Entwicklung der Indianer und das Empire

T.Q. Flamininus

Neues Mitglied
Moin Moin Leute,

ich beschäftige mich grad mit dem Thema "Amerika im 18. Jhd." und bin dabei an folgender Fragestellung hängen geblieben:

"Warum interessierten man sich im Empire des 18. Jhd. für die Entwicklung der Indianer?"

Als erstes kamen mir natürlich Sachen wie Landnutzung (bzw. Land-Vergrößerung), Pelzhandel, Arbeitskräfte und "menschlicher Schutzwall gegen die Franzosen" in den Kopf. Aber igrendwie kommen mir die Gründe ein wenig zu "banal" vor. Habt Ihr vielleicht einen Denkanstoß für mich den ich nicht bedacht habe?

Schöne Grüße
Patrick
 
An der Frage irritieren mich die Worte "Interesse" und "Entwicklung" und zwar aufgrund folgenden Zusammenhanges:
[...] Seit Beginn der europäischen Kolonisation wurden Anstrengungen unternommen, die indigenen Gesellschaften zu verwalten und sie durch Disziplin, Arbeit und Umerziehung in Gesellschaftsformen europäischer Prägung umzuwandeln. Man glaubte an die Nützlichkeit der Indianer als Diener und Arbeiter für die Siedler, sofern man ihnen Respekt und Gehorsam gegenüber europäischem Recht und europäischen Staatsmännern beibringen könnte. Als Ausdruck dieser Politik ist die Schaffung von "Reservaten" durch die meisten britischen Kolonien zu sehen. Indianer durften Reservats*land nur nach den von den Kolonialregierungen geschaffenen Regeln und mit Zustimmung des für sie ernannten Vormundes benutzen. Zwar wurden ihnen eigene Häuptlinge und Ratsversammlungen zugestanden, die aber üblicherweise entweder von den britischen Kolonien ernannt oder aber zumindest bestätigt werden mußten. [...]
Im 19. Jahrhundert bestanden die Ziele der US-Politik einerseits im Gewinn indianischen Landes und andererseits darin, Indianer zu überreden, entweder "zivilisiertes" Verhalten anzunehmen oder weiter nach Westen auszuweichen, weg von den bestehenden Siedlungen. Mit dem Erstarken der US-Wirtschaft und der Zunahme der Bevölkerung mußten die Indianer bei ihren Verträgen immer größere Zugeständnisse machen, bis schließlich der Kongreß 1871 dem Präsidenten anordnete, keine weiteren Verträge mit Indianern abzuschließen. Der Kongreß beanspruchte fortan das "Recht", indianische Nationen mit oder ohne deren Zustimmung zu verwalten. Ab 1880 begannen die Vereinigten Staaten auf Indianerland neue Dinge einzuführen: Rechtsnormen, Gerichte, Polizei und Einzelbesitz von Land. So entstanden aus eigenständigen Nationen die "Reservate" von heute. Indianerland wurde nach und nach der weißen Bevölkerung geöffnet und Indianerkinder gezwungen, bestimmte Schulen zu besuchen. Anstatt seinen spezifischen Ver*tragsverpflichtungen nachzukommen, begann der Kongreß alle Indianer "gleich" zu behandeln. [...]
http://www.arbeitskreis-indianer.at/Deutsch/hintergrundinfos/politsit.html
Ein Interesse an Entwicklung wäre dann so zu verstehen, daß aus wirtschaftlichen Gründe ein Entwicklungspotential notwendigerweise unterstellt werden mußte mit Blick auf die Erziehbarkeit zur Unterwerfung. Das kann man nicht wirklich als banal bezeichnen, wenn man bedenkt, daß die Unterdrückung einer historischen Realität entsprach.
 
Hallo Muspilli,
so meinte ich das "banal" natürlich auch nicht. Wollte damit nicht die Geschichte der Indianer herunterspielen oder als "nicht so schlimm" darstellen. Hätte man aber die amerikanischen Ureinwohner (finde ich schöner) durch diese "Umerziehung", Anpassung und Eingliederung in die europäischen Gesellschaftsformen nicht damit den arbeitenden Europäern quasi gleichgesetzt? Oder ist das jetzt ein wenig zu hoch gegriffen?

Den Punkt zum Thema "Interesse an der Entwicklung" hatte ich auch eher auf Europa bezogen und nicht auf die in Amerika lebenden Europäer. Hatte man innerhalb von Europa überhaupt ein Interesse an den Ureinwohnern? Ich hatte gelesen, dass diese von der englischen Presse einerseits als "satanische Wesen" (zwar etwas überspitzt aber so stand es in einem Buch) und andererseits aber als "normale Menschen" (fast wie Europäer) dargestellt wurden. Aber warum wollte man ein so verzerrtes und polarisierendes Bild von den Ureinwohnern schaffen?

Schöne Grüße
Patrick
 
Es gab auch in der Frühen Neuzeit konkurrierende Sichtweise auf die amerikanischen Ureinwohner. Das ging vom verlorenen 13. Stamm Israels (eine Harmonisierung der Existenz von Menschen außerhalb der Alten Welt mit den Vorgaben der Bibel) über (proto)rassistische Konzepte vom Edlen oder im gegenteil Barbarischen Wilden bis hin zu der Frage, ob es sich überhaupt um Menschen handele. Und wenn, ob diese über das sittliche Niveau von Kleinkindern hinauskämen. Eine einheitliche Sichtweise gab es nie. Sichtweisen, welche die Indianer als gleichwertige Menschen sahen, waren selten, aber auch die gab es.
 
Wir reden hier vom 18. Jahrhundert und den Briten, nicht vom 19. und den Amerikanern. Falls du der Meinung bist, dass das im Großen und Ganzen dasselbe ist: falsch!

Für die Briten waren die Stämme Machtfaktor in der Auseinandersetzung mit den Franzosen, später aber auch mit den europäischen Siedlern/Amerikanern. Im ganzen 18. Jahrhundert war Britannien in Europa gebunden (Franzosen, Preussen, wieder Franzosen), hatte kaum Truppen in den Amerikas und brauchte Verbündete.

Im 18. Jahrhundert waren die Stämme noch echte Machtfaktoren. Briten und Franzosen buhlten etwa um die Iroquois Confederacy, ein zu dem Zeitpunkt schon zweihundert Jahre bestehendes Bündnis der Mohawk, Seneca, Cayuga, Onondaga und Oneida. Bis dahin eher den schwächeren, toleranteren Franzosen zugeneigt, verbündeten sich die Iroqois während der Kämpfe des 18. Jahrhunderts zwischen UK und F, so auch im Sieben-jährigen Krieges (Friedrich der Große und so) mit den Briten.

Später dann: Einer der Gründe für die Amerikanische Revolution war der Versuch der Briten, die europäischen Siedler an der Ostküste zu halten. Hierzu wurde 1763 die "Proclamation Line" zwischen der Regierung König Georges V. und den Stämmen unter dem Ottawa-Führer Pontiac ausgehandelt. Dies Linie läuft entlang der Ostküstenstaaten von Massachusetts bis Georgia. George versprach Pontiac also den Besitz von etwa 95% der Fläche der heutigen USA.

Dafür ein paar Gründe:
- Kontrolle der europäischen Siedler!!! (nicht der Indianer) durch London
- Vermeidung teurer Kriege im Westen mit den Stämmen wegen landhungriger Europäer
- Konzentration der Europäer im Osten, um dort lebensfähige Regionen zu schaffen
- Monopolisierung des Handels mit Land und Pelzen zwischen den Stämmen und England (und nicht den Siedlern)

London hatte also ein massives politisches und wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung der Indianer. Die amerikanische Revolution hat die britischen Bemühungen um - tja wie nenn ich´s - eine Art indisches Indianerland zunichte gemacht.

Wieder später: Noch während der Napoleonischen Kriege suchten Tenskwatawa und sein Bruder Tecumseh das Bündnis mit den Briten gegen die Amerikaner. Ihr Krieg scheiterte.

Im Krieg von 1812 zwischen den Briten und den jungen USA halfen die Stämme den Briten, Toronto (damals noch York) von den Anerikanern zurück zu erobern und stürmten sogar Fort Dearborne bei Chikago. Merke: die Briten hatten damals mit Napoleon in Europa genug zu tun. Die Briten konnten Kanada halten, was auch den Stämmen zu Gute kam.

Alles in allem: für die Briten waren die o.a. zivilisatorischen Gründe schlicht nicht wichtig. Das waren Themen für Damenkränzchen.

(Quelle: Alan Brinkley, An American History - A Survey. )
 
Zuletzt bearbeitet:
Da möchte ich Steffen04 beipflichten, bis auf eine Ausnahme.

Die amerikanische Revolution hat zu mindestens auf dem Gebiet der 13 Kolonien und der angrenzenden offenen Frontiers die britische "Indianerpolitik" faktisch beendet. Die spätere "Idianerpolitik" der USA kann da nicht "zurück extrapoliert" werden.

Die Ausnahme => Allerdings war der zivilisatorische Impetus nicht nur etwas für "Damenkränzchen" sondern durchaus philosophiegeschichtlicher Hintergrund von realer Politik in der Aufklärung aber, und besonders auch, auch im "langen Jahrhundert". (Vergl.: Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 1173ff.)

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hey danke Steffen 04,
das klingt ja echt super (für mich), nur schade das es genau das Buch nicht in meiner Uni gibt -_- So ein Mist^^
 
Fernleihe kostet normalerweise so um die 1,50 €. Sicher gibt es auch Alternativen, auf die du zurückgreifen kannst.
 
Fernleihe kostet normalerweise so um die 1,50 €. Sicher gibt es auch Alternativen, auf die du zurückgreifen kannst.

Das ist eine gute Idee, dauert aber leider zu lange (bzw. ich bin mal wieder zu spät dran aus reiner Zeit-Fehlplanung ;-)
Ich muss wohl ohne das Buch auskommen, habt ihr vielleicht ähnliche Literatur-Vorschläge? Will jetzt auch nicht rüberkommen als wenn ich nichts selber suchen kann, bin nur eigentlich aus einem anderen Wissenschaftszweig (Geographie und habe Geschichte als Nebenfach), daher meine bescheidenen Fragen :)
 
p.s. Diese Bücher habe ich bis jetzt:

1 Savages within the empire: representations of American Indians
2 Transatlantic encounters: American Indians in Britain, 1500 - 1
3 Tribe, race, history: native Americans in southern New England,
4 Native people of southern New England, 1650 - 1775 / by Kathlee
5 The Native Americans / Elizabeth Glenn and Stewart Rafert
6 Making war and minting Christians: masculinity, religion, and c
7 Indians and British outposts in eighteenth-century America / Da
8 English letters and Indian literacies: reading, writing, and Ne
9 Big Chief Elizabeth: how England's adventurers gambled and won
10 Tears of repentance: Christian Indian identity and community in
11 Die >Wilden< und die >Zivilisierten<: Grundzuege einer Geistes-
12 Die Indianer Nordamerikas / Theda Perdue; Michael D. Green. Aus
13 Die Geschichte der Indianer Nordamerikas / [Uebers.: Margot Wil
14 Wagenspur nach Westen: das Abenteuer der Besiedelung Nordamerik
15 The French and Indian War: a complete chronology / Bud Hannings




Sorry das einige abgehackt sind, unsere tolle Bibliothek zeigt die ausgeliehene immer so an^^
 
Das ist eine gute Idee, dauert aber leider zu lange (bzw. ich bin mal wieder zu spät dran aus reiner Zeit-Fehlplanung ;-)
Ich muss wohl ohne das Buch auskommen, habt ihr vielleicht ähnliche Literatur-Vorschläge?

Für den Einstieg:

Indians and the American Revolution

Pulfer: The administration of British policy to the Indians in the northern district of North America 1760 - 1783
eCommons - The administration of British policy to the Indians in the northern district of North America 1760 - 1783
 
Zurück
Oben