Einberufung zur Wehrmacht im 2. Weltkrieg

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Hallo,

es gibt da eine Sache über die ich mir (aus einem privaten Grund) schon länger den Kopf zerbreche.

Als die Wehrmacht 1939 in Polen einmarschiert ist, setzte sich die Truppe vor allem aus jungen Männern der Jahrgänge 1915 bis 1917 zusammen.

Was ich mich frage ist: wurden diese Jahrgänge vollständig rekrutiert, oder nur ein Teil der jungen Männer dieser Geburtsjahre. Beziehungsweise, aus welchem Grund hätte ein Angehöriger dieser Geburtsjahrgänge, obwohl er eigentlich wehrfähig gewesen ist, von einer Einberufung verschont geblieben sein können (Berufsausbildung, Unabkömmlichkeit etc.)?

Wenn jemand von Euch hierzu etwas weiß, würde ich mich freuen!
 
Interessent schrieb:
Beziehungsweise, aus welchem Grund hätte ein Angehöriger dieser Geburtsjahrgänge, obwohl er eigentlich wehrfähig gewesen ist, von einer Einberufung verschont geblieben sein können (Berufsausbildung, Unabkömmlichkeit etc.)?

Grundsätzlich sollten die Jahrgänge komplett gezogen werden. Dies führte u.a. zu merkwürdigen Diskussionen, ob es etwa schädlich wäre, wenn inhaftierte Antifaschisten, bekannte Kommunisten etc. in der Wehrmacht kämpften oder ob man ihnen nicht einen Gefallen tut, wenn man sie aus politischen Gründen vom Frontdienst verschont.

Es gab natürlich auch Personen, die unabkömmlich gestellt wurden. Das waren in erster Linie Mitarbeiter kriegswichtiger Betriebe, aber es gab auch weitere Ausnahmen. Ein bekannter Fall ist der damalige Nationaltrainer Sepp Herberger, der lange für die Unabkömmlichkeit seiner Spieler kämpfte, bis diese ab 1943/1944 doch eingezogen wurden. Auch Schauspieler etc. konnten unabkömmlich gestellt sein. Grundsätzlich ging die Tendenz hin (auch in der Industrie), in den letzten Kriegsjahren jeden verfügbaren Mann an die Front zu bringen.
 
Das bedeutet also auch, dass Studenten bereits 1939 aus Ihrem Studium gerissen wurden, oder in der Berufsausbildung befindliche junge Männer schon zu Kriegsbeginn ihre Lehre abbrechen mussten.

Verstehe ich das richtig?
 
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Verstehe ich das richtig?

Ich glaube, auch bei Studenten gab es Ausnahmen, weiß dazu aber nichts näheres. Ein interessanter Fall ist aber die Einberufung und Soldatenzeit von Hans Scholl geregelt gewesen:

Hans Scholl - Wikipedia

Einfach mal im entsprechenden Abschnitt durchlesen. Solches "Teilzeit-Soldatentum" wird es öfters gegeben haben; weitere Beispiele dafür sind einige hochrangige Nazis, wie z.B. Reinhard Heydrich, die sich über kurze Phasen die nötige "Fronterfahrung" holten, ehe sie sich wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmeten.
 
Hans Scholl stellt aber, glaube ich, wirklich einen Sonderfall dar.

Danach studierte Scholl an der Ludwig-Maximilians-Universität Medizin. Während der Semesterferien wurde er als Sanitäter an die Front eingezogen.
(Wikipedia)

Ich weiß zwar nicht, inwiefern dieses "Teilzeit-Soldatentum" auch in anderen Studienfächern stattfand, einem Medizinstudenten aber das Studieren neben dem Kriegsdients weiter zu ermöglichen, ist aus sicht eines Staates, der sich im Krieg befindet, durchaus sinnvoll. Ärzte werden ja immer gebraucht, um die Verletzten nach dem Krieg wieder zusammen zu flicken.
Oder andersrum, wenn die Studenten in den Sommerferien "nix zu tun" haben und über medizinische Grundkenntnisse verfügen, kann man sie an der Front gut gebrauchen.

Wie gesagt, wie es bei anderen Studienrichtungen war weiß ich leider nicht.:grübel::S
 
Vom Jahrgang 1917 waren 1938 nur die voll tauglichen zum Wehrdienst eingezogen worden (Reichsgebiet und Österreich), für Ostpreußen auch die bedingt tauglichen. Freiwillige konnten sich aus den Jg. 1913-1921 melden.

Ansonsten war der Rest II./1916 erfaßt worden, aus früheren Jg. evt. die Zurückgestellten. Die Jg. 1916-1918 erfaßten jeweils nur rd. 250.000 Mann, frühere Jg. ca. 300.000. Die Ausbildungsdauer betrug 2 Jahre (ab 1936). Alle früher Eingezogenen, nun Reservisten waren solche der Stufe I+II, die im Mob.fall eingezogen wurden. Bei den Reservisten sind nach Mob.abschnitt ab 1.3.1939 diejenigen außer Betracht geblieben, die als Facharbeiter oder in anderen Positionen unabkömmlich waren.

Danach ergaben sich bei Mob.bedarf von rd. 2,1 Mio. zum Einsatz im Feld ein Bestand von rd. 1,83 Mio. Aktiven und Reservisten I (mind. 9 Monate Ausbildung) + II zur Verfügung. Der Rest wurde durch Landwehr (Ausbildungsstand, aber älter 35 Jahre) aufgefüllt, da ansonsten die 103 mobil zu machenden Divisionen der 1.-4. Welle nicht hätten gebildet werden können.


Zurückstellungen aus hauswirtschaftlichen o.ä. Gründen konnten nur in Ausnahmefällen gewährt werden. Schüler wurden vor Erlangung des Reifezeugnisses zurückgestellt. Studierende aller Fakultäten konnten längsten 3 Monate (bis zum Abschluss eines laufenden Semester) zurückgestellt werden, gleichgestellt mit den in der Berufsausbildung befindlichen Personen. Daneben gab es UK-Gestellte (unabkömmlich): 1909-Jg. und älter wurden bis auf weiteres uk-gestellt., daneben solche Personen, wenn der Arbeitsplatz zu tun hatte mit: Durchführung der Reichsverteidigungsaufgabe der Kriegswirtschaft, Verkehrs oder Verwaltung, und die Person Fachkraft war.
(Absolon, Wehrgesetz und Wehrdienst 1935-1945).
 
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Gab es damals schon die Regel, das wenn schon zwei Söhne der Familie beim Militär waren, das die restlichen Söhne nicht gezogen wurden, sondern nur freiwillig genommen wurden?
 
In den Familienbiographien meiner Verwandschaft gibt es dafür keine Belege. Mein Großvater war seit 1938 in der Wehrmacht und wurde 1938 beim Sudetenfeldzug als Kradmelder Invalide.Er zog sich eine komplizierte Halsverletzung zu, wurde Kanülenträger, und ein Arzt in Marburg sagte meiner Oma, die sich trotzdem für ihn interessierte, sie sollte sich in jemand anderen verlieben, denn der habe bestenfalls noch 3 Monate zu leben. Er lebte allerdings noch recht lange, bis 1988. Beide seiner Brüder wurden eingezogen. Der Ältere war Landwirt, hatte allerdings als Parteimitglied nicht so viel Einfluß, um u.k gestellt zu werden. Er wurde mehrmals verwundet, verlor 1943 zwei Finger der rechten Hand und wurde durch einen Granatsplitter Kriegsbeschädigter. Er war übrigens einer der wenigen Unteroffiziere, die das Ritterkreuz bekamen. Der jüngste Bruder wurde ebenfalls eingezogen und verlor den rechten Arm.

Die Brüder meiner Oma, wurden ebenfalls alle eingezogen. Der Älteste war Offizier, wurde noch rechtzeitig aus dem Kessel von Stalingrad evakuiert und fiel 1944 in Italien. Der Zweite wurde 19 jährig eingezogen, und ist in Stalingrad vermißt. Der jüngste Bruder, der einzige männliche Angehörige, der den Krieg überlebte, wurde 1944 als Forsteleve zu einer Luftwaffenfelddivision eingezogen. Er war kurzzeitig in Carinhall stationiert, denn wenn es auch keine Munition mehr gab, die Fronten sich auflösten, so mußte doch ein ganzes Regiment Görings schloß in der Uckermark bewachen. Die Tochter des "Reichsmarschalls" hatte ein Puppenhaus, das Schloß Sanssoucci nachgebildet war, etwa von der Größe eines Einfamilienhauses. mein Großonkel erzählte oft eine Anekdote, daß einmal ein junger Soldat einen Schneeball nach einem Eichhörnchen warf, worauf die ganze Kompanie strafexerzieren und schließlich in voller Montur bei eisiger Kälte in einen kleinen Teich springen mußte.

Mein Urgroßvater, Parteimitglied seit 1924 und im November 1938 wieder ausgetreten, wurde noch zum Volkssturm mobilisiert und noch in den letzten Kriegstagen von alliierten Jagdbomber getötet, als er mit einer Gruppe von Jugendlichen Schutz unter einer Brücke suchte.
 
Daneben gab es UK-Gestellte (unabkömmlich): 1909-Jg. und älter wurden bis auf weiteres uk-gestellt., daneben solche Personen, wenn der Arbeitsplatz zu tun hatte mit: Durchführung der Reichsverteidigungsaufgabe der Kriegswirtschaft, Verkehrs oder Verwaltung, und die Person Fachkraft war.
(Absolon, Wehrgesetz und Wehrdienst 1935-1945).

Auch das galt nicht uneingeschränkt.
Mein Vater (Jahrgang 1900) war Anfang 1918 6 Wochen nach dem 17. Geburtstag gezogen worden und verbrachte noch April bis November 1918 an der Westfront.
Bei Wiedereinführung der allg. Wehrpflicht kam er zur Luftnachrichtentruppe. Laut Wehrpass war dort seine Grundausbildung 4 Std. Einweisung in die Walter P 38, aber er wurde 1937 und 1938 jeweils zu einer fachlichen 3-wöchigen Wehrübung einberufen. Er wurde 1939 sofort bei Kriegsbeginn eingezogen, da es nur 3000 ausgebildete Reservisten der Luftnachrichtentruppe gab. Andererseits war er einziger Ingenieur in einem Verkehrsbetrieb im Ruhrgebiet.
Der Kompromiss war, dass er tagsüber im Zivilberuf arbeitete und am Abend in seine Dienststelle (Flugwachkommando Dortmund) fuhr. Dort konnte er zunächst bis gegen 22 Uhr schlafen, dann tat er militärischen Dienst bis gegen 3 Uhr, und konnte anschließend noch einmal 3 Stunden schlafen. Ende 1941, inzwischen Feldwebel, wurde er zu einem Offizierslehrgang abkommandiert und darauf bemühte sich sein Arbeitgeber ernsthaft um uk-Stellung, was sich als außerordentlich schwierig erwies. Im Frühjahr 1942 wurde er dann aber aus der Wehrmacht entlassen.

Das ist sicher ein Sonderfall, aber auch in unserer Nachbarschaft und Verwandtschaft wurden eine ganze Anzahl 1939 eingezogen, obwohl sie älter als Jahrgang 1910 waren. Meist kamen sie aus technischen Berufen und wurden für entsprechende Aufgaben in der Wehrmacht eingesetzt. Und das war im Ruhrgebiet, wo die meisten in kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben tätig waren.
 
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Gab es damals schon die Regel, das wenn schon zwei Söhne der Familie beim Militär waren, das die restlichen Söhne nicht gezogen wurden, sondern nur freiwillig genommen wurden?

Das betraf Bauernfamilien, die nach dem Reichserbehöfegesetz einen Erbhof besaßen. In der Regel wurde der Anerbe nicht zum Wehrdienst gezogen.
 
Sicher? Mein Onkel, ältester Sohn, Erbe des mütterlichen Bauernhofes [meine Urgroßeltern hatten nur Töchter], ist eingezogen worden; mein Vater sagt, er sei an der Ostfront gewesen, ihn selber zu fragen habe ich verpasst.
 
Das betraf Bauernfamilien, die nach dem Reichserbehöfegesetz einen Erbhof besaßen. In der Regel wurde der Anerbe nicht zum Wehrdienst gezogen.

Diese Regel gibt es heute.
Mindestens in "fortgeschrittenen" Krieg nicht. Ich kenne jedenfalls eine Familie in der 3 Brüder gefallen sind.
 
Diese Regel gibt es heute.
Mindestens in "fortgeschrittenen" Krieg nicht. Ich kenne jedenfalls eine Familie in der 3 Brüder gefallen sind.

Mein Großonkel (der mit dem Halsschmuck) wurde als Erbhofbauer jedenfalls eingezogen, und spätestens seit 1943 brauchte man wirklich gute Beziehungen, um noch uk gestellt zu werden. So wurde der 2. Mann meiner Urgroßmutter 1942/ 43 noch eingezogen, obwohl er schon 44 war und 1914- 18 bereits mehrfach verwundet wurde.
 
Auch das galt nicht uneingeschränkt.
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Meine Ausführungen bezogen sich auch nur auf den Stand 1938/39 gemäß Mob.-Planung und gesetzlicher Regelungen.

Tatsache war, dass die Einberufungen bereits mit Mobilmachung zum August 1939 nicht den Personalbedarf der Wehrmacht (insbesondere der vorgesehenen Mob.-Divisionen des Heeres) decken konnten. Daher auch die Hinzuziehung von Landwehr in die Infanteriedivisionen 3. und 4. Welle.
 
Bei mir in der Familie gab es diesen Fall auch, alle drei Brüber meiner Großmutter, Jahrgang 1912, '13 und '16, aus einer Bauernfamilie in Ostpreußen, wurden eingezogen, zwei sind 1944, der dritte noch im April '45 gefallen.
 
Meine Ausführungen bezogen sich auch nur auf den Stand 1938/39 gemäß Mob.-Planung und gesetzlicher Regelungen.

Tatsache war, dass die Einberufungen bereits mit Mobilmachung zum August 1939 nicht den Personalbedarf der Wehrmacht (insbesondere der vorgesehenen Mob.-Divisionen des Heeres) decken konnten. Daher auch die Hinzuziehung von Landwehr in die Infanteriedivisionen 3. und 4. Welle.


Mein Vater, Jahrgang 1902, hatte 1939 5 Kinder, nichtsdestotrotz wurde er schon im September eingezogen.
Meine älteren Geschwister sind sich relativ sicher, dass er sich freiwillig gemeldet hat. Er hat das allerdings bestritten. Meine Mutter meinte, mit seinem losen Mundwerk hätte er wohl den Falschen geärgert.

Ich habe die Vermutung, dass es da über den NSKK irgend einen "Deal" gab.
Auch brauchte es Mutters massive Intervention, als ihn 1956 2 Herren besuchten, und ihn "reaktivieren" wollten.
Ich denke es wird wohl so "halbfreiwillig" gewesen sein.
Vermutlich ist es für Männer ungesund, wenn sie 3 Monate zu jung für einen Krieg sind, wie er 1918.

Vor ein paar Jahren wollte ich Gewissheit, ich habe die Deutsche Dienststelle angeschrieben, aber leider ist ausgerechnet seine Akte nicht vorhanden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danach ergaben sich bei Mob.bedarf von rd. 2,1 Mio. zum Einsatz im Feld ein Bestand von rd. 1,83 Mio. Aktiven und Reservisten I (mind. 9 Monate Ausbildung) + II zur Verfügung. Der Rest wurde durch Landwehr (Ausbildungsstand, aber älter 35 Jahre) aufgefüllt, da ansonsten die 103 mobil zu machenden Divisionen der 1.-4. Welle nicht hätten gebildet werden können.
Hallo Repo,
dann müßte er bei den Reservisten II oder Landwehr dabei gewesen sein, im Alter 37. Es wurde alles genommen, um die Divisionen vollzukriegen. Die 3. und 4. Welle hatte ca. 40% Mannschaften solcher Landwehranteile.
 
Hallo Repo,
dann müßte er bei den Reservisten II oder Landwehr dabei gewesen sein, im Alter 37. Es wurde alles genommen, um die Divisionen vollzukriegen. Die 3. und 4. Welle hatte ca. 40% Mannschaften solcher Landwehranteile.

Nee,
ganz und gar nicht.
Der kam zur 10. Panzerdivision damals in Köln-Porz und machte innerhalb 5 Jahren Karriere vom Rekruten zum Hauptmann, deshalb nehme ich stark an, dass ihm über die NSKK-Schiene entsprechende Versprechungen gemacht worden waren.
Bei den ersten am Kanal, mit den Kradschützen über die Beresina, Moskau durchs Scherenfernrohr... Zum Antimilitaristen wurde er keineswegs...
 
Hallo Repo,
noch eine Nachfrage: meinst Du die 6. PD unter Hoepner, die aus dem Wehrkreis VI Köln-Aachen-Wuppertal stammt (September 1939 noch 1. le. Division).
Die 10. PD wurde in Prag aufgestellt, Abgaben vorwiegend von Einheiten aus Berlin, Zossen etc.
 
Hallo Repo,
noch eine Nachfrage: meinst Du die 6. PD unter Hoepner, die aus dem Wehrkreis VI Köln-Aachen-Wuppertal stammt (September 1939 noch 1. le. Division).
Die 10. PD wurde in Prag aufgestellt, Abgaben vorwiegend von Einheiten aus Berlin, Zossen etc.

Die 10. Panzerdivision wurde als Panzerdivision Kempf in Prag ab März 39 aufgestellt, und nahm unter diesem Namen noch am Polenfeldzug teil, (der einzige Fall indem Panzer "verlastet" auf LKW-Tiefladern verlegt wurden) dann umgegliedert als 10. Panzerdivision im Westen. Zumindest eine der Panzerbrigaden hatte ihren Standort in Stgt.-Zuffenhausen. Papa kam aber sofort nach Porz, von dort sind auch die ersten Briefe, wird dort der entsprechende Ersatztruppenteil gelegen sein.
 
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