Einführung in die Geschichte Chinas

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hyokkose

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Teil I: Frühgeschichte und Altertum

Die ersten Bauerngesellschaften

Die ersten neolithischen Kulturen lassen sich im 8. Jahrtausend v. Chr. feststellen. Es handelt sich um regionale bäuerliche Kulturen, die sich im Lauf der Jahrtausende ausbreiten und teilweise miteinander verschmelzen. Von besonderer Bedeutung ist die Yangshao-Kultur, die von 5000 - 3000 v. Chr. in den Tälern des Huang-he, des Wei-he und weiterer Nebenflüsse, also genau im Kerngebiet der späteren chinesischen Zivilisation, ihre Spuren hinterlassen hat.


Die ersten Staaten (Xia-Dynastie 2000 - 1500 v. Chr.?, Shang-Dynastie ca. 1500 - 1050 v. Chr.)

Nur aus späteren Quellen, nicht aus zeitgenössischen Inschriften, sind Nachrichten über Xia-"Dynastie" überliefert. Die Städte, die für diese "Dynastie" als Residenzorte genannt werden, passen indes geographisch sehr gut zu der archälogisch gesicherten Erlitou-Kultur, so daß die Annahme zumindest eines größeren Zusammenschlusses von Stadtstaaten nicht von der Hand zu weisen ist.
Voll ins Licht der Geschichte tritt erst die Shang-Dynastie, eine hochentwickelte Bronzekultur, die umfangreiche Schriftzeugnisse hinterlassen hat. Die aus späteren Zeiten überlieferten Herrscherlisten können lückenlos durch zeitgenössische Inschriften belegt werden, auch wenn die absolute Chronologie noch unsicher ist. Der mehrmalige Wechsel des Machtzentrums läßt noch föderale Züge vermuten. Die Aufgaben der Könige waren zu einem beträchtlichen Teil religiöser Natur; vor jeder Handlung mußte das Orakel befragt werden.

Die Fürstenstaaten: Zhou-Dynastie (ca. 1050 - 249 v. Chr.; "Streitende Reiche" 453 - 221 v. Chr.)

Um 1050 v. Chr. stoßen die Zhou aus dem westlichen Wei-Tal auf das Zentrum der Shang vor und errichten ein aristokratisches Feudalsystem. Die eroberten Städte werden von Verwandten des Zhou-Königs verwaltet, die freiwillig unterworfenen Städte durch Heiraten an die Zhou-Dynastie angebunden. Spätere Vorstellungen des Herrschers als eines Familienoberhaupts haben in diesem System ihre reale Grundlage. Während die religiöse Funktion des Zhou-Herrschers über Jahrhunderte unangetastet bleibt, geht die politische Führung schon bald verloren. Die Einfälle von Steppenvölkern (erste Reitervölker?) werden durch die Hegemonen - einzelne Regionalfürsten, die ihre Macht auf wechselnde Koalitionen gründen - abgewehrt. Im 6. Jahrhundert v. Chr. kann von einem Zhou-"Reich" eigentlich schon längst nicht mehr die Rede sein. Vielmehr versuchen die mächtigeren Fürsten, ihre Macht auf Kosten der schwächeren Kollegen auszudehnen. Die bisherigen Fürstentümer von überschaubarer Größe weichen großen, prinzipiell gleichberechtigten Flächenstaaten, deren Herrscher in der Zeit der "Streitenden Reiche" nach und nach den Königstitel annehmen.
An technischen Entwicklungen aus dieser Zeit sind besonders die Metallurgie (Gußeisen!) und natürlich die Kriegstechnik (Steinschleudermaschinen, Brustgurtgeschirr bei Pferden) zu erwähnen.

Diese unruhige Zeit ist gleichzeitig die große Zeit der Philosophen, die über das ideale Zusammenleben der Menschen nachsinnen und die Grundgedanken chinesischer Weltanschauung und Ethik liefern: Konfuzius, Menzius, Zhuangzi, der legendäre Laozi, Modi und nicht zuletzt die Leg(al)isten. (Näheres über die chinesischen Denkschulen siehe http://geschichtsforum.de/showthread.php?t=1681.) Mehr als die idealistischen Philosophien ist es der praxisorientierte Legismus, der die theoretischen Grundlagen für die Abschaffung des morsch gewordenen Feudalstaats und den Übergang zum straff organisierten Beamtenstaat liefert.

Das erste Kaiserreich: Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.) und Han-Dynastie (206 v. Chr - 220 n. Chr.)

Die "Staaten der Mitte" geraten zunehmend ins Hintertreffen gegenüber den Randstaaten wie etwa Yan im Norden, Qin im Westen, Chu im Süden. Die größten Erfolge, den Staatsapparat im Sinne des Legismus zu modernisieren, hat Qin aufzuweisen. Als er 249 das restliche Territorium des immer noch existenten Zhou-Staates annektiert, kräht kaum ein Hahn danach. 230 v. Chr. - 221 n. Chr. gelingt es Qin, in einer beispiellosen Serie von Kriegszügen die anderen Staaten zu erobern - aus chinesischer Sicht den ganzen damals bekannten zivilisierten Erdkreis. König Zheng gibt sich den Titel "Der erste erhabene Kaiser" (Shihuangdi) und macht sich daran, das riesige Gebiet nach seinen Vorstellungen umzuformen. Zu den Großprojekten gehört die Errichtung der ersten "Großen Mauer" zum Schutz gegen die nomadischen Xiongnu im Norden und die Anlage eines reichsweiten Straßen- und Kanalnetzes. Dazu kommt die Vereinheitlichung von Maßen und Münzen, der Schrift und sogar der Spurbreiten von Wagen. Die Prunksucht des Kaisers äußert sich im Bau eines riesigen Palastes und eines gigantischen Mausoleums (das mit der berühmten Terrakotta-Armee).

Die Belastung der Bevölkerung durch die Großprojekte, die rigorosen Gleichschaltungsversuche auf allen Ebenen ("Bücherverbrennung" 213) und das harte Strafsystem rufen schon bald Widerstand hervor. Bereits die Thronbesteigung des "Zweiten Erhabenen Kaisers" wird von Aufständen überschattet. Liu Bang, der aus einfachen Verhältnissen stammende Führer der Rebellen, besiegt 206 die kaiserlichen Truppen und begründet die Han-Dynastie.

Unter den neuen Herrschern gilt zwar die legistische Ideologie als verpönt, de facto wird unter Beibehaltung der verwaltungstechnischen Prinzipien der Qin ein straffes zentralistisches Regierungssystem installiert.

Unter dem "kriegerischen Kaiser" (Wudi, 141 - 87 v. Chr.) kommt es zur größten Machtentfaltung des Imperiums: Im Norden werden die Xiongnu zurückgedrängt, im Westen die Große Mauer verlängert und militärische Stützpunkte bis weit nach Zentralasien geschaffen. Die bis dahin nichtchinesischen Gebiete des heutigen Südchina plus Nordvietnam werden dem Reich einverleibt; im Osten besetzen die Han-Truppen Nordkorea.

Die Han-Dynastie verhilft dem Konfuzianismus als offizieller Staatsdoktrin zum Durchbruch. Daneben blühen zahlreiche Denkschulen zwischen scholastischer Philosophie und esoterischen Spekulationen (Yin-Yang-Schule, Alchimie etc.) Zu erwähnen ist der Historiker Sima Qian (ca. 135 - 93 v. Chr.), dessen Shiji ("Historische Aufzeichnungen") Maßstäbe für die Geschichtsschreibung bis in die Neuzeit setzen.

Zu den Erfindungen, mit denen die Han-Zeit die Welt beglückt hat, zählt das Papier, das Schiffs-Heckruder und - der Schubkarren.

Trotz mancher Höhen und Tiefen stellt das Han-Reich über 400 Jahre ein erstaunlich stabiles Gebilde dar, das dem Osten Eurasiens ebenso seinen Stempel aufgedrückt hat wie das Römische Reich dem Westen.
 
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Teil II: Das "Mittelalter" bis zum Mongolensturm



Reichsteilung und Nord- und Süd-Dynastien (220 - 589)

Das Ende der Han-Dynastie leitet das bei weitem unübersichtlichste Kapitel der chinesischen Geschichte ein. Der letzte Han-Kaiser ist nur noch eine Marionette in den Händen der Generäle. Nach seiner Beseitigung zerfällt das Imperium in die Machtgebieter dreier Heerführer, die ihre eigenen Reiche begründen (die "Drei Reiche" Wei, Wu und Shu). In den Kriegen der rivalisierenden Reiche spielen eingebürgerte Söldner aus den Nachbarregionen (Tibeter, Tanguten, Steppennomaden) eine immer größere Rolle.

304 erklärt sich erstmals einer der Xiongnu-stämmigen Heerführer zum Kaiser. In der Folgezeit gründen fremdstämmige Söldner im Norden eine Vielzahl meist recht kurzlebiger Staaten ("Sechzehn Reiche der fünf Barbaren"). Die "einheimischen", relativ häufig wechselnden Dynastien des Südens (Östliche Jin, Liu-Song, Qi, Liang, Chen) sind nicht in der Lage, dem Norden militärisch Paroli zu bieten. So gewinnt ab 386 das von Angehörigen des Toba-Stammes gegründete Reich der Nördlichen Wei immer größere Bedeutung. Nach dem Zerfall des Wei-Reichs in zwei rivalisierende Staaten gelingt dem Nachfolgestaat Sui 581 die Wiedervereinigung des Nordens und 589 die Eroberung Südchinas.

In dieser politisch sehr unruhigen Zeit, in der die Konzepte der klassischen Philosophen nicht mehr greifen wollen, vollzieht sich eine bedeutende Neuerung im Geistesleben: der Aufstieg des Buddhismus. Die neue Religion zieht alle Gesellschaftsschichten in ihren Bann; sie bringt neue kulturelle Anregungen und Einflüsse aus Indien und Zentralasien.

Das zweite Imperium: Sui-Dynastie (581-618) und Tang-Dynastie (618-907)

Die von den Traditionen des nördlichen Kriegeradels geprägten Sui-Kaiser tun alles, um die Macht des Han-Reiches wieder zu erreichen. Sie machen aber - wie seinerzeit schon die Qin-Kaiser - den Fehler, das Volk bis über die Grenzen der Belastbarkeit zu strapazieren: Der Bau des 1800 km langen Kaiserkanals und die äußerst aufwendigen Feldzüge gegen die Türken und vor allem das koreanische Königreich Koguryó (612 mit angeblich 1.133.800 Mann, dem bis dahin größten Heeresaufgebot der Geschichte) führen zu Massendesertionen und Aufständen, zum Sturz der Sui und zur Gründung der Tang-Dynastie. Die Tang gönnen dem Reich eine Phase der Konsolidierung, bis sie die imperialen Pläne der Sui wieder aufnehmen. Der entscheidende Sieg über die Türken 630 markiert den Beginn der größten chinesischen Westexpansion. Die zentralasiatischen Städte Samarkand, Buchara und Taschkent kommen unter chinesische Verwaltung. Die Tang mischen sich in die inneren Angelegenheiten Nordindiens wie auch der Sassaniden-Dynastie am Tigris ein.

Die Epoche des Rückzugs und Niedergangs beginnt 751 mit der Niederlage gegen die Araber am Talas; wenig später wird das Tang-Reich durch die Militärrevolte des An Lushan in seinen Grundfesten erschüttert.

Das erlaubt es, den Nachbarn - Nanzhao (später Dali genannt) im Südwesten, Tufan (Tibet) und den (meist mit den Tang verbündeten) türkischen Uiguren, ihre Machtbereiche auf Kosten der Tang auszudehnen.

Der Zerfall des Tang-Reichs kommt von jedoch nicht von außen, sondern von innen: In den einzelnen Regionen werden die Kommandanten der Militärbezirke immer mächtiger. Zur Bekämpfung des An-Lushan-Aufstands sieht sich die Regierung gezwungen, deren Kompetenz sogar noch auszuweiten. Nach dem Aufstand des Huang Chao (878-883) und dem offensichtlichen Machtverlust der Zentralregierung erklären sich die Regionalkommandanten für unabhängig, indem sie reihenweise Königs- oder (nach der Absetzung des letzten Tang-Kaisers 907) gar Kaisertitel annehmen.

Während die frühe Tang-Zeit kosmopolitisch geprägt ist (China öffnete sich bereitwillig allen kulturellen Anregungen von außerhalb), setzt in der zweiten Hälfte eine Rückbesinnung auf die eigenen, alten Wurzeln ein. 842-845 werden gar alle ausländischen Religionen von einer großen Proskription getroffen. Der bislang allgegenwärtige Buddhismus verliert mit einem Schlag weitgehend seinen Einfluß auf Politik und Geistesleben - nicht jedoch seine Anziehungskraft auf die Volksmassen.

Die Dichtkunst, die seit dem Altertum eine prominente Rolle im chinesischen Kulturleben spielt, erlebt in der Tang-Zeit eine besondere Blüte, hier sollen nur die Namen Li Bai (Li Tai-po, 701-762) und Du Fu (712-770) genannt sein. Eine wichtige Erfindung, die ebenfalls in die Tang-Zeit fällt, stellt der Buchdruck dar.


Fünf Dynastien (907-960) und Song-Dynastie (960-1279);
die Nordreiche Liao (907-1125) und Jin (1115-1234)

Nach der chaotischen Periode der "Zehn Königreiche" und "Fünf Dynastien" gelingt es ab 960 der Song-Dynastie, den größten Teil des damaligen China unter seine Herrschaft zu bringen. An eine Expansion wie zur Tang-Zeit ist allerdings nicht zu denken: Im Süden macht sich Vietnam unabhängig, im Südwesten behauptet sich Dali, im Westen schiebt das mächtige tangutische Reich Xixia ab 1038 jeglichen Expansionsbestrebungen einen Riegel vor, und im Norden stellt das Liao-Reich (907-1125) der Kitan, das die Region um Peking besetzt hält, eine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Im Frieden von Shanyuan 1005 muß der Song-Kaiser den Liao-Kaiser als "großen Bruder" anerkennen und sich zu Tributzahlungen verpflichten.

Zu Beginn des 12. Jahrhunderst steigen die Jurchen aus der Mandschurei in kürzester Zeit zur neuen Großmacht Ostasiens auf: 1115 läßt sich ihr Anführer Aguda zum Kaiser von Jin ausrufen; 1125 vernichten sie das Liao-Reich und 1126 überrennen sie Nordchina, erobern die Song-Hauptstadt Kaifeng und nehmen Kaiser Qinzong gefangen. 1142 muß sein Nachfolger Gaozong den neuen Status quo vertraglich anerkennen.

Die zivilisatorischen Errungenschaften des Song-Reichs sind beachtlich. Um nur einige Beispiele herauszugreifen: Die Song hatten die modernste Flotte der Welt: Mit Heckruder und See-Kompaß ausgerüstete Hochseedschunken befuhren die südostasiatische Inselwelt und den Indischen Ozean. Das Schießpulver war nicht nur bekannt, sondern wurde auch militärische Zwecke eingesetzt. 1024 wurde Papiergeld als offizielles Zahlungsmittel eingesetzt. Kein Zweifel: Song-China war ein wirtschaftlicher und kultureller Gigant an der Schwelle der Neuzeit. Warum konnte sich das technisch fortgeschrittenste Land der Erde gegen seine Nachbarn nur so mühsam behaupten?

Die Antwort dürfte im Militärsystem zu suchen sein: Die frühen Song-Kaiser hatten den durch die Macht der Militärs verursachten Niedergang der Tang und die kurzlebigen, von Soldatenkaisern begründeten "Fünf Dynastien" als warnendes Beispiel vor Augen. Der Gründer des Song-Reichs, General Zhao Kuangyin, war selbst nichts anderes als solch ein Soldatenkaiser gewesen. So wurde es zur Doktrin der Song, das Militär kurz zu halten, die seit Qin-Zeiten bestehende Wehrpflicht abzuschaffen und ein Söldnerheer aufzustellen, das strikt unter der Fuchtel der Zivilbürokratie stand - mit allen negativen Begleiterscheinungen: Das Heer vergrößerte sich fortwährend, wurde aber gleichzeitig immer unbeweglicher.
 
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Teil III: Von den Mongolen bis zum Ende der Kaiserzeit


Die Mongolen: Yuan-Dynastie (1271-1368)

1210 beginnt der Mongolensturm, einer der tiefsten Einschnitte der Weltgeschichte. Die Expansion der Mongolen vollzieht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit, vor allem im Westen. Dort legen die Eroberer in kaum mehr als 30 Jahren 10.000 km zurück. Für die 3.000 km in südlicher Richtung bis Kanton brauchen sie allerdings fast 70 Jahre lang.

Khublai Khan, der seit 1271 als Kaiser der Yuan-Dynastie regiert, bringt 1279 die Eroberung des Song-Reiches zum Abschluß. Für die besiegten Chinesen bedeutet die Mongolenherrschaft Diskriminierung: Die Bevölkerung des mongolischen Gesamtreichs wird in vier Kategorien aufgeteilt. Die erste und privilegierteste Schicht besteht aus Mongolen; die vierte und unterste Gruppe bilden die Einwohner dese ehemaligen Song-Reichs. Die leitenden Verwaltungsstellen werden von Mongolen besetzt, die Finanzverwaltung mit muslimischen Fachleuten meist türkischer oder iranischer Herkunft.

Schon bald nach dem Tod Khublais gerät das Yuan-Reich in einen Abwärtsstrudel. Thronfolgestreitigkeiten, zunehmende Korruption und Mißwirtschaft (Ausbeutung, Inflation durch exzessive Papiergeld-Emissionen) führen zu Aufständen, die ab 1351 nicht mehr unter Kontrolle zu bringen sind. 1368 flieht der letzte mongolische Kaiser aus Peking, und der Rebellenführer Zhu Yuanzhang ruft die Ming-Dynastie aus.

Die Ming-Dynastie (1368-1644)
(siehe auch: http://geschichtsforum.de/showthread.php?t=1612)

Die Wiederaufbauarbeit nach Jahrzehnten von Mißwirtschaft und Bürgerkrieg ist enorm; die Früchte zeigen sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als die Ming wirtschaftlich stark und außenpolitisch am aktivsten sind: Sie üben energischen Druck auf die immer noch unruhigen Steppenvölker aus und demonstrieren ihre Macht - die maritime Song-Tradition fortsetzend - mit den Flottenexpeditionen Zheng Hes bis nach Ostafrika. Doch schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts nimmt der Druck der Steppenvölker wieder zu, die aufwendigen See-Expeditionen werden eingestellt, und nach der Fertigstellung der Großen Mauer in ihrer heutigen Gestalt (1435) beschränkt sich die Außenpolitik der Ming weitgehend auf die Defensive.

Die absolutistischen Tendenzen des Ming-Staates gehen auf den Dynastiegründer zurück, der - aus ärmlichsten Verhältnissen stammend - sein grundsätzliches Mißtrauen gegen hohe Beamte auch als Kaiser beibehält. Das Amt des Kanzlers wird abgeschafft und die Minister der direkten Befehlsgewalt des Kaisers unterstellt. Entscheidungen trifft der Kaiser oft nicht nach Rücksprache mit dem eigentlichen Kabinett, sondern mit einem privaten Beraterstab, in dem die Hofeunuchen oft eine dominierende Rolle spielen. Dieses System funktioniert nur, solange aufgeklärte und tatkräftige Monarchen auf dem Thron sitzen; unter schwächeren Kaisern nehmen Korruption und Mißwirtschaft unbeschreibliche Ausmaße an. Von besonders desaströser Wirkung ist die lange Regierungszeit des Wanli-Kaisers (1572-1619). Zur gleichen Zeit vollzieht sich der Zusammenschluß der Jurchen zum Mandschu-Reich, denen das im Chaos versinkende Ming-Reich wie ein reifer Apfel in den Schoß fällt.


Die Mandschus: Qing-Dynastie (1644-1912)

1616 läßt sich Nurhaci zum Khan der Jurchen ausrufen und beginnt zielstrebig, seine Einflußsphäre durch Angriffe auf China und Korea zu erweitern. Sein Nachfolger Abahai gibt dem Volk den Namen "Mandschu" und dem Reich den dynastischen Namen "Qing". 1644 besetzen die Mandschu fast kampflos den Norden Chinas. Die Eroberung des Südens zieht sich indes noch viele Jahre hin.

Im Gegensatz zu den Mongolen erkennen die Mandschus bald, daß die effizienteste Weise, das zahlenmäßig weit überlegene chinesische Volk zu regieren, in der Übernahme chinesischer Gepflogenheiten und der Zusammenarbeit mit der chinesischen Oberschicht besteht. Allerdings müssen die Chinesen als Zeichen der Unterwerfung einen Zopf tragen. (Der berühmte "chinesische" Zopf ist in Wirklichkeit mandschurisch.)

Der größte außenpolitische Gegner der Qing sind lange Zeit die Dsungaren im Westen. Sie werden Stück für Stück zurückgedrängt. Ende des 17. Jahrhunderts besetzen die Qing die Mongolei, 1751 wird Tibet zum Protektorat. Zwischen 1756 undd 1759 werden die Dsungaren endgültig besiegt und Ost-Turkestan besetzt. Damit erreicht das Qing-Reich seine größte Ausdehnung -mit 11,5 Millionen km² deutlich mehr als die heutige Volksrepublik China.

Das eigentliche China bekommt von den Kämpfen an den fernen Grenzen kaum etwas mit; es erlebt im 18. Jahrhundert eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte, die ihresgleichen sucht. Dieser Wohlstand wird allerdings mit schwerwiegenden Folgen erkauft: Eklatant ist die Bevölkerungsexplosion (1740: 143 Millionen Einwohner, 1794 bereits 360 Millionen Einwohner!), wodurch die Fortschritte auf dem Gebiet der Landwirtschaft wieder zunichte gemacht werden. Der Hof, der den stark bürokratisierten und zentralisierten Staatsapparat kontrolliert, hat sich in langen Wohlstandsjahren eine Sorglosigkeit und Verschwendungssucht angewöhnt, die zu spät und am falschen Fleck korrigiert wird: Die Reduzierung der Beamtengehälter führt zu vermehrter Korruption. Die ersten Bauernaufstände und die fortdauernden Kriege an den Reichsgrenzen verschärfen die Situation.

Zu all diesen Schwierigkeiten kommt ab 1816 ein völlig neues Problem: Die britischen Kolonialherren in Indien entdecken den Opiumschmuggel als äußerst lukrative Einnahmequelle. Von Jahr zu Jahr fließen immer unglaublichere Summen in die Kassen der britischen Großdealer. Als 1839 die Qing-Regierung endlich massiv einschreitet, 20.000 Kisten Opium beschlagnahmt und die Ausweisung der Kaufleute verfügt, greifen reguläre britische Truppen an (Erster Opiumkrieg) und erzwingen 1842 die Legalisierung des Rauschgifthandels und die Abtretung Hongkongs.

Die größte Gefahr droht den Qing jedoch durch den Taiping-Aufstand, der 1850 ausbricht und große Teile Chinas erfaßt. Weitere Aufstände in anderen Regionen bringen das Reich an den Rand des Ruins. Obwohl die Aufstände 1878 weitgehend niedergeschlagen sind, kommt China nicht mehr zur Ruhe. Dafür sorgen auch die europäischen Kolonialmächte, zu denen sich bald auch Japan dazugesellt. Schon 1860 hatten Franzosen und Briten Peking geplündert und den kaiserlichen Sommerpalast in einer Randale-Aktion zerstört. Der Opiumimport erreicht 1873 seinen Höhepunkt. 1884 besetzen die Franzosen Vietnam und greifen chinesische Städte an. Nach dem verlorenen chinesisch-japanischen Krieg 1894/95 muß Taiwan an Japan abgetreten werden. 1897 annektiert Deutschland Qingdao, 1898 annektiert Großbritannien Weihai, im selben Jahr annektiert Rußland Dalian und Lüshun, 1899 annektiert Frankreich Zhanjiang. Der Boxer-Aufstand, der sich zunächst gegen das Mandschu-Regime, dann aber gegen die Kolonialmächte richtet, wird von europäischen Truppen niedergeschlagen ("The Germans to the front"). 1908 kommt der zweijährige Puyi auf den Thron. Nach der Ausrufung der Republik (1912) bleibt ihm nur noch die Abdankung.

 
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Teil IV: Das moderne China


Die Republik China (ab 1912)

1912 ruft Sun Yat-sen die Republik aus; der letzte Kaiser dankt ab. Eine demokratische Entwicklung kommt indes nicht zustande; vielmehr strebt Yuan Shikai die Diktatur an und löst bereits 1914 das Parlament auf. Nach dem Tod Yuan Shikais 1916 bricht der Staat auseinander. Einzelne Provinzen werden von selbsternannten Warlords kontrolliert. Bereits in den 1920er Jahren bekämpfen sich nationalistische (Chiang Kai-shek) und kommunistische (Mao Zedong) Truppen. 1931 besetzt Japan die Mandschurei und errichtet dort einen Marionettenstaat; 1937 beginnt die japanische Großoffensive auf das eigentliche China und damit aus ostasiatischer Sicht der Zweite Weltkrieg.

Nach dessen Ende geht der innerchinesische Bürgerkrieg weiter und mündet in seine entscheidende Phase. Trotz militärischer Überlegenheit mangelt es den nationalistischen Truppen an Rückhalt bei großen Teilen der Landbevölkerung. Die Kommunisten verstehen es, ihre Chancen zu nutzen; 1949 muß sich Chiang Kai-shek nach Taiwan zurückziehen, das bis heute den offiziellen Namen "Republik China" (Ta Chung-hua Min-kuo) führt. Die "Republik" bleibt freilich jahrzehntelang eine Diktatur unter Kriegsrecht; Wahlen finden nicht statt, Opposition wird nicht geduldet. Chiang Kai-shek stirbt 1975; sein Sohn Chiang Ching-Kuo setzt seinen autoritären Regierungsstil und seine erfolgreich auf Industrialisierung gerichtete Wirtschaftspolitik fort. Doch kündigt sich 1986 das Ende des Einparteiensystems an. Nach Chiang Ching-Kuos Tod 1988 kommt es unter Lee Teng-hui zu einer schrittweisen Liberalisierung des politischen Systems und zur Etablierung eines demokratischen Systems. Taiwan ist ein kleines, wohlhabendes Land mit beeindruckender Wirtschaftsleistung, diplomatisch aber nahezu isoliert. Die Zukunft wird von den Entwicklungen im "großen" China abhängen.



Die Volksrepublik China (ab 1949)

Nach der Ausrufung der Volksrepublik China (Zhonghua Renmin Gongheguo) 1949 wird der Wiederaufbau in Angriff genommen. Die politischen Strukturen folgen zunächst sowjetischem Muster, doch schon nach wenigen Jahren geht China seine eigenen Wege, und es kommt zum Bruch mit der Sowjetunion. Dem Parteivorsitzenden Mao Zedong gelingt es immer wieder, die Massen für revolutionäre Projekte zu begeistern, die aber mehr als einmal chaotische Folgen zeitigen: Der "Großer Sprung nach vorn" von 1958 endet in einem wirtschaftlichen Desaster und Hungersnöten; die "Große Proletarische Kulturrevolution" ab 1966 ist in erster Linie eine kulturelle Tragödie. Nach Maos Tod 1976 steigt Deng Xiaoping zum "starken Mann" auf, der eine pragmatische Wirtschaftspolitik verfolgt, für demokratische Reformen jedoch kein Verständnis zeigt (Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989!). Unter den Nachfolgern des 1997 verstorbenen Deng setzt sich das rasante Wirtschaftswachstum fort. Wie die sozialen Probleme des bevölkerungsreichsten Staats der Erde zu lösen sind, und inwieweit das gegenwärtige politische, offiziell immer noch "kommunistische" System überdauern kann, wird die Zukunft zeigen.




Literaturtip:
Jacques Gernet, Die chinesische Welt, Frankfurt/Main 1979

Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Chinas
http://www.chinaknowledge.de/
(beide Seiten noch in Arbeit)
 
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