Expansion wirft die Entwicklung Europas zurück?

L

lanfire

Gast
Hallo,
ich muss jetzt in Geschichte (12. Klasse Gymnasium) mich zu folgender These beziehen:
"Durch die Expansion des Islam im mittelalter wurrde die kulturelle Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen."

Jetzt habe ich ein paar Fragen, die ich hoffe hier beantwortet zu bekommen. :yes:

Natürlich erstmal gaaanz Pauschal die Frage, ob das denn wirklich so stimmt. Also die europäische Kultur, ist sicherlich beeinflusst worden, aber denn wirklich um Jahrzehnte zurück geworfen?
Also, was ich damit fragen will ist in welche Richtung man am ehesten gehen sollte.....

Und dann noch die Frage, die eigentlich nicht hier her passt, aber wie sollte ich das am Besten anfangen? Wie weit muss ich ausholen, um in das Thema vernünpftig einzuleiten? :S
Und wie würdet Ihr das Aufgliedern???:cry:

Danke Schön und schöne Grüße
lanfire
 
Naja, ich denke eher die islamische Expansion hat Europa befeuert. Man denke doch nur an die vielen Errungenschaften, die wir dem Kontakt mit den Arabern verdanken.
Darauf will dein Lehrer garantiert auch hinaus.
 
Für mich wäre interessant, was ein Zurückwerfen einer kulturellen Entwicklung um ein paar Jahrzehnte denn im Rahmen des Mittelalters für eine Bedeutung gehabt haben kann? Und wie soll sich die Expansion negativ auf Gebiete ausgewirkt haben, welche nicht davon betroffen waren? Wenn die Bedeutung für Europa so immens gewesen wäre, so hätten doch gerade von den betroffenen Regionen zuvor für das Abendland so einschneidende Impulse ausgegangen sein müssen. Ich bin leider kein Kenner der Epoche (ich denke mal es geht um das 8.Jh.), aber habe da eben auch bei meinem rudimentären Interesse noch nicht von bedeutenden Nachteilen für das Abendland im Zusammenhang mit der Expansion des Islam gehört oder gelesen.

Da fällt mir ein, dass neben der Expansion im Frühmittelalter natürlich auch die im Spätmittelalter (also die der Osmanen) in Frage käme.
 
Das wäre aber ganz schön gemein vom Lehrer, wenn er extra falsche Thesen in den Raum wirft, die vielleicht momentan (in heutigen Zeiten nach 9/11) auch leicht zu glauben sind.
Was mir ausserdem noch auffällt, ist, dass er von "Jahrzehnten" spricht. Also weniger als hundert Jahre kultureller Rückgang?
Vielleicht meint er ja den Anfang des Mittelalters, als der Islam sich ausdehnte, und die kulturelle Entwicklung der Sasaniden zum Ende kam, bevor sie sich mit islamischem Überzug und Prägung aus ihrer Asche erhob? Oder die der Byzantiner in Ägypten, der Levante, usw.?
Oder Zentralasien?

Hast du mehr Infos? Kannste mal beim Lehrer um Präzisierung nachfragen? Welche Zeit, welche Reiche, welcher Raum?
 
Europa wurde insofern zurückgeworfen, dass der im frühen Mittelalter noch erhaltene Mittelmeerhandel nach Ausbreitung des Islam und der mit ihm verbundenen Staatswesen dieser zusammenbrach. In folge dessen wurde das Abendland quasi vom Orient abgeschnitten.

Problematisch war sicherlich auch, dass ausgerechnet die am weitesten zivilisierten Gebiete der damaligen christlichen Welt in die Hände der Muslime vielen. Nordafrika, Ägypten und der Nahe Osten waren ja in der Spätantike quasi Zentren und Hochburgen christlicher Kultur. Ein Vergleich mit dem verwüsteten Italien oder gar dem unteretwickelten, landwirtschaftlich geprägtem Frankenreich zeigt ja, was was nach der Ausbreitung des Islam noch vom christlichen Kuchen übrigblieb. Auch Spanien und das stetig schwindende, byzantinische Kleinasien waren den genannten nördlichen Teilen des christlichen Abendlandes kulturell wie wirtschaftlich weit überlegen.
Eigentlich bleiben nach Ausbreitung des Islam nur ein paar slawische und germanische Kuhbauern dem Christentume übrig, vielleicht noch ein verkümmertes Italien...
:cry:
 
Der Mittelmeerhandel ging (teilweise) in andere Hände über, er brach nicht ab. So gab es z.B. noch im 18. Jh. mehr Briten im Osmanischen Reich, als in der Neuen Welt.
 
Europa wurde insofern zurückgeworfen, dass der im frühen Mittelalter noch erhaltene Mittelmeerhandel nach Ausbreitung des Islam und der mit ihm verbundenen Staatswesen dieser zusammenbrach. In folge dessen wurde das Abendland quasi vom Orient abgeschnitten.

Ich würde auch sagen, dass der Handel nicht abgeschnitten war, sondern von anderen fortgeführt wurde.

Problematisch war sicherlich auch, dass ausgerechnet die am weitesten zivilisierten Gebiete der damaligen christlichen Welt in die Hände der Muslime vielen. Nordafrika, Ägypten und der Nahe Osten waren ja in der Spätantike quasi Zentren und Hochburgen christlicher Kultur. Ein Vergleich mit dem verwüsteten Italien oder gar dem unteretwickelten, landwirtschaftlich geprägtem Frankenreich zeigt ja, was was nach der Ausbreitung des Islam noch vom christlichen Kuchen übrigblieb. Auch Spanien und das stetig schwindende, byzantinische Kleinasien waren den genannten nördlichen Teilen des christlichen Abendlandes kulturell wie wirtschaftlich weit überlegen.
Eigentlich bleiben nach Ausbreitung des Islam nur ein paar slawische und germanische Kuhbauern dem Christentume übrig, vielleicht noch ein verkümmertes Italien...

Dem stimme ich zu. Hier dürfte der Ansatz für dein Referat liegen.
Die prosperierende und zivilisatorisch hochstehende römisch-griechische Zivilisation der Levante, Nordafrikas und Kleinasiens wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen.
 
Eigentlich bleiben nach Ausbreitung des Islam nur ein paar slawische und germanische Kuhbauern dem Christentume übrig, vielleicht noch ein verkümmertes Italien...

Kein Widerspruch an sich, aber ein vorbeugender Einwurf: Das politisch islamische Gebiet des siebten und achten Jahrhunderts war demographisch-religiös mehrheitlich christlich und wurde religiös vom Islam erst nach und nach durchdrungen.
 
Eine Verständnisfrage: Es geht explizit um die kulturelle Entwicklung in Europa? Aus der Threadüberschrift ergibt es sich natürlich so, aus der Ausgangsthese "Durch die Expansion des Islam im Mittelalter wurde die kulturelle Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen" jedoch nicht unbedingt: sie könnte sich ja auch auf die Kultur in denjenigen Gebieten beziehen, die im 7. und 8. Jahrhundert von den Muslimen erobert wurden (z.B. Syrien, Mesopotamien oder Iran).

Ich nehme im Folgenden an, dass es um Europa geht:

Zu allererst sollte man die Begriffe "Europa", "Abendland" und "Christentum" auseinanderhalten. Sicher waren Nordafrika, Ägypten und der Nahe Osten in der Spätantike Zentren christlicher Kultur (so Maglor in Beitrag #5). Was aber hat das mit Europa zu tun? Das Christentum ist nicht Europa oder etwas europäisches. Gerade im 7. Jahrhundert gab es starke christliche Gemeinden in Mesopotamien und im Iran (mit Ausläufern bis nach China). Insofern ist die gedankliche Verbindung von Europa und Christentum irreführend. Nur wenn man diese unangemessene Gleichsetzung voraussetzt, kann man behaupten, "dem Christentum" seien nach Ausbreitung des Islam lediglich "ein paar slawische und germanische Kuhbauern" verblieben, "vielleicht noch ein verkümmertes Italien." Das (eben noch genannte) christliche Ostrom wird dabei ebenso ausgeblendet wie es die Christen unter nicht-christlicher Herrschaft (teilweise auch unter christlicher Herrschaft, siehe Äthiopien) werden, obwohl diese ihre "Glaubensgenossen" im "christlichen Abenland" zahlenmäßig sicher noch lange in den Schatten gestellt haben. Die Auswirkung der islamischen Expansion auf das Christentum zu untersuchen wäre ein ganz anderes Thema als deren Auswirkung auf Europa.

Die prosperierende und zivilisatorisch hochstehende römisch-griechische Zivilisation der Levante, Nordafrikas und Kleinasiens wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Erstens: Ebensowenig wie man "Christentum" und "Europa" in Gedanken assoziieren oder verschmelzen sollte, sollte man "römisch-griechische Zivilisation" und "Europa" miteinander identifizieren. Insofern gilt obige Kritik auch hier. (Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sich die Ausgangsthese des Thread auf Europa bzw. "das Abendland" bezieht und nicht etwa auf eine mutmaßliche Negativwirkung der islamischen Expansion auf alle unterworfenen Kulturen im allgemeinen.)
Zweitens: Die Annahme, die Hochkultur des (östlichen) Mittelmeerraumes sei von der islamischen Eroberung zivilisatorisch schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, ist ziemlich fragwürdig. Sicher hatten Kriegsgebiete unter Kampfhandlungen zu leiden, aber von einem Kulturbruch in der gesamten Region kann schwerlich die Rede sein. Das Bild vom Umbruch beruht nicht zuletzt auf dem Umstand, dass sich die Forschung schwer getan hat (und noch tut), ein adäquates Bild von der Übergangszeit zwischen spätantiker und frühislamischer Zeit zu zeichnen. Warum? Weil dazu eine enge Zusammenarbeit von Arabisten und Islamforschern auf der einen Seite und von Gräzisten und Altertumsforschern auf der anderen Seite nötig ist. In der neueren Forschung gibt es Bestrebungen, diese Überwindung der (hier einengenden) Fachgrenzen verstärkt zu betreiben, und da zeigt sich vielerorts eine starke kulturelle Kontinuität.

Um endlich auf die Ausgangsfrage zu sprechen zu kommen:
Eine sinnvolle Herangehensweise wäre es vielleicht, den kulturellen Stand der europäischen Länder vor der islamischen Expansion (also ca. 600 oder 650 n.Chr.) mit jenem der folgenden Jahrhunderte zu vergleichen. Kann man da überhaupt Rückschritte feststellen? Wenn nicht, ist die These bereits ad absurdum geführt. Lassen sich dagegen in bestimmten kulturell-zivilisatorischen Bereichen Rückschritte oder Krisen feststellen lassen, dann muss man sich ansehen, was die Gründe für diese Probleme gewesen sein können und ob damit möglicherweise die islamische Expansion in Verbindung zu bringen ist. (Lassen sich übrigens Fortschritte feststellen, so wäre ebenso zu prüfen, ob diese mit Auswirkungen der islamischen Expansion zu tun haben könnten.)
 
Zu allererst sollte man die Begriffe "Europa", "Abendland" und "Christentum" auseinanderhalten.
Ich ging davon aus, dass es dem Lehrer um das christliche Europa bzw. dem Abendland geht. Natürlich ist das nicht immer deckungsgleich. Was später als Abendland galt war im 8.Jh. teilweise noch nicht missioniert oder befand sich in dem Prozess der Christianisierung wie das Gebiet der Sachsen oder überhaupt weite Territorien östlich des fränkischen Reiches.
:)
 
Tja, wie oben schon angedeutet, warten wir mal ab, was der Lehrer nun wollte, oder der Referent noch zu Details zu sagen hat. :)
 
Ich habe da nochmal darüber nachgedacht. Eigentlich entstand ja Europa im Sinne des christlichen Abendlandes erst durch die Expansion des Islam. Gewissermaßen ermöglichte erst der (wenn auch schleichende) Untergang der nordafrikanischen und orientalischen Christenheit erst den Aufstieg des eigentlich eher peripheren Europas zum Hauptort und Kern der Christenheit!
Gegenüber Karthago, Alexandria, Antiochia und Co hätten Köln, Mainz und Trier sicher nie eine Chance gehabt, wenn eben nicht...:yes:
 
Ich denke, dass die zentrale Rolle der katholischen Kirche in Rom gefestigt wurde. Die Ausbreitung des Islam ging ja in erster Linie auf Kosten von Byzanz.
 
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