"Don Quijote" unter militärhistorischen und kulturgeschichtlichen Aspekten

Brissotin

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Es mag etwas sonderbar anmuten, dass ich mit solch einem Thema komme und das auch noch gänzlich unbedarft, was literaturgeschichtlichen Betrachtungen des Romanstoffes anbelangt. Da Einzige, das mich dazu qualifiziert ist, dass ich den Roman als Jugendlicher einmal gelesen habe und noch ganz grob ein Bild davon im Hinterkopf habe. Aber eben das, die verschwommene Erinnerung daran ist vielleicht für diesen Thread garnicht so verkehrt. Denn es soll mir nicht nur darum gehen, was wir über den Roman wirklich wissen, sondern eben auch darum, was all die vielen mit der Figur des berühmten Ritters assoziieren, welche den Roman nie gelesen haben. Eine gewisse Rolle spielt dabei sicherlich auch die Ausschlachtung des Romans für die Bühne (Theaterstücke und Musiktheater) und die Leinwand.

Das ganz ungenaue Bild was ich früher von dem Don Quijote hatte, war dass er ein ganz unzeitgemäßer Anhänger des Rittertums war, der in seiner Vorliebe für dieses unter seinen Zeitgenossen kein Verständnis findet. Hinzu kommen solche berühmten Geschehnisse wie das Anreiten auf die Windmühlen, der Kampf mit den Weinschläuchen usw..
Also nahm ich an, als ich mich mit der Zeit, in welcher der Roman entstand, noch nicht beschäftigt hatte, dass damals das Rittertum ganz passé war. Der Held des Romans flüchtete sich demnach in eine Traumwelt, in welcher das mittelalterliche Ritterbild noch am Leben war.

Der Gegensatz zwischen dem Don Quijote und seiner Umwelt ist aber, wenn man sich die Welt des frühen 17. und späten 16. Jahrhunderts vorstellt nicht so gravierend. So sah ich einmal eine recht neuere Verfilmung zum Don Quijote, in welcher die Handlung ins 19. Jh. verlegt worden war, was eben die Figur des Ritters alberner und absurder im Verhältnis zu den Menschen um sich herum darstellte.

Denn im Prinzip lebte Cervantes selbst in dem Jahrhundert, dem fünfzehnten, als eben die Ritter begannen auf den Schlachtfeldern als entscheidende Kavallerie endgültig ausgedient zu haben. Noch in der Schlacht bei Ravenna zeigt sich, z.B. nachzulesen bei Delbrück, der bedeutende Einfluss der unplanmäßig zuschlagenden und in der Folge geschlagenen spanischen Ritter 1512. Die Franzosen unterhielten noch eine ganze Weile die Gensdarmes - die Ritter wurden 1548 in Du Bellays "Discipline militaire" noch "hommes d'armes" genannt. Bis in die Lebzeiten von Cervantes erstreckte sich indes die Diskussion von Wallhausen, Mendoza, Monluc, Basta und anderen, ob den Lanzenreitern oder den Pistolenschützen zu Pferde der Vorzug auf dem Schlachtfeld zu geben sei, wobei sich dann auch nach dem schließlichen Überwiegen der Letzteren noch mancher Verfechter der Lanzenreiter fand.

Demnach waren die Ritter zu Zeiten von Cervantes noch nicht der alte Hut, für den ich ihn irrtümlicherweise als Jugendlicher gehalten hatte. Neben der noch eine ganze Weile fortdauernden Rolle ritterlicher Kavallerie auf dem Schlachtfeld im 16. Jh. sind natürlich auch die fotlaufenden Traditionen des Rittertums auf kulturellen und gesellschaftlichen Feldern (man denke an das anhaltende Turnierwesen) in der Frühen Neuzeit nicht zu unterschätzen. Man denke an die geistlichen und weltlichen Ritterorden mit ihren Wiederbelebungen, ihrem anhaltenden Glanze und auch Neugründungen noch im 18.Jh..

Wie kann man also dieses Ritterbild, das man in Cervantes Werk findet, im Vergleich mi dem zeitgenössiche Ritterbild in der Gesellschaft verstehen?:grübel:

Ich möchte keine Smalltalk-Diskussion rein bloß mit Erinnerungen aus Kindertagen führen, aber auch möglichst nicht mit Links zugeschüttet werden. Wäre schön, wenn die Kenner der Materie oder auch nur die Halbwissenden ihren Kenntnisstand in eigenen Worten oder schönen Zitaten dazu erzählen würden.


Ein bisschen passt der Thread natürlich auch zu meiner Beschäftigung mit der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft und dem Niederadel im Besonderen.:)



Ich habe auch noch eine andere Frage, aber die kommt später und bezieht sich auf Sancho Panza. Soll ich die auch hier stellen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ganz ungenaue Bild was ich früher von dem Don Quijote hatte, war dass er ein ganz unzeitgemäßer Anhänger des Rittertums war, der in seiner Vorliebe für dieses unter seinen Zeitgenossen kein Verständnis findet. Hinzu kommen solche berühmten Geschehnisse wie das Anreiten auf die Windmühlen, der Kampf mit den Weinschläuchen usw..
Also nahm ich an, als ich mich mit der Zeit, in welcher der Roman entstand, noch nicht beschäftigt hatte, dass damals das Rittertum ganz passé war. Der Held des Romans flüchtete sich demnach in eine Traumwelt, in welcher das mittelalterliche Ritterbild noch am Leben war.

Genau das ist auch der Fall, Cervantes kritisiert im Quijote verschiedene literarische Moden seiner Zeit: Den Schäferroman (eine Wiederaufnahme antiker Literaturformen) und den Ritterroman und lässt den Quijote zu einem Nacheiferer der Romanfiguren werden. Er greift zudem noch das dritte Sujet der Zeit auf, den Schelmenroman.

Denn im Prinzip lebte Cervantes selbst in dem Jahrhundert, dem fünfzehnten, als eben die Ritter begannen auf den Schlachtfeldern als entscheidende Kavallerie endgültig ausgedient zu haben.
Halt mal: Cervantes lebte im 16. und 17. Jahrhundert, nicht im 15. ~. Ich weiß, dass Du das weißt, hast es ja vorher und indirekt nachher geschrieben.

Also: Für Cervantes ist das Rittertum unzeitgemäß.
 
1. Genau das ist auch der Fall, Cervantes kritisiert im Quijote verschiedene literarische Moden seiner Zeit: Den Schäferroman (eine Wiederaufnahme antiker Literaturformen) und den Ritterroman und lässt den Quijote zu einem Nacheiferer der Romanfiguren werden. Er greift zudem noch das dritte Sujet der Zeit auf, den Schelmenroman.


2. Halt mal: Cervantes lebte im 16. und 17. Jahrhundert, nicht im 15. ~. Ich weiß, dass Du das weißt, hast es ja vorher und indirekt nachher geschrieben.

3. Also: Für Cervantes ist das Rittertum unzeitgemäß.
1. Wie kann ich mir die Schäferromane dieser Zeit vorstellen? Ich kenne keine. Sind es Romane wie Gessners "Idyllen"?


2. Huch meinte natürlich auch das 16. Jh., sonst wäre mein Verweis auf die Verwendung der Ritter bei Ravenna ja auch sinnlos.:red:

3. Also empfand er etwas als unzeitgemäß, was aber noch existierte? Sehe ich das richtig? Beim Spanien des 16.Jh. fallen einem ja jene Glücksritter niederadeliger Abkunft in den Sinn, diese Hidalgos, die ihr Glück in ganz Europa auf den Schlachtfeldern oder in der Neuen Welt machten. Gab es da einen militärhistorischen Ursprung für einen, sagen wir, Überschuss an solchen Niederadeligen? Oder waren die Probleme mit ihnen die gleichen wie in den anderen europäischen Ländern?


Nun meine spezielle Frage, die ich im ersten Beitrag andeutete:
Hatte die Statthalterschaft des Sancho Panza (zweiter Teil, neuntes Buch, ab dem elften Kapitel) irgendwelche historischen Vorbilder? Oder passt das schlicht zu den ganz groben Zügen der kleinen Vizekönigreiche oder sonstiger Zaunkönige, die meinten z.B. in der Neuen Welt im Sinne des spanischen Königs zu handeln?
 
1. Wie kann ich mir die Schäferromane dieser Zeit vorstellen? Ich kenne keine. Sind es Romane wie Gessners "Idyllen"?

Da ich Gessners Idyllen nicht kenne, antworte ich mal mit vermutlich ja.
Der bekannteste spanische Schäferroman des 16. Jahrhunderts war die Diana (Kurztitel, korrekt Los siete libros de la Diana), von 1559, nach Neuschäfer war er "gattungs-und modebildend".
Im sechsten Kapitel des ersten Bandes - das Büchergericht - lässt sich der Priester über Schäferromane im Allgemeinen und die Diana im Besonderen aus, wobei er ihr keine Gefährlichkeit zumisst (anders als den Ritterromanen), aber er lässt die Kopien anderer Autoren verbrennen, aber die sobrina (die Nichte) fordert auch die Schäferromane zu verbrennen, weil sie befürchtet, dass Don Quijote, nachdem er von der "Ritterkrankheit" geheilt ist, die Schäferromane lesen wird und dann von der "Schäferkrankheit" befallen werden könnte:


—Estos —dijo el cura— no deben de ser de caballerías, sino de poesía.
Y abriendo uno vio que era La Diana de Jorge de Montemayor, y dijo, creyendo que todos los demás eran del mesmo género:
Estos no merecen ser quemados, como los demás, porque no hacen ni harán el daño que los de caballerías han hecho, que son libros de entretenimiento sin perjuicio de tercero.
—¡Ay, señor! —dijo la sobrina—, bien los puede vuestra merced mandar quemar como a los demás, porque no sería mucho que, habiendo sanado mi señor tío de la enfermedad caballeresca, leyendo estos se le antojase de hacerse pastor y andarse por los bosques y prados cantando y tañendo, y, lo que sería peor, hacerse poeta, que según dicen es enfermedad incurable y pegadiza.
—Verdad dice esta doncella —dijo el cura—, y será bien quitarle a nuestro amigo este tropiezo y ocasión delante. Y pues comenzamos por La Diana de Montemayor, soy de parecer que no se queme, sino que se le quite todo aquello que trata de la sabia Felicia y de la agua encantada, y casi todos los versos mayores, y quédesele enhorabuena la prosa, y la honra de ser primero en semejantes libros.
—Este que se sigue —dijo el barbero— es La Diana llamada segunda del Salmantino; y este, otro que tiene el mesmo nombre, cuyo autor es Gil Polo.
—Pues la del Salmantino —respondió el cura— acompañe y acreciente el número de los condenados al corral, y la de Gil Polo se guarde como si fuera del mesmo Apolo; y pase adelante, señor compadre, y démonos prisa, que se va haciendo tarde.

Cervantes hat im Übrigen auch einen Schäferroman geschrieben, die Galatea. Im Büchergericht heißt es über Cervantes und die Galatea:

La Galatea de Miguel de Cervantes —dijo el barbero.
—Muchos años ha que es grande amigo mío ese Cervantes, y sé que es más versado en desdichas que en versos. Su libro tiene algo de buena invención: propone algo, y no concluye nada; es menester esperar la segunda parte que promete: quizá con la emienda alcanzará del todo la misericordia que ahora se le niega; y entre tanto que esto se ve, tenedle recluso en vuestra posada, señor compadre.

Eine vernünftige Übersetzung gibt es hier, ich hab gleich mal das Kapitel verlinkt:
Ediciones bilinges: Don Quijote de la Mancha
Der spanische Text in dem Link hat allerdings - anders als der hier gepostete - eine den heutigen Regeln angepasste Orthographie.

Im Schäferroman gibt es keine sozialen Unterschiede, Probleme (Hunger, Krankheit, Tod) gibt es nicht, außer denen in Liebesdingen, also Beziehungsproblematiken.

3. Also empfand er etwas als unzeitgemäß, was aber noch existierte? Sehe ich das richtig?
Ich weiß gar nicht ob die Schlachtbei Ravenna 1512 wirklich noch in den Kontext des Rittertums gestellt werden darf. Der Ritter als Einzelkämpfer, der sich ritterlich-höflich, wie ein Kavallier verhält, kommt er hier noch vor? Man nennt ja auch gerne Kaiser Maximilian den letzten Ritter. Der war 1512 ein alter Mann.

Beim Spanien des 16.Jh. fallen einem ja jene Glücksritter niederadeliger Abkunft in den Sinn, diese Hidalgos, die ihr Glück in ganz Europa auf den Schlachtfeldern oder in der Neuen Welt machten. Gab es da einen militärhistorischen Ursprung für einen, sagen wir, Überschuss an solchen Niederadeligen? Oder waren die Probleme mit ihnen die gleichen wie in den anderen europäischen Ländern?

Militär- und sozialhistorisch. Es gab in Spanien quasi kein Feudalsystem, wie im übrigen Europa. Aufgrund der Reconquista und der politisch gewollten Besiedlung des von den Muslimen eroberten Landes zur Sicherung, ermöglichten die spanischen Könige ihren Untertanen und denen in Nachbarländern freien Zugang zu den eroberten Gebieten, die sie frei bewirtschaften sollten, inklusive mehrjähriger Steuer- und Abgabenfreiheit. Das war attraktiv und führte eben dazu, dass es in Spanien irgendwann so gut wie keine Leibeigenschaft mehr gab. Durch die Kämpfe gegen die Andalusier wurden immer mehr Leute geadelt, im 16. Jahrhundert besaß z.B. jeder christliche Baske ein Adelsprivileg. Nahzu einhundert Prozent der Gesellschaft des Baskenlandes waren also adelig. Man kann sich vorstellen, wie wenig Wert dieser Adelstitel hatte - aber, weil man ja adelig war, war man sich zu fein zum Arbeiten: Ein Grund für den wirtschaftlichen Niedergang Spaniens, der zu hohe Anteil an Adel. Natürlich war das in den anderen Regionen nicht so extrem, wie im Baskenland. Dass dieser Prozess der Nobilisierung der Spanier schon früher einsetzte, mag man daran erkennen, dass die Gegner des Cid im Cid-Epos Ruy Díaz als den Sohn eines Müllers verhöhnen, dieser wiederum antwortet, dass die Bení Gómez sich lieber zurückhalten sollten, schließlich seien sie halbe Araber (Bení ist die andalusische* Form des arabischen Banū, 'Stamm, Clan'.

Nun meine spezielle Frage, die ich im ersten Beitrag andeutete:
Hatte die Statthalterschaft des Sancho Panza (zweiter Teil, neuntes Buch, ab dem elften Kapitel) irgendwelche historischen Vorbilder? Oder passt das schlicht zu den ganz groben Zügen der kleinen Vizekönigreiche oder sonstiger Zaunkönige, die meinten z.B. in der Neuen Welt im Sinne des spanischen Königs zu handeln?

Es ist ja der quijoteske Größenwahn, der aus Sancho Panza einen Statthalter macht. Sancho Panzas Entwicklung ist gegenläufig zu der von Don Alonso Quijano (Don Quijote). Während jener von seiner Krankheit ("Realitätsverlust wegen zuviel Lesens") immer weiter gesundet, dringt Sancho immer weiter in die Hirngespinste seines Meisters ein. Aber es mag durchaus sein, dass Cervantes da das prahlerische Verhalten seiner Zeitgenossen im Auge hatte, als er Sancho zum Statthalter von Quijotes Gnaden machte. Quevedo, jüngerer Zeitgenosse Cervantes', schrieb z.B. das Gedicht des mächtigen Ritters Don Dinero, in dem er das Geld vermenschlicht und ihm die Rolle eines Ritters zugedenkt:


Nace en las Indias honrado
donde el mundo le acompaña;
viene a morir en España
y es en Génova enterrado;

</pre>
Er/es wird ehrenhaft in Indias** geboren
wo die Welt ihn/es begleitet
Er/es kommt zum sterben nach Spanien
und wird in Genua beerdigt;
*Andalusisch hier im Sinne eines arabischen Dialekts.
**Indias, zu deutsch "beyderley Yndien", ist in der Terminologie der frühen Neuzeit der amerikanische Doppelkontinent.
 
Vielen Dank, El Quijote für die erleuchtende und rasche Antwort.

1.
Cervantes hat im Übrigen auch einen Schäferroman geschrieben, die Galatea. Im Büchergericht heißt es über Cervantes und die Galatea:


Im Schäferroman gibt es keine sozialen Unterschiede, Probleme (Hunger, Krankheit, Tod) gibt es nicht, außer denen in Liebesdingen, also Beziehungsproblematiken.

2.
Ich weiß gar nicht ob die Schlachtbei Ravenna 1512 wirklich noch in den Kontext des Rittertums gestellt werden darf. Der Ritter als Einzelkämpfer, der sich ritterlich-höflich, wie ein Kavallier verhält, kommt er hier noch vor? Man nennt ja auch gerne Kaiser Maximilian den letzten Ritter. Der war 1512 ein alter Mann.


3.
Militär- und sozialhistorisch. Es gab in Spanien quasi kein Feudalsystem, wie im übrigen Europa. Aufgrund der Reconquista und der politisch gewollten Besiedlung des von den Muslimen eroberten Landes zur Sicherung, ermöglichten die spanischen Könige ihren Untertanen und denen in Nachbarländern freien Zugang ...
Durch die Kämpfe gegen die Andalusier wurden immer mehr Leute geadelt, ...
Man kann sich vorstellen, wie wenig Wert dieser Adelstitel hatte - aber, weil man ja adelig war, war man sich zu fein zum Arbeiten: Ein Grund für den wirtschaftlichen Niedergang Spaniens, der zu hohe Anteil an Adel. Natürlich war das in den anderen Regionen nicht so extrem, wie im Baskenland.

1. Ja, das geht sehr gut in Richtung der "Idyllen", aber auch bsw. des Schäferspiels von Gellert. Grundsätzlich ist die Handlung der Schäferromane scheinbar seit der Zeit des Cervantes die Gleiche geblieben. Entweder wird ein Gegensatz zwischen einer idealen Lebenswelt der Schäfer, die in einem utopischen Land wie einem Akadien leben, und der realen mit Missgunst etc. dargestellt. Oder aber es geht wirklich nur um die leichtfüßigen Tendeleien zwischen Schäfern und Schäferinnen.
Galatea passt in diese Welt der Schäfer, auch wenn ihr Konflikt mit Polyphem verhältnismäßig dramatisch ist, genauso gut in diese Schäferwelt wie Zephyr und ähnlich melodisch klingende Namen. Für gewöhnlich gibt es entweder garkeinen Konflikt in diesen Geschichten oder dieser ist sehr marginal.

2. Mir ging es bei Ravenna auch nur um den militärischen Ritter.

Der ritterlich-höfliche Ritter im Sinne von Kavalier existierte modifiziert bis zum Edelmann des 18.Jh. zweifellos weiter. Fragwürdig wäre vielleicht in wie weit man diesen Kavalier des 17.Jh. bsw. noch mit den Vorstellungen der Ritterromane in Übereinstimmung bringen kann, die Cervantes durch seinen Helden verschlingen lässt.

Ein Aspekt des Rittertums des Ausziehens in die Welt, findet sich ja noch in Cervantes Werk "Die Macht des Blutes". Der junge Edelmann, der schändliche Täter, zieht ja auch auf Geheiß seines Vaters aus, um die Welt zu sehen.
Diese Kavalierstour klang dann immer wieder ab und lebte wieder auf bis sie dann im 18.Jh. gänzlich verschwunden ist.

Derzeit bin ich ja dabei zu suchen, was nun den "Letzten Ritter" von seinen Nachfolgern unterscheidet. Da wäre sicherlich der Aspekt, dass der Ritterschlag und Ähnliches eine weit gewichtigere Rolle gespielt hat. Später waren die Symbole zwar noch vorhanden, aber auf rituelle Ebenen und z.B. höfische Anlässe beschränkt (ausgenommen die geistlichen Orden).

3. Man hatte also schon diesen von mir noch so grob in Erinnerung gebliebenen Überschuss an Adeligen.

Noch bis ins 17. und 18.Jh. kenne ich beispiellose Spottverse auf den unnützen spanischen Niederadel. (Ich glaube in "Der Mensch der Aufklärung" findet man noch was davon im Kapitel "Der Adelige".)
 
@ El Quijote

Ich bin jetzt mal das Buch durchgegangen.:)

Was dabei mir auffällt ist, dass die Kritik am Rittertum an sich als überkommen und abzuschaffen eigentlich nicht 100% herraus zu lesen ist. Zum Ende hin erkennt ja der Ritter von der traurigen Gestalt, dass es fahrende Ritter nicht gegeben habe. Das geschieht schlagartig vor seinem Tode.
Natürlich hatte es fahrende Ritter gegeben. Aber ich glaube, worauf Cervantes hinaus will, ist dass es eben diese Art von fahrenden Rittern, welche mit Drachen, Riesen usw. kämpfen, nie gab.
Im deutschen Wikipediaartikel zu dem Roman zumindest steht, dass man sich im Allgemeinen über eine Deutung des Romans noch nicht ganz einig ist. Ich glaube, vielleicht interpretiert man auch grundsätzlich zuviel hinein.

Im Gegensatz dazu kommen ja die Hidalgos und höheren Adeligen in der Regel recht gut im Buch weg. Da ist zum einen der Don Diego zu nennen, welcher der Ritter vom grünen Mantel genannt wurde und in der Gesellschaft von Don Quijote war, als dieser das "Abenteuer" mit dem Löwen bestand. Gegenüber diesem Standesgenossen sagte sogar einmal Don Quijote etwas erstaunlich sinnvolles, was den Ritter vom grünen Mantel dann sogar kurz daran zweifeln ließ, ob der Ritter von der traurigen Gestalt vielleicht doch nicht gänzlich den Verstand verloren habe.

Wie in "Die Macht des Blutes" ("La fuerza de la sangre" aus den "Novelas ejemplares") kommt sogar der niedere Adel als positiv auf ihren Stand bewusste Persönlichkeiten vor. Anfangs wurde ja sogar Don Quijote als eigentlich positive Gestalt dargestellt, so er denn seine Pflichten nicht vernachlässigte und standesgemäßer Beschäftigung (Jagen) nachging.
Ein bisschen schade ist an der Geschichte des Don Quijote, dass ihm nicht einmal ein Don gegenüber gestellt wurde, der ein echter Kriegsmann war und kein fahrender Ritter der Ritterromane. Man denke an all die spanischen Offiziere, die wie Don Quijote Hidalgos waren.


Sancho Panza hingegen blieb eigentlich der einfältige Bursche, der immerhin ganz kurz während seiner Statthalterschaft bei dem Streit um das Geld und dem Trick mit dem Rohr Bauernschläue durchaus aufweisen konnte. Natürlich glaubte er zum Ende hin Don Quijote sogar zusehends mehr, da ihm der verkleidete Simson Carrasco bsw. ja auch als ein fahrender Ritter vorgestellt wurde, der genauso wie Sanchos Gebieter von einem obskuren Schildknappen begleitet wurde.
 
Was dabei mir auffällt ist, dass die Kritik am Rittertum an sich als überkommen und abzuschaffen eigentlich nicht 100% herraus zu lesen ist. Zum Ende hin erkennt ja der Ritter von der traurigen Gestalt, dass es fahrende Ritter nicht gegeben habe. Das geschieht schlagartig vor seinem Tode.
Natürlich hatte es fahrende Ritter gegeben. Aber ich glaube, worauf Cervantes hinaus will, ist dass es eben diese Art von fahrenden Rittern, welche mit Drachen, Riesen usw. kämpfen, nie gab.
[...] Im Gegensatz dazu kommen ja die Hidalgos und höheren Adeligen in der Regel recht gut im Buch weg.
Das Rittertum als Stand abzuschaffen war sicher nicht Cervantes' Ziel. Cervantes war kein Sozialrevolutionär oder ähnliches, man kann ihn eher als Literaturkritikerliteraten ((c) El Quijote, Geschichtsforum) sehen. Also nicht das Rittertum als Stand, sondern das Rittertum (und insbesondere der fahrende Ritter) mit einem besonderen Kampfstil und Ehrenkodex sind passé. Die Ritterromane, die dieses alte Bild, welches nicht mehr in die Realität nach Lepanto passt, tradieren, die sind es, wogegen sich Cervantes richtet, worüber er sich lustig macht.
 
Das Rittertum als Stand abzuschaffen war sicher nicht Cervantes' Ziel. Cervantes war kein Sozialrevolutionär oder ähnliches, man kann ihn eher als Literaturkritikerliteraten ((c) El Quijote, Geschichtsforum) sehen. Also nicht das Rittertum als Stand, sondern das Rittertum (und insbesondere der fahrende Ritter) mit einem besonderen Kampfstil und Ehrenkodex sind passé. Die Ritterromane, die dieses alte Bild, welches nicht mehr in die Realität nach Lepanto passt, tradieren, die sind es, wogegen sich Cervantes richtet, worüber er sich lustig macht.
Gab es noch außerhalb der Ritterromane fahrende Ritter?

Oder griff Cervantes damit ein Rittertum mit dessen Ehrenkodex an, das es so nicht mehr gab? Was ja freilich selbst ein Anrennen gegen Windmühlen gewesen wäre...
:grübel:

(In Kotzebues "Die Unglücklichen" kommt noch im ganz späten 18.Jh. ein Dichter von Ritterromanen als Figur vor.)

Schön, dass es Dir noch Spaß macht.
 
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