einigem Erfolg befehligte und koordinierte und auch teilweise erfolgreich eine zentrale Kontrolle über die militärischen Operationen etablierte (gegen die schlechte Kommunikation und den starren Stabsapparat), zeichnete ihn doch ein Festhalten an konventionellen Taktiken und Strukturen aus, die den Erfordernissen der Kriegsführung nicht mehr genügten.
Die russische Niederlage am Naroch-See war letztlich eine Konsequenz aus dem Festhalten an der Dominanz der alten militärischen Elite in der Armee bzw. der Unfähigkeit, diese abzulösen. Und obgleich Alexejev die spätere Offensive des Generals Brussilovs mit ausgearbeitet hatte, verhielt er sich im Verlauf dieser Offensive dennoch passiv anstatt sie mit seinen Truppen zu unterstützen.

General Alexej Brussilov

Er war der Sohn eines Adligen und begann seine Ausbildung im Kaiserlichen Pagenkorps, einer höheren Lehranstalt für Adlige mit Spezialklassen zur Offiziersausbildung. Danach diente er als Offizier der Kavallerie (Dragoner) im Kaukasus.
Während des Russ.-Türk. Krieges 1877/78 erhielt Brussilov zwei Auszeichnungen, und 1906 wurde er zum General erhoben.
Mit Kriegsbeginn erhielt er das Kommando der 8. Russischen Armee in Galizien; ungeachtet seiner "Herkunft" als Kavallerist erkannte er recht schnell die Vorteile moderner Artillerie sowie detaillierter Planung und taktischer Flexibilität.
Dementsprechend hielt er - quasi als Einzelfall - nicht an den althergebrachten Taktiken etc. fest, sondern versuchte, den neuen Erfordernissen der Kriegsführung innovativ zu begegnen.
Nachdem er im März 1916 General Ivanov ablöste und das Kommando über die Südarmeen erhielt, erarbeitete und leitete Brussilov die erste der nach ihm benannten Brussilov-Offensiven.
Brussilov war - entgegen anderen russischen Befehlshabern - der Auffassung, daß nicht etwa Mangel an Material, sondern Ausführungsmängel bei militärischen Operationen für militärische Niederlagen verantwortlich waren.
Seine Anwendung mehrerer Taktiken während dieser Offensive wurden später übrigens zu einem wichtigen Bestandteil der Kriegsführung der Roten Armee: Täuschung, Überraschungsangriff und Stoßkraft.
Anm.: Seine Kollegen betrachteten Brussilov mit äußerstem Argwohn, und viele seiner untergebenen Offiziere mußten bspw. zu der Offensive geradezu gezwungen werden. Auch die mangelnde Unterstützung durch die anderen russischen Armeen scheint diesem Fakt geschuldet zu sein.

Ein kurzes Fazit zum Schluß: deutlich wird bei militärischer Führung und Generalität der Armeen des zaristischen Rußland eine fatale Verquickung von Besetzungen nach Dienstalter und/oder Beziehungen zum Zarenhof, Festhalten an Gepflogenheiten der Vorkriegszeit sowie starrer Befehlsführung und mangelhafter Kommunikation - und das Ganze überdies verbunden mit Intrigen und persönlichen Zwistigkeiten.
Brussilov stellt da wohl eher eine Ausnahme dar...

Diese und mehr Details wie erwähnt unter Commanders Of First World War
 
Zuletzt bearbeitet:
Weiter hinten in der Diskussion wurde angefragt, wie der Frontalltag im Osten aussah, wie die Zivilbevölkerung vom Krieg betroffen war und wie sich die russischen Soldaten mit ihren Gegnern verstanden (Stichwort: Verbrüderung).

Einen recht guten Eindruck gewinnt man aus einem Augenzeugenbericht, den ein deutscher Kompaniechef vom Vormarsch der Mittelmächte nach Osten im Jahr 1915 geliefert hat (Walter Bloem: Sturmsignal, häufig bei Ebay angeboten).

Einige Stichpunkte daraus:

* Die Zivilisten im Osten wurden zwar von den Deutschen mit einer gewissen Herablassung und voller Vorurteile betrachtet. Es waren Menschen, die im Vergleich zu Mitteleuropa in z.T. primitiven und erbärmlichen Umständen leben (besser gesagt: hausen) mussten, ohne Bildung und Kultur. Dadurch sah man in ihnen fast so etwas wie Eingeborene aus einer Kolonie.
Es wurde aber seitens der militärischen Leitung Wert darauf gelegt, diese Menschen gerecht und anständig zu behandeln, Drangsalierungen und Willkür, Plünderungen und andere ähnliche Erscheinungsformen waren streng verboten. Das Verhältnis der deutschen Militärs von der Führung bis zum einfachen Soldaten war nicht zu vergleichen mit der menschenverachtenden Herrenmenschenpolitik der Nazis im nächsten Weltkrieg.

* Es gab immer wieder informelle Kontakte zwischen den einfachen Soldaten auf beiden Seiten. Diese wurden häufig von Polen initiiert. Auf der einen Seite kämpften "deutsche Polen" auf der anderen "russische Polen" (ein eigenständiges Land Polen gab es damals noch nicht wieder). Hinzu kamen viele Deutsche polnischer Abstimmung, z.B. aus dem Ruhrgebiet, die noch oft die Sprache ihrer Eltern sprachen. Sie hatten auch keine Probleme, mit den ähnlich sprechenden Russen ins Gespräch zu kommen.
Bei den Offizieren (auf deutscher Seite wenigstens) wurden diese Aktivitäten ihrer Untergebenen zwar nicht gern gesehen, jedoch oft stillschweigend hingenommen.

* Bloem beschreibt die Russen - wenigstens die einfachen Soldaten - als zähe und entbehrungsreiche Kämpfer, die jedoch in aussichtslosen Situationen (bzw. was sie als solche ansahen) rasch kapitulierten, bzw. zu den Deutschen überliefen. Sie schienen seitens der Offiziere als Kanonenfutter betrachtet und oft schlimmer als Vieh behandelt worden zu sein. Dieses Verhältnis zwischen einerseits dem gebildeten, aus dem Bürgetum und dem Adel kommenden Offizierskorps und den ungebildeten einfachen Muschiks andererseits wurde auch in anderen historischen Abhandlungen erwähnt, z.B. vom Reicharchiv.

Grüße,

Jacobum
 
Ich denke, dass Österreich- Ungarn, aber auch das Zarenreich mit einem industrialisierten Krieg überfordert waren. Die Russen hatten 1914/ 1915 unter einem erheblichen Mangel an Munition und schweren Geschützen zu leiden. Das Nachrichtenwesen war hoffnungslos veraltet, so dass etwa bei Tannenberg Funkverkehr unverschlüsselt gesendet werden mußte, da gar kein einheitlicher Code existierte.

1916 war es dank französischer und britischer Hilfe mit Munition und Geschützen besser geworden, doch hatte die zaristische Armee erhebliche Schwierigkeiten auch nur eine befriedigende Versorgung mit Nahrungsmitteln organisieren zu können.

Dazu kamen extrem hohe Verluste. Von Herbst 1915- 1917 war die Ostfront relativ stationär und Einbrüche brachten während der ersten Brussilowoffensive maximal einen Geländegewinn von ca 65 km Tiefe.

Dabei war allerdings die Ostfront der Mittelmächte drauf und dran, zusammenzubrechen. Die Österreicher hatten ihre Truppen zu dicht hintereinander stationiert, und als Brussiliow im Juni 1916 bei Lucz seine Offensive startete, gerieten ganze Bataillione in Gefangenschaft und ganze regimenter liefen zu den Russen über.

Inklusive von Gefangenen und Versprengten, erlitten sowohl die Mittelmächte wie die Russen jeweils Verluste von über einer Millionen Mann, ein Mehrfaches der Verluste in den größten Materialschlachten an der Westfront bei Verdun, an der Somme oder in Flandern.


Interessant finde ich, dass gerade an der Ostfront erfolgreich Taktiken verwendet wurden, die schließlich bei der großen Schlacht von Frankreich 1918 auch an der Westfront noch einmal Bewegunung und große Geländegewinne brachten.

Brussilows Erfolg ging eigentlich aus einer Improvisation zurück. An der Westfront galt die Doktrin Artillerie erobert und Infanterie besetzt, was sich bei allen Materialschlachten 1916/ 1917 als Fehlschluß erwies.

Brussilow dagegen setzte auf kurzen Feuerüberfall und Infiltrationstaktik. Es war der größte und einzige Erfolg der Russen an der Ostfront, doch setzte Brussilow selbst seine Taktik nicht weiter konsequent um und verheizte seine Infanterie in Frontalangriffen.

Brussilows Taktiken griff Oscar von Hutier 1917 bei Riga auf, und die neue "Hutiertaktik" bescherte den deutschen im März/ April 1918 noch einmal stattliche Geländegewinne von über 60 km Tiefe.
 
Brussilows Erfolg ging eigentlich aus einer Improvisation zurück. An der Westfront galt die Doktrin Artillerie erobert und Infanterie besetzt, was sich bei allen Materialschlachten 1916/ 1917 als Fehlschluß erwies.

Brussilow dagegen setzte auf kurzen Feuerüberfall und Infiltrationstaktik. Es war der größte und einzige Erfolg der Russen an der Ostfront, doch setzte Brussilow selbst seine Taktik nicht weiter konsequent um und verheizte seine Infanterie in Frontalangriffen.
Könntest Du das bitte etwas genauer beschreiben? Unter Infiltrationstaktik kann ich mir nämlich nichts vorstellen.
 
Man läßt Infanteriestoßtrupps das Niemandsland infiltrieren, ohne die gegnerische Infanterie durch tagelanges Trommelfeuer zu warnen. Stoßtrupps schneiden Gassen in den Drahtverhau. Ein kurzes Vernichtungs- und Störfeuer hält die gegnerische Infanterie in den Gräben, während Stoßtrupps unmittelbar dem Artilleriefeuer folgen und in die Gräben eindringen, bevor die gegnerische Infanterie oben im Graben erscheint.

Die Briten wandten im Lauf der Sommeschlacht eine Neuerung an, indem sie von Fehlern lernten, die den 1. Juli an der Somme zum schwärzesten Tag der britischen Armee machte. Dabei folgte die Infanterie unmittelbar der Feuerwalze von Tanks unterstützt. Die Deutschen gingen dann dazu über, allzu tiefe, bombensichere Unterstände zu sprengen und weniger tiefe anzulegen, vor allem konzentrierten sie die Reserven nicht mehr so dicht an vorderster Front. Aber das war etwas off topic.

An der Ostfront war der Bewegungskrieg seit september 1915 in Stellungskrieg übergegangen, aber man darf sich dabei nicht diese Grabensysteme mit elektrischem Licht und fließend Wasser vorstellen und es gab auch nicht die Mengen an Stacheldraht wie an der Westfront, denn die Front war ja gut zehnmal so lang wie die Westfront.

Brussilow bekam von den Kollegen keine Unterstützung und Artillerie. Nach herrschender Militärdoktrin war für einen erfolgreichen Angriff absolute artilleristische Überlegenheit erforderlich. Artillerie erobert, Infanterie besetzt, doch das tagelange Trommelfeuer konnte die gut befestigten Stellungen niemals völlig zerstören, und 1- 2 MGs ganze Bataillione aufhalten.

Bei seiner Offensive hatte Brussilow die Österreicher eiskalt erwischt. Durch das Versagen der örtlichen Führung, der Erzherzog war auf der Jagd, als die Russen die Österreicher überrannten. Es gab ganze Bataillione, die keinen einzigen Schuß abfeuerten und im Schlaf überrascht wurden. Die Reserven waren viel zu dicht hinter der 1. Linie stationiert. Die Russen eroberten Luzk zurück und stießen in die Bukovina vor, die Front mußte bis an die Karpatenpässe zurückgenommen werden, und nur deutsche Reserven verhinderten den Zusammenbruch der Ostfront.

Brussilow selbst hatte diesen Erfolg nicht erwartet, und er setzte seine improvisitären Neuerungen nicht weiter um, sondern ließ die Infanterie frontal anrennen, was die Briten, "Kitchner`s Army" am ersten Tag der Sommeschlacht am 1. Juli 1916 an diesem einzigen Tag fast 60.000 Verluste, darunter fast 20.000 Tote kostete.

Die Deutschen griffen dann Brussilows Taktik bei ihrer Offensive auf Riga 1917 auf, wobei sie cann den Namen von Oskar von Hutier bekam.
 
Hallo Scorpio, eine Frage:

sind bei der unterschiedlichen Taktik nicht auch die Frontlänge (Osten länger als im Westen - Truppendichte) und die Geographie (Pripjets/Wälder) wesentliche Faktoren, die diese Infiltration ermöglicht haben?
 
Das war mit Sicherheit der Fall, es gab ja nicht einmal genug Stacheldraht, um die Front von der Ostsee bis zur rumänischen Grenze mit Drahtverhau auszustatten.

Ich denke, dass 1916 allen Seiten noch Erfahrungen im Grabenkrieg fehlten, und sowohl Deutsche wie Briten und Franzosen begingen taktische Fehler, die sie viele Tausend Menschenleben kosteten. Um so erstaunlicher finde ich, dass die Lehren aus Brussilows Angriff so spät erst gezogen wurden.

Dass die Ostfront kaum weniger mörderisch war, ist allerdings kaum bis ins allgemeine Bewußtsein vorgedrungen. Die Opferzahlen aus der Karpatenschlacht und die Verluste die beide Seiten im Rahmen der Brussilowoffensiven hatten, übertreffen nämlich sogar noch die der Schlacht an der Somme, die mehr als 1, 1 Millionen Verluste kostete.

die Österreicher wie die Russen verloren beide mehr als 1 Millionen Soldaten.
 
Um den Thread mal wiederzubeleben, angeregt durch die ostbezogenen Diskussionen:
* Die Zivilisten im Osten wurden zwar von den Deutschen mit einer gewissen Herablassung und voller Vorurteile betrachtet. Es waren Menschen, die im Vergleich zu Mitteleuropa in z.T. primitiven und erbärmlichen Umständen leben (besser gesagt: hausen) mussten, ohne Bildung und Kultur. Dadurch sah man in ihnen fast so etwas wie Eingeborene aus einer Kolonie.
Es wurde aber seitens der militärischen Leitung Wert darauf gelegt, diese Menschen gerecht und anständig zu behandeln, Drangsalierungen und Willkür, Plünderungen und andere ähnliche Erscheinungsformen waren streng verboten. Das Verhältnis der deutschen Militärs von der Führung bis zum einfachen Soldaten war nicht zu vergleichen mit der menschenverachtenden Herrenmenschenpolitik der Nazis im nächsten Weltkrieg.

* Es gab immer wieder informelle Kontakte zwischen den einfachen Soldaten auf beiden Seiten. Diese wurden häufig von Polen initiiert. Auf der einen Seite kämpften "deutsche Polen" auf der anderen "russische Polen" (ein eigenständiges Land Polen gab es damals noch nicht wieder). Hinzu kamen viele Deutsche polnischer Abstimmung, z.B. aus dem Ruhrgebiet, die noch oft die Sprache ihrer Eltern sprachen. Sie hatten auch keine Probleme, mit den ähnlich sprechenden Russen ins Gespräch zu kommen.
Bei den Offizieren (auf deutscher Seite wenigstens) wurden diese Aktivitäten ihrer Untergebenen zwar nicht gern gesehen, jedoch oft stillschweigend hingenommen.
Das KuK Militär hat tausende von Zivilisten als "Spione" hängen lassen. Im Herbst 1914 hatten an der Ostfront besonders Juden unter Ausschreitungen von Polen, Ukrainern und KuK-Soldaten zu leiden. Die russische Armee ging ebenfalls gewalttätig gegen Juden vor, mit ähnlichen Vorwürfen die in Richtung Spione abzielten. Massaker sind durch Photos dokumentiert. Im November 1918 kam es in Lemberg zu einem Pogrom durch polnische Truppen. Der Photohistoriker Anton Holzer hat dazu eine Studie mit dem Titel "Das Lächeln der Henker" veröffentlicht, allerdings sehr auf Österreich-Ungarn bezogen. Unter anderem ist auch ein Photo von deutschen berittenen Feldgendarmen zu sehen, die einen vermeintlichen "jüdischen Spion" auf demütigende Art an Stricken halten. Ein weiteres Photo mit deutschen Soldaten hat den Titel "Ein abgeurteilter russischer Spion auf seinem letzten Gang". Zu Beginn des 1. Weltkriegs gab es eine große Spionage Hysterie, die unter anderem auch im Deutschen Reich Opfer forderte. Am 7. August stand als Hauptüberschrift in der (damals einzigen) Zeitung meines Heimatortes „Spione ringsum!“. Es wurde die Meldung gebracht, dass zahlreiche Versuche „wichtige Kunstbauten, Eisenbahnbrücken, Tunnels und dergleichen zu sprengen“, in Deutschland fehlgeschlagen seien und das es auch in Österreich ähnliche Fälle gegeben habe. Zwar Tage vorher wurde ein harmloser Autofahrer von der nervösen Schutzwehr des Ortes erschossen. Opfer dieser Spionage Hysterie waren im Osten oft ethnische Minderheiten. Für das Deutsche Reich sind mir im Osten bislang noch keine Massaker und Hinrichtungen von Spionen im großen Stil bekannt. Drangsalierung, Willkür, Massaker, Hinrichtungen und Plünderungen wurden insbesondere durch die unübersichtliche Lage in Folge von Frontverschiebungen gefördert. Kriegsverbrechen waren zum Teil eine Reaktion auf unerwarteten Widerstand (siehe deutsche Kriegsverbrechen in Belgien 1914). Wenn der Widerstand von der Bevölkerung ausging sollte zu besonders brutalen Gegenmaßnahmen gegriffen werden, faktisch war dieser Widerstand in der Regel nicht existent. In unübersichtlichen Lagen entspann sich dafür eine "Franctireur-Hysterie" die zu Massakern an der Zivilbevölkerung führte. Im August 1914 wurden im serbischen Sabac etwa 80 Zivilisten auf Befehl von Feldmarschallleutnant Kasimir Freiherr von Lütgendorf auf dem Kirchhof erschossen. Es handelte sich also nicht um eine Einzelaktion von einfachen Soldaten. Ähnlich liegt der Fall bei einigen anderen Hinrichtungen, Massakern, usw. Lütgendorf wurde übrigens nach dem Weltkrieg in einem Kriegsverbrecherprozess belangt, weil er den Befehl (wozu ihm die Strafgewalt fehlte) gegeben hatte drei KuK-Soldaten wegen (nicht nachgewiesener) Plünderung mit dem Bajonett niederzumetzeln. Er kam allerdings mit einem extrem milden Urteil von sechs Monaten Haft davon, obwohl er für schuldig befunden wurde.
Jetzt stellt sich mir die Frage: Hat sich das Deutsche Heer im Osten tatsächlich besser aufgeführt als das KuK Militär? Wurde von der militärischen Leitung tatsächlich wert darauf gelegt die Bevölkerung gerecht und anständig zu behandeln, und wie sah die Praxis aus?

Edit:
Hier noch eine Bildquelle zur Angst vor Spionen auf französischer Seite im Westen:
http://stahlgewitter.wordpress.com/2008/07/31/bilder-des-todes-eine-hinrichtung-in-frankreich/
Solche Photos gibt es aus Österreich-Ungarn in großen Mengen, nur mit Zivilisten als Opfern. Zum Teil sind diese Bildpostkarten sogar durch Firmenzeichen als kommerziell ausgewiesen.
 
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Jetzt stellt sich mir die Frage: Hat sich das Deutsche Heer im Osten tatsächlich besser aufgeführt als das KuK Militär? Wurde von der militärischen Leitung tatsächlich wert darauf gelegt die Bevölkerung gerecht und anständig zu behandeln, und wie sah die Praxis aus?

Zu dem Vergleich kann ich mich nicht äußern, mangels genauer Kenntnisse über die Vorgänge bei der KuK-Armee.

Zu deutschen Seite
Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten - Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg.

Die Entmenschung des russischen Gegners muss man nicht einmal in Verbindung mit Berichten über den Einfall in Ostpreußen bringen, der Topos ist älter. Rassenideologische Motive spielten aber wohl eine geringere Rolle als 1941-45.

Ich schlage mal morgen nach, was sich in dem Buch dazu im Detail findet.
 
L. stützt seine Darstellungen wesentlich auf die Folgen des Besatzungsregimes, hier wiederum die Darstellung der Ausplünderung der besetzten Gebiete, die schon zuvor auf den Rückzügen der zaristischen Armee häufig als "verbrannte Erde" zurückgelassen wurden.

Zur Kriegführung im engeren Sinne enthält er nur wenige Hinweise; die schlimmsten Folgen sind vermutlich auf die anschließende Besatzung zurückzuführen, die die Lebensgrundlagen entzog und etwa ab 1916/17 als schlimmer von der Bevölkerung als die russische Verwaltung empfunden wurde ("die russische Knute tut manchmal weh, die preußische Fuchtel immer"). Hier verstärkte sich auch der Widerstand gegen die Besatzung.
 
Franz-Joseph hatte zu Beginn des Krieges ein Erlass herausgegeben, der den AOK'S in bestimmten Gebieten, u.a. Kroatien, Bosnien, der Herzegowina, Dalmatien usw. die Anwendung bestimmter Ausnahmegesetze erlaubte.Manche Kommanden haben davon dann entsprechend regen Gebrauch gemacht.

In Böhmen und Mähren haben die Tschechen zu einem Eisenbahnerstreik aufgerufen. Es wurden gezielte Verhaftungen vorgenommen und Todesurteil ausgesprochen.

Auf Anordnung des Balkanoberkommandos wurden serbische Geiseln ausgehoben. Wenn dann Aktionen gegn Anghörige der österreichisch - ungarischen Armee stattfanden, wurden die Häuser der Geiseln einfach angezündet.

Diese massiven Übergriffe häuften sich dermaßen, das Tisza bei Franz-Joseph sein Unmut abgeladen hat. Tisza stand damit im gegensatz zu der in Budapes vorherrschenden Meinung. Franz-Joseph jedenfalls handelte. Er setzte ein Schreiben unter dem Datum des 17.September 1914 auf, in dem es denn sinngemäß heißt:

"Es sind vielfach Klagen eingelaufen, daß in letzter Zeit neuerlich zahlreiche Verhaftungen von angeblich politisch Verdächtigen oder Unzuverlässigen in allen Teilen der Monarchie stattgefunden haben, Verhaftungen, welche fast lediglich auf Veranlassung oder über Aufforderung militärischer Kommandos und Behörden erfolgten. Ich befehle, daß alle militärischn Stellen strengsten angewieen werden, derartige Maßnamen nr aufgrund schwerwiegender Verdachtsmomente zu veranlassen. Ich will nicht, daß durch unberchtigte Verhaftungen auch loyale Elemente in eine staatsschädliche Richtung getrieben werden...."


Quelle. Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers, S.177ff
 
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Situation auf heute polnischem Gebiet

Ich weiß nicht, ob diese Ausgangssituation schon erwähnt wurde: auf dem Gebiet des heutigen Staates Polen (Polen vor dem ersten Weltkrieg war ja dreigeteilt) grenzten die Mächte dt. Kaiserreich (zuvor dt. Bund), russ. Imperium und Österreich-Ungarn aneinander - mit der Folge, dass diese Grenzlage von allen drei Seiten vehement befestigt wurde.

Im Anhang eine Karte, welche die wichtigsten Festungen zu Beginn des ersten Weltkriegs im heutigen Polen auflistet (auffällig ist die Narewlinie von Osowiec bis Modlin und Warschau). Teilweise handelt es sich um riesenhafte Anlagen, welche schon auf die Erfordernisse der damals modernen Artillerie (Stichwort: Brisanzkrise) angepasst waren.

Ich nehme an, dass diese Ausgangslage nicht ohne Einfluß auf die Aufmarschpläne und Kriegspläne zu Beginn des ersten Weltkriegs war und folglich in diesem Gebiet auch nicht ohne Einfluß auf die Fronten war. Wenigstens die Belagerungen von Przemysl (österr. Festung) und Osowiec (russ. Festung) kann man im weitesten Sinne als Ereignisse an der Ostfront ansehen.
 

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Jetzt stellt sich mir die Frage: Hat sich das Deutsche Heer im Osten tatsächlich besser aufgeführt als das KuK Militär? Wurde von der militärischen Leitung tatsächlich wert darauf gelegt die Bevölkerung gerecht und anständig zu behandeln, und wie sah die Praxis aus?

Wenn sich deutsche Soldaten weniger repressiv gegen die Zivilbevölkerung im Osten aufführte, dann, glaube ich, waren es weniger Anstand und Gerechtigkeit. Es gab mal das Wort Manneszucht im Deutschen. Das wurde in der Preußischen Armee ganz groß geschrieben. Mit Plünderern und Vergewaltigern kann man kein Gefecht gewinnen.
 
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