EuGH: Mitgliedstaat klagt gegen Mitgliedstaat. Wann das letzte mal vorgekommen?

Homerist

Neues Mitglied
Hallo,

bin gerade dabei meine Hausarbeit zur Geschichte des EuGH zu schreiben und komme an einer Stelle nicht wirklich weiter. Im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens ist es nach Art 259 des AEUV möglich, dass ein Mitgliedsstaat einen anderen vor dem EuGH verklagt, sollte dieser seinen, aus den EU- Verträgen resultierenden Verpflichtungen nicht nachkommen.
Weiß jmd. wann ein Mitgliedsstaat einen anderen zuletzt verklagt hat? Ist es überhaupt schon mal vorgekommen?

Danke im Voraus für die Antworten

Gruß

Homerist
 
Etwas einfacher ist es, gezielt nach den Anspruchsgrundlagen zu suchen:

Ungarn ./. Slowakische Republik (C-364/10) ist allerdings laut Suchdatenbank der einzige Fall einer Staatenklage gemäß Art. 259 AEUV. EU-Glossar

Weiteres Beispiel: Art. 170 EGV, zB EuGH Urteil vom 16. 5. 2000 - Rs. C-388/95 - Belgien ./. Spanien wegen der Herkunftsbezeichnung Rioja-Wein.

Oder rund zwei Dutzend Verfahren als Staatenklage gemäß Art. 227 EG, zB: EuGH Rs. 141/78, Frankreich/Großbritannien, Cap Caval, Slg. 1979, 2923;
 
Die Zahl von "rund zwei Dutzend" ist für mich auch unter Einbeziehung beider Vorgängerbestimmungen (also Art. 227 EGV in der Fassung des Vertrags von Amsterdam und Art. 170 EGV davor) nicht nachvollziehbar. Welche sollen das sein? Die Verfahren C-141/78 Frankreich/Großbritannien ( EUR-Lex - 61978J0141 - DE ), C-388/95 Belgien/Spanien ( EUR-Lex - 61995J0388 - DE ) und C-364/10 Ungarn/Slowakei hast Du schon genannt. Dann wäre da noch C-145/04 Spanien/Großbritannien ( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62004CJ0145:DE:HTML ). Zu erwähnen wäre weiters das Verfahren Rs 58/77 Irland/Frankreich, das allerdings noch vor einer Entscheidung durch Vergleich endete (es ging um Einfuhrbeschränkungen für irisches Fleisch in Frankreich -> Verstoß gegen den freien Warenverkehr).
Siehe dazu auch Seite 18 des Jahresberichts des EuGH 2012 (Achtung, lange Ladezeit: http://curia.europa.eu/jcms/upload/.../192685_2012_6020_cdj_ra_2012_de_proof_01.pdf ), Fußnote 15.

Dass es so selten zu einer Staatenklage kommt, liegt einfach daran, dass das politisch und diplomatisch heikel ist und zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen führen kann, weshalb das Mittel eher von Staaten gewählt wird, deren Beziehungen ohnehin schon schlecht sind bzw. die es nutzen, um dem anderen das Leben schwer zu machen (Ungarn/Slowakei, Spanien/Großbritannien). Ein gelinderes Mittel ist, dass ein Mitgliedsstaat bei der Kommission anregt, ein Verfahren gegen einen anderen Mitgliedsstaat einzuleiten, oder sich einem Verfahren der Kommission als "Streithelfer" anschließt.
 
Die Masse der Verfahren gemäß Art. 227/170 findest Du nicht über das Internet oder die Jahresberichte, weil sie durch Vergleich bzw. durch die Kommission entschieden wurden. Bei der angesprochenen rechtshistorische Recherche führen auch [*** einschlägige juristische datenbanken] nicht weiter, da:

Grabetz/Hilf, Das Recht der EU, Kommentar Art. 227, TZ 7.
"Wenig Scheu vor einer direkten Auseinandersetzung hatten die MS vor allem im Bereich der Landwirtschaft. Die Verfahren, in denen bisher von Art. 227 Gebrauch gemacht wurde, betrafen in der Mehrzahl die Verhinderung des Zuganges zu Fischereigewässern oder massive Verstöße gegen den freien Warenverkehr (vgl. Bellescize, RevTrimDrEuR 1977, 186 f.). Zwei der drei vom Gerichtshof entschiedenen Vertragsverletzungsverfahren betrafen das Agrarrecht der Gemeinschaft."
Stand: 2009.

Sowie TZ6: rd. 2 Dutzend anhängig gewordene Verfahren, die zunächst dem "Puffer" EU-Kommission (vor dem EuGH) vorzulegen sind. Von den gegebenen Anhängigkeiten "nach Art. 227" (bzw. 170) erreichen nur wenige den EuGH. Dass die Untersuchung verfahrensorientiert gemeint war, habe ich eigentlich als selbstverständlich angesehen. Die Untersuchung nach dem fortlaufenden Verfahrensgang zu beschränken, ist wohl kaum sinnvoll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben