Die Wiener Hofburg 1521-1705

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Band II der fünfbändigen Publikationsreihe zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg analysiert deren Entwicklung zur zentralen mitteleuropäischen Kaiserresidenz von Ferdinand I. bis einschließlich Leopold I. Die Neuschreibung der facettenreichen Bau- und Funktionsgeschichte der kontinuierlich sich vergrößernden Residenz wird begleitet von Untersuchungen zu den Repräsentationspraktiken der Habsburger. Nachvollzogen werden sie an der Architektur und ihren Dekorformen, im engen Zusammenhang zwischen Zeremoniell und den Raumfolgen, aber auch an den Räumen des Theaters, der Gartenanlagen und der Sammlungen. Grundlage für die Untersuchung ist der permanente Blick auf die europäischen Verknüpfungen. Im gegebenen Zeitraum ist die Internationalität der Familie Habsburg eine besonders zu berücksichtigende Voraussetzung. Der nachweisbar enge Kontakt und der regelmäßige Austausch zwischen den habsburgischen Höfen in Wien, Madrid und Brüssel sind gerade für die Analyse und Bewertung der bau- und raumkünstlerischen Leistungen an der Wiener Hofburg von grundlegender Bedeutung. Die Hofburg war mit ihren ständig wechselnden Baustellen ein stellvertretender und repräsentativer Untersuchungsraum für das internationale, vornehmlich aber italienisch geprägte Baugeschehen in Mitteleuropa. Doch wurde diese „italianità“ vor Ort einer Transformation unterzogen. Ihre Vermengung mit spezifisch mitteleuropäischen, burgundischen oder spanischen Elementen, zusammen mit dynastisch bedingten oder imperial konnotierten Besonderheiten, gehört zu den auffälligen Prozessen, die an der Hofburg des 16. und 17. Jahrhunderts beobachtet werden können.

Herbert Karner • Die Wiener Hofburg 1521-1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz • Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften • 2014 • 625 Seiten

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Das Selbstverständnis der aufstrebenden Habsburger-Dynastie hat sich in ihre zentrale Residenz eingeschrieben. Erforscht und prachtvoll aufbereitet sind die renaissancezeitlichen Zusammenhänge im neuesten Band zur Bau- und Funktionsgeschichte der Hofburg nachzulesen.

Touristen-Magnet und Sitz des Bundespräsidenten – so präsentiert sich die Hofburg beim Durcheilen im 21. Jahrhundert. Aus der Vogelperspektive auf den im Kern mehr als 700 Jahre alten Bau erahnt man bereits mehr von der Komplexität der Anlage. Aber erst unter Zuhilfenahme einer 3D-Rekonstruktion des gesamten Palastareals decken Wissenschafter/innen mehr und mehr baukundliche, kunst- und repräsentationsgeschichtliche Zusammenhänge auf. Die 3D-Rekonstruktion wie auch die Synthese aus Bau- und Funktionsgeschichten der renaissancezeitlichen und frühbarocken Hofburg waren Teil eines von der ÖAW getragenen und dem FWF mitfinanzierten Projekts. Die Ergebnisse liegen nun in einer mehr als 500 Seiten starken Publikation vor. Sie ist der Band II einer fünfteiligen Reihe und entstand unter der Herausgeberschaft von Herbert Karner, Kunsthistoriker am ÖAW-Institut für kunst- und musikwissenschaftliche Forschungen. Sieben Autor/innen zeichnen für die Analyse der oft unter Erneuerungen des 18. und 19. Jahrhunderts verborgenen Bau- und Ausstattungsdetails sowie für die Abstimmung mit schriftlichen Quellen aus allen Lebensbereichen der Herrscherfamilien verantwortlich.

Architektur im Dienste der Politik

Der vorliegende Band II deckt die Zeit zwischen 1521-1705 ab, eine Zeit, in der die Habsburger als „Herrscher von Gottes Gnaden“ ihren Einfluss in Europa – mit dynastischen Banden nach Spanien und Burgund – festigen konnten. Das große Verdienst Karners und seines Teams ist es, viele bislang isoliert betrachtete Forschungszugänge zum Wohn- und Herrschaftssitz der Habsburger in Wien in interdisziplinärem Austausch zu analysieren. Der im 13. Jahrhundert begonnene Baukomplex etablierte sich in der Renaissance durch repräsentative Erweiterungen als Kaiserresidenz. So entstand eine Stadt in der Stadt mit bald mehr als tausend Bewohnern.

Die Hofburg diente in jener Zeit nicht nur insgesamt sieben Kaisern, zahlreichen Erzherzögen, all ihren weitläufigen Familien und dem Hofstaat als Wohnung. Am Hof versammelten sich die Eliten aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Der Hof war Brennpunkt und Drehscheibe der Macht, Zentrum der Kunst, Arbeitsplatz und Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Die Ausgestaltung der Burg, ebenso wie Neu- und Zubauten vermittelten immer auch eine politische Botschaft. Charakteristika des Baus verweisen deshalb nicht zuletzt auf das Selbstverständnis der Habsburgerdynastie. So stehen beispielsweise die Anordnung von Räumen in engem Zusammenhang mit dem Zeremoniell, und sie geben Auskunft über die Vorstellungen von Privat und Öffentlich. Oder Gärten, Kunstkammer und Theater: Sie erzählen über Vorlieben der Rekreation, aber auch über das Bedürfnis, die Dynastie in spezifischer Art und Weise zu repräsentieren

Reiche Quellen fassen


Für den vorliegenden Band galt es, eine schier unüberschaubare Datenfülle zu bewerten und in Beziehung zu setzen. Die Bausubstanz wurde tiefgreifenden Mauerwerksanalysen bzw. dendrochronologischen und restauratorischen Untersuchungen unterzogen. Baupläne und Stadtpläne wurden kritisch verglichen. Und Rechnungen, Herrschaftsakten, Zeremonialprotokolle (beispielsweise von Empfängen, Begräbnissen, Hochzeiten) wurden von dem siebenköpfigen Autor/innen/team mit einbezogen. Die oben erwähnte 3D Rekonstruktion auf Basis erster Befunde erleichterte sowohl Historikern wie auch Bautechnikern das weiterführende Verständnis des gesamten Baukomplexes.

Die Baugeschichte der Hofburg im 16. und 17. Jahrhundert ist auch eine Geschichte des Kulturtransfers von Italien über die Alpen nach Mitteleuropa. Die Hofburg gibt mit ihren ständig wechselnden Baustellen ein über Wien hinausreichendes Beispiel des vornehmlich italienisch geprägten Baugeschehens in Mitteleuropa. Doch wurde diese „italianità“ vor Ort einer Transformation unterzogen. Ihre Vermengung mit spezifisch mitteleuropäischen, burgundischen oder spanischen Elementen, gehört zu den auffälligen Prozessen, die an der Hofburg des 16. und 17. Jahrhunderts beobachtet werden können.

Quelle: Die Wiener Hofburg 1521-1705
 
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