Falkenhayn 1914/16

Das ist nach den Quellen über die Schlacht falsch. Nochmals erklärt: Die Eroberung war in der Konzeption und Planung des Angriffes nicht vorgesehen, vielmehr sollte mit der Inbesitznahme des Höhengeländes gestoppt werden, um die französische Gegenoffensive abzuwarten. Der ostwärts der Marne liegende Verdun-Bogen sollte gerade ausdrücklich erhalten bleiben, um die französische Führung überhaupt zur Gegenoffensive und zum Einsatz aller Reserven zu bewegen. Auch mit dem Patt auf dem Ostufer und der verzögerten Offensive auf dem Westufer der Maas im März änderte sich das nicht.

Woher weißt Du das alles? Leitest Du das aus der strategischen, operativen oder taktischen Gefechtsführung ab? Oder berufst Du Dich nur auf die Aussagen von Leuten, die in der Zwischenkriegszeit über Verdun geschrieben haben und damit - gestützt auf die Aussagen von Falkenhayn selbst - an Mythenbildung beteiligt waren?

Beschreibungen des militärischen Vorgehens, dass angeblich auf einen "anderen Plan" hindeutet, sind von Dir nicht gekommen. Leg das bitte vor, dann kann man darüber nachdenken.
Nur zur Erinnerung: Ich hatte den Namen "Olaf Jessen" bereits genannt. Der Mann ist Historiker, hat eindrucksvolle Quellenarbeit geleistet, und kommt zu dem Schluss, dass hinter Falkenhayns Vorgehen mehr als nur der "Wunsch" nach einer "Abnutzungsschlacht" gesteckt haben muss.

Deine Behauptung, dass sich die historische Wissenschaft über das Gegenteil völlig einig sei, ist mithin schon durch den Namen "Jessen" widerlegt.

Bis dahin halte ich mich an die Plananalysen der Fachliteratur.
Das Recht darauf habe ich Dir nie abgesprochen. Halte Dich, an was Du willst. Meinetwegen sogar dann, wenn sich die von Dir bevorzugte "Fachliteratur" letztlich auf nichts anders als die Selbstdarstellungsbemühungen von Falkenhayn stützt und jemand wie Jessen dazu sagt:

Falkenhayns Memoiren und die Wortschöpfung der Forschungsanstalt, ebenso griffig wie abwegig, haben Generationen von Historikern auf falsche Fährten gelockt.“

Nebenbei: Die "Plananalysen der Fachliteratur" müsstest Du mal nennen. Hilfreich wäre es, wenn in den "Analysen" auch wirklich strategische, operative und taktische Verhaltensweisen beleuchtet worden wären. Hier mal ein Link zu einem Text, der die historiografische Behandlung des Themas kritisch beleuchtet:

http://d-nb.info/984608877/34

Wenn Du Jessen mal liest, dann fällt Dir sicher auf, dass er die Weihnachtsdenkschrift* überhaupt erst im Anhang als Exkurs analysiert.
Ja, ist mir aufgefallen. Was mir nicht auffällt, ist: Welche Relevanz soll es haben, dass er das nicht im Vorspann sondern erst im Anhang darlegt? Wird seine Aussage dadurch unwahr?

Wenn Du weiter liest, und den Quellenabgleich von Jessen zur Kenntnis nimmst, dann ergibt sich daraus exakt meine oben dargestellte Aussage: Motiv und Konzeption der Schlacht werden hinreichend aus der gesicherten sonstigen Quellenlage deutlich.
Oooops! Das muss mir doch tatsächlich entgangen sein. Ich hatte das alles doch tatsächlich so verstanden, als würde Jessen behaupten wollen, dass hinter Falkenhayns Vorgehen mehr als nur der Wunsch nach "Ausbluten" steckte.

Beleg erwünscht? Hier folgt einer:

Nach Kriegsende gab es für Falkenhayn nur EINE Möglichkeit, sich das eigene Scheitern nicht einzugestehen: Der Generalstabs-Chef musste glauben, die Schlacht sein ein Erfolg der „Ausblutungsstrategie“ gewesen.

So belesen wie Du bist, findest Du ganz sicher heraus, auf welcher Seite seines Buchs Jessen das geschrieben haben soll. Ganz besonders, weil Du ja selbst - verblüffenderweise! - aus diesem Abschnitt zitierst:

Jessen: "Falkenhayns Memoiren und die Wortschöpfung der Forschungsanstalt, ebenso griffig wie abwegig, haben Generationen von Historikern auf falsche Fährten gelockt."
Ganz wunderbar zitiert! Könnten die Historiker, auf die Du Dich die ganze Zeit berufst, vielleicht genau die Historiker sein, die auf "falschen Fährten" sind, weil sie Falkenhayns Selbstdarstellung und der darauf fußenden Mythenbildung seiner Nach-Autoren geglaubt haben????

Dass die in dem von Dir verlinkten Zitat erwähnte "Wortschöpfung" sich auf die Bezeichnung "Weihnachtsmemorandum" bezieht, sei nur am Rande erwähnt. Dass nicht Falkenhayn sondern die Forschungsanstalt dieses Wort "geschöpft" hat, bedeutet nämlich noch lange nicht, dass das "Weihnachtsmemorandum" schon damals als "nicht authentisch" betrachtet worden sei. Im Gegenteil: Die Historiker, auf die Du Dich berufst, akzeptieren das angebliche Memorandum als authentisch. Was offenbar falsch ist. Siehe Jessen.

Nur zur Erinnerung: Falkenhayn - und auch alle anderen Autoren, die in der Zwischenkriegszeit geschrieben haben - ,haben sich bemüht, die Schlacht um Verdun so darzustellen, als sei sie ein "deutscher Sieg" gewesen, der durch die Ermattungsstrategie Falkenhayns möglich geworden ist.

Was ist dann überhaupt deren Bedeutung? Jessen schließt sich vorbehaltslos der Afflerbach-Auffassung an: "Die Weihnachtsdenkschrift ist tatsächlich eine um Authentizität bemühte Selbstinterpretation ... und die in ihrer Zusammenstellung und Gewichtung ihrer strategischen Argumente die ursprünglichen Ziele Falkenhayns völlig verschleiert".
Wiederum: Ganz toll zitiert! Ich stimme Dir vollumfänglich zu! Genau dieses Zitat hatte ich mir auch gerade herausgesucht!

In der Passage fand ich insbesondere die Aussage spannend, dass die ursprünlichen Ziele Falkenhayns "völlig verschleiert" wurden. Wenn das so war, schließt sich die logische Frage an: Was waren dann die ursprünlichen Ziele Falkenhayns? Etwa NICHT die Abnutzungssschlacht? Hattest Du nicht bislang die Auffassung vertreten, der "Stand der Forschung" habe eine "Abnutzungsschlacht" als einzig denkbares Ziel Falkenhayns erwiesen?

Wie passt dazu Deine folgende Aussage:
Das "Ausbluten" ist nicht der Schlüsselabschnitt. "Unternehmen Gericht zielte auf die Rückkehr zum Bewegungskrieg - über einen operativen Durchbruch im Nach- oder Gegenstoß nach Zermürben der gegnerischen Reserven".
Ein Angriff gegen die stärkste Festung des Feindes sollte also über das Mittel des "Ausblutens" (Abnutzungsschlacht) zurück zum "Bewegungskrieg" führen. Sehr logisch, nach allem, was Clausewitz über Festungen im Allgemeinen und was Schlieffen über die französischen Festungen an der deutschen Grenze im Besonderen gesagt haben...

Kannst Du Deiner eigenen Argumentation eigentlich noch folgen?

"Konsens" im "Stand der Forschung" war doch weiter oben noch, dass es um eine Abnutzungsschlacht gegangen sei. Jetzt plötzlich reden wir von Rückkehr zu Bewegungskrieg? An welchen strategischen, operativen oder taktischen Maßnahmen während der Kämpfe um Verdun soll diese wilde Volte denn ablesbar sein?

Auch hiernach ist das, was Du über die "Einnahme von Verdun" schreibst, falsch.
(...)
Die Festung sollte nicht genommen werden.
Dann hat wohl auch Falkenhayn selbst nicht verstanden, was er Deiner Auffassung nach gemeint hat. Er hat nämlich selbst offen gelassen, was er eigentlich wollte:

Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie es, so werden sich Frankreichs Kräfte verbluten, da es ein Ausweichen nicht gibt, gleichgültig, ob wir das Ziel selbst erreichen oder nicht. Tut sie es nicht und fällt das Ziel in unsere Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein."

Das liest sich doch eher so, als hätte Falkenhayn durchaus das Ziel gehabt, Verdun "in die Hand" zu bekommen. Dieses Urteil ist natürlich nur zutreffend, wenn man an das Märchen glaubt, dass er diesen Quark schon vor der Schlacht erzählt hat. Wenn hingegen Jessens Auffassung zutreffend sein sollte, dass Falkenhayn diesen Sermon erst nach dem Krieg geschrieben hat, um das von ihm zu verantwortende Debakel nachträglich in einen "Sieg" umzudefinieren, dann bleibt die Frage offen:

Was WOLLTE er denn eigentlich?

Zur Frage, ob Falkenhayns "Weihnachtsdenkschrift" authentisch oder eine nachträgliche Lüge war, hat sich übrigens unter anderem der Zeitgenosse Groener (im WK I Chef des Feldeisenbahnwesens) im Jahr 1934 in der folgenden Weise geäußert:

Den Gedanken, daß es ‚Deutschland frei stehe seine Offensive schnell oder langsam zu führen, sie zeitweise abzubrechen oder sie zu verstärken, wie es seinen Zwecken entspreche‘, habe ich nie aus seinem [Falkenhayns] Munde gehört. Ich halte den Gedanken für so bizarr, daß man versucht ist zu vermuten, er sei nachträglich in die Denkschrift hineingekommen.

Er hat nicht gelogen, nicht einmal verfälscht, sondern die Front-Auswertungen ergaben viel zu hohe Verlustschätzungen der französischen Truppen.
Seine Memoiren hat er nachweislich erst nach dem Ende des Krieges geschrieben und in den Memoiren taucht die von ihm selbst nicht so benannte "Weihnachtsdenkschrift" auf. Mit diesen Memoiren will er darlegen, dass die Schlacht um Verdun ein "deutscher Sieg" gewesen sei und dass die französischen Verlustzahlen doppelt so hoch gewesen seien wie die deutschen. Beide Behauptungen waren bewusste Lügen. Zu dem Zeitpunkt war klar (oder hätte DEM FELDHERREN!!! zumindest klar sein müssen), dass Verdun KEIN Sieg war und dass dort auf beiden Seiten fast genau gleich viele Menschen krepiert waren.

Die "hätte"-Kritik richtete sich gegen die Rhetorik, die quellenseitig in der Fachliteratur belegte Konzeption Falkenhayns, somit entgegen der Fakten in Zweifel zu ziehen.
Dass die von Dir bevorzugte Fachliteratur "Fakten" und nicht Meinungen belegt, betonst Du in jedem Deiner Beiträge. In jedem Deiner Beiträge ingnorierst Du überdies auch Werke von Fachleuten, die andere Meinungen vertreten. Im vorliegenden Fall: Jessen. Es gibt keine "quellenseitig belegte Konzeption Falkenhayns". Es gibt nur eine "herrschende Meinung", die von der Legendenbildung geprägt ist, die Falkenhayn selbst mit seinen Memoiren in Gang gesetzt hat.

Und Deine "hätte-Kritik" richtete sich nicht gegen meine "Rhethorik", sondern sie unterstellte, dass ich hier über Methoden schwadronieren würde, wie Deutschland den Krieg hätte gewinnen können. Genau darum drehte sich Deine erste "Hätte-Äußerung" und meine Entgegnung, dass diese "Hätte-Fragen" mir völlig latte sind!

... nun wieder persönliche Pöbeleien über Grammatikkenntnisse loszulassen.
Pöbeleien? Grammatikdefizite sind die "freundlichste" Deutung, die mir eingefallen ist! Die Alternative wäre, dass Du ganz bewusst meine Aussagen aus dem Zusammenhang reißt und in andere Zusammenhänge stellst!

Hier machst Du das schon wieder:

Das stilistische Mittel, völlig unrealistische "Optionen" wie "Flanken unterstützen" oder "Paris-Vorstoß" einzustreuen, ist überflüssig.
Abgesehen davon, dass Du nun wirklich keinerlei Qualifikation hast, zu beurteilen, welche meiner Aussagen ich für überflüssig zu halten habe:

Auch hier verschweigst Du wieder den Zusammenhang, in dem ich das geschrieben haben. Auch hier deutest Du wieder an, dass meine Aussagen in einem anderen Zusammenhang gesehen werden müssen.

HÖR AUF DAMIT!

Die bloße Tatsache, dass ich anderer Meinung bin als Du, berechtigt Dich nicht, meine Aussagen zu verzerren!
 
(...)
Auch hiernach ist das, was Du über die "Einnahme von Verdun" schreibst, falsch.

Die Festung sollte nicht genommen werden, siehe oben.
(...)
verstehe ich das richtig:
a) man hat einen Gegner, den man fertigmachen will, und der hat eine sehr starke Festungskette, die einen am fertigmachen empfindlich hindert
b) zudem hat dieser Gegner eine ganz besonders starke Festung in dieser Festungskette
c) um ihn dennoch fertigmachen zu können, beschließt man:
die stärkste Festung (die man obendrein gar nicht einschließen kann...) vehement anzugreifen, damit der stark befestigte Dummjan dann zu einem Gegenangriff a la Hurra-Attacke bläst, und wenn er das dann tut, dann klappt´s mit dem fertigmachen

...wenn dass die Konzeption gewesen sein soll (also wenn ich es verkürzt und "naivisiert" richtig referiert habe), dann muss der Erfinder dieser Konzeption lange graue Ohren gehabt haben und man fragt sich, wie er zu seinem Job hat kommen können...
 
also wenn ich es verkürzt und "naivisiert" richtig referiert habe,

Na, so halb richtig. :D

Deshalb eignete sich Falkenhayn auch hervorragend zum Eindreschen durch die "Schlieffen-Schule" nach dem Krieg. Du kannst noch einen draufsetzen, beim Naivisieren: die Wahl fiel zwischen Belfort und Verdun. Plakativ ergänzt:

Mit den 9 Divisionen im gesamten Verdun-Bogen war die französische Front dort mäßig im naiven Vertrauen auf die Befestigungen besetzt. Der naive deutsche Angriff am Ostufer erschöpfte sich nicht wegen der Ausgangslage, sondern wegen des Herankarrens der Masse 10. französischen Armee.

Der naive französische Generalstab ging dem naiven deutschen auf den Leim, und wollte tatsächlich den Frontbogen am Ostufer Marne aus militärischen Gründen räumen lassen. Das überstimmte in letzter Stunde die Politik, entgegen jeder militärischen Logik mit der Verkürzung: Halten um jeden Preis. Das hatte allerdings der naive deutsche Generalstab vorausgesehen.

Der naive französische Generalstab verfrachtete also die Masse der 10. Armee, die eigentlich für die Briten in der Somme-Offensive vorgesehen war. Der naive Haig vom BEF bot sofort nach der deutschen Offensive bei Verdun eine überhastete Gegenoffensive auch ohne die 10. an. Dazu kam es glücklicherweise (für die naiven Briten, die fast dem naiven Falkenhayn auf den Leim gegangen wären) nur nicht, weil man erst in den Vorbereitungen stand. Man startete später, ähnlich katastrophal wurde es trotzdem. Dabei hatten die naiven Briten Glück, dass inzwischen die deutschen Reserven wesentlich geschwächt waren. Die Kampagne war nämlich auch unter der naiven Vorstellung gestartet worden, die Russen seien "fertig". Denkste. Brussilov startete durch, und weg waren Teile von Falkenhayns eisernen Beständen, die für die vorher zu schwächenden Franzosen bei Verdun oder die naiv an der Somme angreifenden Briten (mit erheblich weniger frz. Unterstützung) gedacht waren.

Du siehst: so geht das nicht. :winke:
Wir können uns schnell darüber verständigen, dass Falkenhayn ein Spinner war, mit ihm die Masse des Generalstabes. Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit Militärgeschichte, und wir könnten dann eine Hitliste machen: die dümmsten Pläne. Die sortieren wir anschließend in eine Schublade: "hat geklappt +", und in die andere: "hat nicht geklappt -"=) *

Dann sollten wir wieder zur Ereignisgeschichte übergehen, und die zunächst einmal wertungsfrei und quellenkritisch betrachten.
 
...wenn dass die Konzeption gewesen sein soll (also wenn ich es verkürzt und "naivisiert" richtig referiert habe), dann muss der Erfinder dieser Konzeption lange graue Ohren gehabt haben und man fragt sich, wie er zu seinem Job hat kommen können...

Falkenhan war, folgt man Afflerbach, durchaus kompetent als Truppenführer und als Generalstabsoffizier. (Afflerbach: Falkenhayn 1994)

Seinen Job hat er nicht zuletzt deswegen bekommen, weil er KW II aufgefallen war und man zunächst einen deutlich jüngeren Nachfolger für einen konservativen Kriegsminister gesucht hatte. Der Sprung von diesem Posten auf den des Generalstabschefs, nach dem Versagen des "Schlieffen-Plans", war fast konsequent. Dabei hatte er z.B. in v. Knobelsdorf harte Konkurrenten um diesen Posten, die ihrerseits durchaus intrigant gegen ihn geabreitet haben.

In diesem Sinne ist er ein "Karriere-Militär", aber seine Beförderungen verliefen nicht völlig ausßergewöhnlich und sie waren auch durchaus nicht komplett ungerechtfertigt, aufgrund seiner bisherigen militärischen Beurteilungen.

verstehe ich das richtig:
a) man hat einen Gegner, den man fertigmachen will, und der hat eine sehr starke Festungskette, die einen am fertigmachen empfindlich hindert
b) zudem hat dieser Gegner eine ganz besonders starke Festung in dieser Festungskette
c) um ihn dennoch fertigmachen zu können, beschließt man:
die stärkste Festung (die man obendrein gar nicht einschließen kann...) vehement anzugreifen, damit der stark befestigte Dummjan dann zu einem Gegenangriff a la Hurra-Attacke bläst, und wenn er das dann tut, dann klappt´s mit dem fertigmachen

Das ist m.E. verkürzt. Man sollte eine Reihe von militärischen Ereignissen berücksichtigen, die den Rahmen für die Einschätzung gaben. 1. die Erfahrung von "Port Arthur" waren wichtig und die herausragende Rolle, die die Kontrolle von "Höhen" für die Kontrolle des tiefer liegenden Festungsgeländes hat (sehr gut dargestellt in B. Menning: Bayonets before Bullets, 1992, S. 152)

Im Prinzip wollte Falkenhay durch die Kontrolle der Höhenzüge das Halten der Festung, ähnlich bei Port Arthur unmöglich machen durch das artilleristische Einschließen von Verdun. Vor diesem Hintergrund sollten die Franzosen gezwungen werden, die deutschen Positionen, deutlich verstärkt durch artilleristische Reserven, anzugreifen. Nur so hätten sie die logistische Unterstützung der Festungsanlagen sicher stellen können.

Es kommen zwei weitere Aspekte hinzu, die sich aus dem schnellen Erfolg gegen die belgischen Festungen ergeben und ein "sturmreif" schießen als nicht unwahrscheinlich erschienen ließe.

Gleichzeitig, so eine Beobachtung von Groener, tat sich die Armee leichter beim Zerschlagen und Erobern von Festungen und deutlich schwerer beim neuartigen Stellungskrieg, der sich als neue Art der Kriegsführung für 1915 herauskristallisierte.

In diesem Sinne befand sich Falkenhayn und der Generalstab in einem Neuland und Schlachten in diesem Umfang gab es vorher nicht.

Ansonsten war die Überlegung, einen Abnutzungskrieg aus der Defensive zu führen, auch aus der heutigen Betrachtung, nicht komplett absurd (sofern man Krieg überhaupt etwas abgewinnen kann, was nicht absurd ist).

Es waren vor allem die Offensiven beispielsweise in der Champagne 1915, die die höchsten monatlichen Todesraten mit sich brachten. Der "Bewegugnskrieg" kostete deutlich mehr Leben wie der "normale" Grabenkrieg. (H. Strachan: Der erste Weltkrieg. 2009, S. 201ff).

Da ich den WW1 für eine insgesamt imponierend dumme Verkettung von teils rationalen und irrationalen Entscheidungen halte, die sich selbst sofern sie gut gemeint waren, teilweise in ihr Gegenteil verkehrten, wird man der Schlacht um Verdun wohl kaum mehr "Vernunft" zugestehen können oder wollen wie einem unsinnigen Krieg insgesamt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Prinzip wollte Falkenhay durch die Kontrolle der Höhenzüge das Halten der Festung, ähnlich bei Port Arthur unmöglich machen durch das artilleristische Einschließen von Verdun. Vor diesem Hintergrund sollten die Franzosen gezwungen werden, die deutschen Positionen, deutlich verstärkt durch artilleristische Reserven, anzugreifen. Nur so hätten sie die logistische Unterstützung der Festungsanlagen sicher stellen können.

Richtig. Das stellt erneut die Bedeutung der Schlüsselhöhen heraus. Weder war ein vollständiges Einschließen noch eine Einnahme in "Stufe I" geplant.

Die Beherrschung der Höhenzüge hätte der französischen Seite lediglich 3 Optionen gelassen, auf zwei davon spekulierte Falkenhayn für Stufe II und III:

a) Aufgabe des Frontbogens und des Festungsraumes. Wie sich tatsächlich zeigte, überstimmte hier die frz. Politik den Generalstab und verlangte Halten um jeden Preis. Das war erwartet worden, allerdings auch aus militärischen Gründen
b) eine frz. Gegenoffensive vor Verdun (II). Hier schloß Falkenhayn aus der "Empirie" des Jahres 1915, dass dieses desaströse Verluste für angreifende frz. Truppenverbände verursachen würde. In diese Schwächung hinein sollte mit der "eisernen Heeresreserve" der Gegenstoß (III) erfolgen.
c) wie b) in den zwei Stufen II+III, nur unter britischer Führung bei Artois bzw. Somme.
 
Im Prinzip wollte Falkenhay durch die Kontrolle der Höhenzüge das Halten der Festung, ähnlich bei Port Arthur unmöglich machen durch das artilleristische Einschließen von Verdun. Vor diesem Hintergrund sollten die Franzosen gezwungen werden, die deutschen Positionen, deutlich verstärkt durch artilleristische Reserven, anzugreifen. Nur so hätten sie die logistische Unterstützung der Festungsanlagen sicher stellen können.

Richtig. Das stellt erneut die Bedeutung der Schlüsselhöhen heraus. Weder war ein vollständiges Einschließen noch eine Einnahme in "Stufe I" geplant.

Die Beherrschung der Höhenzüge hätte der französischen Seite lediglich 3 Optionen gelassen, auf zwei davon spekulierte Falkenhayn für Stufe II und III:

a) Aufgabe des Frontbogens und des Festungsraumes. Wie sich tatsächlich zeigte, überstimmte hier die frz. Politik den Generalstab und verlangte Halten um jeden Preis. Das war erwartet worden, allerdings auch aus militärischen Gründen
b) eine frz. Gegenoffensive vor Verdun (II). Hier schloß Falkenhayn aus der "Empirie" des Jahres 1915, dass dieses desaströse Verluste für angreifende frz. Truppenverbände verursachen würde. In diese Schwächung hinein sollte mit der "eisernen Heeresreserve" der Gegenstoß (III) erfolgen.
c) wie b) in den zwei Stufen II+III, nur unter britischer Führung bei Artois bzw. Somme.

Woher wisst Ihr, was Falkenhayn wollte? Woran kann man das ablesen, wenn @Silesia sich noch nichtmal entschieden hat, ob Verdun der Versuch einer Abnutzungsschlacht oder der Versuch einer Rückkehr zum Bewegungskrieg war? Wie hätte man bei Verdun die Rückkehr zum Bewegungskrieg einläuten sollen, ohne Verdun selbst zu nehmen?

MfG
 
Aus den Quellen. Ich dachte, Jessen wäre von Dir gelesen?

Rückkehr zum Bewegungskrieg (logischerweise nach Phase III): das ist keine Aussage von mir, sondern Absicht des Generalstabs gewesen (deswegen schied Belfort aus). Kann man in der angegebenen Literatur dieses Themas finden.

Nochmal: Verdun selbst sollte zunächst nicht angetastet werden (I). Das ist doch schon hinreichend mit dem Operationsplan (am einfachsten wieder: Jessen) belegt. Mit dem geplanten Gegenstoß (II, genau dafür waren die Reserven vorgesehen, ob aber Westufer oder Ostufer, hätte sicher von der Situation abgehangen) wäre sicher dann der Fall von Verdun als Nebenprodukt verbunden gewesen. Das wäre Phase III gewesen, zu der es nicht kam. Und II und III hätten flexibel auch bei Artois stattfinden können, im Bereich BEF bei einer dort erwarteten Entlastungsoffensive (wurde präferiert, weil man die Briten als schwächer einschätzte). Wieder eine andere Situation, und bei dieser Variante ohne Verdun.
 
wenn @Silesia sich noch nichtmal entschieden hat, ob Verdun der Versuch einer Abnutzungsschlacht oder der Versuch einer Rückkehr zum Bewegungskrieg war?

Die Antwort wurde doch bereits gegeben.

Jessen hat das schön auf den Punkt gebracht. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich folgende Konzeption von Falkenhayn:

1. überfallartige Eroberung des Ostufers der Maas durch einen Angriffskeil
2. Nachziehen beweglicher Geschütze (bis hinter die Linie Thiaumont-Tavannes
3. Niederkämpfen französischer Stellungen auf dem Westufer (ursprüngliche Ansätze, dies gleichzeitig anzugehen, fallen wegen mangelnder Kräfte und Reserven weg)
4. Abwehr aller Gegenangriffe auf dem Ostufer
5. Abwehr einer britischen Entlastungsoffensive bei Artois
6. bei 4/5 Zermürben gegnerischer Reserven in 5-6 Wochen Großkampf in der Abwehr
7. operativer Durchbruch mit den Heeresreserven entweder bei Verdun (bei günstigem Verlauf: Nachstoß) oder bei Artois
8. Bewegungskrieg nach dem Durchbruch und Aufrollen der Flanken an der Durchbruchsstelle
Ziel: Zusammenbruch des Widerstandswillens von Frankreich oder Großbritannien

Dieses ist vor dem Hintergrund des Resümees für das Jahr 1915 zu sehen und der militärischen Schlussfolgerung von Falkenhaym, dass die Zeit gegen das DR spielt und deswegen durch einen militärischen Erfolg der Kanzler Bethmann einen Separatfrieden mit Frankreich und Russland anstreben solle.

Eine "brutale" und ehrliche" Einschätzung durch das Militär, die im Gegensatz zu der "Verschleierung des Mißerfolgs an der Marne stand und somit auch für Bethmann überraschend kam.

Dass der Übergang zum Bewegungskrieg im Rahmen einer massiven Durchbruchsschlacht (mehr als 40 km Frontfläche) Ende 1915 reine Fiktion war, zeigten die Berichte der Abteilung IIIb, die als Stärkeverhältnisse 2,4 Mio gegen 3,4 Mio anführten. Also eine deutliche Unterlegenheit der deutschen Streitkräfte.

Zusätzlich kam die Einschätzung von Falkenhayn, dass die BEF aus einer Reihe von Gründen (Ausbildungsstand und mangelhafte Ausstattung mit schwerer Artillerie) schwächer war wie die Franzosen und somit nach der oben durch Silesia beschriebenen Abnutzung der eigentliche Ort für den "Angriff über die Bande" sein sollte.

Aus dieser Bewegung heraus wollte man zum eigentlichen Bewegungskrieg übergehen.

Dabei kam Verdun in der ursprünlichen Planung ausschließlich und lediglich die Rolle zu, mit "minimalem" eigenen Einsatz an Material und Soldaten einen maximalen "Abnutzungseffekt" zu erzielen und die BEF zur Entlastungsschlacht zu motivieren.

Auch aus französischer Sicht hatte Verdun vor der eigentlichen Schlacht lediglich eine untergeordnete militärische bzw. strategische Bedeutung, da die französischen Generale nach dem schnellen "Fallen" von Festungen, zuletzt die Ö-U Großfestung Przemysl mit ca. 110.000 Gefangenen, den Stellenwert von Verdun nicht allzu hoch einschätzten. Und eher tiefgestaffelte befestigte Regionen, inklusive Feldbestigungen präferierten.

Erst im Laufe der Kämpfe hat Verdun einen hohen symbolischen Stellenwert erhalten und daraus erklärt sich die "sinnlose" Eskalation der Gewalt um Verdun, die eine gewisse Form von Eigendynamik entwickelte. In Frankreich als ein positives Symbol des gemeinsamen Kampfes und war und ist ein Teil der Legende des "Nationbuilding". Während Verdun und vor allem Falkenhayn in Deutschland, auch durch die Epigonen der Schlieffen-Schule (Tappen, Groener etc.) einer negativen Legendenbildung anheim gefallen ist. Im Sinne von, ein anerkennenswertes Opfer der einfachen Soldaten, aber sinnlos durch die vermeintliche Inkompetenz der Führung, sprich Falkenhayn.

Und das wird Falkenhayn - und den an der Planung ("Gericht" etc.) beteiligten Generalstabsoffiziere - sicherlich nicht gerecht, zumal zur gleichen Zeit beispielsweise die britsiche Führung des BEF zu einer völlig identischen Einschätzung der operativen Möglichkeiten gekommen ist und die Abnutzung als Voraussetzung für den anzustrebenden Bewegungskrieg sah.

O. Jessen: Verdun 1916, 2014
P. Jankowski, Verdun, 2014
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist m.E. verkürzt. Man sollte eine Reihe von militärischen Ereignissen berücksichtigen, die den Rahmen für die Einschätzung gaben. 1. die Erfahrung von "Port Arthur" waren wichtig und die herausragende Rolle, die die Kontrolle von "Höhen" für die Kontrolle des tiefer liegenden Festungsgeländes hat (sehr gut dargestellt in B. Menning: Bayonets before Bullets, 1992, S. 152)
ob diese Perspektive aus heutiger Distanz damalas von den führenden bzw. entscheidenden Militärs ebenso gesehen wurde?
hier was interessantes zu port Arthur:
Full text of "Die Lehren von Port Arthur zur Schlussbesprechung des im Janner and Februar 1907 im militarwissenschaftlichen und Kasinoverein in Wien durchgefuhrten Festungskriegsspieles"

Im Prinzip wollte Falkenhay durch die Kontrolle der Höhenzüge das Halten der Festung, ähnlich bei Port Arthur unmöglich machen durch das artilleristische Einschließen von Verdun.
pardon, aber ein "einschließen" der Festung Verdun (die im Gegensatz zu Port Arthur etliche Panzerfortifikationen hatte) war seinerzeit unmöglich.
 
pardon, aber ein "einschließen" der Festung Verdun (die im Gegensatz zu Port Arthur etliche Panzerfortifikationen hatte) war seinerzeit unmöglich.

Das hast Du missverstanden. Es geht um den "artilleristischen Einschluss" von drei Seiten. Das war mit der gestaffelten Ostufer-Westufer-Offensive angestrebt, und allein aufgrund der Reichweiten ohne weiteres denkbar.

Die "Lehren" von 1905 waren außerdem 1912 faktisch überholt. In der letzten Phase vor dem Krieg gab es bereits eine Tendenz, sich von der Schlieffen-Planung zu lösen, und verstärkt dem Durchbruch durch den frz. Festungsgürtel zuzuwenden, statt Umfassungsschlacht.
 
Die "Lehren" von 1905 waren außerdem 1912 faktisch überholt. In der letzten Phase vor dem Krieg gab es bereits eine Tendenz, sich von der Schlieffen-Planung zu lösen, und verstärkt dem Durchbruch durch den frz. Festungsgürtel zuzuwenden, statt Umfassungsschlacht.
durch welche Fakten?
das dt. Reich setzte auf monströse Festungen (KW II, Mainz, Köln, Metz, Diedenhoven usw.), Frankreich modernisierte den eisernen Riegel vehement und baute Paris zur größten Festung überhaupt aus.

allerdings war, schon vor Port Arthur, das Millitär quasi gespalten in Befürworter und Gegner der Fortifikation.

Verdun war der stärkste Platz im eisernen Riegel, egal ob man für oder gegen Festungen war - kann es nicht eher sein, dass der Angriff auf Verdun zu einer Art Entscheidungsschlacht gedacht/gewollt war (weil so mancher andere Siegelplan "nicht klappte")?
 
Zuletzt bearbeitet:
durch welche Fakten?
das dt. Reich setzte auf monströse Festungen (KW II, Mainz, Köln, Metz, Diedenhoven usw.), Frankreich modernisierte den eisernen Riegel vehement und baute Paris zur größten Festung überhaupt aus.

Mir ist unverständlich, worauf Du hinaus willst. Es geht hier nicht um Pro oder Kontra Festungsbau, viele Festungen bauen oder gar keine Festungen bauen.

Ausgangspunkt ist thanepowers Erläuterung zu den Angriffsplanungen gegen den Festungsgürtel von Verdun gewesen. #28

Darauf kam eine Frage: #29
ob diese Perspektive aus heutiger Distanz damalas von den führenden bzw. entscheidenden Militärs ebenso gesehen wurde?

Zu dieser Sichtweise bzw. die gängigen operativen Überlegungen gegen Festungsgürtel habe ich dann einen Hinweis gegeben. Und auf das Kippen der Betrachtungsweise, zB aufgrund der Entwicklungen der Artillerie, hingewiesen.

Worauf zielt jetzt die zweite Frage #31 genau? Was willst Du mit dem Hinweis auf den natürlich weiterlaufenden Festungsbau belegen?
 
Mir ist unverständlich, worauf Du hinaus willst. Es geht hier nicht um Pro oder Kontra Festungsbau, viele Festungen bauen oder gar keine Festungen bauen.
jein :) Tatsache ist, dass man sich im ersten Weltkrieg mit Festungen herumprügeln musste oder wollte - und dann fließen da nun mal, egal wie global die Gesamtplanungen sind, lästige Details mit hinein:
- die zwiespältige Haltung (pro - contra) innerhalb des Militärs (hierfür hast du ja einen der Belege geliefert: die zeitweilige Herabstufung von Verdun und damit partielle Desarmierung (Artillerie wurde aus der Festung abgezogen) ist eine Folge der militärinternen Contra-Festungen-Haltung)
- die Lehren aus Port Arthur waren nicht überholt, sondern brandaktuell: die Auswertung dieser einjährigen (!) Belagerung einer Baustelle hatte gezeigt, wie widerstandsfähig das nur betonierte Ausbauen von günstigem Gelände sein kann; die Folge ist dann, analog geländeangepasst massiver zu betonieren und Panzerfortifikation zu installieren (Verdun) - und das hält dann sogar einem Falkenhayn nebst dicker Bertha stand... ;)

Worauf zielt jetzt die zweite Frage #31 genau? Was willst Du mit dem Hinweis auf den natürlich weiterlaufenden Festungsbau belegen?
zunächst einmal möchte ich mich an der interessanten Diskussion beteiligen :)
und um sie interessant zu halten, hier und da ein paar Gegenpositionen im Detail erwähnen.

Die schönsten großen strategischen Planspiele (Operationspläne etc) stehen und fallen mit der Frage, ob sich darin lästige Details wie unwegsames oder schlecht erschlossenes Gelände, nervige feindliche Fortifikationen etc als hinderlich oder als überwindbar erweisen. Mochte der Schlieffenplan gescheitert sein, aber eine seiner Ursachen - der Respekt vorm schwer durchdringlichen eisernen Riegel - hatte sich bewahrheitet. (das bedeutet nicht, dass ich jetzt den Schlieffenplan lobpreise!)
Den eisernen Riegel angreifen, um gegnerische Kräfte zu binden (in diesem Fall eine originelle Umkehrung der gewohnten Festungskonzeptionen (Festungen sollten hindern und Kräfte binden)), ist für sich betrachtet im Gesamtplan nicht unsinnig. Aber sich ausgerechnet den stärksten Abschnitt des eisernen Riegels vorzuknöpfen, ist irgendwie verantwortungslos wenn nicht gar selbstmörderisch.
Hierzu ein Detail: das "dreiseitige artilleristische Einschließen", eine Worthülse für den Versuch, die Festung zu zernieren ohne sie einschließen zu können, ist für sich schon ein zweifelhaftes Unterfangen. Port Arthur hatte bewiesen, dass schwächere Fortifikationen durchaus massiver Artillerie Widerstand leisten konnten - da ist nicht schwer darauf zu kommen, dass stärkere Verteidigungsanlagen sich noch weniger plattkartätschen lassen ;) Um wie viel mehr muss sich so eine Position halten können, wenn sie obendrein permanent aus dem Hinterland versorgt wird? (eine Einschließung war unmöglich!) Und genau das hatte doch die mörderische "Materialschlacht" gezeigt: Verdun konnte auf diese Weise nicht erobert werden, zugleich nützte diese "Abnutzung"/"Bindung von Kräften" insgesamt nichts.

Das hätte man vorher wissen können, allein schon aus den Lehren, die man aus dem Festungskrieg ziehen konnte - tat man aber nicht, und womöglich ist dafür das pro-contra-Festungen Hickhack mitursächlich.
 
Der ... französische Generalstab ging dem naiven deutschen auf den Leim, und wollte tatsächlich den Frontbogen am Ostufer Marne aus militärischen Gründen räumen lassen.

Hierzu noch eine instruktive Darstellung:

Um die gravierenden Auswirkungen auf die Durchführung der Somme-Offensive (gegenüber dem "realisierten Fehlschlag") darzustellen, habe ich schon auf diese Studie verwiesen: Roy A. Prete - Joffre and the Origins of the Somme - A Study in Allied Military Planning, JoMH 2009, S. 417-448

Kürzer und als Zitat dargestellt bei Elizabeth Greenhalgh: Victory through Coalition - Britain and France during the First World War. Da Greenhalgh nur die direkten Abzüge berücksichtigt, und nicht die "Umleitung" und Kanalisierung der fließenden Reserven auf das Verdun-Szenario, ist die Reduktion des französischen Beitrags von 42 auf 23 Divisionen (letztlich minus 2 Armeen) tatsächlich noch erheblich größer ausgefallen.*

"The effects of the German attack were immediate and profound. The planning for the Somme was changed in three ways. Firstly the relative contributions of France and Britain were reversed, with all the attendant difficulties of command and prestige. Secondly, as Verdun swallowed more and more resources, the timing of the battle gradually became more crucial because of a stark dilemma: either the Allies waited as long as possible, in order to have as many guns and munitions as possible, but with the attendant risk that the French would have come to the end of their power to resist at Verdun; or the Allies attacked sooner and risked defeat through insufficient preparation. Thirdly, the strategic objectives of the operation, a united allied push on all fronts, were thrown into doubt.
The reductions in the French contributions were significant. First of all, at the end of February Haig took over Tenth Army front to release French troops into reserve. The Tenth Army had been in line between Haig’s Third and Fourth Armies, and so the extension of the British line resulted in a more homogeneous front. Then Joffre’s original commit- ment of thirty-nine divisions (plus three territorial divisions), armed with 1,700 heavy artillery weapons to attack a front of forty kilometres, was reduced on 26 April to thirty divisions. More significantly, the number of heavy guns was much reduced – from 1,700 to 312 – with a consequent reduction in the front of attack to twenty-five kilometres. On 20 May, the number of divisions fell to twenty-six, with 136 heavy guns. A further reduction a week later left Foch with twenty divisions (plus two territorial and one cavalry) and the recognition that the main attack was now British. The French action would be in support only."

* etwa minus 30
 
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Woher wisst Ihr, was Falkenhayn wollte?

Aus den Quellen. Ich dachte, Jessen wäre von Dir gelesen?
Aus den Quellen lässt sich nur ablesen, was Falkenhayn getan hat, nicht was er wollte. Dass die Schlacht so geführt wurde oder so geführt werden sollte, ist unstrittig. Es gibt lediglich begründete Zweifel daran, dass diese Operationsführung den Beweis darstellt, dass eine „Ausblutungsschlacht“ geplant war. Dass es sich um eine Abnutzungsschlacht handeln sollte, ist nicht aus einer Analyse des militärischen Handelns abgeleitet worden. Diese Deutung geht allein darauf zurück, dass Falkenhayn das behauptet hat und dass dem (fast) nie widersprochen worden ist. So blieb es bei einzelnen kritischen Äußerungen wie der oben zitierten, dass Falkenhayns Behauptungen "bizarr" seien.

Stattdessen haben alle Autoren Falkenhayns Behauptungen anerkannt, bestätigt und verteidigt – sogar solche Autoren, die ihm nicht wohlgesonnen waren. Z.B. Ludendorff und Hindenburg. Nur in der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt gab es Ansätze zu einer Erörterung der strategischen Hintergründe der Schlacht. Hier wurden Zweifel geäußert, ob Falkenhayns Aussagen glaubwürdig waren. Bei diesen "Ansätzen" blieb es aber auch.

Ich führe das darauf zurück, dass niemand ein ernsthaftes Interesse daran hatte, Falkenhayn Versagen nachzuweisen. Dazu wäre es nämlich nötig gewesen, die Schlacht als Fehlschlag oder gar Niederlage darzustellen – und das war unerwünscht in einer Zeit, als das Miltär an dem Mythos strickte, das deutsche Heer sei „im Felde unbesiegt“ geblieben.

Was spricht gegen die These der Abhnutzungsschlacht?

Zunächst der Umstand, dass Deutschland daran eigentlich überhaupt kein Interesse haben konnte. Schon 1915 waren die Entente-Truppen den Deutschen in Frankreich zahlenmäßig klar überlegen. Dass England und Frankreich über größere Ressourcen verfügten, garantierte ein weiteres Anwachsen dieser Überlegenheit. Mithin spielte die Zeit gegen Deutschland. Eine Abnutzungsschlacht konnte also nur der Entente nutzen, nicht aber dem Deutschen Reich.

Das hatte Falkenhayn auch schon Ende des Jahres 1914 erkannt und erklärt, dass Deutschland nicht mehr gewinnen könne. Als Sieg könne es nur noch angesehen werden, den Krieg nicht zu verlieren. Was nur möglich wäre, wenn man entweder Frankreich oder Russland zu einem Frieden „bewegen“ könne. Diese Einschätzung Falkenhayns hat Bethmann Hollweg in der Politik vertreten. Hier wäre der Ansatz für politische Initiativen gewesen. Die allerdings hat Falkenhayn merkwürdigerweise zurückgewiesen. Ihm schwebte also irgendeine Methode vor, auf militärische Weise die „Friedensbereitschaft“ Russlands oder Frankreichs „herzustellen“.

Zweitens stellt sich die Frage, warum Falkenhayn für seine angebliche Abnutzungsschlacht mit Verdun ausgerechnet den einen Punkt an der Front gewählt haben soll, der am stärksten befestigt und am leichtesten zu verteidigen war. Dieser Punkt spricht auch dagegen, dass eine Rückkehr zum Bewegungskrieg angestrebt war. Falkenhayn selbst hat erklärt, dass ein Massendurchbruch nicht möglich sei. Der wäre aber nötig gewesen. Und das hätte eine Eroberung der Festung nötig gemacht.

Drittens weckt die taktische Gefechtsführung Zweifel am Ziel einer Abnutzungsschlacht. Die 5. Armee ist so vorgegangen, als sei es ihre Aufgabe, Schritt für Schritt die Vorwerke und Sperrforts der Festungsanlage zu nehmen und die Stadt zu erobern. Der Hauptstoß ist genau gegen die Sperrforts gerichtet gewesen. Das steht im Widerspruch zu dem „sparsamen Truppeneinsatz“, den Falkenhayn selbst als Grundlage der Offensive bezeichnet hat. Das führte auch von Beginn an zu Konflikten zwischen Falkenhayn und dem Armeeoberkommando.

Aus irgendwelchen Gründen hat Falkenhayn aber auf genau diesem Vorgehen bestanden. Er hat zeitweise sogar die Auftragstaktik außer Vollzug gesetzt und buchstabengetreue Einhaltung der Befehle verlangt.

Wenn es wirklich nur darum gegangen wäre, die Feinde zu einem Gegenangriff zu zwingen, wäre der verlustreiche Frontalangriff auf die Festungswerke unsinnig gewesen. Es wäre viel effektiver gewesen, die in die deutsche Front hineinragende Festung an den Flanken zu umgehen und ihre Verbindungslinie abzuschneiden. Zwei Bahnlinien hatten die Deutschen bereits abgeschnitten, die dritte konnte mit Artillerie beschossen werden und die einzige offene Straße, über die tausende Lastwagen mit Nachschub rollten, hätte mit einem Vorstoß östlich der Maas zumindest wirksam bedroht werden können. Keegan und Münkler weisen auf diesen Umstand hin. Es war also durchaus möglich, die Festung "einzuschließen".

Schließlich erklärt die These von der geplanten „Abnutzungsschlacht“ nicht die Tatsache, dass vor Verdun neun Monate lang gekämpft wurde, obwohl doch schon nach relativ kurzer Zeit klar war, dass es den angeblich erwarteten panischen Gegenangriff nicht geben würde. Wäre dies tatsächlich Falkenhayns Ziel gewesen, hätte er schon nach ein paar Tagen, spätestens Wochen die Aktion abbrechen müssen. Das Gemetzel wurde aber monatelang fortgesetzt – und hat letztlich dem Thronfolger den Beinamen „Schlächter von Verdun“ eingebracht.

Ich habe keine Ahnung, was Falkenhayn geplant hat. Eine bloße Abnutzungsschlacht war es jedenfalls nicht. Den von Jessen vermuteten Versuch einer Rückkehr zum Bewegungskrieg halte ich übrigens auch für eher unwahrscheinlich. Ich wüsste nicht, wie eine Abnutzungsschlacht in einen Bewegungskrieg übergehen sollte. Die Begriffe widersprechen einander. Ausgehend von Falkenhayns Einschätzung, dass ein Sieg nur noch darin bestehen konnte, nicht zu verlieren, hat @Dekumatland möglicherweise Recht, wenn er vermutet, dass es eher um eine „Entscheidungsschlacht“ ging. Eine Schlacht, die Falkenhayn ohne jede Rücksicht auf eigene Verluste um jeden Preis führen wollte.

MfG
 
Gleichzeitig, so eine Beobachtung von Groener, tat sich die Armee leichter beim Zerschlagen und Erobern von Festungen und deutlich schwerer beim neuartigen Stellungskrieg, der sich als neue Art der Kriegsführung für 1915 herauskristallisierte.
Taten sich die Armeen leicht beim zerschlagen von Festungen im Ersten Weltkrieg?

Sehr verkürzt gedacht, mag es angesichts der relativ raschen "Eroberungen" von Lüttich und Antwerpen so scheinen, als würde das Konzept "sturmreif schießen mit schwerster Artillerie und dann beschleunigter Angriff mit Einrechen in den Verteidigungsring" das probate Mittel gegen Festungen sein - aber was für Festungen waren das?

Beide, Lüttich und Antwerpen, waren 1914 schon drastisch veraltet: sie folgten noch weitenteils der älteren Konzeption mit Artillerieforts - diese hatten aufgrund ihres Aufzugs über den Bauhorizont schlechte Karten im Fernkampf: sie waren sichtbar. Da kann sich die weitreichende Artillerie einschießen. Die Zeiten, da Brialmonts Antwerpen als Musterfestung galt, waren schon längst vorüber! Genau das zeigte sich bei den beiden später stets und gerne als Exempel angeführten Festungen.

Was sich aber auch zeigte: der Hurra-Angriff, der schnelle Einbruch, der "beschleunigte Angriff" funktionierte nicht mal gegen veraltete Anlagen so, wie man sich das vorstellte und war laut Moltke 1911 eigentlich auch "Zukunftsmusik", weil beispiellos (!) - siehe z.B. Eroberung von Lüttich (1914) – Wikipedia
.So unbequem es daher ist, muss der Vormarsch durch Belgien ohne Verletzung der holländischen Gebiete erfolgen. Es wird im wesentlichen nur ausführbar sein, wenn Lüttich in unserem Besitz ist. Diese Festung muss daher sofort genommen werden. Ich halte es für möglich, sich derselben durch Handstreich zu bemächtigen. (…) Eine moderne Festung durch Handstreich zu nehmen, dürfte in der Kriegsgeschichte noch kein Beispiel haben. Es kann aber glücken und muss versucht werden, da der Besitz Lüttichs für unseren Vormarsch die conditio eine quasi non ist
und wie gesagt: so wirklich modern a la Metz, Belfort, Sereth-Linie usw war Lüttich nicht.

(selbst das zernieren von Namur, einer total veralteten Festung, Ziegelkasematten etc aus der Zeit vor der Brisanzkrise, dauerte zwei Wochen)

Nach 1900 besteht zwischen ausgedehnten Festungfronten (die Abschnitte einer Festung wurden als Front bezeichnet) und den Fronten im Graben/Stellungskrieg eigentlich nur ein qualitativer Unterschied hinsichtlich der Stärke/Beschussfestigkeit der Positionen für weitreichende Artillerie, welche im Fall von modernen Festungen (Metz, Selztalstellung etc) stärker als in den Feldbefestigungen des Stellungskriegs/Grabenkriegs waren. In diesem Zusammenhang interessant ist das Konzept der Panzerfront: tief gestaffelt im Gelände verteilt sind offene Batterien und Panzerbatterien für gestaffelten Fernkampf, verteidigt von flankierenden Zwischenraum- und Vorfeldstreichen sowie infanteristisch durch ausgebaute Schützengrabensysteme (mit allem drum und dran, Gräben, MG-Nester, Stacheldrahtzonen)* - genau das realisierte der Festungsbau nach 1900 sowohl in Neubauten, als auch im Vorfeld älterer Gürtelfestungen und in den Zwischenräumen/Vorfeldern der gesplitteten Gruppenbefestigungen und "Festen" - kein Wunder, dass kaum solche Anlagen tatsächlich angegriffen wurden! Metz, Diedenhofen, Belfort, Istein, Krakau, Mutzig/Molsheim, Selztalstellung wurden nie angegriffen.

Verdun war eine umfangreiche Gürtelfestung der Ausbaustufe des "eisernen Riegels" ab ca. 1880 mit großen Forts, Annexbatterien, Zwischenwerken. Diese wurden ab 1890 mit Zwischenwerken "Ouvrages" verstärkt, zusätzlich mit Stahlbeton und Panzerkuppeln. Nach 1900 kamen zahlreiche modernere gesplittete Anlagen hinzu, besonders stark war die Umgebung von Fort Douamont und Vaux befestigt. Der Angriff richtete sich gegen eine der starken Fronten der Festung... Zudem war Verdun quasi als "starker Stützpunkt" integriert in den "eisernen Riegel", d.h. ein umschließen mit förmlicher Belagerung war a priori nicht möglich...
...dass der Stellungskrieg an einer derart massiven Stellung wie Verdun keinen Durchbruch schafft, war eigentlich zu erwarten...

noch zu Port Artur und den Konsequenzen: den stärksten Widerstand der unversorgten Festungsbaustelle leisteten die jüngsten Verteidigungsstellungen, die - ohne Panzerbatterien - den gesplitteten Befestigungsgruppen nahe kamen. Und genau deren Widerstand, monatelang und bei immensen Verlusten seitens der Angreifer, war für von Interesse.

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* es galt das Konzept sehen aber nicht gesehen werden für diese befestigten Zonen bzw. "vorbereiteten Stellungen":
a) modernisierte Festungen:
die ehemaligen Artillerieforts werden "liefergelegt", sofern sie mit Panzerkuppeln/Panzerartillerie ausgestattet werden, ansonsten vor und zwischen den Forts tief gestaffelter Ausbau a la Panzerfront
b) neue Festungen:
a la Panzerfront
 
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Falkenhayn plante zunächst nur die Höhen des Ostufers an der Maas zu erobern, dort Artillerie zu postieren, Verdun zu beschießen und die französische Führung dadurch zu zwingen entweder ganz Verdun aufzugeben oder zum überaus verlustreichen Sturm auf die besetzten Höhenlinien anzutreten und sie zurückzuerobern. Der Pan scheiterte daran, das die Höhen des Ostufers aufgrund zu geringer Angriffsstärke nicht beim ersten Angriff vollständig erobert werden konnten und auch alle späteren Versuche fehlschlugen.
 
Mit den 9 Divisionen im gesamten Verdun-Bogen war die französische Front dort mäßig im naiven Vertrauen auf die Befestigungen besetzt. Der naive deutsche Angriff am Ostufer erschöpfte sich nicht wegen der Ausgangslage, sondern wegen des Herankarrens der Masse 10. französischen Armee.
Als Resultat des ersten Tages musste festgestellt werden, dass trotz des massiven Artilleriebeschusses der französische Widerstand viel zäher war, als man es auf deutscher Seite erwartet hatte. Am ersten Tag der Schlacht wurden etwa 600 deutsche Soldaten getötet oder verwundet. Hätte Kronprinz Wilhelm einen direkten, massiven Infanterieangriff am frühen Vormittag befohlen, so die gängige Meinung der Historiker, wären die verwüsteten Stellungen der Franzosen genommen worden und die Festung Verdun gefallen. So aber ging der völlig sinnlose Kampf noch Monate weiter.
Schlacht um Verdun – Wikipedia
Ist das die Meinung der Historiker ?
 
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