Fanatiker ?!

Q

Quintus Fabius

Gast
Angeregt durch den Königreich des Himmels Thread, wo sich die Frage stellte :

wie Fanatisch waren die Kreuzritter eigentlich ?

Unter besonderer Berücksichtigung der Templer bzw der Ritterorden. Man ließt einerseits von den Templern als den Vorkämpfern des Christentums die sich selbstmörderisch auf den Feind stürzen und andererseits davon daß die Templer dann zu den Sarazenen eine moderatere Einstellung gewonnen haben sollen.

Wenn letzteres überhaupt der Fall war, wann stellt sich diese ein ?

Und dann stellt sich auch allgemein die Frage nach dem religiösen Fanatismus im Mittelalter, kurzum, wie fanatisch waren die überhaupt ?!
 
Hallo Quintus Fabius,

ich wollte dort schon eine Antwort geben, habe mich aber zurückgehalten, weil ich den Film erst sehen will, bevor ich weiter etwas dazu schreibe :winke:

Quintus Fabius schrieb:
... wie Fanatisch waren die Kreuzritter eigentlich ?

Unter besonderer Berücksichtigung der Templer bzw der Ritterorden. Man ließt einerseits von den Templern als den Vorkämpfern des Christentums die sich selbstmörderisch auf den Feind stürzen und andererseits davon daß die Templer dann zu den Sarazenen eine moderatere Einstellung gewonnen haben sollen.

Wenn letzteres überhaupt der Fall war, wann stellt sich diese ein ?

Und dann stellt sich auch allgemein die Frage nach dem religiösen Fanatismus im Mittelalter, kurzum, wie fanatisch waren die überhaupt ?!

Grundsätzlich ist "Fanatismus" vielleicht nicht ganz treffend.
Der Mensch des Mittelalters war zunächst überzeugt davon, daß seine Religion der einzig wahre Weg ist. Das ist zwar etwas vereinfacht ausgedrückt, aber nur so kann man das Thema der Kreuzzüge überhaupt verstehen.
Diese Geisteshaltung war auch nicht unbedingt typisch für die Christen; die Muslime erscheinen im Nachhinein toleranter, weil sie nicht einen vordergründigen Missionierungsdrang hatten.
Beide Seiten sahen im Kampf gegen die jeweiligen "Ungläubigen" ein gottgefälliges Werk - auch von daher verbietet sich eigentlich jedes Urteil durch die vom neuzeitlichen Humanismus gefärbte Brille...

Aber bleiben wir mal bei den lateinischen Christen.
Im Hl. Land war es typisch, daß Neuankömmlinge einen starken Haß auf die Muslime hatten und daher mit Begeisterung in die Kämpfe zogen (es war ja aus ihrer Sicht gottgefällig), während diejenigen, welche schon längere Zeit dort waren, gelernt hatten, sich mit ihren muslimischen Nachbarn zu arrangieren.
Aber es gab Ausnahmen: Baudouin (Balduin) III d'Anjou, der König von Jerusalem, war ein Mensch, der so stark dem o.a. Weltbild verhaftet war, daß er den Kampf gegen die "Ungläubigen" zu seiner Lebensmaxime machte.
Daneben gab es eben bspw. auch einen Rainald de Chatillon, der eine "Raubritterseele" war und sich um keinerlei Werte, Authoritäten u.ä. scherte, sondern stets das tat, was zu seinem eigenen Vorteil war.

Zu den Orden der Templer und der Johanniter - wäre ja auch was für das Thema "Kreuzzüge und Ritterorden" hier ;)
Die beiden rivalisierten seit etwa 1170 miteinander, waren sich aber einig in ihrem Haß auf den Islam - bis zu jenem entscheidendem Ereignis im Jahre 1187 (Schlacht bei den Hörnern von Hattim und Verlust Jerusalems). Nachdem nämlich Jerusalem verlorengegangen war, gingen auch sie dazu über, bei den Muslimen zwischen denen zu differenzieren, mit denen sie tatsächlich im Streit lagen, und denen, welche friedlich in ihrer näheren Umgebung lebten.
Von da an gilt auch für sie verstärkt (obgleich auch zuvor schon grundlegend vorhanden) das o.a. Verhaltensmuster von Neuankömmlingen und Etablierten im Hl. Land... :cool:

Hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen.

In diesem Sinne

Timo
 
Daneben gab es eben bspw. auch einen Rainald de Chatillon, der eine "Raubritterseele" war und sich um keinerlei Werte, Authoritäten u.ä. scherte, sondern stets das tat, was zu seinem eigenen Vorteil war.

Mal abgesehen davon daß er tatsächlich eine Art Raubritter war, so sehe ich selbst oder gerade bei Rainald ein starkes Motiv im Glauben. Ich glaube daß die Figur des Rainald häufig falsch eingeschätzt oder dargestellt wird.

Rainald wurde von beiden Seiten als Elefant Gottes bzw Elefant bezeichnet. Primär setzte er den ständigen Kampf gegen den Islam fort, als die meisten anderen Christen eben schon begonnen hatten zu kooperieren.

Seine Treulosigkeit und Hinterhältigkeit brachten im dann wohl den Ruf ein, ein reiner Opportunist zu sein der sich um keine Werte schert. Ich sehe gerade ihn aber als Fanatiker im klassischen Sinne.

Seine absolute Skrupellosigkeit erklärt sich mMn aus dem tatsächlichen Glauben daß die Sünden durch den heiligen Krieg beim Tod getilgt würden und folglich jede Sünde auf Erden begangen werden kann.

Aus dieser Einstellung heraus sind viele Verbrechen der Kreuzritter zu erklären, da sie mMn der wirklichen Überzeugung waren ihre Sünden dann erlassen zu bekommen und eben nicht in die Hölle zu geraten.

Auch Rainalds Raubrittertum sehe ich eher als permanenten Kleinkrieg, bzw Guerilla gegen die Muslime. Das er sich gegenüber diesen nicht an sein Wort hielt ist da nur natürlich.

Die beiden rivalisierten seit etwa 1170 miteinander, waren sich aber einig in ihrem Haß auf den Islam - bis zu jenem entscheidendem Ereignis im Jahre 1187 (Schlacht bei den Hörnern von Hattim und Verlust Jerusalems). Nachdem nämlich Jerusalem verlorengegangen war, gingen auch sie dazu über, bei den Muslimen zwischen denen zu differenzieren, mit denen sie tatsächlich im Streit lagen, und denen, welche friedlich in ihrer näheren Umgebung lebten.
Von da an gilt auch für sie verstärkt (obgleich auch zuvor schon grundlegend vorhanden) das o.a. Verhaltensmuster von Neuankömmlingen und Etablierten im Hl. Land...

Aber nehmen wir mal das Verhalten während des Kreuzzuges in Ägypten. Oder das Verhalten der Johanniter dann von Rhodos aus oder später von Malta aus. Die brachten jedes islamische Schiff auf daß sie kriegen konnten und massakrierten immer wieder die Besatzung.

Bei den Templern sehe ich tatsächlich im Verlauf der Zeit, aber erst nach dem Verlust des heiligen Landes !! 1291 eine Mäßigung aber wo ist diese bei den Johannitern oder den Deutschrittern zu erkennen ?!

Der Thread zu den Ritterorden ist mir hier zu beschränkt da ich ja den christlichen Fanatismus im Allgemeinen und eben gerade Personen wie Rainald oder die weltliche Ritterschaft hier mitbehandeln will:

Um mal eine Definition zu haben :

Fanatiker : jmd der sich für eine Überzeugung, eine Idee ausschließlich und radikal einsetzt, ein dogmatischer Verfechter einer ausschließlichen Idee, Fanatismus: blinder Eifer, unduldsames Eintreten für eine Sache, Kompromißloses Durchsetzen einer Idee

Von daher :

Der Mensch des Mittelalters war zunächst überzeugt davon, daß seine Religion der einzig wahre Weg ist.

Wären die Christen im Mittelalter im Prinzip zu großen Teilen (natürlich nie alle) gerade eben als Fanatiker einzustufen, oder ?!

Wenn ich mir z.B. die Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden so ansehe, dazu lese ich gerade Bücher, dann ist daß für mich klarer Fanatismus.

Ich werte das damit ja nicht im Sinne von gut oder schlecht, ich ordne es nur ein.
 
Zur Lektüre empfehle ich Storici arabi delle Crociate von Francesco Gabrieli. Gibt es auch in englischer (Arab historians of the crusades) und deutscher (Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht) Übersetzung. Für Deine Frage ist besonders Usama interessant, der nicht ereignishistorisch berichtet, sondern, was er im Alltagsleben so erlebt hat. So auch von den Templern, bei denen er beten darf (die al-Aqsa ist für ihn ja eine Moschee), ein Neuling ihn aber zwingt sich statt gen Mekka (von Jerusalem aus Richtung ~Süden), gen Osten zu richten (der Ort des Paradieses in der mittelalterlichen Vorstellung der Welt). Aber auch andere kuriose Geschichten von den "Franken", wie Usama die Europäer im Allgemeinen nennt, hat er zu erzählen; Geschichten, die voller Polemik sind und voller Details. Höchst interessante Quelle!
 
Zum Rainald erst einmal...

Quintus Fabius schrieb:
Mal abgesehen davon daß er tatsächlich eine Art Raubritter war, so sehe ich selbst oder gerade bei Rainald ein starkes Motiv im Glauben. Ich glaube daß die Figur des Rainald häufig falsch eingeschätzt oder dargestellt wird.

Rainald wurde von beiden Seiten als Elefant Gottes bzw Elefant bezeichnet. Primär setzte er den ständigen Kampf gegen den Islam fort, als die meisten anderen Christen eben schon begonnen hatten zu kooperieren.

Seine Treulosigkeit und Hinterhältigkeit brachten im dann wohl den Ruf ein, ein reiner Opportunist zu sein der sich um keine Werte schert. Ich sehe gerade ihn aber als Fanatiker im klassischen Sinne.

Seine absolute Skrupellosigkeit erklärt sich mMn aus dem tatsächlichen Glauben daß die Sünden durch den heiligen Krieg beim Tod getilgt würden und folglich jede Sünde auf Erden begangen werden kann.

Aus dieser Einstellung heraus sind viele Verbrechen der Kreuzritter zu erklären, da sie mMn der wirklichen Überzeugung waren ihre Sünden dann erlassen zu bekommen und eben nicht in die Hölle zu geraten.

Auch Rainalds Raubrittertum sehe ich eher als permanenten Kleinkrieg, bzw Guerilla gegen die Muslime. Das er sich gegenüber diesen nicht an sein Wort hielt ist da nur natürlich.

Ich sehe ihn auch vor dem Hintergrund von drei Gegebenheiten seines Umfeldes:

(1) Er ließ Aymery, den lateinischen(!) Patriarchen von Antiochia, foltern, weil dieser gegen ihn opponierte. So weit ging damals nicht einmal ein König, der sich einem Kirchenfürsten gegenüber mehr als Rainald erlauben konnte!
(2) Sein Raubrittertum richtete sich beileibe nicht nur gegen Muslime, denn er überfiel bspw. auch das christliche Zypern. An der Stelle dann das eigentlich Ehrlose: da daraufhin der byzantinische Kaiser Manuel mit seinem Heer anrückte, warf sich vor ihm Rainald in den Staub und bettelte so sehr um sein Leben, daß dies zum einen sogar die Chronisten besonders erwähnten und zum anderen nach den Aussagen allen Anwesenden bei diesem Anblick übel wurde!
(3) Rainalds Verhalten war wohl selbst für seine Zeit und die christliche Seite so untypisch, daß selbst Saladins Sekretär - der nun nicht gerade ein Freund der "Franken" war - schrieb, Rainald sei ein so ausgemachter Halunke, daß er es nicht wage, ihn in einem Atemzug mit den anderen "fränkischen" Rittern zu nennen!

Quintus Fabius schrieb:
Aber nehmen wir mal das Verhalten während des Kreuzzuges in Ägypten. Oder das Verhalten der Johanniter dann von Rhodos aus oder später von Malta aus. Die brachten jedes islamische Schiff auf daß sie kriegen konnten und massakrierten immer wieder die Besatzung.

Bei den Templern sehe ich tatsächlich im Verlauf der Zeit, aber erst nach dem Verlust des heiligen Landes !! 1291 eine Mäßigung aber wo ist diese bei den Johannitern oder den Deutschrittern zu erkennen ?!

Wie ich schon erwähnte, liegt das Umdenken nach 1190, da man erkennen mußte, daß es trotz Rückgewinns einiger Plätze (z.B. Akkon) so schnell nichts mit der Rückeroberung der lateinischen Staaten werden würde.
Die ägyptischen Feldzüge waren in den 1160ern, ergo vorher.
Rhodos und Malta haben wieder andere Rahmenbedingungen, da sie nach der Ära der Kreuzzüge liegen und im Kontext der Auseinandersetzung mit den Osmanen und nordafrikanischen Korsaren im Mittelmeerraum gesehen werden müssen.
Gerade Johanniter und Deutschordensritter waren nie ausschließlich Kampforden, sondern behielten immer die Hospitalität bei. Ihre Militanz war - wenn auch marginal - stets schwächer als bei den Templern.
1291 versetzte allen Ritterorden einen gewaltigen Dämpfer - bis auf daß sich die Deutschherren bereits ins Baltikum verlegt hatten. Die Johanniter holten sich 1307/10 Rhodos, und die Templer verpaßten es schlicht und ergreifend, einen eigenen Staat aufzubauen. Und keiner kann sich erklären warum: Zypern wurde ihnen sogar angeboten, was sie aber ablehnten... OK, etwas Off Topic an der Stelle...

Quintus Fabius schrieb:
Fanatiker : jmd der sich für eine Überzeugung, eine Idee ausschließlich und radikal einsetzt, ein dogmatischer Verfechter einer ausschließlichen Idee, Fanatismus: blinder Eifer, unduldsames Eintreten für eine Sache, Kompromißloses Durchsetzen einer Idee

Von daher :

Wären die Christen im Mittelalter im Prinzip zu großen Teilen (natürlich nie alle) gerade eben als Fanatiker einzustufen, oder ?!

Wenn ich mir z.B. die Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden so ansehe, dazu lese ich gerade Bücher, dann ist daß für mich klarer Fanatismus.

Ich werte das damit ja nicht im Sinne von gut oder schlecht, ich ordne es nur ein.

Ich kann Deine Einordnung nachvollziehen, tue mich aber schwer damit, diese selbst so zu treffen, da der Begriff "Fanatismus" in der Neuzeit geprägt wurde und gewöhnlich dementsprechend verwendet wird. Zur Erklärung folgende wissenschaftliche Abhandlung http://www.sgipt.org/politpsy/fanat0.htm
Man kann es zwar danach so einordnen, allerdings sehe ich schon einige Unschärfen...
 
timotheus schrieb:
Diese Geisteshaltung war auch nicht unbedingt typisch für die Christen; die Muslime erscheinen im Nachhinein toleranter, weil sie nicht einen vordergründigen Missionierungsdrang hatten.
Veto! Zwar ist es richtig, dass Muslime gegenüber den sogenannten Dhimmi oder ahlu-l-kitâb (Juden, Christen, Zoroastrer) eine relative Toleranz an den Tag legten (was je nach Zeit und Ort variierte), aber nichtsdestotrotz hatten auch sie einen religiösen Missionierungsdrang. Man bedenke, dass die Muslime von der arabsichen Halbinsel bis Indonesien und China im Osten und bis nach Spanien im Westen gedrungen sind (und weiter bis nach Tours/Portiers und bis an den Genfer See) Nordafrika und die arabische Halbinsel waren während der Ğahilīa, also der vorislamischen Epoche stark christianisiert (wo sind diese Christen heute? NEIN! Dies ist kein Revanchismus, will nur sagen, dass die Muslime im Missionierungsdrang den Christen in nichts nachstanden.)

timotheus schrieb:
Im Hl. Land war es typisch, daß Neuankömmlinge einen starken Haß auf die Muslime hatten und daher mit Begeisterung in die Kämpfe zogen (es war ja aus ihrer Sicht gottgefällig), während diejenigen, welche schon längere Zeit dort waren, gelernt hatten, sich mit ihren muslimischen Nachbarn zu arrangieren.
Das wird sehr deutlich bei Usama, kann ich nur bestätigen.

El Quijote
 
El Quijote schrieb:
Veto! Zwar ist es richtig, dass Muslime gegenüber den sogenannten Dhimmi oder ahlu-l-kitâb (Juden, Christen, Zoroastrer) eine relative Toleranz an den Tag legten (was je nach Zeit und Ort variierte), aber nichtsdestotrotz hatten auch sie einen religiösen Missionierungsdrang. Man bedenke, dass die Muslime von der arabsichen Halbinsel bis Indonesien und China im Osten und bis nach Spanien im Westen gedrungen sind (und weiter bis nach Tours/Portiers und bis an den Genfer See) Nordafrika und die arabische Halbinsel waren während der Ğahilīa, also der vorislamischen Epoche stark christianisiert (wo sind diese Christen heute? NEIN! Dies ist kein Revanchismus, will nur sagen, dass die Muslime im Missionierungsdrang den Christen in nichts nachstanden.)

Veto angenommen, aber auch gleich Gegen-Veto :winke:
Ich hatte ja auch gesagt "nicht vordergründig", was keinesfalls bedeutet, die Muslime hätten gar keinen Missionierungsdrang gehabt.

Was das ursprüngliche Arabische Kalifat angeht, so war es aber nicht so, daß die Nichtmuslime zwangsbekehrt oder zur Annahme des Islam gezwungen worden wären, sondern eben so, daß sie einer zusätzlichen Steuer unterlagen. Man könnte etwas pauschalisiert sagen, daß es "finanzielle" Gründe gab, den Islam anzunehmen. Diese Praxis setzte sich sogar später im Osmanischen Reich fort (grob gesagt bis zum Ende des 19. Jh.).
Außerdem darf auch nicht von den heutigen prozentualen Anteilen der Weltreligionen im Orient ausgegangen werden, um die Situation zu Zeiten der Kreuzzüge zu charakterisieren. Der Anteil der Christen dort war zu jener Zeit wohl doch höher als heute :grübel:

Die differenzierte Betrachtung der religiösen Toleranz nach Ort und Zeit hatte ich ausgelassen - mein Fehler :rotwerd:
Ich gehe an der Stelle sogar noch einen Schritt weiter und sage, daß dies sich sogar situationsabhängig bei einunddemselben islamischen Herrscher ändern konnte. Man denke nur daran, wie sich Saladin gegenüber den Christen verhielt: das eine Mal ließ er sie töten, das andere Mal zeigte er sich unerwartet großzügig. Da spielte immer ganz gewaltig politisches Kalkül mit!

PS: Ich unterstelle Dir bestimmt keinen Revanchismus - don't worry!
 
timotheus schrieb:
Was das ursprüngliche Arabische Kalifat angeht, so war es aber nicht so, daß die Nichtmuslime zwangsbekehrt oder zur Annahme des Islam gezwungen worden wären, sondern eben so, daß sie einer zusätzlichen Steuer unterlagen.
Da hast Du recht, hier war es eher sanfter Druck, als Zwang. Nichtdestotrotz war die Expanison des Islam mit Kriegen verbunden, deren Ziel - die aus islamischer Sicht gerechtfertigte - Missionierung war.

timotheus schrieb:
Außerdem darf auch nicht von den heutigen prozentualen Anteilen der Weltreligionen im Orient ausgegangen werden, um die Situation zu Zeiten der Kreuzzüge zu charakterisieren. Der Anteil der Christen dort war zu jener Zeit wohl doch höher als heute
:grübel:
Das weiß ich nicht - auch nicht das Gegenteil. In den Länders des fruchtbaren Halbmonds leben ja bis heute viele Christen...

El Quijote
 
Die ägyptischen Feldzüge waren in den 1160ern, ergo vorher.

Was ist z.B. mit Aktionen wie dem 6 Kreuzzug 1248 bis 1254 ?!

Bei den Kämpfen z.B. um Damiette haben die Templer und die Deutschritter derart blind gewütet daß man sie als die neuen Makabäer bezeichnete...

Kuriosität dabei am Rande : bei genau diesem Feldzug war der heilige Franz von Assisi dabei und ging zum islamischen Lager rüber um den Sultan Alkamil zu bekehren. Der ihm geduldig zuhörte und ihn dann wieder zurückschickte.
 
Quintus Fabius schrieb:
Was ist z.B. mit Aktionen wie dem 6 Kreuzzug 1248 bis 1254 ?!

Bei den Kämpfen z.B. um Damiette haben die Templer und die Deutschritter derart blind gewütet daß man sie als die neuen Makabäer bezeichnete...

Da haben wir uns mißverstanden - in mehrerlei Hinsicht :winke:
Ich hatte gesagt, nach Hattin bzw. dem 3. Kreuzzug unterschied man zwischen muslimischen Gegnern im Kampf und den Muslimen, welche man im Alltag in der Nachbarschaft hatte - also dem einfachen Handwerker u.ä., den man eben nicht mehr davon abbringen wollte, daß er in seiner Moschee zu Allah betete. Das ist übrigens in dem von El Quijote genannten Buch beschrieben, wie er schon sagte... :cool:

Quintus Fabius schrieb:
Kuriosität dabei am Rande : bei genau diesem Feldzug war der heilige Franz von Assisi dabei und ging zum islamischen Lager rüber um den Sultan Alkamil zu bekehren. Der ihm geduldig zuhörte und ihn dann wieder zurückschickte.

Stimmt nicht ganz, denn das war meines Wissens während des 5. Kreuzzuges, aber die Begebenheit findet sich in fast jedem Sachbuch zum Thema Kreuzzüge ;)
 
Das war doch damals eine ganz normale Entwicklung, daß nach mehreren Jahren des Zusammenlebens die lateiner und Einheimischen sich angenähert hatten. Ein "Produkt"daraus waren die Pullanen (franz. poulains) welche aus Beziehungen von Abend- und Morgenländern hervorgingen und fast eine eigene Identität haben mußten, da sie von Neuankömmlingen im heiligen Land wie von dort ansässigen Christen und Moslems genauso wenig geachtet wurden ob ihrer nicht reinen Herkunft.
Da z.B. die Templer in wirtschaftlicher Hinsicht neben anderen Orden auch sehr fortschrittlich waren haben sie sich wie alle anderen natürlich die Vor- und Nachteile des eigenen und des fremden Lebensstils angeschaut und gelernt. Daher rührt die beschriebene Nähe der Ordensritter wie aber auch der restlichen dort lebenden Menschen, wie ja Timo schon erwähnt hat.
 
Mal ne andere Frage zum Thema: Beim Fall von Akkon 1291 kämpften sowohl Templer und Johanniter als auch Deutschritter. Der Großmeister der Templer, Guillaume de Beaujeu fiel, während Jean de Villiers, der Großmeister der Johannister schwerstverletzt überlebte. Weiß einer etwas über das Schicksal des Hochmeisters der Deutschritter? Wer war es überhaupt? War es Burchard von Schwanden? Helft mir doch mal weiter!
Viele Grüße, Crawford.
 
Quintus Fabius schrieb:
Was ist z.B. mit Aktionen wie dem 6 Kreuzzug 1248 bis 1254 ?!

Bei den Kämpfen z.B. um Damiette haben die Templer und die Deutschritter derart blind gewütet daß man sie als die neuen Makabäer bezeichnete...

Kuriosität dabei am Rande : bei genau diesem Feldzug war der heilige Franz von Assisi dabei und ging zum islamischen Lager rüber um den Sultan Alkamil zu bekehren. Der ihm geduldig zuhörte und ihn dann wieder zurückschickte.

Weitere Kuriosität: Teilnehmer des fünften Kreuzzuges war der Dichter und Ritter Walther von der Vogelweide, der uns in der Schule mit seinem Gedicht "Ich saz uf einem steine.." genauso bedrängt hat wie er damals die Moslems bekämpft hat.
 
Weitere Kuriosität: Teilnehmer des fünften Kreuzzuges war der Dichter und Ritter Walther von der Vogelweide, der uns in der Schule mit seinem Gedicht "Ich saz uf einem steine.." genauso bedrängt hat wie er damals die Moslems bekämpft hat.

Soweit ich weiß wollte der mitkommen, ist dann aber nicht ?! So steht es in einem Buch über Friedrich den II.

Bezüglich Franz : da hab ich mich verhaut, hätte noch mal nachlesen müssen. Da bin ich wegen Damiette durcheinander gekommen :

Im Mai und Juni 1218 ist auch schon ein Angriff auf Damiette erfolgt. Und das habe ich dann für den 6 Kreuzzug gehalten. Am 24 August 1218 fielen dann die Vorwerke der Stadt, vor allem deutsche Kreuzritter waren hier beteiligt. Der Deutsche Orden war unter Herman von Salza dabei. Am 5 Februar 1219 wurden die Ersatztruppen der Ägypter geschlagen und im Herbst 1219 fiel dann der Rest der Stadt. Johann von Brienne kehrte dann 1221 nach Akkon zurück, und am 8 September 1221 werden die Kreuzritter von den neuaufgestellten Ägyptischen Streitkräften vernichtend geschlagen.

In diesem Jahr 1219 war also der Heilige Franz dann dort.

Weiß einer etwas über das Schicksal des Hochmeisters der Deutschritter? Wer war es überhaupt? War es Burchard von Schwanden? Helft mir doch mal weiter!

Das war schon Konrad von Feuchtwangen. Da dieser die Führung des Ordens noch bis 1297 innehatte, von 1290 bis 1297.

Anfang 1290 hat Burchard von Schwaben abgedankt und ist mit Zustimmung des Papstes in den Johanniter Orden eingetreten !!

Konrad von Feuchtwangen war zu diesem Zeitpunkt in Akkon und wurde dort dann zum neuen Hochmeister gewählt. Nach dem Fall der Stadt den er unverletzt überstand am 18 Mai 1291 ging Konrad mit der Führung des Ordens nach Venedig wo dann bis 1302 der neue Sitz des Hochmeisters und der Ordensführung war.

Aber das lassen wir dann wohl am besten weiter unter Ritterorden und Kreuzzüge laufen.

Der Thread soll sich ja mit der Frage der Glaubensintensität des Mittelalters auseinander setzen :
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Friedrich II wurde gebannt, weil er seinen versprochenen Kreuzzug wieder und wieder aufgeschoben hatte. Beim letzten Mal hat er selbst mit Gregor IX vereinbart, daß er gebannt werden sollte, wenn er den Termin wieder nicht einhält. War also entsprechend den Vereinbarungen, daß es passiert ist, als ihm die Krankheit dazwischengekommen ist.
Natürlich hielt er es für eine reine Formalität und hat damit gerechnet, daß der Bann aufgehoben wird, sobald er seine Gründe darlegt. Gregor IX hat das aber anders gesehen.
Gut, Friedrichs kurioser Kreuzzug ist sowieso ein Thema für sich.
Bogen zum Thema zurück. Er hatte die Toleranz bzw. sogar Faszination für den Islam vermutlich durch sein Aufwachsen auf Sizilien, einem wahren Schmelztiegel der Kulturen. Und schon sein Großvater Roger II hat sich sehr für islamische Kultur interessiert.

@Timo: Die Templer hatten Zypern kurzfristig tatsächlich in Besitz. Aber offenbar haben sie sich dort bei der Bevölkerung schnell so unbeliebt gemacht, daß sie jede Menge Aufstände am Hals hatten. Offenbar hatten sie auch nicht die Ressourcen, ihr die volle Aufmerksamkeit zu widmen, also haben sie die Insel an Guy de Lusignan abgetreten bzw. verkauft.
 
zu erwähnen ist eventuell auch noch der "Beschluss" bzw die Tatsache, dass gefangene Ordensbrüder von Muslimen hingerichtet wurden, da sie weder als Sklaven noch als Geiseln nutzten und nach einem freikommen wohl wieder den Konflikt suchten.
Wobei ich jedoch auch davon ausgehe, dass solche Menschen auch unter den normalen "Franken" zu finden waren.
 
Interaktionen, worauf ich jetzt hinaus will, Bündnisse mit muslimischen Fürsten, gab es auch schon in den frühen Jahres des Königreichs Jerusalem.

Zum Beispiel etwas, was Amin Maalouf (Der heilige Krieg der Barbaren) eine „der eigenartigsten Begebenheiten der fränkischen Invasion“ nennt. 1108 standen sich zwei gegnerische Heere gegenüber. Auf der einen Seite Tankred und Redwan von Aleppo, und auf der anderen Jawali von Mosul mit König Balduin und Jocelin von Courtenay.
Es ging bei dieser Auseinandersetzung um Edessa, dessen sich Tankred während Balduins Gefangenschaft in Mosul bemächtigt hatte, und das er zunächst nicht zurückgeben wollte. Er beugte sich dann aber einem Schiedsspruch.
Gut, hier heiligte wohl der Zweck die Mittel.

Eigentlich wollte ich mir den Usamah ("EinLeben im Kampf gegen Kreuzritterheere"), auf den El Quijote schon hingewiesen hat, noch aus der Bibliothek holen um das nachzuschlagen, aber den zitiert Maalouf auch.
Er erwähnt Usamahs Memoiren, und zitiert auch den Teil über „meine Freunde, die Tempelritter“. Das wird so erklärt: „Er meint, daß die Franken, die zuletzt gekommen sind, längst nicht so kultiviert sind wie die früheren, die sich im Orient niedergelassen haben.“

Ich denke, das, die Neuankömmlinge, waren das Grundproblem. Vermutlich auch innerhalb der Orden. Es mag eine Frage der Übersetzung und Auslegung sein, aber hier finde ich vor allem das Wort „Freunde“ interessant. Das muß auf jeden Fall vor dem 3. Kreuzzug gewesen sein, also relativ früh.

Und schließlich die Schlacht von La Forbie 1244, als Jerusalem endgültig verloren gegangen ist. Hier kämpften gegen die Choresmier die fränkischen Christen inkl. der Ritterorden und el-Mansur Ibrahim von Homs una an-Nasir von Damaskus.
(Quelle: Runciman – Geschichte der Kreuzzüge)
Gut, auch hier war es ein gemeinsamer Feind, also wieder ein Zweck, der die Mittel heiligt.

So wie es auch immer heißt, daß die Franken Outremers bei der mongolischen Invasion später ihre Chance verpaßt haben, weil sie sich größtenteils (außer Antiochia, Armenien und den Johannitern von Marqab, soweit ich weiß) neutral verhalten haben statt sich auf Seiten der Mongolen zu schlagen. Hier wird angenommen, daß ihnen die Mongolen doch nicht ganz geheuer waren und sie sich lieber an den Feind gehalten haben, den sie schon kannten, statt den "Teufel" mit dem "Beelzebub" auszutreiben.
Was wohl ein Fehler war, denn die durch den Sieg über die Mongolen gestärkten Mamelucken haben denn ja endgültig ein Ende mit ihnen gemacht. Aber, wer weiß wie es anders gewesen wäre.

Worauf ich hinauswill, christliche Fanatiker gab es unter den Kreuzfahrern und speziell bei den Ordensrittern zweifellos. Aber ich denke, es ging auch um Politik und Macht, weshalb es zu diesen Bündnissen kam.
So sind sicher viele Kreuzfahrer aus Glaubensgründen nach Outremer gereist, manche aber sicher auch aus anderen, Abenteuerlust, Beute, speziell in den Anfangsjahren die Möglichkeit einer eigenen Herrschaft.

In den Jahren zwischen den Kreuzzügen hat das Zusammenleben zeitweise ja ganz gut funktioniert, das Problem war eben die ständige Drohung neuer Kreuzzüge. Gut, vermutlich hätten die islamischen Fürsten sich auch so nie langfristig mit der fränkischen Präsenz abgefunden.

Also, Quintessenz, ich sehe den Grundkonflikt nicht zwischen guten und bösen Franken, sondern zwischen Eingesessenen, die den status quo nicht unbedingt ändern wollten, und den Neuankömmlingen, die Krieg wollten, egal ob aus Fanatismus oder den anderen Gründen.
 
Ich erlaube mir nach diesen Kuriositäten mal einen Sprung vom Ostende des Mittelmeeres zu seinem Westende. Auch auf der iberischen Halbinsel hat es durchaus solche religiös gemischten Heere gegeben, die gegen andere religiös gemischte Heere in den Krieg gezogen sind. Als z.B. König Ramiro von Aragón die Stadt Gra(d)us angriff, die dem muslimischen Teilreich von Zaragoza gehörte, schickte sein Bruder Fernando I. von Kastilien und León seinen Sohn Sancho in den Krieg gegen den eigenen Onkel, um den Muslimen zu helfen. Ramiro wurde daraufhin getötet, weshalb seine Söhne später Sancho bekämpften.

Sanchos Bruder Alfonso VI. schickte, nachdem er sich als Imperator totius Hispaniae bezeichnet hatte, Gesandtschaften aus, welche von den muslimischen Kleinkönigreichen Tribute (parias) einholen sollte. Eine davon ging nach Sevilla, die andere nach Granada. Da aber gerade Sevilla und Granada im Krieg miteinander lagen - wie ständig - gingen die Gesandtschaften gleich mit - es bot sich ja Beute an... So trafen sich bei Cabra zwei muslimisch-christliche Heere, deren christliche Verbündete dem gleichen Herrscher dienten. Ruy Díaz - so hieß der Führer der Delegation anch Sevilla - beknnater is er unter dem Namen El Cid - machte bei dieser Schlacht einige seiner 'Kollegen' zu Gefangenen und demütigte sie schwer, was ihm die Verbannung vom Königshof einbrachte, aber auch für seine weitere Karriere in Realität, wie Literatur voranbrachte.

El Quijote
 
timotheus schrieb:
...Diese Geisteshaltung war auch nicht unbedingt typisch für die Christen; die Muslime erscheinen im Nachhinein toleranter, weil sie nicht einen vordergründigen Missionierungsdrang hatten.
Beide Seiten sahen im Kampf gegen die jeweiligen "Ungläubigen" ein gottgefälliges Werk - auch von daher verbietet sich eigentlich jedes Urteil durch die vom neuzeitlichen Humanismus gefärbte Brille...

Die Muslime hatten keinen "vordergründigen Missionierungsdrang"? :confused:
Glaubst Du das wirklich?
Dann les einmal nach, wie der Islam entstand....
Der Araber Mohammed fühlt sich als Prophet Allahs (eines Gottes) und predigt den Islam (=Ergebung in Gottes Willen) der in der heiligen Schrift des Koran ("Verkündigung" 114Suren) niedergeschrieben wird.
632 stirbt Mohmammed (vorher hat er die arabischen Stämme unterworfen und bekehrt, sowie Mekka 630 n.Chr. zum religösen Mittelpunkt des Islams gemacht). Seine Nachfolger werden Kalifen genannt. Der Kalif Omar schafft die Grundlage des arabischen "Weltreichs". Bis 650 n.Chr. wurde Nordafrika, Ägypten, Syrien, Palästina und Persien erobert. Es gibt Zusammenstöße mit Byzanz. 674-678 versucht man vergeblich Konstantinopel zu erobern.
Im Jahre 711 wird das Westgotenreich in Spanien duch die Araber in der Schlacht am Fluß Guadalete (Jerez de la Frontera) zerschlagen und Spanien wird bis zu den Pyrenäen erobert. Erst 732 besiegt Karl Martell die Araber in Tours und Poitiers und stoppt somit das arabische Vordringen in Westeuropa. Wäre diese Schlacht für die Christen negativ verlaufen, so wäre auch Frankreich arabisch geworden!!!
Da kann man von den Kreuzzügen auch als Gegenreaktion des Christentums ausgehen. 1071 wird nach der Schlacht bei Mantzikert Kleinasien türkisch und als 1077 der Seldschukenführer Melikschah Jerusalem erobert, da erfolgt jetzt die Reaktion der Christen (meist Franzosen und Normannen) durch Papst Urban II. . Erst zu diesem Zeitpunkt waren die Christen stark genug um dem Islam entgegenzutreten. Die Normannen hatten schon bewiesen, daß man sich durchsetzen kann.

Also ohne Missionsdrang waren die Muslime nicht!!! Sie waren nur zu dem Zeitpunkt der Kreuzzüge anfällig (wie vorher die Christen in Spanien).
 
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