Ethnogenese der Türken

Hi.
So, hier geht's heiter weiter. :)
(Vielleicht hat ja noch einer ne Antwort auf meine Frage oben?)

Diese Zahlen von Dieter aus dem Sumerer-Thread entsprechen auch meinen Erfahrungen. Ich habe auch die Erfahrungen von Ingeborg von Menschen aus der Türkei in Deutschland gemacht, anders mit denen in der Türkei (näheres weiter unten).

Ich hatte das Glück, mehrere Jahre in einem multikulturellen Studentenwohnheim zu wohnen, in dem min. 50% ausländische Studenten wohnen mussten.
Darunter waren auch einige (der leider in Deutschland seltenen) türkischen und kurdischen Studenten. Ihre Weltsicht war wesentlich differenzierter und reflektierter, als viele der Äußerungen, die man leider oft zu deutlich in den Medien von türk./kurd. Migranten bei uns vernimmt. Ausserdem waren die meisten der dortigen Studenten auch direkt aus der Türkei, die in vielen Bereichen wesentlich fortschrittlicher ist, als etliche in ihrem Weltbild der 50er und 60er Jahre verhafteten Migranten aus der Türkei bei uns ihr Türkeibild vermitteln.
Zudem hatte ich - neben diesen Innenansichten in türkische Befindlichkeiten, abseits von einseitigen deutschen Medienberichterstattungen - die Gelegenheit, in der Türkei selber für Monate mit vielen Menschen zu quatschen, vom Schwarzen Meer, bis zu halbnomadischen Bergdörfen im Taurus, von Kurden am Vansee, bis zu Transvestiten in Istanbul.
Kurz: die Mehrheit der mir begegneten türk. Staatsbürger, sieht sich als ethnische Türken (näheres s.u.), selbst wenn sie z.B. lasische Vorfahren in der Familie haben. Aber sie beriefen sich eher auf ihre "türkischen" Vorfahren, denn auf ihre lasischen. (Vermischung scheint wohl nicht selten zu sein?). Die Kurden sehen sich natürlich mehrheitlich als Kurden, so sie denn die kurd. Sprache noch können, oder von ihren Vorfahren Kenntnisse haben, aber nicht wenige habe ich getroffen, die sagten, eigentlich sind Kurden und "Türken" Brudervölker, mit so wenigen kulturellen Differenzen (ausser der Sprache), dass sie sich auch gerne als Türken im staatsbürgerlichen Sinne verstehen (ähnlich den Franzosen, egal welcher Herkunft). Dieses ist wohl auch ein Grund, warum es keinen kurdischen Staat gibt, denn wenn wirklich alle 15 Mio. Kurden die Meinung der PKK z.B. vertreten hätten, und rebelliert hätten, dann würde die Landkarte eben anders aussehen, aber das ist ein anderes Thema.
Ein Beitrag zur Nivellierung der Gewichtung der Herkunft ist sicherlich in der enormen Landflucht ab Mitte des 20. Jh. zu suchen. So wurden die "Völkerschaften" nach dem Zusammenbruch des osm. Reiches erneut durcheinandergewirbelt.

Ich hatte übrigens auch einen armenischen Freund, der sich auch als Türke in erster Linie begriff. Er fühlte sich der Türkei verbunden, nicht Armenien, und praktizierte lediglich den armenisch christlichen Glauben. Würde die armen. Fussballmannschaft gegen die türk. spielen, wäre er für die Türkei... :) Ein (arab.-)syrischer Christ in Antakya meinte, wenn in dem Sandschak Alexandrette nochmals ne Wahl wäre, ob es an Syrien, oder die Türkei anzuschließen sei, dann würde er sich für die Türkei entscheiden, nicht wegen stärkerer Wirtschaftskraft oder so, sondern weil er sich der Türkei, den Türken verbundener fühlt, als den arab. Syrern. Er sieht sich auch als Erbe des osm. Reiches. Vielleicht auch ein Einzelfall?
Bei vielen (intellektuellen) Türken gibt es ausserdem die Erkenntnis, dass sie sich nicht nur als Nachfahren der Zentralasiatischen Türken fühlen, sondern auch als Nachfahren all der anderen Völker Anatoliens, z.B. der Hethiter, etc. Andere hingegen, sehen sich nur als Nachfahren der seldschukischen Einwanderer, und würden nicht behaupten, dass in ihnen auch griechisches, hethitisches, usw. Blut fließt.
Das heisst, jemand kann sich als ethnischer Türke fühlen, dabei aber nicht nur die eingewanderten Turkmenen im 11. Jh. meinen, sondern das Völkergemisch welches sich in den letzten 1000 Jahren gebildet hat als mehr als die Summe seiner Einzelteile betrachten, als etwas neues, als ein Amalgam der Völker- und Kulturbrücke Anatoliens. Die Sichtweisen und Identitäten hängen sicher auch vom Bildungsstand ab. Es gibt auch bildungsferne Leute, die sich einfach als Türken bezeichnen, ohne in einen ethnischen oder staatsbürgerlichen Sinn zu unterscheiden oder überhaupt zu kennen, ohne zu wissen, woher sie nun ursprünglich kamen. Sie fühlen sich als Kinder Atatürks... Fertig. ;) (Ahnenforschung und -kult scheint mir bei uns wesentlich populärer...)
Das Bild ist also unterschiedlich und differenziert zu betrachten. Nun sind meine Erkenntnisse sicher nicht repräsentativ, entsprechen aber wohl mehr dem Bild der Türken in der Türkei, als dieses von hier lebenden "Türken" zu uns vermittelt wird?
Denn in der Diaspora verhalten sich Migranten anders, als im Herkunftsland, je nach Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft. Dieses war bei deutschen Einwanderern in die USA im Übrigen nicht anders, die ihre landsmännischen Unterschiede weit mehr pflegten, als dieses in Deutschland der Fall wurde. (Ähnliches ist doch auch z.B. von Siebenbürgener beobachtbar gewesen?) Und sie haben in ihrer Mehrzahl auch erst nach einigen Generationen die englische Sprache erlernt, zumeist vor und während des 2. Weltkrieges, aber das ist auch ein anderes Thema... :)

Also kurz und gut, die Mehrheit der türkischen Staatsbürger in der Türkei sehen sich erstens als Türken, dann als Izmiraner, Schwarzmeerbewohner, Südwestanatolier, usw. (Abgesehen von den Kurden, Arabern, usw.). Vielleicht anders bei uns, denn wir sehen uns andersherum vielleicht erstens als Hamburger, Bayer, Schwaben, und dann als Deutsche, dann als Europäer (Erbe des 20. Jh.)? (Geht mir jedenfalls so...)

Hier noch ein weiterer interessanter Artikel aus den Schriften für politische Bildung "Türkei":
Geschichte Anatoliens und des Osmanischen Reiches

Hat jemand von euch mal den ("genetischen") Artikel oben gelesen "How turkish are the Turks" und mag ihn mal in zwei Sätzen zusammenfassen?

Der gelöschte Link zum FAZ-Artikel oben ist hier abrufbar.

aber ich finde den Artikel zum Teil nicht ganz koscher... Wie sieht es denn mit der These der fast völligen Entvölkerung Anatoliens durch die arab. Heere aus? Ist dieses nicht ne veraltete Ansicht?

Danke schön :)
Servus, LG lynxxx
 
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Wie sieht es denn mit der These der fast völligen Entvölkerung Anatoliens durch die arab. Heere aus? Ist dieses nicht ne veraltete Ansicht?


Nein, das ist keine veraltete Ansicht!

Kleinasien und insbesondere Anatolien waren das Einfallstor zu Europa, sodass zunächst die Araber zahllose militärische Vorstöße Richtung Konstantinopel unternahmen. Als der arabische Angriffsschwung erlahmte, waren es dann seit Beginn des 11, Jh, Turkvölker, die als nomadisierende Hirten und/oder Krieger Anatolien heimsuchten. Gegenvorstöße byzantinischer Heere blieben natürlich nicht aus, sodass die Region unter ständigen militärischen Einwirkungen und Katastrophen litt.

Das alles hatte zur Folge, dass die Bevölkerung Anatoliens im späten Mittelalter stark dezimiert war. Ob man freilich von "Entvölkerung" sprechen kann, ist zumindest strittig.
 
hast du denn, wie oben schon von mir gefragt, Schätzungen - vorher und nachher?


Nein, jeder Historiker wird dir bestätigen, dass entsprechend seriöses Material für solche Schätzungen - dazu noch in Kleinasien - kaum zu finden ist. Es gibt lediglich Quellen, anhand derer man in solchen Regionen starke oder schwache Bevölkerungsschwankungen konstatieren kann, doch sind exaktere Angaben modernen Epochen vorbehalten. Nur zuweilen gibt es Glücksfälle, wo man anhand nicht vernichteter Steuerlisten u.ä. für ein kleines Gebiet nähere Aussagen treffen kann - aber das ist selten.

Ich habe jedoch zu diesem Thema im "Lexikon des Mittelalters" noch einige interessante Aussagen gefunden:

In Syrien und Kilikien entstand von Antiochia bis Anazarbos und Mopsuestia durch systematische Zerstörung der verbliebenen Städte und Burgen sowie durch Flucht und Verschleppung der Bevölkerung eine herrenlose und verwüstete Grenzzone. Die Gegend von Symposion, Tzamandos nordwestlich des Antitaurus wird in den Quellen als "Eremia" (verwüstetes Niemandsland) bezeichnet. Die Quellen zeigen nicht eindeutig, ob diese Zerstörung von byzantinischer oder arabischer Seite ausging, wahrscheinlich von beiden Parteien. Löwen mehrten sich in den einst fruchtbaren, jetzt verödeten Niederungen.

Als Ergebnis dieser Übergangszeit mit dauernden arabischen Einfällen in das Innere Kleinasiens bildete sich die Taurus-Antitaurusgrenzzone, die von Arabern und Byzantinern immer wieder überschritten wurde, um die ... schnell aufgebauten Festungen wieder zu zerstören.

(Lexikon des Mittelalters, Band II, Stuttgart 1999, S. 1318)
 
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Danke, Dieter. Komisch ist, dass es in dem Lex. d. MA in meinen Zitaten oben Schätzungen für die turkmenischen Einwanderungszahlen gibt, aber wohl keine, für die byz. Bevölkerung. Auf welcher Grundlage sie diese Wanderungs-Schätzungen wohl haben...
 
Hat jemand von euch mal den ("genetischen") Artikel oben gelesen "How turkish are the Turks" und mag ihn mal in zwei Sätzen zusammenfassen?

Gelesen habe ich ihn nicht, aber ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass die Türken nicht türkischer seien als die Griechen.:pfeif:

Soll heissen, wenn man sich die heutige Bevölkerung, sprich die etwaigen genetischen Erbanlagen der jeweiligen Bevölkerungen Griechenlands und der Türkei ansieht, findet man mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede.

P.S.: Muss an der gemeinsamen Vorliebe für Ouzo/Raki und Döner/Gyros liegen:nono:
 
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Gelesen habe ich ihn nicht, aber ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass die Türken nicht türkischer seien als die Griechen. Soll heissen, wenn man sich die heutige Bevölkerung, sprich die etwaigen genetischen Erbanlagen der jeweiligen Bevölkerungen Griechenlands und der Türkei ansieht, findet man mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede. P.S.: Muss an der gemeinsamen Vorliebe für Ouzo/Raki und Döner/Gyros liegen
Du musst da schon ein wenig konkreter werden. Durch die Islamisierung eines teils der griechischen Bevölkerung (freiwillig oder nicht) gibt es mit Sicherheit schon die eine oder andere Vermischung. Aber von genetischen Untersuchungen habe ich da noch nichts gehört. Wer und wann soll denn diese durchgeführt haben ?
Und Seltschuk, bitte... kein Mensch isst in Hellas Gyros (oder tanzt Sirtaki...). Das ist mehr was für die Fast Food-Spezialisten hier in Deutschland (oder für die Touris in den Touristenclubs);)
 
Mike, oben ist doch eine?
ich hatte nur keine zeit gehabt, mir diese durchzulesen.
auf der seite gibt es noch mehr genetische untersuchungen.
 
Mike, oben ist doch eine? ich hatte nur keine zeit gehabt, mir diese durchzulesen. auf der seite gibt es noch mehr genetische untersuchungen.
Ich weis nicht... ich habe mir diese kurz durchgelesen. Angeblich liegt der turk-mongolische Genanteil bei den heutigen Türken zwischen 6-20%, wenn ich den Artikel noch richtig im Kopf habe. Und ? Soll uns das jetzt sagen, dass die heutigen Türken keine Türken sind ? Oder dass sie direkte Nachfahren der Hetthiter und Sumerer sind ?
Oder sind sie vielleicht doch zu 80% islamisierte Armenier und Griechen ? Das kann uns höchstens sagen, dass durch Islamisierungen und eine konsequente Assimilierung sich in der Türkei (fast) alle als Türken verstehen und gut ist. Und im übrigen ist jeder das, als was er sich sieht und als was er erzogen wurde.
Und wo sind vor allem seriöse Untersuchungen über den Genpool der griechischen Bevölkerung in Hellas ? Die müsste man ja auch bringen, wenn man Vergleiche anstellen will. Der gemeinsame Schnaps reicht da m.E. nicht aus.
Durch das ganze Durcheinander und den Bevölkerungstausch im Osm. Reich und insbesondere in der Periode 1821-1924 sind Bevölkerungen doch nach Religionen und nicht nach Ethnien getrennt und ausgetauscht worden. Warst du Muslim, warst du Türke. Warst du Christ, warst du Bulgare, Serbe, Grieche etc. Wo soll man denn da anfangen und aufhören mit dem suchen ? Das ist doch ethnisch genau so ein Chaos wie im Osten Deutschlands, wo ein großer Teil der Bevölkerung vermutlich slawischen Ursprunges ist und sich heute dennoch als Deutsch ansieht. Oder wie nach den massiven Vertreibungen der deutschen Ost-Bevölkerung aus den damaligen deutschen Siedlungsgebieten im Osten im Zuge der Niederlage des 3.Reiches. Ob dass wohl auch alle 100% genetisch Deutsche waren ? Ich bezweifle es.
Gibt es da vielleicht seriöse Untersuchungen, wie hoch der "Germanen-Anteil" unter der deutschen Bevölkerung ist ? Die Vermischungen und Eindeutschungen dürften im Laufe der Jahrhunderte auch nicht viel weniger gewesen sein, als im Osmanischen Reich. Wir können ja auch nach den Vermischungen zwischen Evangelischen und Katholischen Christen anfangen zu unterscheiden... dann würden wir ähnliche Ergebnisse bekommen wie unter Christen und Muslimen im Osm. Reich :winke:
 
Soll heissen, wenn man sich die heutige Bevölkerung, sprich die etwaigen genetischen Erbanlagen der jeweiligen Bevölkerungen Griechenlands und der Türkei ansieht, findet man mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede.


Genau das habe ich in meinem Posting Nr. 10 ausgeführt !!

Dieser bevölkerungsgeschichtliche Sachverhalt müsste jedem klar sein, der die Geschichte Kleinasiens von der Vor- und Frühgeschichte bis zum späten Mittelalter verfolgt hat.
 
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Ich Soll uns das jetzt sagen, dass die heutigen Türken keine Türken sind ? Oder dass sie direkte Nachfahren der Hetthiter und Sumerer sind ?


Das soll uns folgendes sagen: Im Verlauf der letzten Jahrtausende - angefangen von der ersten Besiedlung Kleinasiens - sind immer wieder neue Völker nach Kleinasien geströmt. Sie siedelten dort, verschmolzen allmählich mit der Vorbevölkerung, bis eine neue Völkerwelle kam, die wiederum die alte überschichtete.

Die zahlenmäßig geringe Zahl von Angehörigen der Turkvölker, die seit dem 11. Jh. als Krieger und Hirten nach Kleinasien kamen, hat das Bevölkerungsbild genetisch nicht fundamental verändert. Sie hat der altansässigen Bevölkerung dank ihrer militärischen Vorherrschaft zwar ihre Sprache und Religion aufgezwungen, doch hat sie die ethnische Substanz der Autochthonen nur unwesentlich tangiert..
 
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...
Und wo sind vor allem seriöse Untersuchungen über den Genpool der griechischen Bevölkerung in Hellas ? Die müsste man ja auch bringen, wenn man Vergleiche anstellen will. Der gemeinsame Schnaps reicht da m.E. nicht aus.
..
ich dachte, die würdest du auch auf der seite oben finden, zumal er grieche ist, und vorwiegend die griechen, und nicht türken dort behandelt.
hier sind auch die griechen behandelt:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=249274
:winke:
 
Oder sind sie vielleicht doch zu 80% islamisierte Armenier und Griechen ? Das kann uns höchstens sagen, dass durch Islamisierungen und eine konsequente Assimilierung sich in der Türkei (fast) alle als Türken verstehen und gut ist.
Na gut! "Aber Gut Ding braucht Weil", sagt man bei uns in Hamburg!
Mike Hammer schrieb:
Und im übrigen ist jeder das, als was er sich sieht und als was er erzogen wurde.
Du hast recht, jeder ist das, als was er sich sieht. Allerdings - Allah sei gepriesen -nicht das wozu er erzogen worden ist, denn dann wäre ich steinharter Türke, doch ich bin Deutscher, türkischer Herkunft und das ist auch gut so.
Mike Hammer schrieb:
Und wo sind vor allem seriöse Untersuchungen über den Genpool der griechischen Bevölkerung in Hellas ? Die müsste man ja auch bringen, wenn man Vergleiche anstellen will. Der gemeinsame Schnaps reicht da m.E. nicht aus.
Das der Schnaps nicht ausreicht die Gemeinsamkeiten der Gene westlich und östlich des Evros/Meric zu erklären, ist denke ich jedem klar. Schade, dass Du nach so langer gemeinsamer Vergangenheit in diesem Forum, meinen Humor immer noch nicht verstehst. :grübel:
 
Das soll uns folgendes sagen: Im Verlauf der letzten Jahrtausende - angefangen von der ersten Besiedlung Kleinasiens - sind immer wieder neue Völker nach Kleinasien geströmt. Sie siedelten dort, verschmolzen allmählich mit der Vorbevölkerung, bis eine neue Völkerwelle kam, die wiederum die alte überschichtete.
Wie können die Perser im heutigen Iran (Land der Arier), dann behaupten sie seien Arier? Das Reich der Gross-Seldschuken erstreckte sich geographisch auch auf den heutigen Iran.

Dieter schrieb:
Die zahlenmäßig geringe Zahl von Angehörigen der Turkvölker, die seit dem 11. Jh. als Krieger und Hirten nach Kleinasien kamen, hat das Bevölkerungsbild genetisch nicht fundamental verändert. Sie hat der altansässigen Bevölkerung dank ihrer militärischen Vorherrschaft zwar ihre Sprache und Religion aufgezwungen, doch hat sie die ethnische Substanz der Autochthonen nur unwesentlich tangiert..
Da habe ich aber anderes gelesen. Nach der Schlacht von Mantzikert (türk. Malazgirt), sollen die Seldschuken und nomadischen Stämme Kleinasien geradezu überschwemmt haben? Wenn ich mich nicht täusche wird von 1-2 Millionen Nomaden gesprochen, die sich nach der Schlacht 1071, sicherlich nach und nach, in Kleinasien "eingerichtet" haben.
Ich gehe davon aus, das das östliche Anatolien eher dünn besiedelt war, aber genaueres weiss ich nicht. Vielleicht kann uns ja jemand weiterhelfen?
 
Wie können die Perser im heutigen Iran (Land der Arier), dann behaupten sie seien Arier? Das Reich der Gross-Seldschuken erstreckte sich geographisch auch auf den heutigen Iran.
Wahrscheinlich sind die Perser/Iraner fast ebenso durchmischt, wie die Türken. Immerhin zogen durch den Iran nicht nur Araber, sondern auch Turkmenen, Mongolen, usw.
Da habe ich aber anderes gelesen. Nach der Schlacht von Mantzikert (türk. Malazgirt), sollen die Seldschuken und nomadischen Stämme Kleinasien geradezu überschwemmt haben? Wenn ich mich nicht täusche wird von 1-2 Millionen Nomaden gesprochen, die sich nach der Schlacht 1071, sicherlich nach und nach, in Kleinasien "eingerichtet" haben.
Ich gehe davon aus, das das östliche Anatolien eher dünn besiedelt war, aber genaueres weiss ich nicht. Vielleicht kann uns ja jemand weiterhelfen?
Moin,
darum ging es doch die ganze Zeit schon? Dieselbe Frage hatte ich doch auch gestellt? Eine "genauere" Zahl hatte ich doch schon gepostet, aus dem Lex. d. MA (überlesen, in meinen Monsterposts? ;)):

"Sie [die Turkmenen] vermochten im 12. Jh. bis zu 300000 Krieger aufzubieten, von denen etwa ein Viertel an jedem Feldzug teilnahm. Allein im 11. Jh. wanderten in Kleinasien ungefähr 500000-700000 Turkmenen ein. Im 12. Jh. wuchs deren Zahl auf etwa eine Million an. Eine neue Immigrationswelle erreichte Anatolien als Folge des Mongolensturms. Die Zahl der neuen Einwanderer wurde auf etwa 350-400000 Menschen geschätzt."
Nun, ich glaube, ich schau nochmal in meine byz. Bücher irgendwann rein, um zu schauen, ob es nicht doch (seriöse) Schätzungen über Bevölkerungszahlen in Anatolien vor Mantzikert gibt, damit man überhaupt diese obigen Zahlen beurteilen kann, ob es nun wenig waren, die die autochthonen Byzantiner kaum tangiert haben, oder viele waren, damit der Begriff der "Überschwemmung", den man oft liest, seine Berechtigung hat.
Abgesehen davon muss man berücksichtigen, dass die Nomanden der Turkmenen zuerst wohl in Gebiete vorstießen, die nicht durch byz. Bauern besetzt waren, sondern ihnen brachliegende Weideflächen boten, oft in den Bergen.

Grüezi, lynxxx
 
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In florianscher Tradition...

Ich frage mich, ob wir im 21. Jahrhundert tatsächlich noch darüber diskutieren müssen, dass die Behauptungen von ethnischer "Reinheit" mehr sind, als nationale Mythen?
 
Du hast recht, jeder ist das, als was er sich sieht. Allerdings - Allah sei gepriesen -nicht das wozu er erzogen worden ist, denn dann wäre ich steinharter Türke, doch ich bin Deutscher, türkischer Herkunft und das ist auch gut so.
Natürlich ist das gut so, wenn auch derzeit eher die Ausnahme, Erziehung spielt doch in der 2. und 3. Generation m.E. die größere Rolle. Ich beobachte derzeit eher das Gegenteil, also bei vielen jungen Leuten mit Migationshintergrund eher eine Tendenz "Back to the Roots". Ich persönlich gehe allerdings davon aus, dass es in 2-3 Generationen unter gewissen Voraussetzungen ganz anders sein kann. Dann können die Enkel von lynxx sich Gedanken machen wie die Ethnogenesis der "Deutschen" unter gentechnischen Voraussetzungen ausschaut... :rofl:
Das der Schnaps nicht ausreicht die Gemeinsamkeiten der Gene westlich und östlich des Evros/Meric zu erklären, ist denke ich jedem klar. Schade, dass Du nach so langer gemeinsamer Vergangenheit in diesem Forum, meinen Humor immer noch nicht verstehst.
50% ethnische griechische Kappadoken wie ich verstehen keinen Humor :devil:
 
Niemand wird heute noch exakt ermitteln können, wie hoch der Anteil von Angehörigen verschiedener Turkstämme war, die vor 800-1000 Jahren nach Kleinasien einwanderten. Ich halte es jedoch für ausgeschlossen, dass diese türkischen Hirten und Krieger die Zahl der altansässigen byzantinisch-griechischen Bevölkerung überstiegen, die ihrerseits - wie wir oben gesehen haben - andere Volkssplitter assimiliert hatte.

Kleinasien war - schon wegen seiner Lage als Brücke nach Europa - ein riesiger Schmelztigel der Völker. Das muss man sich bei allen diesbezüglichen Überlegungen stets klar machen!

Man wird in jedem Fall von einer weiteren Durchmischung nach Ankunft der Turkstämme auszugehen haben, wie das auch die Jahrhunderte und Jahrtausende zuvor erfolgte. Insofern ist der Satz von El Quijote mehr als zutreffend:
Ich frage mich, ob wir im 21. Jahrhundert tatsächlich noch darüber diskutieren müssen, dass die Behauptungen von ethnischer "Reinheit" mehr sind, als nationale Mythen?


Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen !!!
 
..., als nationale Mythen?
Du hast recht, ich hoffe durch diesen und anderen Thread dieses auch bewußt zu machen, falls sich mal der Eine oder Anderer hierher verirrt und über die intellektuelle Fähigkeit der Selbstreflexion verfügt. Den Weg zu verfolgen, die Völkerschaften über die Jahrhunderte zurückgelegt haben, mag dazu dienen. Dazu noch einige neuere genetische Untersuchungen, und die Sache sollte auch für die letzten "Mythenanhänger" klar werden.
Da braucht man auch nicht laut werden, wie Dieter im letzten Satz.

Apropos Dieter: Die Zahlen der eingewanderten Turkvölker stammen ja aus dem Standardwerk "Lexikon des Mittelalters", das doch eine seriöse Sek.Literatur darstellt? Oder habe ich deinen ersten Satz eben falsch gedeutet?

Ich werde mal nachher bei Interesse ein paar Absätze aus einem weiteren Standardwerk zitieren: Hütteroth, Wolf-Dieter: Türkei. Darmstadt 1982, Wissenschaftl. Länderkunde, Band 21, Wissenschaftl. Buchgesellschaft.

Die Quellen des 12. Jh. sprechen bei der Erwähnung eines bestimmten Bevölkerungsanteils von Anatolien von Turkmenen demnach auch nicht von einem historischen "Volk" sondern von einer Lebensform.

Leider ein wenig veraltet, beschäftigt es sich dennoch in einem Abschnitt mit der Wandlung zum islamisch-türkischen Land Anatoliens. Soll ich scannen?

Tschüß und LG, lynxxx
 
Apropos Dieter: Die Zahlen der eingewanderten Turkvölker stammen ja aus dem Standardwerk "Lexikon des Mittelalters", das doch eine seriöse Sek.Literatur darstellt? Oder habe ich deinen ersten Satz eben falsch gedeutet?


Natürlich ist das ein seriöses Standardwerk, was ich schon oft betont habe!

Aber die Sachlage ist doch völlig klar: Eine autochthone byzantinisch-griechische Bevölkerung wurde von einer einströmenden Turkbevölkerung überschichtet. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte erfolgte eine Vermischung, sodass heute - im 21. Jahrhundert - längst etwas homogenes daraus geworden ist.

Wie groß das Verhältnis beider Bevölkerungsteile zueinander war, lässt sich nahezu 800-1000 Jahre später ohnehin nicht mehr darstellen.
 
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