Dreißigjähriger Krieg = Glaubenskrieg?

Konradin

Gesperrt
Wer ist eigentlich wirklich schuld am Desaster des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), v.a. für das Heilige Römische Reich?

Ist der entscheidungsschwache katholische Kaiser Matthias (1557-1619), der sich die Poltik diktieren ließ, schuld daran?
Ist es der Protestant Friedrich V., Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein (1596-1632), der "Winterkönig" von Böhmen, der sich gegen den Kaiser auflehnte?
Oder der Protestantenhasser Kaiser Ferdinand II. (1578-1637), der das Reich rücksichtslos rekatholisieren wollte?
Ist es der protestantische Gustav II. Adolf von Schweden (1594-1632), der ins Reich einfiel und der kaiserlichen Armee das Leben schwer machte?
Oder ist es der rücksichtlose frz. Premier Armand Jean du Plessis, Cardinal-Duc de Richelieu (1585-1642), der den katholischen Ludwig XIII. (1601-1643) zum Bündnis mit den protestantischen Schweden brachte?
Oder wer sonst? Kann man überhaupt einem Einzelnen die Schuld geben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann man Einzelnen die Schuld geben? - Ich denke nicht. Zum Streiten gehören immer zwei, heißt es.

Und da man den 30-Jährigen ja in mehrere Kriege unterteilen kann, gibt es auch immer wieder andere Verantwortliche dafür, dass es keinen Frieden gab. Sicher hat Gustav Adolf mit Schuld, dass es so schnell keinen Frieden gab - aber die kaiserliche Seite mit den z.T. doch Maximalforderungen ebenfalls.
 
In der virtuellen Teilname am gegenwärtigen Katholikentag in Ulm habe ich auch die "Protestanten" ins geschwisterliche Gebet miteingeschlossen. Habe ich auch - virtuell - vice versa erlebt.
 
Für den katholischen Kaiser waren Protestanten doch immer Reichsfeinde - dies gilt insbesondere für den zutiefst religiösen Ferdinand II., sozusagen der "deutsche Philipp II." - nie wieder sollte es einen ähnlichen religiösen Fanatiker auf dem Kaiserthron geben -, der alles daran setzte, diese "Plage" endgültig auszulöschen. Er kannte keinerlei Gnade, wenn es darum ging, seine Autorität wiederherzustellen. 1629 etwa führte er den Absolutismus in den Erblanden ein, und es war zu der Zeit nicht im Bereich des unmöglichen, daß er dies auch in Deutschland durchsetzen würde. Maximilian I. von Bayern (1573-1651, Hzg. 1597, Kf. 1623), mächtigster Reichsfürst, seit 1623 auch Kurfürst, zusammen mit Ferdinand streng katholisch erzogen, war mindestens genauso fanatisch und dem Kaiser ein treuer Handlanger.

Daß die Protestanten einfach Gegner des Kaisers sein mußten, ist leicht verständlich:
Sie untergruben die kaiserliche Autorität und spalteten das Reich in zwei Fraktionen: konservative Katholiken und "revolutionäre" Protestanten.

Es gab in der ganzen Reichsgeschichte nur einen einzigen Kaiser, der wirklich zum Protestantismus tendierte, aber es nie wagte, wirklich den katholischen Glauben abzulegen: Maximilian II. (1527-1574, Kg. 1562, Ks. 1564), Sohn Ferdinands I. und Neffe Karls V. Er mußte diesen versprechen, niemals den rechten Glauben anzuzweifeln, um überhaupt als Römischer König 1562 gekrönt zu werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Konradin schrieb:
Wer ist eigentlich wirklich schuld am Desaster des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), v.a. für das Heilige Römische Reich?

Wie Papa_Leo schon richtig gesagt hat: Es ist schwierig, einzelnen Personen für diesen überaus komplexen und in all seinen Ursachen und Entstehungshintergründen äußerst verschachtelten Konflikt die Schuld zu geben.

Ganz grundsätzlich muss man erst einmal festhalten, um was sich die konfessionelle Komponente des 30jK drehte: Katholiken wie Lutheraner wie Calvinisten beanspruchten für sich das alleinige und ausschließliche Recht die religiöse Wahrheit zu kennen und damit den alleinigen Weg zum Heil. Was nun dem Menschen des 21. Jhd.s (glücklicherweise) so befremdlich erscheint (die zahllosen mMn zumeist ahistorisch geführten Diskussionen um die Intoleranz und den Machtanspruch der Kirche zeigen das auch hier in diesem Forum), ist die Tatsache, dass dieser alleinige Wahrheitsanspruch zugleich bedeutete, dass Andersgläubige in den Reihen der Gemeinschaft (sei es das eigene Dorf, die eigene Stadt, das eigene Territorium oder gar das Reich) den Weg zum Heil versperren würden und den Zorn Gottes auf die gesamte Gemeinschaft herabbeschwören würden. Der Weg zum Heil war in der Frühen Neuzeit (wohl anders als heute) selbstverständlich das höchste Maß aller Dinge, das wichtigste zu erreichende Ziel, und auch nur ein einziger Andersgläubiger (geschweige denn eine ganze gesellschaftliche Gruppe) drohte, dieses allerhöchste und allerwichtigste Ziel in Frage zu stellen. Ein Ausgleich zwischen den Konfessionen war (zumindest in den Jahrzehnten vor dem 30jK) strukturell letztlich unmöglich, weil jeder davon überzeugt war, der andere würde einem selbst den Weg ins Himmelreich versperren. Welche Sprengkraft eine solche weltanschauliche Differenziertheit barg, liegt auf der Hand!

Weiterhin: Diese abgrundtiefe Feindschaft der Konfessionen untereinander entwickelte sich erst nach und nach. Luther beispielsweise hatte nie im Sinn, die einige heilige Kirche zu spalten, sondern zu reformieren. Was lutheranisch war, was katholisch und was calvinistisch wurde erst ganz langsam klar. Erst zum Ende des 16. Jhd.s hatten alle Konfessionen eine klare eigene Identität und eine ganz scharfe Abgrenzung nach außen entwickelt. Häufig genug war aber auch dann nur der kirchlichen Elite klar, was eigentlich spezifisch katholisch oder protestantisch war, nicht aber dem Pfarrer vor Ort oder der Bevölkerung. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 oder auch Kaiser Maximilian II. sind Beispiele für noch nicht verhärtete Fronten, in denen noch ein konfessioneller Ausgleich möglich schien. Wie anders aber die Situation zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Nicht mehr Ausgleich war das Gebot der Stunde, sondern Vernichtung der Andersgläubigen. Sukzessive wurden alle Reichsinstitutionen, die ja zum Konfliktaustrag im Reich dienten, durch die konfessionellen Spannungen lahm gelegt, der große Krieg rückte näher und andere Möglichkeiten zum Konfliktaustrag bestanden irgendwann nicht mehr. Nimmt man dann noch wirtschaftliche und soziale Spannungen im beginnenden 17. Jhd. hinzu, so war der Krieg schließlich nicht mehr aufzuhalten. Die genannten Akteure spielen in diesen Ereignissen sicherlich eine gewisse Rolle, waren aber mMn letztlich auch nur Getriebene von den sich verändernden religiösen und sozialen Strukturen, ganz gleich ob Katholiken oder Protestanten.

Und noch etwas: Religiöse Intoleranz war für jeden politisch Handelnden von großer Nützlichkeit. Mit religiöser Intoleranz verschaffte man seiner Herrschaft eine äußerst kraftvolle eigene Identität (WIR gegen DIE), grenzte sich gegenüber konkurrierenden Herrschaftsansprüchen ab und gewann so bedeutend an Macht. Eine überkonfessionelle Politik war im 16./frühen 17. Jhd. überhaupt nicht möglich, wenn man politische Ambitionen hatte. Komplexes, wenn auch wichtiges Thema, deshalb hier nur kurz der Verweis auf die Konfessionalisierungsthese, die diesen Vorgang - mittlerweile als opinio communis der Forschung - präzise formuliert hat.

Von diesem "Kern" unerbittlicher konfessioneller Feindschaft aus lassen sich dann machtpolitische Konflikte an den großen Konflikt angliedern: Feindschaft gegen das habsburgische Kaisertum innerhalb und außerhalb des Reiches, Hegemonialstreitgkeiten im Ostseeraum etc. pp. Ebenso wie die Vormoderne keine Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre kannte, so sind auch die Konflikte des 30jK nicht streng nach konfessionellen und territorialen Aspekten zu trennen. Beides ging nahtlos ineinander über. Der 30jK war insofern fast schon so etwas wie ein "totaler Krieg" (bei aller Vorsicht, mit der man diesen Begriff gebrauchen sollte), weltanschaulich wie machtpolitisch. Bis der zweite Weltkrieg zeigen sollte, was Kriege anzurichten in der Lage sind, war der 30jK im allgemeinen Bewusstsein in Deutschland nicht zufällig das Sinnbild für die Schrecken des Krieges schlechthin.

Vor all diesen Kräften, die im 16./17. Jhd. wirkten, sehe ich die politischen Akteure der Zeit letztlich nur als Getriebene, mit eigenen Entscheidungsspielräumen durchaus, aber nicht in der Lage (und auch nicht willens), den Konfliktlagen ihrer Zeit wirklich entgegentreten zu können.


Konradin schrieb:
Maximilian I. von Bayern (1573-1651, Hzg. 1597, Kf. 1623), mächtigster Reichsfürst, seit 1623 auch Kurfürst, zusammen mit Ferdinand streng katholisch erzogen, war mindestens genauso fanatisch und dem Kaiser ein treuer Handlanger.

Wenn ich mich recht entsinne, dann war Maximilian von Bayern doch alles andere als ein "treuer Handlanger" Ferdinands. Natürlich waren Bayern und Österreich die beiden katholischen Vordermächte im Reich (auch die einzigen bedeutenden katholischen Mächte) und arbeiteten deshalb eng zusammen, aber wirklich innig war das Verhältnis zwischen Habsburg und Wittelsbach deshalb noch lange nicht. Schließlich war man direkter Nachbar und auch territorialer Konkurrent.


Konradin schrieb:
Daß die Protestanten einfach Gegner des Kaisers sein mußten, ist leicht verständlich: Sie untergruben die kaiserliche Autorität und spalteten das Reich in zwei Fraktionen: konservative Katholiken und "revolutionäre" Protestanten.

Das stimmt nicht, und vor allem ist es nicht so einfach, als ob Katholiken konservativ und die Protestanten progressiv gewesen wären. Schau dir den tridentinischen Reformkatholizismus an, der sich schließlich durchsetzte, oder im Gegensatz dazu die lutheranische Orthodoxie. Da kommst du mit Begriffen wie konservativ oder revolutionär ganz schön ins Schwimmen. Vielleicht hatte der Calvinismus zur Jahrhundertwende das meiste "revolutionäre Feuer", aber im Reich war der Calvinismus von Fürsten getragen und die werden einen Teufel getan haben, sich mit Kräften einzulassen, die ihre traditionelle Machtstellung schwächen würden. Vom Calvinismus als einer Art Widerstandsideologie von Unten ist im Reich nicht viel übrig geblieben (anders zum Bsp. als in den Niederlanden oder in Frankreich). Und auch dass die Protestanten einfach Gegner des Kaisers sein mussten, stimmt einfach nicht: Schau dir nur einmal die kursächsische Politik vor dem 30jK an (bzw. die Verzweiflung darüber auf Seiten der protestantischen Reichsstände).
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Primäre Ursache des 30jährigen Krieges mag wohl religiös gewesen sein, allerdings wurde der religiöse Anlass sehr schnell durch Machtpolitische Erwägungen abgelöst.

Prinzipiell waren die protestantischen Gemeinden bereits 1555 durch de Augsburger Religionsfrieden anerkannt worden (cuius regio - eius religio). In den Städten herrschte sogar Religionsfreiheit. Ab 1566 initiiert die katholische Kirche (vorangetrieben durch die Habsburger) aber die sogenannte Gegenreformation, weshalb sich die protestantisch regierten Länder 1608 zur Union zusammenschließen und sich gegenseitige militärische Unterstützung zusichern. Im Gegenzug dazu verbünden sich dann die katholischen Landesfüsten 1609 zur Liga unter der Führung von Herzog Max I. von Bayern.

1609 sichert Kaiser Rudolf II. den protestantischen Böhmen die Religionsfreiheit zu, sein Nachfolger Matthias bestätigt diese Zusage, verbietet aber 1616 den Bau zweier protestantischer Kirchen. Dieser Verweigerung folgen lange Verhandlungen zwischen Abgesandten der protestantischen böhmischen Adeligen und der kaiserlichen Kanzlei. 1618 kommt es dann zum sog. Prager Fenstersturz: die protestantischen Vertreter drängen die beiden kaiserlichen Statthalter an die Fensterfront und fallen in den darunter gelegenen Misthaufen. (Sie blieben übrigens unverletzt)

In Böhmen kommt es nun zu Aufständen gegen den katholischen Kaiser. Die Aufständischen erhalten bald Unterstützung von Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz und von Herzog Emmanuel von Savoyen gegen den Kaiser. Auf die kaiserliche Seite schlagen sich bald darauf Spanien und Frankreich.

Ich glaube nicht, dass man aufgrund dieser Tatsachen eine Schuldzuweisung für den Beginn des 30jährigen Krieges machen kann. Weder dem protestantischen noch dem katholischen Lager und schon erst recht keinem einzelnen Herrscher.
 
Herold schrieb:
Wenn ich mich recht entsinne, dann war Maximilian von Bayern doch alles andere als ein "treuer Handlanger" Ferdinands. Natürlich waren Bayern und Österreich die beiden katholischen Vordermächte im Reich (auch die einzigen bedeutenden katholischen Mächte) und arbeiteten deshalb eng zusammen, aber wirklich innig war das Verhältnis zwischen Habsburg und Wittelsbach deshalb noch lange nicht. Schließlich war man direkter Nachbar und auch territorialer Konkurrent.

Das trifft eigentlich erst auf das Verhältnis Maximilian I. - Ferdinand III. zu, in dem der alte Bayernherzog einen unerfahrenen Kaiser sah.
Richtig abgewendet hat sich Bayern aber erst ab 1651, als Ferdinand Maria, Sohn Maximilians I., an die Macht kam, und sich Frankreich annäherte, was unter Maximilian II. Emanuel vollständig abgeschloßen war, und so zum Untergang der Vormachtspläne Bayerns (Span. Erbfolgekrieg 1701-14) und sogar zum kurzzeitigen Verlust der Kurwürde Wittelsbach-Bayerns und Wittelsbach-Kölns führte.
 
Herold schrieb:
Vielleicht hatte der Calvinismus zur Jahrhundertwende das meiste "revolutionäre Feuer", aber im Reich war der Calvinismus von Fürsten getragen und die werden einen Teufel getan haben, sich mit Kräften einzulassen, die ihre traditionelle Machtstellung schwächen würden.

Die untreuen Reichsfürsten sahen in diesem neuen Glauben eine einfache Möglichkeit, gegen den Kaiser offen zu rebellieren und ihre Macht unverschämt weiter zu stärken. Es mag zwar stimmen, daß das protestantische Kursachsen auf der Seite des Kaisers stand, doch die große Mehrheit war eindeutig gegen den Kaiser.
 
Konradin schrieb:
Die untreuen Reichsfürsten sahen in diesem neuen Glauben eine einfache Möglichkeit, gegen den Kaiser offen zu rebellieren und ihre Macht unverschämt weiter zu stärken. Es mag zwar stimmen, daß das protestantische Kursachsen auf der Seite des Kaisers stand, doch die große Mehrheit war eindeutig gegen den Kaiser.

Mal wieder eine sehr kaiserzentrierte Sichtweise der Dinge. Was heißt denn bitteschön "offen rebellieren" und "ihre Macht unverschämt weiter zu stärken"? Wenn man als protestantischer Reichsstand Opposition gegen eine zentralistische und katholische Politik des Kaisers betrieb, dann war das nicht untreu, nicht rebellisch und schon gar nicht unverschämt. Das war genau das, was das Reich seinen Mitgliedern einräumte, nämlich politische Mitgestaltung. Man kann wohl kaum verlangen, dass die Reichsstände als Erfüllungsgehilfen kaiserlicher Politik zu dienen hätten. Warum sollten die Fürsten auch einen kaiserlichen Machtgewinn auf ihre Kosten zulassen (gerade wenn er so kompromisslos formuliert war, wie das Restitutionsedikt von 1629)? Warum sollten sich die Fürsten konfessionell ganz den Entscheidungen des Kaisers beugen (gerade wenn alle Kaiser seit Rudolf II. unbestreitbar katholisch gewesen waren)?

Der Kaiser und die Stände bildeten das Reich, nicht der Kaiser allein. Herrschte Dissonanz zwischen beiden Seiten das war das keine Untreue der Stände gegenüber dem Kaiser, sondern politischer Alltag. Letztlich haben die Fürsten im 16./17. Jhd. machtpolitisch erfolgreicher agiert bzw. agieren können als die Kaiser.
 
Herold schrieb:
Mal wieder eine sehr kaiserzentrierte Sichtweise der Dinge. Was heißt denn bitteschön "offen rebellieren" und "ihre Macht unverschämt weiter zu stärken"? Wenn man als protestantischer Reichsstand Opposition gegen eine zentralistische und katholische Politik des Kaisers betrieb, dann war das nicht untreu, nicht rebellisch und schon gar nicht unverschämt. Das war genau das, was das Reich seinen Mitgliedern einräumte, nämlich politische Mitgestaltung. Man kann wohl kaum verlangen, dass die Reichsstände als Erfüllungsgehilfen kaiserlicher Politik zu dienen hätten. Warum sollten die Fürsten auch einen kaiserlichen Machtgewinn auf ihre Kosten zulassen (gerade wenn er so kompromisslos formuliert war, wie das Restitutionsedikt von 1629)? Warum sollten sich die Fürsten konfessionell ganz den Entscheidungen des Kaisers beugen (gerade wenn alle Kaiser seit Rudolf II. unbestreitbar katholisch gewesen waren)?

Der Kaiser und die Stände bildeten das Reich, nicht der Kaiser allein. Herrschte Dissonanz zwischen beiden Seiten das war das keine Untreue der Stände gegenüber dem Kaiser, sondern politischer Alltag. Letztlich haben die Fürsten im 16./17. Jhd. machtpolitisch erfolgreicher agiert bzw. agieren können als die Kaiser.

Das war eine Auswirkung der schwinden Macht der Kaiser seit Maximilian I., der vergeblich endlich die Reichsreform anstrebte.
Es war leider der Fall, daß es den Kaisern seit dem Mittelalter nie mehr gelang, die Fürsten zu unterwerfen und das Reich dem frz. Vorbild anzupassen, wo die Könige seit dem Spätmittelalter absolutistische Tendenzen durchsetzten.
Schuld daran ist auch der vielgerühmte Kaiser Friedrich II., der "Stupor Mundi", "der die Welt in Staunen versetzte": Er räumte den geistlichen und weltlichen Fürsten weitgehende Vollmachten ein, anstatt sie ihm Keim zu ersticken (denn im frühen 13. Jh. wäre der Kaiser dazu durchaus im Stande gewesen).
So hätte der Kaiser jeden Fürsten, der sich wider die Zentralgewalt aufspielt, sofort militärisch in die Knie zwingen, ihn mit der Reichsacht belegen und sein Territorium einem treuen Anhänger seiner Sache übergeben müßen. Dies geschah auch nach dem Aussterben versch. Fürstenhäuser, z. B. 1415/17, als Kaiser Sigismund seinen Anhänger Friedrich VI., Burgrafen von Nürnberg, zum Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg ernannte, oder 1423, als Sigismund Friedrich IV., Markgraf von Meißen, zum Herzog und Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg und zum Pfalzgrafen von Sachsen aufgrund dessen Unterstützung in den Hussittenkriegen ernannte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ist deiner Meinung nach ein absolutistisches und unumschränktes Kaisertum das Maß aller historischen Dinge? :rolleyes:
 
Herold schrieb:
Also ist deiner Meinung nach ein absolutistisches und unumschränktes Kaisertum das Maß aller historischen Dinge? :rolleyes:

Ja, da alles in den Händen einer Person liegen sollte.
So war es in Frankreich, so war es in Spanien, so war es in Japan (bis 1945).
Und hatten all diese Länder nicht oft jahrzehntelang die Vormacht inne?
Frankreich 1659-1763, Spanien 1516-1659 und Japan zumindest in Asien Anfang des 20. Jh.
Das Reich dagegen war in der Neuzeit nahezu handlungsunfähig, da die Fürsten mitmischten und vieles blockierten, da sie nur eigene Interessen und nicht die des Reiches im Kopf hatten. Selbst der große Karl V. mußte am Ende resignieren.
 
Aber hier vergleichst Du Äpfel mit Birnen. Die Geschichte des Hl. Röm. Reichs verlief einfach anders und der Kaiser war NIE die absolute, uneingeschränkte Gewalt, der man einfach nur gehorchen mußte, auch nicht im frühen Mittelalter oder im Hochmittelalter. Die Fürsten hatten stets ihre Recht (und nicht das geringste Recht der Königswahl - man könnte sogar sagen, die dt. Könige sind selber daran Schuld, dass die Fürsten immer mehr Macht bekamen und selbständiger wurden, da sie viele Regalien und andere Rechte an die Fürsten abgaben, um sicherzustellen, dass der jeweilige Erbe auch ja zum König gewählt wurde).
 
Papa_Leo schrieb:
Aber hier vergleichst Du Äpfel mit Birnen. Die Geschichte des Hl. Röm. Reichs verlief einfach anders und der Kaiser war NIE die absolute, uneingeschränkte Gewalt, der man einfach nur gehorchen mußte, auch nicht im frühen Mittelalter oder im Hochmittelalter. Die Fürsten hatten stets ihre Recht (und nicht das geringste Recht der Königswahl - man könnte sogar sagen, die dt. Könige sind selber daran Schuld, dass die Fürsten immer mehr Macht bekamen und selbständiger wurden, da sie viele Regalien und andere Rechte an die Fürsten abgaben, um sicherzustellen, dass der jeweilige Erbe auch ja zum König gewählt wurde).

Es ist wirklich bedauerlich, ja.
Man könnte nach 1500 fast schon von einer Oligarchie mit Kaiser als Oberhaupt sprechen...

Die Zeit ohne Wahl im ostfränkischen Reich (840-911) war die einzige positive Ausnahme.
 
Die Zeit ohne Wahl im ostfränkischen Reich (840-911) war die einzige positive Ausnahme.

Auch nicht, wenn Du Dir die Ereignisse um Karl III (den Dicken) und Arnulf von Kärnten anschaust (887 n.Chr.). Karl III erwies sich als nicht fähig, das Reich gegen diverse Gefahren (Normannen) zu verteidigen und deshalb wird von den ostfränkischen Großen Arnulf von Kärnten als König des Ostreiches gewählt.
Ein sehr interessanter Vorgang, den Karl war durch dynastische Zufälle wieder König des Gesamtreichs der Karoligner gewesen. Hier zeigen die ostfränkischen Großen also, dass sie ein gewisses Selbständigkeitsgefühl haben - und genügend Macht, sich einen eigenen König (wenn auch aus der Familie der Karolinger) zu wählen, und das auch gegen einen bereits vorhandenen König.
 
kleiner Einwurf

Konradin schrieb:
Das trifft eigentlich erst auf das Verhältnis Maximilian I. - Ferdinand III. zu, in dem der alte Bayernherzog einen unerfahrenen Kaiser sah.
Richtig abgewendet hat sich Bayern aber erst ab 1651, als Ferdinand Maria, Sohn Maximilians I., an die Macht kam, und sich Frankreich annäherte, was unter Maximilian II. Emanuel vollständig abgeschloßen war, und so zum Untergang der Vormachtspläne Bayerns (Span. Erbfolgekrieg 1701-14) und sogar zum kurzzeitigen Verlust der Kurwürde Wittelsbach-Bayerns und Wittelsbach-Kölns führte.

Bayern näherte sich Frankreich an und nicht Ö/U. Schließlich verlor Max Emmanuel zwischenzeitlich die Kurwürde, weil er auf Seiten Frankreichs im spanischen Erbfolgekrieg kämpfte.

Im übrigen gab es in Deutschland durchaus absoltustische Herrscher, nur eben in Form der Landesfürsten.
 
Lili schrieb:
Bayern näherte sich Frankreich an und nicht Ö/U. Schließlich verlor Max Emmanuel zwischenzeitlich die Kurwürde, weil er auf Seiten Frankreichs im spanischen Erbfolgekrieg kämpfte.

Im übrigen gab es in Deutschland durchaus absoltustische Herrscher, nur eben in Form der Landesfürsten.


Ich behaupte ja auch nicht, daß sich Bayern Frankreich nicht angenähert hätte.
Aber eben erst nach dem Tod Maximilians I. 1651.
 
Konradin schrieb:
Herold schrieb:
Also ist deiner Meinung nach ein absolutistisches und unumschränktes Kaisertum das Maß aller historischen Dinge? :rolleyes:
Ja, da alles in den Händen einer Person liegen sollte.

Du hättest dich wahrscheinlich in der Geschichtsforschung des 19. Jahrhunderts sehr wohl gefühlt - die vertrat nämlich in weiten Teilen ein ebensolches Geschichtsbild wie du: ein starkes Kaisertum als Idealbild; das deutsche Mittelalter war nur bis zu den Staufern positiv, weil diese starke Kaisermacht vermeintlich bis dorthin verwirklicht gewesen wäre; die deutsche Kleinstaaterei, befördert durch die Fürsten, war der Anfang allen Übels; die Geschichte Deutschlands seit dem Spätmittelalter war ein einziger Abstieg wegen fehlender starker Kaisermacht; die meisten anderen Ländern (allen voran Frankreich) konnten starke Staaten schaffen und Machtpolitik betreiben, nur Deutschland nicht; etc. pp. (welche Auswirkungen das auf die deutsche Politik gehabt hat, sei hier einmal gar nicht thematisiert).

Glücklicherweise sieht man das Ganze heute etwas anders: Staatlichkeit entwickelte sich in Deutschland auf territorialer und nicht auf Reichsebene (und das ist erst einmal vollkommen wertneutral); das Reich erfüllte durchaus erfolgreich die Aufgabe, Gemeinschaft zu stiften, interne Konflikte gewaltfrei zu lösen und bestimmte Politikbereiche überterritorial zu gestalten (zumeist im wirtschaftlichen Bereich), eine "Degeneration" o.ä. war das Reich sicherlich nicht; die vielfältige territoriale Entwicklung hatte durchaus eine Menge Vorteile zu bieten, vielleicht nicht machtpolitisch (aber das kann heute auch nicht mehr das Maß aller Dinge sein), wohl aber kulturell und durchaus auch politisch - föderale Vielfalt statt zentralistischem Einheitsbrei.


Konradin schrieb:
Papa Leo schrieb:
Die Geschichte des Hl. Röm. Reichs verlief einfach anders und der Kaiser war NIE die absolute, uneingeschränkte Gewalt, der man einfach nur gehorchen mußte, auch nicht im frühen Mittelalter oder im Hochmittelalter. Die Fürsten hatten stets ihre Recht (und nicht das geringste Recht der Königswahl - man könnte sogar sagen, die dt. Könige sind selber daran Schuld, dass die Fürsten immer mehr Macht bekamen und selbständiger wurden, da sie viele Regalien und andere Rechte an die Fürsten abgaben, um sicherzustellen, dass der jeweilige Erbe auch ja zum König gewählt wurde).
Es ist wirklich bedauerlich, ja.

Nein, das ist nun wirklich nicht bedauerlich.


Es sollte an dieser Stelle einmal angemerkt werden, dass mittlerweile immer mehr das Nicht-Absolutistische auch im Absolutismus entdeckt wird. Ein Alleinherrscher, dessen Wille Gesetz war, hat es in der europäischen Vormoderne niemals gegeben, ist allein eine Fiktion späterer Zeiten. Selbst Ludwig XIV., das Vorzeigeexemplar eines absolutistischen Herrschers, konnte niemals vollkommen unangefochten alleine politische Macht ausüben. Stände, Räte, Kabinette, Reichstage, Landtage u.v.a.m. besaßen immer irgendwelche Mitspracherechte, die nimals gänzlich ausgeschaltet gewesen sind, nirgendwo in Europa. Der von dir gewünschte (und mittlerweile in zahlreichen "hagiographischen" Themen in diesem Forum gesuchte) unumschränkte und absolute Herrscher ist nichts anderes als ein Phantasiegebilde.
 
Dreißigjähriger Krieg = Glaubenskrieg ?

Hi, ich habe in wenigen Wochen eine Geschichtsprüfung zu dem Thema "war der dreißigjährige Krieg ein Konfessionskonflikt?" Zu diesem Thema hat mir mein Professor jetzt den Begriff der "Bekenntniskiche" nahe gelegt. Leider konnte ich aber in diesem Zusammenhang noch nicht viel ausfindig machen. Habt ihr vielleicht Informationen zur Bekenntniskirche im 30j. Krieg? Ausserdem könnte ich auch noch Infos benötigen, die den 30j. Krieg mit anderen "vermeindlichen" Religionskriegen in Verbindnug setzen. Danke schon mal falls mir jemand antwortet.
 
Ohne jetzt auf die Bekenntniskirche einzugehen, mit der ich auch nichts anfangen kann, war denn für Dich der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg?
 
Zurück
Oben