Entwicklung zum Urmenschen (sachlich)

Ich habe gerade diesen Artikel gefunden:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,404748,00.html

Dabei fand ich die Aussage über den Handballengang der Betroffenen interessant. Dabei würden die Finger für feinere Tätigkeiten geschützt.
Sollte dieser Gendefekt tatsächlich auf die urzeitliche Fortbewegung (vor dem aufrechten Gang) hinweisen, müssen die Menschen aber doch schon Fingerfertigkeiten besessen haben, die schützenswert waren.
Ist jetzt etwas unausgegoren:
Von Kleinkindern weiss man, dass feinmotorische Fähigkeiten und Spracherwerb zusammenhängen. Hängt damit auch Intelligenzbildung zusammen?
 
Penseo schrieb:
...Sollte dieser Gendefekt tatsächlich auf die urzeitliche Fortbewegung (vor dem aufrechten Gang) hinweisen, müssen die Menschen aber doch schon Fingerfertigkeiten besessen haben, die schützenswert waren.
...

ich glaube nicht an ein zurückfallen in die zeit vor dem aufrechten gang. aus einem auto, welches fehlerhaft zusammen gebaut wurde, wird auch kein pferdefuhrwerk, auch wenn man es dann mit pferden ziehen könnte. möglich wäre vielleicht ein stehen geblieben sein im 'krabbelalter'. auch stimmt ja wohl die 'programmierung' der feinmotorik der hände, die bei vierfüßer-vorfahren sicher noch anders war.
 
Penseo schrieb:
Hängt damit auch Intelligenzbildung zusammen?
Mehr oder minder indirekt. Wie ein Muskel durch Gebrauch zunimmt oder Nichtgebrauch verkümmert wird durch die Feinmotorik die Vernetzung der Synapsen angeregt, und das nicht nur auf dem Gebiet der Sprache. Eine gut ausgebildete Feinmotorik fördert also zumindest erstmal das Lernvermögen. Da Intelligenz (nach meiner Meinung) aber nicht wie uns "Wer wird Millionär" suggerieren will das reine Lernvermögen ist, sondern die Fähigkeit, Gelerntes kreativ umzusetzen, reicht das nicht. Allerdings besteht meines Wissens auch ein Zusammenhang zwischen Kreativität und dem Grundvermögen der Synapsenvernetzung, die da sozusagen "ungerichtet" stattfindet und nicht "gerichtet" wie beim (Fakten-)Lernen. Ergo: Feinmotorik fördert zumindest mittelbar auch Kreativität und damit Intelligenz.
Theorie dazu: Rudolf Steiner, diverse pädagogische Schriften, uralt, verstaubt, sauschwer zu lesen, aber vom pädagogisch-anthropologischen Grundgedanken interessant.

Bye
Suedwester, Hardcore-Waldi :pfeif:
 
clemens schrieb:
ich glaube nicht an ein zurückfallen in die Zeit vor dem aufrechten gang.
Wenn man der These von der "Rückmutation" folgt, hieße das, dass der aufrechte Gang sich nicht über die Anatomie, sondern über das Bewusstsein entwickelt hätte; das Becken der Betroffenen hat sich ja nicht verändert.

Also teile ich Clemens' Skepsis (und warte auf weitere interessante Mitteilungen der Wissenschaftler)
 
Klaus schrieb:
dass der aufrechte Gang sich nicht über die Anatomie, sondern über das Bewusstsein entwickelt hätte
Hmmm ... ohne dass jetzt länger ausbreiten zu wollen ... es gibt da ein nettes Goethe-Zitat (bei Bedarf finde ich es), welches besagt, daß der Mensch gegenüber dem Tiere den Vorteil hat, nicht nur durch seine Organe belehrt zu werden (heißt, zu dem fähig zu sein, was seine Organe ihm anbieten), sondern auch seine Organe belehren zu können (heißt seinen Körper seinem Willen anzupassen). Neulich ging zu diesem Thema eine Pressenachricht durch das Forum, daß irgendwer herausgefunden hätte, daß sich die Entwicklung des menschlichen kleinen Zehs in Abhängigkeit vom Tragen von Schuhwerk (im weitesten Sinne) vollzogen hätte. Mir klingt das logisch - ein Organ, das nicht gebraucht wird, verkümmert. Eines das verstärkt gebraucht wird, entwickelt sich. Langfristig gesehen nennt man sowas dann Evolution. Damit scheint mir die Aussage, daß sich der Aufrechte Gang nicht aus rein zufalligen Mutationen sondern auch mit dem Bewusstsein entwickelt hat, nicht unmöglich sondern zumindest wahrscheinlich. Natürlich wieder nicht bezogen auf ein einzelnes Individuum, sondern auf die Art ...

Bye
Suedwester
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Suedwester schrieb:
Mir klingt das logisch - ein Organ, das nicht gebraucht wird, verkümmert. Eines das verstärkt gebraucht wird, entwickelt sich. Langfristig gesehen nennt man sowas dann Evolution.
Genauer gesagt nennt man das Lamarckismus. eine Lehre, die von Darwin widerlegt wurde. Ein Individuum kann noch so oft ein Organ nutzen, seine Nachkommen müssen gewissermaßen wierder bei 0 anfangen.
http://www.scheffel.og.bw.schule.de/faecher/science/biologie/evolution/7darwin/darwin.htm
@ Klaus,
der Einwand mit dem Becken ist gut.
 
Moin :)

Themistokles schrieb:
Ein Individuum kann noch so oft ein Organ nutzen, seine Nachkommen müssen gewissermaßen wierder bei 0 anfangen.

Weil Du gerade wieder dem - durchaus menschlichen - Standardfehler aufsitzt, das Individuum und nicht die Art zu betrachten. Auch auf die Gefahr hin, das zum x-undneunzigsten Male wiederzukäuen: Wenn die Umweltbedingungen so geartet sind, sind die Individuen (Mehrzahl !), die durch spezielle Organ"abnormitäten" (in welcher Richtung auch immer) besser damit zurechtkommen, in ihrer Überlebensfähigkeit und damit Fortpflanzungsrate bevorteilt. Wie diese Umweltbedingungen definiert sind (z.B. physikalisch, biologisch, soziologisch ...) ist damit nicht festgelegt.

Bye
Suedwester
 
Bei der Entstehung des menschlichen Gehirns erlaubte sich die Evolution einen Scherz, nämlich den, es so anzuordnen, dass es sich seine eigene Entstehung nicht verstehen kann. Viel eher gelingt ihm die Vorstellung eines Schöpfers mit langem weißen Bart.

Dem Vernehmen nach soll sie dem alten Herrn anschließend zugezwinkert haben. ;)
 
Klaus schrieb:
Bei der Entstehung des menschlichen Gehirns erlaubte sich die Evolution einen Scherz, nämlich den, es so anzuordnen, dass es sich seine eigene Entstehung nicht verstehen kann. Viel eher gelingt ihm die Vorstellung eines Schöpfers mit langem weißen Bart.

Mit Verlaub,
dieser "Scherz" wie du ihn nennst,
ist eine Quelle so wie Triebfeder unendlicher Inspirationen und Schaffenstaaten.
Dieser "Scherz" hat zu vermachenschaften geführt die Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende überdauert haben,
und welche bis heute ein Teil unserer Identität ist.

Dies als "Scherz" ab zu tun finde ich irgendwie nicht angemessen wenn man bedenkt zu was es führte.:nono:
 
M.A. Hau-Schild schrieb:
Dies als "Scherz" ab zu tun finde ich irgendwie nicht angemessen wenn man bedenkt zu was es führte.

Ich muss feststellen, dass ein Aphorismus offenbar nicht die am besten geeignete Form ist, sich verständlich zu machen. Der aufmerksame Leser wird jedoch feststellen, dass ich nicht die Frage nach der Existenz eines Schöpfers als "Scherz" verneint habe.

Vielmehr habe ich bermerkt, dass es offenbar sehr schwierig ist, die Logik der Evolution mit der Logik, mit der wir gewohnt sind, unser Gehirn zu benutzen, in Einklang zu bringen und die Evolution angemessen zu beschreiben.

Wenn man z.B. sagt, die Giraffe hat einen langen Hals, damit sie Blätter von den Bäumen fressen kann, kehrt man damit Darwins Kausalität um, denn der Giraffe ist ja nicht ein langer Hals gewachsen, weil sie die Absicht hatte, Blätter zu fressen. Vielmehr gibt es - ohne Zweck - Giraffen mit längeren und mit kürzeren Hälsen, von denen mehr langhälsige eine Dürre überlebt und sich daher effektiver fortgepflanzt haben.

Aber es müssen zunächst einmal langhälsige Giraffen vorhanden sein. Es muss also innerhalb der genetischen und anatomischen Möglichkeit einer Art liegen, eine bestimmte Mutation hervorzubringen, und die Mutanten müssen überleben und sich fortpflanzen können. Bisher sind jedenfalls noch keiner Giraffe Räder gewachsen, obwohl solche manchmal nützlich wären.

Besonders auffällig wird unsere Neigung zu inadäquater Argumentation, wenn es sich um vererbbare Verhaltensweisen handelt. Hier hört es sich manchmal so an, als würden Verfahrensanweisungen nach ISO 9001 vererbt.

Beispiel: Jedes Individuum hat ein Interesse, möglichst viele seiner Gene in die nächste Generation zu bringen. (Dawkins).

Dies stimmt vermutlich irgendwie. Eine Art kann allerdings keine Interessen haben, da sie etwas Abstraktes ist. Und wer meint, dass das Individuum den Instinkt hat, sich fortzupflanzen, möge sich in der Disco seines Vertrauens vom Gegenteil überzeugen. Die Betonung liegt also auf "irgendwie".

Die Schwierigkeit einer "richtigen" darwinistischen Argumentation besteht in der "Logikumkehr" gegenüber der kreationistischen. Man muss Worte wie "weil" oder "damit" meiden, dgl. "wollen", "Ziel" u.v.a. Vor allen Dingen muss man vermeiden "die Evolution" oder "die Natur" zu vermenschlichen und ihr zu unterstellen, sie habe etwas mit irgendetwas bezweckt.

Versucht mal, Dawkin's These "richtig" zu begründen; es kommt ein ziemlicher Kauderwelsch dabei heraus.
 
Suedwester schrieb:
Weil Du gerade wieder dem - durchaus menschlichen - Standardfehler aufsitzt, das Individuum und nicht die Art zu betrachten. Auch auf die Gefahr hin, das zum x-undneunzigsten Male wiederzukäuen: Wenn die Umweltbedingungen so geartet sind, sind die Individuen (Mehrzahl !), die durch spezielle Organ"abnormitäten" (in welcher Richtung auch immer) besser damit zurechtkommen, in ihrer Überlebensfähigkeit und damit Fortpflanzungsrate bevorteilt. Wie diese Umweltbedingungen definiert sind (z.B. physikalisch, biologisch, soziologisch ...) ist damit nicht festgelegt.
So dargelegt, stimme ich zu. Bloß deine frühere Formulierung klang ziemlich nach Lamarck und aktiver Anpassung. War ich wohl etwas zu spitzfindig.
 
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