Englische Langbogen

muheijo:

Ich las hier und/oder anderswo immer nur von "jahrelangem Training" ... und bin deshalb etwas ueberrascht.
Im kindlichen Selbstversuch ging das mit dem Bogenschiessen jedenfalls nicht so einfach.
Und die Frage "wie gut" ist ja existentiell, es nuetzt nichts, Pfeile abzuschiessen, die nicht weit genug fliegen oder zu wenig Power haben.

Um einen Bogen in einer Schlacht ausreichend gut einzusetzen ist natürlich Training erforderlich. Aber es ist ebenfalls Training erforderlich, um eine Muskete in einer Schlacht ausreichend gut einzusetzen.

In einer Schlacht hat man mit Bögen meistens nicht gezielt geschossen, sondern im ballistischen Schuß einen Pfeilhagel abgesandt, der eine bestimmte Fläche zum Ziel hatte (in der sich die feindliche Einheit befand). Dieser Pfeilhagel hatte eine gewisse Streuung.

Das primäre Problem war daher nicht das Zielen und Treffen, sondern nur die notwendige Körperkraft um den Bogen zu spannen. Erfahrenere Schützen konnten dann als Multiplikatoren dienen, in dem die weniger erfahrenen die Bögen auf die gleiche Weise ausrichteten (also den gleichen Winkel einnahmen). Die notwendige Körperkraft um einen ausreichend starken Bogen zu spannen und abzufeuern kann man aber innerhalb einiger Monate sich antrainieren.

In der gleichen Zeit kann man auch trainieren, eine Muskete möglichst schnell und synchron zu laden und abzufeuern. Die Kadenz bei den Feuerwaffen durch Training Unfallfrei ! zu erhöhen war für die Verwendung dieser Waffe in der Schlacht absolut entscheidend und sehr trainingsintensiv.
 
muheijo:
Die notwendige Körperkraft um einen ausreichend starken Bogen zu spannen und abzufeuern kann man aber innerhalb einiger Monate sich antrainieren.

Das stimmt, ist aber dennoch irreführend.

Die Muskeln sind beim Bogenschießen nicht das Problem -
das Problem sind Sehnen und Bänder, die sich viel viel langsamer an die Belastung anpassen als die Muskeln.

ich könnte sehr wohl in einem Jahr die Muskelkraft aufbringen einen 125# Bogen zu schießen, aber ich könnte nicht mehr als ein paar Schuss lassen bevor mir mein Arm unendlich weh tut, die Schulter ebenso. Das braucht Zeit, und jahre des Trainings mit immer schwereren Bögen.

Ein Bogenschütze, der über einige Stunden kämpfen soll, der ist nicht in wenigen wochen oder Monaten trainiert.

Ob es, wenn man die Schmerzen und Verletzungen in kauf näme - überhaupt möglich ist kräftige Männer in kurzer Zeit zu Warbowschützen zu machen wäre interessant zu wissen. mmn geht es nicht.

Eine Muskete muss man, körperlich gesehen ja nur heben können, geschossen wurde meines Wissens mit einer art ständer oder aufgelegt auf die Deckung.
Alle weitere ist drill und übung, da reißen keine Bänder und da zerrt man sich auch nichts ohne training.
Von daher stimmt die these mmn weiterhin, das einem mann in ein paar wochen sehr wohl das laden und schießen einer Muskete bezubringen ist - aber niemals das schießen mit einem schweren englischen Langbogen.

Da ich aber nie muskete geschossen habe - kann ich die gefährlichkeit und schwierigkeit des Systems nicht einschätzen...
ist das wirklich so krass? bei den reenactern siehts eigentlich meist ganz easy aus, aber evtl nutzen die auch modernere Pulvermischungen oder sowas...

gruß Corto
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, den Rückstoß einer Muskete abzufangen, lernt man in 2 Monaten, ist auch nicht sooo viel mehr als eim G3
Nen Warbow schießen, ohne Schmerzen, da muß man sich langsam rantasten, und trotzedem führt das im Alter vo 40+ zu Artrosen im Schultergürtel.

Corto und ich kennen aus dem Netz etliche, die zu heftig ran gegangen sind, und Ende im Gelände. Die Knochen , Sehnen und Bänder waren entzündet, halbes Jahr Pause und wieder bei 40# anfangen.

Also so von null auf 60# dauert ~ 2 Jahre, und dann nochmal 5 bis Du mühsam auf 100# bist. 125# sind dann schon was für Ausnahmeathleten
 
@ Robert Guiscard: "Das gleiche im Fernen Osten, wo die Bogenschützen der Mandschu (deren Leistungen die der englischen Langbogenschützen noch übertrafen) trotz all ihrem Können in Feldschlachten vor der Artillerie der Ming und ziemlich kleinen Einheiten portugiesischer und von diesen geschulter chinesischer Musketiere weichen mussten. Erst die Schaffung einer eigenen mandschurischen Feldartillerie, und der Innere Verfall der Ming brachten den Bogenschützen der Mandschu dann den Sieg."


Kannst Du mir die Quellen zu dem Einsatz portugiesischer Musketiere auf Seite der Ming gegen die Mandschu (unter Nurhaci?) nennen? Ich habe da trotz längerer Suche nichts gefunden.
 
corto/Wilfried:

Wieviele Langbogenschützen schossen damals tatsächlich mit 125 Pfund Bögen?

Meiner Meinung nach werden die Bögen von der Zugkraft im Schnitt her überschätzt. Die hatten damals im Schnitt (also im Durchschnitt über alle Schützen) meiner Meinung nach keine 125 Pfund.

Bei den Mandschu wo die Zuggewichte der Kriegsbögen akkurat und bürokratisch erfasst wurden, schoß man im Durchschnitt im Kriegseinsatz Bögen mit viel geringeren Zuggewichten.

These: Meiner Meinung nach verwendeten damals nur wenige englische Schützen im Krieg Bögen mit 125 Pfund oder mehr.

Also, den Rückstoß einer Muskete abzufangen, lernt man in 2 Monaten,
Für den Rückstoß braucht man höchstens einen Tag. Der Rückstoß ist bei allen alten Schwarzpulverwaffen gar kein Problem, der kommt bei der Verwendung von Schwarzpulver wie es damals in Gebrauch war sehr schiebend und ist problemlos abfangbar.

Wofür man Monate braucht sind die Ladedrills, um die Lade- und Feuergeschwindigkeit ausreichend hoch zu bringen.

Ein Anfänger ist mit einer Arkebuse oder Muskete derart langsam beim Schießen, dass er einfach aufgrund seiner niedrigen Kadenz nur einen geringen Gefechtswert hat.

Also so von null auf 60# dauert ~ 2 Jahre
Ich bin in ca 1 Jahr auf 60 gekommen. Der Einstieg war ein Sportbogen mit 38, den konnte ich sofort so lange schießen wie ich wollte, ohne das mir die Arme oder Schultern abgefallen wären. Und obwohl ich seit vielen jahren (aber zu unregelmäßig) schieße, bin ich bei 50 bis 60 hängen geblieben, ich habe noch nie 100 überhaupt ausziehen können (geschweige denn 125).

Meiner Meinung nach haben damals nur wenige Schützen Bögen mit so hohen Zuggewichten schießen können.


Die Frage ist: Waren so hohe Zuggewichte überhaupt notwendig für den militärischen Einsatz des Bogens? Reichte ein Zuggewicht von um die 60 für die Verwendung in der Schlacht nicht völlig aus?



Ilhuicamina:

Hab im Moment meine Bücher nicht vorliegen (reich ich in Kürze nach) und im Internet finde ich grade auch nichts. Aus dem Kopf heraus: Nurhaci ist zu früh. Erst in den letzten Jahren der Ming dienten Portugisische Söldner in chinesischen Diensten gegen die Mandschu unter Hong Taiji und in den ersten Jahren von Shunzi. So wurde beispielsweise die letzte Hauptstadt der Ming im Süden, Kweilin durch Portugisische Truppen gegen die Mandschu verteidigt. Danach wandten sich die Portugiesen den Mandschu zu und wandten sich von den ins Grenzgebiet von Burma fliehenden Resten der Ming ab.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Robert Guiskard

"Erst in den letzten Jahren der Ming dienten Portugisische Söldner in chinesischen Diensten gegen die Mandschu unter Hong Taiji und in den ersten Jahren von Shunzi. So wurde beispielsweise die letzte Hauptstadt der Ming im Süden, Kweilin durch Portugisische Truppen gegen die Mandschu verteidigt."

Ich nehme an, das stammt aus "Late Imperial Chinese Armies 1520-1840", von C.J. Peers, Osprey Publishing? Dort wird die Bereitstellung von 300 port. Arkebusieren für die Verteidigung von Kweilin beschrieben. Ist dieser Osprey-Band auch die Quelle für diese Behauptung?

"Bezüglich der 8 Banner kann ich dir durchaus versichern, dass trotz aller Betonung des Mandschurischen Weges selbst in den 8 Mandschu Bannern sich im Kriegsgebrauch schon sehr früh die Feuerwaffen durchsetzten."
 
Hallo
Robert Guiskard,

schau mal auf die Homepage [MOD]bitte keine Werbung im Forum, siehe Regeln[/MOD]
dort speziell auf die Artikel über Warbows und Wararrows,
die Kriegspfeile hatten in der Regel ein Gewicht von 800 Grains, etliche hatten ein Gewicht von bis zu 1500 Grains.
Für diese Pfeilgewichte reicht ein Bogen mit 60 lbs. Zuggewicht dann nicht aus , um auf mindestens 240 yards, wie beim traditionellen Cloutschiessen gefordert zu kommen.
Ich kann Die nur empfehlen, dich mal auf der obengenannten Seite zu informieren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin in ca 1 Jahr auf 60 gekommen. Der Einstieg war ein Sportbogen mit 38, den konnte ich sofort so lange schießen wie ich wollte, ohne das mir die Arme oder Schultern abgefallen wären. Und obwohl ich seit vielen jahren (aber zu unregelmäßig) schieße, bin ich bei 50 bis 60 hängen geblieben, ich habe noch nie 100 überhaupt ausziehen können (geschweige denn 125).

Meiner Meinung nach haben damals nur wenige Schützen Bögen mit so hohen Zuggewichten schießen können.
Das kann überhaupt kein Argument sein, denn das ist eine subjektive Erfahrung. Wenn mir jetzt 100 Leute genau von derselben oder ähnlichen Erfahrung berichten würden, könnte man vielleicht(!) eine statistische Evaluierung vornehmen, aber bei einer Person?
Ich kann ja auch schon die Gegendarstellung bringen: bin eigentlich kein Bogenschütze, wurde aber durch Freunde mal mitgenommen. Ich habe innerhalb weniger Übungsstunden den 50er gezogen. Das war natürlich noch immer etwas von "souverän" entfernt, aber ich hätte in einem ganzen Jahr locker einen wesentlich stärkeren Bogen ziehen können, vor allem, wenn ich es konsequent trainiert hätte. Von daher, steht da eine Aussage gegen die andere...
Zu guter Letzt möchte ich noch in die Waagschale werfen, dass es im Inet Dutzende von Videos von Schützen mit sehr starkem Zug gibt, die alles andere als Hulk Hogan sind und sogar in der Lage sind diese Bögen über einen längeren Zeitraum zu halten. Es ist also mehr als möglich, solche Kräfte zu beherrschen.

Also nix für Ungut, aber deine persönliche Erfahrung können kein Grundstein für die Zweifel an einer militärischen Waffe sein.
 
Mein Verweis auf eine Homepage war keine Werbung für irgendein Bogengeschäft oder Versandhandel. Es handelt sich hier um die Homepage der Fraternity of St.George 1509, einer historischen englischen Vereinigung von Langbogenschützen, die sich um die Forschung und Aufarbeitung des historischen Langbogenschiessens sehr verdient gemacht haben.
Die dort aufgeführten Artikel sind für diesen Thread äußerst aufschlussreich und kommen aus erster Hand. Worin der MOD hier Werbung sieht, kann ich jetzt auf Anhieb nicht erkennen.(Vielleicht ne' kleine PN zur Aufklärung ?)
 
Duxallemannorum, wo steht das mit der Mindestschußentfernung von 240yard ~219m ?
Vorallem für 1500gr. Pfeile?
Es ist bisher noch meines Wissens keinem gelungen, mit 10 grain per pound und einem Selfbow die 200m Marke zu knacken, und 1500 gr , da wäre dafür ein 150lbs Bogen nötig.
219 m entsprächen in etwa auch 219 fps als Vo, und die sind auch rechnerisch mit 10grpp nicht zu machen.

Bei 800gr~=51g sieht das schon anders aus, ist aber auch nicht einfach. Vorallem , weil der Handschock die Zähne klappern lässt.

Mach mal 160 yard aus den 240, dann glaube ich, das das viele geschafft haben
 
These: Meiner Meinung nach verwendeten damals nur wenige englische Schützen im Krieg Bögen mit 125 Pfund oder mehr.

Für den Rückstoß braucht man höchstens einen Tag. Der Rückstoß ist bei allen alten Schwarzpulverwaffen gar kein Problem, der kommt bei der Verwendung von Schwarzpulver wie es damals in Gebrauch war sehr schiebend und ist problemlos abfangbar.

Wofür man Monate braucht sind die Ladedrills, um die Lade- und Feuergeschwindigkeit ausreichend hoch zu bringen.

Ein Anfänger ist mit einer Arkebuse oder Muskete derart langsam beim Schießen, dass er einfach aufgrund seiner niedrigen Kadenz nur einen geringen Gefechtswert hat.
Ich denke, das Hauptproblem bei der Ausbildung eines Musketenschützen war anschließend die Bewegung in einer Einheit. Das Erlernen der Technik des Ladens, egal ob Luntenschloss oder Steinschloss, ist ja relativ simpel. Geschwindes Chargieren bekomme ich, zumindest beim Steinschloss, auch recht rasch vermittelt. Das Hauptproblem in dem Zusammenhang ist dann das Laden etc. in einer dicht gedrängten Formation, freilich ein Aspekt, der nicht unbedingt für die Zeit des Übergangs von Armbrust/Langbogen auf Muskete von Relevanz ist. Viele Kommandos noch im 17.Jh. (sogar im 18.Jh.) erforderten einigen Bewegungsspielraum für den Schützen. Wirklich kompliziert wird es dann mit schwierigen Schwenks, einer Menge weiterer Griffe, Drehungen auf der Stelle usw.. Da wir aus der frühen Zeit noch keine akribischen Reglements haben, müssen wir da aber auch ein bisschen spekulieren, wie das Pensum beim Drill der Musketenschützen aussah.
 
Hallo Wilfried,
diese Angaben kannst der Seite der Fraternity of St.George 1509 entnehmen ( die Adresse wurde leider als "Werbung entfernt), schick mir eine PN, dann kann ich Sie Dir mitteilen.
Dort speziell über die Angaben zu Warbows und Wararrows.
Übrigens bei einem wirklich gut gebauten Longbow mit Wurfarmenden, die sehr schmal gefertigt wurden, gibt es kaum Handschock ( dazu die "Bibel des Traditionellen Bogenbaus" Bd. I-IV).
 
naja, kaum ist relativ und die Fraternity ist bekannt....
Auch die TBB liegt vor. stimmen kanns trotzdem nicht, da ist die Physik nun mal dagegen.
Kaum Handschock/keinen spürbaren Handschock haben eigentlich nur asymmetrische Bögen, wollte ich früher auch nicht glauben, ist aber so . Das hat was mit Schwingungslehre zu tun.

Und ein Bogen, Selfbow, der deutlich unter 10 grpp geschossen wird, lebt nicht lange.
Cloutschießen über 200 yard ist "Flightschießen" und die Jungs haben da was verwechselt
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry, hier nach so langer Zeit wieder zu posten, aber es stand noch eine Frage offen.

Die Schußweite (220 yards, nicht 240) ergibt sich aus einer Vorschrift von Heinrich VIII. aus dem Jahre 1542 zum Training von Bogenschützen, die besagt, daß Personen über 24 Jahren mit Kriegsbögen nicht auf Ziele unterhalb von 220 yards schießen sollen.

Anhand der gefundenen Pfeilspitzen muß man von Pfeilgewichten um die 100 g ausgehen und kombiniert mit den berichteten Schußweiten von Bogenstärken von 120 bis 170 lbs. Das paßt gut mit den Rekonstruktionen der Mary Rose Bögen zusammen. So wie ich das sehe, wird die alte Ansicht, deren Zugstärken lägen so bei 80 lbs, kaum noch vertreten.
 
Wieviele Bodkins wurden denn gefunden? Und wie hoch war deren Gewicht?

denn der Rückschluss ist doch kaum möglich, wenn nur sehr wenige Bodkins gefunden wurden, von denen man nicht einmal weis ob es nicht auch Armbrust Spitzen waren.

Die Mary Rose ist als Flaggschiff mit 30 kanonen auch nicht unbedingt repräsentativ für den durchschnittlichen Langbogen.

http://margo.student.utwente.nl/sagi/artikel/longbow/longbow.html schrieb:
The Mary Rose weapons were arsenal issues meant to suit the tallest men in service. Shorter men would cut their weapons down to suit their height and arm length. This point is supported by Roger Ascham's treatise on Archery, Toxophilus, published in 1545.

ich finde die Vorstellung das >140 lbs Bögen bei den Vorzeigetruppen und Berufssoldaten "normal" waren recht plausibel.

Aber das Bogenschießen einmal die Woche nach dem Kirchgang reicht dazu nicht ganz aus, wie ich aus eigener Erfahrung weis ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben