Englische Langbogen

Wie passt in diese Theorie, das im Sezessionskrieg noch mit Musketen unter 35 Metern gekämpft wurde - damit überhaupt genug Wirkung da war ?

du bist ja aufgeschlossen dafür, praktische Erfahrungen einfließen zu lassen:
ich bin ein recht mittelmäßiger hobby Bogenschütze, und ich würde auf 35 Meter mit meinem Bogen definitiv effektiver treffen als mit einer Muskete in gleicher Zeit. - aber ich hab auch ein Jahr training hinter mir.

Ich denke schon ein Zusammenspiel der Kosten, und der Zeit war.
 
Mit einer Muskete aus der Zeit der Sezessionskriege trifft man auf 35 m genau so absolut sicher ein Mannziel.

Ein Bogen von mittlerem Zuggewicht mit normalen Pfeilen der damaligen Zeit erbringt ungefähr 100 Joule Energie im Ziel auf diese Distanz.

Eine Muskete aus der Zeit der Sezessionskriege mit einer normalen Kugel erbringt demgegenüber auf diese Distanz einen Wert von 4000 Joule.

Ihre Wirkung ist nur von der Energie her schon 40 mal stärker als die eines Pfeiles. Da eine Pfeilspitze scharf bzw spitz ist, sind die durch sie verursachten Wunden relativ glattrandig, es entsteht nur eine permanente Wundhöhle.

Bei einer stumpfen Musketenkugel entsteht auch eine temporärer Wundhöhle, dass Gewebe wird einfach zerrissen. Eine solche Verletzung ist viel schwerwiegender, weil das Gewebe nicht glatt zerschnitten bzw zerstochen wird, sondern unregelmäßig zerrissen wird.
 
wenn ich mich im Krieg vertan habe, und die Distanz eher zum amerikanischen Unabhängikeitskrieg passt - wäre es schön wenn du das einfach sagst.

Ich will jetzt nicht die alte Diskussion anfangen, also von wegen Nachladegeschwindigkeit/trainingszeit/kosten der Waffe etc pipapo.

Es wurde sogar von (einzelnen) überlegt, die Kontinentalarmee mit Bögen auszurüsten...

sooo eindeutig kann die überlegenheit also nicht immer gewesen sein.

edith sagt:
die Wundwirkung ist in der Tat von einer anderen Qualität.
Wenn ich das mal weiterspinne - war also nicht unbedingt das Menschenmaterial oder die Industriekapazität der treibende Faktor um von erprobten Bögen auf anfangs sehr schwerfällige Feuerwaffen umzustellen. -
sondern einfach die wachsende Fähigkeit einfache Pfeilwunden zu versorgen?
Es starben also evtl nicht mehr genug Feinde an ihrer Verletzung?

gruß
corto
 
Zuletzt bearbeitet:
edith sagt:
die Wundwirkung ist in der Tat von einer anderen Qualität.
Wenn ich das mal weiterspinne - war also nicht unbedingt das Menschenmaterial oder die Industriekapazität der treibende Faktor um von erprobten Bögen auf anfangs sehr schwerfällige Feuerwaffen umzustellen. -
sondern einfach die wachsende Fähigkeit einfache Pfeilwunden zu versorgen?
Es starben also evtl nicht mehr genug Feinde an ihrer Verletzung?

gruß
corto
Ich bin selbst Medizinstudent und das ist Bockmist!
Über so etwas lässt sich nur spekulieren und zu behaupten Pfeilwunden sein per se weniger schlimm als Kugelwunden ist arg pauschal und spiegelt die medizinische Wirklichkeit nicht wieder.
Davon mal abgesehen muss der Gegner durch den Pfeil ja nicht sterben, kampfunfähig ist er für den Moment alle mal und das reichte meistens schon.
 
huski:

Über so etwas lässt sich nur spekulieren und zu behaupten Pfeilwunden sein per se weniger schlimm als Kugelwunden ist arg pauschal und spiegelt die medizinische Wirklichkeit nicht wieder.

Da du also dich mit Verletzungen besser auskennst als ich, möchte ich dir folgende Aussagen von mir zur kritischen Überprüfung vorlegen:

1 glattrandige Wunden sind weniger schlimm als zerrissenes Gewebe

2 eine permanente Wundhöhle durch ein Geschoss ist weniger schlimm als ein Geschoss das eine permanente und eine temporäre Wundhöhe verursacht (weil die temporäre Wundhöhle viel mehr zerstörtes Gewebe und vor allem auch zerissenes Gewebe bedeutet)

3 Ein Pfeil von einem typischen Bogen mittleren Zuggewichts erzeugt eine Wundhöhle von ungefähr 30 kubikcm. Wenn man noch dazu bedenkt, dass die Entfernung des Pfeils bzw der Pfeilspitze weiter Gewebe zerstört, kommen dann insgesamt ungefähr 45 kubikcm zusammen. Der Durchmesser der Wundhöhle ist bei einem typischen Pfeilschaft ungefähr 1 cm.

Eine Musketenkugel verursacht demgegenüber eine temporäre Wundhöhle von ungefähr 600 kubikcm. Die Wundhöhle hat gemittelt einen Durchmesser von 3 cm.

Während der Pfeil allenfalls Holzsplitter (und selbst dies nicht zwingend) abgibt und diese dann in der Wundhöhle sitzen, splittert die Bleikugel der Muskete in vielen Fällen und diese Splitter zerreißen weiteres Gewebe.

daher 4 behaupte ich per se, dass eine Verletzung durch ein Flintenlaufgeschoss immer viel schlimmer ist als eine Verletzung durch einen Pfeil.

Davon mal abgesehen muss der Gegner durch den Pfeil ja nicht sterben, kampfunfähig ist er für den Moment alle mal und das reichte meistens schon.

Durch den Treffer mit einer Musketenkugel ist man fast immer kampfunfähig. Durch einen Pfeiltreffer aber oft nicht. Gibt viele Beispiele, wo Kämpfer früher nach einem Treffer mit einem Pfeil noch weiterkämpften.
 
huski:



Da du also dich mit Verletzungen besser auskennst als ich, möchte ich dir folgende Aussagen von mir zur kritischen Überprüfung vorlegen:

1 glattrandige Wunden sind weniger schlimm als zerrissenes Gewebe

2 eine permanente Wundhöhle durch ein Geschoss ist weniger schlimm als ein Geschoss das eine permanente und eine temporäre Wundhöhe verursacht (weil die temporäre Wundhöhle viel mehr zerstörtes Gewebe und vor allem auch zerissenes Gewebe bedeutet)

3 Ein Pfeil von einem typischen Bogen mittleren Zuggewichts erzeugt eine Wundhöhle von ungefähr 30 kubikcm. Wenn man noch dazu bedenkt, dass die Entfernung des Pfeils bzw der Pfeilspitze weiter Gewebe zerstört, kommen dann insgesamt ungefähr 45 kubikcm zusammen. Der Durchmesser der Wundhöhle ist bei einem typischen Pfeilschaft ungefähr 1 cm.

Eine Musketenkugel verursacht demgegenüber eine temporäre Wundhöhle von ungefähr 600 kubikcm. Die Wundhöhle hat gemittelt einen Durchmesser von 3 cm.

Während der Pfeil allenfalls Holzsplitter (und selbst dies nicht zwingend) abgibt und diese dann in der Wundhöhle sitzen, splittert die Bleikugel der Muskete in vielen Fällen und diese Splitter zerreißen weiteres Gewebe.

daher 4 behaupte ich per se, dass eine Verletzung durch ein Flintenlaufgeschoss immer viel schlimmer ist als eine Verletzung durch einen Pfeil.



Durch den Treffer mit einer Musketenkugel ist man fast immer kampfunfähig. Durch einen Pfeiltreffer aber oft nicht. Gibt viele Beispiele, wo Kämpfer früher nach einem Treffer mit einem Pfeil noch weiterkämpften.
Das mag in der Theorie alles richtig sein, aber eben nicht in der Praxis.
Ein Pfeil der in einem Körper steckt stellt einen permanenten Fremdkörper von wesentlich größerem Volumen dar als eine Kugel.
Dann hängt die Schwere der Wunde von der Eindringtiefe ab und diese wiederum von der Entfernung des Schützen. Dann kommt noch die Position der Wunde hinzu. Es gibt Körperzonen (Kopf und Bauch) in denen beide Projektile mehr oder weniger unweigerlich zu einem raschen Tod noch auf dem Schlachtfeld führen, unabhängig von ihrem genauen individuellen Vernichtungspotential. Was du also anführst mag also durchaus wahrscheinlich sein ist aber eben situationsabhängig genau so wie bei den Schwerthieben wie du ja selbst gesagt hast.
Das mit glattrandig oder nicht ist übrigens ein Gütekriterium moderner Notfallchirugie und spielt in einer Zeit in der landläufig gesengt und gebrannt wurde sowie so nur eine untergeordnete Rolle.
 
huski:

Vielen Dank für deine Ausführungen ! Hochinteressant !

Gestatte mir bitte noch ein paar Fragen, wo ich doch endlich mal einen echten Fachmann hier habe:

Ein Pfeil der in einem Körper steckt stellt einen permanenten Fremdkörper von wesentlich größerem Volumen dar als eine Kugel

Aber die permanente Wundhöhle bei einem Pfeil (Fremdkörper hin oder her) hat nur einen Durchmesser von maximal 1 cm, während die permanente Wundhöhle der Kugel einen Durchmesser von gemittelt 3 cm hat.

Ob der Pfeil mit 8 mm Durchmesser da auch noch drin steckt ist doch gleich, oder?

Das mit glattrandig oder nicht ist übrigens ein Gütekriterium moderner Notfallchirugie und spielt in einer Zeit in der landläufig gesengt und gebrannt wurde sowie so nur eine untergeordnete Rolle.

Aber spielt das für die Heilung nicht doch eine wesentliche Rolle? Ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Pfeilwunde verheilt nicht insgesamt größer, als die Wahrscheinlichkeit dass eine Kugelwunde verheilt?

Nahmen nicht Amputationen in der Zeit, wo Feuerwaffen zunehmend das Schlachtfeld beherrschten drastisch zu? Und warum diese Zunahme?

Dann hängt die Schwere der Wunde von der Eindringtiefe ab und diese wiederum von der Entfernung des Schützen

Ist nicht aufgrund der viel größeren Energie einer Kugel die Eindringtiefe im Schnitt bei Kugeln aus Feuerwaffen immer viel größer als die eines Pfeils?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Guiskard:
Schön dass du mich für einen Fachmann hälst, der bin ich ehrlicherweise natürlich nicht. Zwischen einem Studenten der Medizin und einem langjährigen Notfallchirurgen liegen dann doch ein paar Jährchen der Erfahrung und des Wissens. Aber trotzdem will ich nach bestem Wissen antworten:
Zuerst einmal würde mich interessieren wie du auf die genauen Angaben zum Durchmesser der Wundhöhlen kommst? Sicherlich, die Durchmesser der Projektile lassen sich mitteln aber dann hast du auch schon verschiedene Zeiten, Waffensysteme etc. durch einander gebracht.
Was ich mit dem Fremdkörper "Pfeil" noch andeuten wollte;
steckt er tief genug im Fleisch lässt er sich nicht so einfach entfernen.
Ihn dennoch heraus zu reißen ist so ziemlich das Dümmste was man machen kann. Ihn stecken zu lassen sorgt aber (vor allem bei Bewegung) für höllische Schmerzen. Jeder, der schon mal einen Splitter im Fuß stecken hatte weiß das und jetzt potenzier dieses Gefühl mal locker um das hundertfache! Natürlich tut die Kugel auch weh, aber ihre Präsenz in der Wunde wird und kann gar nicht gleichermaßen stark wahrgenommen werden; dies ist ein Resultat der Fläche des Fremdkörpers die am umliegenden Gewebe reibt.
Jetzt noch mal zu den Wunden bzw. ihren Rändern selbst;
Bis ins 16.Jhd. kannte man in Mitteleuropa keine nennenswerten Nähtechniken für unterschiedliche Gewebe (Haut, Bindegewebe, Muskel, Gefäße etc.) was dazu führte, dass Wunden gleich welcher Form und Größe hauptsächlich ausgebrannt wurden und sogar mit Quecksilber und anderen Metallen ausgegossen wurden!:S Die Heilung solcherlei verarzteten Wunden hing also weniger von der ursprünglichen Wunde selbst ab, als vielmehr von dem durch die Behandlung zusätzlich entstandenen Schaden.
Was die Amputationen anbelangt, so vermute ich dass ihre Häufigkeit eben genau von dieser Komponente abhing. Eine erfolgreiche Amputation setzt zwei Dinge voraus; halbwegs garantierbare Sterilität und das Wissen um oben genannte Nähtechniken. Da diese jedoch erst recht spät aufkamen, sehe ich hier zumindest keinen direkten Zusammenhang mit dem Verschwinden des Pfeils von den Schlachtfeldern Europas, da dies primär früher und aus ganz anderen gründen stattfand.
Fazit: Ich möchte weder von einem Pfeil noch von einer neuzeitlichen Kugel getroffen werden; beides hatte je nach Lokalisation, tiefe der Wunde sowie den äußeren medizinischen Rahmenbedingungen keine sonderlich aufmunternde Prognose.
 
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Auch von meiner Seite besten Dank ! :winke:

Ich zitiere mal aus dieser Arbeit (Seite 122):

Außerdem hatte die saubere Schnittwunde ein
kleineres Wundgebiet als irregulär geformte Wundhöhlen mit zusätzlicher Gewebsquetschung und -
zerreißung. Daher sind das Ausmaß der Gewebsverletzung und die Blutungsgeschwindigkeit schlecht
vergleichbar mit Schusswunden. Dies wird gestützt durch längere Überlebenszeiten und längere
Latenzperioden bis zum Eintritt der Handlungsunfähigkeit beim Vergleich von Stichwunden und Schusswunden.

Ein interessanter Aspekt:

Wenn ein Pfeil an einer Stelle in das Abdomen eindrang, an der sich Darm befand, so
wurde der Darm in jedem Fall perforiert. Ohne chirurgische Therapie würde in solchen Fällen eine
Peritonitis folgen. Dieses Wissen veranlasste die amerikanischen Indianer und die japanischen
Samurai dazu, den Bauch des Feindes als bevorzugtes Ziel zu wählen.

Auch in der Völkerwanderungszeit und bei den Normannen wurde bevorzugt auf den Bauch geschossen.

Und noch ein wesentlicher Punkt, gerade im Kontext auf meine bisherigen Ausführungen:

Es zeigte sich, dass die für Schusswaffen etablierten Weichteilsimulanzien Gelatine
und Seife für die Reproduktion von Pfeilschussverletzungen ungeeignet sind.

Meine Aussagen bezüglich Wundhöhlen bezogen sich auf Experimente mit Gelatine Würfeln. Wenn solche Würfel ungeeignet sind, wie die Arbeit hier ausführt, dann sind die von mir genannten Werte irrelevant.

huski:

Zuerst einmal würde mich interessieren wie du auf die genauen Angaben zum Durchmesser der Wundhöhlen kommst?

Durch Tests die mit Seifenwürfeln gemacht wurden. Diese Tests sind anscheinend nicht aussagekräftig, wie diese vorzügliche Arbeit hier nun belegt.

Ich muß allerdings der Arbeit eine gewisse Schwäche in Bezug auf die Terminalballistischen Eigenschaften von Feuerwaffengeschossen und in Bezug auf die Wundballistik von Feuerwaffen vorwerfen. Hier vereinfacht diese Arbeit etwas, und verkennt die immensen Auswirkungen unterschiedlicher Geschossformen und Geschossgewichte bei Feuerwaffen Projektilen.
 
Diese Studie hatte ich mir auch schon einmal angesehen, als wir das Thema vom Vergleich Bogen gegen Feuerwaffe schon einmal durchdiskutiert hatten. Das ist ein Evergreen bei uns im Forum.

Dazu beitragen möchte ich nur, dass man bei der Wirkung von Feuerwaffen einen "Qualitätssprung" bei der Einführung gezogener Waffen berücksichtigen muss. Sowohl die Präzision wie auch die Wundwirkung sind wesentlich größer. Das wurde von Militärärtzten im 19. Jahrhundert bei der Einführung der Miniegewehre festgestellt und hervorgehoben. Dort wurden erstmals deutlich vergrößerte Wundkanäle und größere Austrittsöffnungen festgestellt. Der Grund war die deutlich größere Geschwindigkeit der Langgeschosse gegen die Rundkugeln aus glatten Läufen.

Trotzdem dürften m.M. nach auch die früheren glatten Feuerwaffen gefährlichere Wunden als Pfeil und Bogen verursacht haben.

In irgend einer anderen Diskussion zum Thema zitierte ich einen französischen Offizier der bei der Schlacht von Leipzig mit seiner Einheit von einer russischen Kalmückeneinheit angegriffen und mit Pfeilen beschossen wurde. Es gab wenige Treffer und diese verursachten zumeist nur weniger schwere Verletzungen. Es wurde von ihm mehr als kurioses Ärgernis als eine ernsthafte Bedrohung verzeichnet.

Ich war früher ein begeisterter Gewehrschütze und schiesse auch heute noch gerne mit Pfeil und Bogen. Das Gewehrschiessen ist deutlich einfacher und m.E. ist dieses der Hauptgrund für den Übergang vom Bogen zur Feuerwaffe. Dass die Wirkung größer ist, dürfte der zweite Grund sein, der z.B. dazu führt, dass Naturvölker die von der Jagd leben auch auf Gewehre umstiegen so bald sie es sich leisten konnten. Der Bogen hat nur dort länger bestand gehabt, wo er ein hohes Ansehen hatte und tief in dem selbstbewustsein der Kriegerkasten verankert war: Türkvölker, Indien, Ostasien.
 
In irgend einer anderen Diskussion zum Thema zitierte ich einen französischen Offizier der bei der Schlacht von Leipzig mit seiner Einheit von einer russischen Kalmückeneinheit angegriffen und mit Pfeilen beschossen wurde. Es gab wenige Treffer und diese verursachten zumeist nur weniger schwere Verletzungen. Es wurde von ihm mehr als kurioses Ärgernis als eine ernsthafte Bedrohung verzeichnet.
Dieses Beispiel ist der hiesigen Diskussion nicht ganz angemessen, auch wenn deine Intention sicherlich richtig ist.
Bögen während der napoleonischen Zeit waren allein schon aufgrund ihrer jahrzehntelangen Abwesenheit auf den Schlachtfeldern ein Kuriosum.
Die Feuerwaffen dieser Epoche hatten bereits eine Effektivität und vor allem Geschwindigkeit erreicht die dem Bogen ein gewaltiges Übergewicht entgegensetzte. Das sagt uns aber überhaupt nichts über die Situation im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit aus. Die Waffentechnische Überlegenheit war hier bei weitem nicht so groß wie in dem von dir beschriebenen Beispiel und trotzdem verschwand der Bogen zunehmend.
M.E.n. ist dies also weniger auf seine Effektivität als vor allem auf seine schlechtere Ökonomie zurück zuführen. Sicherlich liegt die Wahrheit dabei aber irgendwo in der Mitte. Nur, zu behaupten eine Pfeilwunde sei nicht viel mehr als ein "Kalmückenstich"=) spiegelt nunmal auch nicht ganz die Realität wieder. In der Behauptung jenes franz. Offiziers mag daher auch eine Form von unterschwelliger Herablassung über die unzeitgemäße und altmodische Bewaffnung des Feindes mitgeschwungen haben wenn er deren Wirkung so marginalisierte. Es bleibt dabei; auch ein Pfeil kann mehr als tödlich sein und schlimmer als tödlich geht ja wohl kaum oder habe ich da was verpasst?
 
Interessant ist diesem Zusammenhang auch Madhok et al. (2008) Penetrating arrow injuries in Western India. Injury, Int. J. Care Injured 36: 1045-1050 und die darin zitierten Arbeiten (u.a. auch eine Publikation mit Sudhues).

Madhok et al. weisen auch explizit auf die wichtige Rolle hin, die die Spitzenform auf das Ausmass der Verletzungen hat und vor allem der Blutungen hat. Das ist klar, wenn man z.B. japanische Spitzen anschaut. Ein Oberschenkeltreffer mit einem Togari-Ya hat eine sehr viel kleinere Wahrscheinlichkeit die Oberschenkelarterie zu durchtrennen als z.B. Karimata oder Watakusi. Das gilt natürlich auch entsprechend für Bodkin und Broadhead.

Ohne ärztliche Hilfe wäre die Mehrzahl der von Madhok et al. beschriebenen Patienten früher oder später gestorben.

@ Huski: Ich nhme an, dass Du als Mediziner die Arbeit bekommen kannst.

Falls sich jemand für die Publikation interessiert und keinen Zugang zu "Injury" hat, kann ich das PDF in einer PN schicken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bleiben wir also bei Handfeuerwaffen und der frühen Neuzeit.

Hier muß ich der Doktorarbeit einen Vorwurf machen: Der Vergleich in dieser Arbeit ist immer der zwischen Pfeilen und einem Pistolengeschoss, einer typischen Pistolenmunition, 9x19mm Parabellum, Vollmantel.

Eine solche Patrone erbringt aus einer modernen Polymerpistole eine Energie von ungefähr 500 Joule E0. Auf die Distanz von der wir sprechen hat das Geschoss noch eine Energie von ungefähr 400 Joule.

Eine frühe Muskete oder Arkebuse (Luntenschloß) hat demgegenüber eine Geschossenergie von 4000 Joule, also 10 mal so viel.

Noch darüber hinaus verkennt diese Doktorarbeit, dass ein Vollmantelgeschoss und eine Bleikugel (weich, splittert usw) sich im Ziel sehr verschieden verhalten.

Und noch darüber hinaus verkennt diese Doktorarbeit, dass eine Pistolenkugel gerade eben keine temporäre Wundhöhle verursacht! Eine Pistolenkugel hat aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit und ihrer geringeren Energie genau wie ein Pfeil nur eine permanente Wundhöhle.

Daher erscheint die Pistolenkugel im Vergleich zum Pfeil eben nicht so viel schlimmer zu sein in der Verletzungsleistung.

Aber: die frühneuzeitlichen Feuerwaffen hatten 10 mal so viel Geschossenergie wie eine moderne Pistolenkugel. Das Kaliber war nicht 9mm sondern 30mm. Und die frühen Musketen verursachten permanente und temporäre Wundhöhlen, im Gegensatz zu Pfeilen und Pistolen, die nur permenante Wundhöhlen verursachen.

Und beschließend noch ein entscheidendes Argument:

Bereits ein Kettenhemd mit Gambeson wehrt sehr zuverlässig fast alle Pfeile ab. Demgegenüber haben frühe Musketen eine extrem viel größere Durchschlagskraft gegen Rüstungen.
 
16. Jahrhundert Arkebuse ca. 14 mm
Caliver ca. 15-16 mm
Spanische Muskete ca. 22 mm
Charleville Muskete 17.5 mm
Brown Bess 19 mm
 
Bereits ein Kettenhemd mit Gambeson wehrt sehr zuverlässig fast alle Pfeile ab. Demgegenüber haben frühe Musketen eine extrem viel größere Durchschlagskraft gegen Rüstungen.

Auch das hängt wieder von der Entfernung ab.
Außerdem ermöglicht der Bogen indirekten Beschuss, eine Sachlage die nicht zu unterschätzen ist. Aber es geht mir ja nicht darum zu behaupten Bögen sein besser oder gleichwertig einer frühneuzeitlichen Feuerwaffe gegenüber;
ihre Effektivität jedoch ganz zu verkennen und runter zu spielen wie es hier teilweise getan wurde ist auch nicht passend.
 
Bleiben wir also bei Handfeuerwaffen und der frühen Neuzeit.

Hier muß ich der Doktorarbeit einen Vorwurf machen: Der Vergleich in dieser Arbeit ist immer der zwischen Pfeilen und einem Pistolengeschoss, einer typischen Pistolenmunition, 9x19mm Parabellum, Vollmantel.

Eine solche Patrone erbringt aus einer modernen Polymerpistole eine Energie von ungefähr 500 Joule E0. Auf die Distanz von der wir sprechen hat das Geschoss noch eine Energie von ungefähr 400 Joule.

Eine frühe Muskete oder Arkebuse (Luntenschloß) hat demgegenüber eine Geschossenergie von 4000 Joule, also 10 mal so viel.

Noch darüber hinaus verkennt diese Doktorarbeit, dass ein Vollmantelgeschoss und eine Bleikugel (weich, splittert usw) sich im Ziel sehr verschieden verhalten.

Und noch darüber hinaus verkennt diese Doktorarbeit, dass eine Pistolenkugel gerade eben keine temporäre Wundhöhle verursacht! Eine Pistolenkugel hat aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit und ihrer geringeren Energie genau wie ein Pfeil nur eine permanente Wundhöhle.

Daher erscheint die Pistolenkugel im Vergleich zum Pfeil eben nicht so viel schlimmer zu sein in der Verletzungsleistung.

Aber: die frühneuzeitlichen Feuerwaffen hatten 10 mal so viel Geschossenergie wie eine moderne Pistolenkugel. Das Kaliber war nicht 9mm sondern 30mm. Und die frühen Musketen verursachten permanente und temporäre Wundhöhlen, im Gegensatz zu Pfeilen und Pistolen, die nur permenante Wundhöhlen verursachen.

Und beschließend noch ein entscheidendes Argument:

Bereits ein Kettenhemd mit Gambeson wehrt sehr zuverlässig fast alle Pfeile ab. Demgegenüber haben frühe Musketen eine extrem viel größere Durchschlagskraft gegen Rüstungen.

Ich denke Du vereinfachst etwas. Musketen und Arkebusen sind nicht das Gleiche.

Die Arkebusen (zu deutsch Hakenbüchsen) konnten die verbesserten Panzer des 16. Jahrhunderts nicht, bzw. nicht zuverlässig durchschlagen, deshalb wurde die Muskete eingeführt, die ein größeres Kaliber und ein viel längeren Lauf aufwies (hat Ilhuicamina bereits angedeutet). 30 mm ist dabei das obere Ende des Kaliberspektrums und ist schon fast ein Doppelhaken, also das was später Wallbüchse genannt wurde und für den Feldgebrauch zu schwer war.
Diese Entwicklung kann man gut verfolgen und belegen, da z.B. in den gut dokumentierten Tercios, die Anzahl der Hakenbüchsen ab einen Punkt schnell abnahm und die der Musketen zunahm. Die Hakenbüchse koexistierte lange Zeit mit Langbogen und Armbrust, als sich jedoch die Muskete als Hauptwaffe durchsetzte, wurden beiden kaum noch genutzt.

Ich würde zudem gerne wissen, wo das mit den 4000 Joule Mündungsenergie herkommt. Die Zahl habe ich auch irgendwo gelesen, und nehme mal an, dass sie aus Tests mit Nachbildungen und heutigen Schwarzpulver herkommt. Die Mündungsenergie sagt aber nur bedingt etwas zum Effekt aus.

Die Bewegungsenergie setzt sich bekanntlich aus der Masse des Geschosses und dessen Geschwindigkeit zusammen. Bei heutigen industriellen Pulvern und Geschossen die mit Drall durch gezogene Läufe mit geringen Toleranzen mit hohen Geschwindigkeiten verschossen werden, wird diese Energie über eine weite Strecke beibehalten.
Früher ging jedoch ein Großteil der Energie durch hohes Spiel im Lauf (ballistischer Wind) und durch die ungünstige Form der Geschosse verloren. Die Geschosse hatten geringe Geschwindigkeiten auch im Vergleich zu moderner Pistolenmunition. 9 x 19 mm hat eine Mündungsgeschwindigkeit im überschallbereich, was m.W. keine traditionelle Schwarzpulverwaffe aufweist und auch die .45 ACP nicht hatte. Die Reichweite wird aber eher durch eine hohe Geschwindigkeit als durch eine große Mündungsenergie garantiert.
In meiner Heimatstadt wurde ein Kind durch eine 9 mm Pistolenkugel getötet die aus einer Schiessanlage in über Tausend Meter entfernung abgefeuert wurde. Solche Unfälle sind in Ländern, wo man aus Spaß in die Luft ballert, ziemlich häufig und gehen oft tödlich aus. Im 19 Jahrhundert war es dagegen noch üblich, neben den Verwundeten die Soldaten zu zählen, die Prellungen erhalten hatten, von Geschossen die den größten Teil der Energie verloren hatten. Auf über 500 Metern gab das noch einen ordentlichen Klatscher, nicht unbedingt jedoch eine Wunde.

Die Geschossenergie hat auch nicht unbedingt direkt mit der Durchschlagkraft zu tun: Einen Nagel aus Stahl kriegt man mit deutlich weniger Energie durch ein Brett als eine Bleikugel.

Dazu kam die unterschiedliche Qualität des Pulvers (die Bestandteile tendierten dazu sich zu trennen) und die Tatsache dass die Schützen dieses oft selbst und unterschiedlich dosierten. Ich wäre also vorsichtig mit der Behauptung, dass "die frühneuzeitlichen Feuerwaffen hatten 10 mal so viel Geschossenergie wie eine moderne Pistolenkugel." Das stimmt höchstens an der Gewehrmündung und auch dann nicht immer.

Ich weiss übrigens auch nicht, wo Du die Meinung her hast, eine 9 mm Parabellum würde keinen Temporären Wundkanal produzieren. Der mag zwar nicht so groß sein wie bei anderen modernen Kalibern er ist aber auf jeden Fall vorhanden: http://intrencik.com/357sig_files/Handgun_gel_comparison.jpg
 
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