lynxxx
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3. Mühsam errungene Erfolge und ernste Rückschläge
(ca. 1600–1774)
Seit dem 17. Jahrhundert gewannen in zunehmenden Maße einheimische, vor allem griechische, andere südosteuropäische, aber auch muslimische Kaufmannsfamilien Einfluss auf das Marktgeschehen. Albanische und andere Renegaten schafften schon seit dem 15. Jahrhundert den Aufstieg bis zu den höchsten Reichsämtern und finden sich selbst unter den Großwesiren. Istanbuler Griechen (Phanarioten) wurden mit der Verwaltung der Donaufürstentümer (Rumänien) betraut, nachdem die dortigen Fürsten unter russischem Einfluss einen Mangel an Loyalität zeigten.
In Randzonen der Balkanhalbinsel wurde eine nur nominelle osmanische Oberhoheit seitens des Sultans akzeptiert.
Die Osmanen verstanden es, eine absolutistische Regierungsform mit einer weitgehenden Kultur- und Verwaltungsautonomie in den Regionen zu einem funktionierenden Ganzen zu verbinden (Pax Osmanica). Kirchliche Amtsträger übernahmen die Zuständigkeit für die Regelung interner Verwaltungs- und Justizangelegenheiten der einzelnen Religionsgemeinschaften (Milletsystem). Trotzdem waren nicht-muslimische Minderheiten unterprivilegiert, sie mussten beispielsweise eine je nach Reichtum abgestufte Kopfsteuer entrichten, brauchten dafür aber keinen Militärdienst leisten. Insgesamt blieben die Abgaben der Bauern im 15./16. Jahrhundert oft unter denen ihrer Nachbarn in christlichen Reichen. Unfreiwillige Bekehrungen zum Islam kamen nur relativ selten vor. Selbst manche Sklaven konnten dem Druck, die Religion zu wechseln, widerstehen.
Eroberungen im 17./18. Jahrhundert durch die Gegner des Osmanischen Reiches folgten Rückeroberungen durch die Osmanen (z.B. Serbien, Asow, Georgien, usw.), trotzdem sahen viele Mitglieder der Oberschicht die Zeit um das Jahr 1600 als eine Krisenzeit an. Dabei gelangte das Osmanische Reich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert zu seiner maximalen Ausdehnung.
Im 17. Jahrhundert sind eigentlich nur Murad IV. (1623-1640) und Mustafa II. (1695–1703) erwähnenswert und was das 18. Jahrhundert anbelangt, spielten nur Ahmed III. (1703–30) und Selim III. (1789–1807) eine bedeutendere Rolle. Letzterer genoss eine sorgfältige Erziehung mit westlichen Elementen. Als Prinz unterhielt er z.B. einen Briefwechsel mit dem französischen König Ludwig XVI. Ein junger Mann aus der Umgebung Selims III. war nach Paris zum Studium der französischen Kultur und Gesellschaft geschickt worden.
Auf zwölfjährige kriegerische Auseinandersetzungen mit den Safawiden des Iran folgte der "Lange Krieg" gegen die Habsburger (1593-1606). Es ergab sich ein militärisches Patt zwischen den Osmanen und den Habsburgern, in dem geschlossenen Friedensvertrag verzichteten die Osmanen fortan auf Tributzahlungen der Habsburger. Außerdem wurde der habsburgische Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, von den Osmanen bisher herablassend als "König von Wien" bezeichnet, als ein ebenbürtiger Kaiser anerkannt, was die Sultane bislang keinem Herrscher gegenüber getan hatten.
In der Zeit zwischen beiden Kriegen flammten in Anatolien teilweise sozial motivierte Aufstände auf, ja es war zeitweilig die Kontrolle der Sultane über Anatolien ernsthaft gefährdet. Große bewaffnete Banden durchzogen plündernd das Land. Grund war unter anderem der Machtverlust der Kavallerie gegenüber den Janitscharen, die sich zunehmend wie "Prätorianer" gebärdeten und in Folge zu einem großem hemmenden Machtfaktor und einem "Staat im Staate" wurden. Um 1650 wurde die "Knabenlese" gänzlich abgeschafft, was die Degenerierung der einstigen Elitetruppe beschleunigte. Durch das erhebliche Anwachsen ihrer Zahl, gestaltete sich die Besoldung dieses stehenden Heeres schwierig und war ein großer Posten im Haushalt, dem durch wiederholte Münzabwertungen begegnet wurde.
Ab dem 17. Jahrhundert erlebt man mehrere solcher Vorfälle, im wesentlichen waren die Ursachen die Aufweichung der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Grundlagen, die das Reich in eine Dauerkrise zog. Der Niedergang des Militärpfründen-Systems (zunehmende Umwandlung zur Steuerpacht), der neben anderen Konsequenzen zur Verelendung weiter Teile der Landbevölkerung führte, die anhaltende wirtschaftliche Krise, die darin ihre Wurzeln hatte, dass die wirtschaftlich-finanzielle Kapazität in wachsendem Missverhältnis zu den Erfordernissen der Verwaltung des Reiches stand, zudem eine beschleunigte Inflation, bedingt durch wegbrechende Zolleinnahmen, da die Haupthandelswege sich vom Mittelmeer zum Atlantik verlagerten, die Abwertung der Währung, die um sich greifende Käuflichkeit der Ämter, Nepotismus (Vetternwirtschaft) und die Unfähigkeit der Sultane – dies sind einige der wichtigsten Ursachen für diese Entwicklung. Zudem konnten gerade die fiskalischen Auswirkungen zunehmend nicht mehr durch dauerhafte und größere Territorialgewinne ausgeglichen werden.
Die unter großem Einsatz erreichte Stabilisierung des Osmanischen Reiches im 17. und bis zur Mitte des eher kriegsarmen 18. Jahrhunderts hat darin zum Teil seine Ursache, dass sich unter den Großwesiren immer wieder starke Persönlichkeiten befanden (z.B. die Köprülüs), die die Verwaltung nach innen wie nach außen vorübergehend in Ordnung zu bringen vermochten. Zum anderen kann nicht übersehen werden, dass spätestens seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die europäischen Großmächte eifersüchtig darüber wachten, dass Schwäche und Zerfall des Osmanischen Reiches nicht das Gleichgewicht der Kräfte verändern würden. Am Ende des 18. Jahrhunderts fügten sich die Osmanen nicht zuletzt aufgrund ihrer Hinwendung zu starker diplomatischen Aktivität und Kunstfertigkeit in die europäische Allianzsysteme ein, mehr als ein halbes Jahrhundert vor ihrer förmlichen Aufnahme in das "Europäische Konzert" im Jahr 1856.
Trotz innerer Krisen führte das 17. Jahrhundert nicht zu einem stärkeren Niedergang, sondern man muss eher von einer Stagnation sprechen; die Ausdehnung des Osmanischen Reiches fand im letzten Viertel des Jahrhunderts ihren Höhepunkt mit der Eroberung von der West-Ukraine (nebst Podolien), nördlichen Küsten des Schwarzen Meeres, Kretas, Teilen Kroatiens, usw.
Insgesamt umfasste das Osmanische Reich ab 1672 sehr konservativ gerechnet Gebiete von 5.730.100 qkm (inkl. Vasallen), was einer Größe von 16 mal Deutschland entspricht, oder der gesamten Fläche von Deutschland, den Benelux-Staaten, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Dänemark, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Griechenland, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Lettland, Litauen, Makedonien, Moldawien, Rumänien, Serbien, Montenegro, Slowenien, Ukraine, Weißrussland entspricht. Oder kurz gesagt den kompletten Kontinent Europa abzüglich europäisches Russland und Island.
Das 17. Jahrhundert sah mit Murad IV. (1623-1640) den letzten größeren Feldherrn unter den osmanischen Sultanen. Allein 1633/34 plante er fünf große Feldzüge. Die Rückeroberung vom Irak, Aserbaidschan, Kaukasus, Daghestan und Luristan sind besonders erwähnenswert. Er vermochte Recht und Ordnung durch eine harte Politik zu konsolidieren.
Nach fast 20 jährigem Frieden mit den Habsburgern und vor dem Hintergrund einer anhaltenden inneren Krisensituation des Reiches führte 1683 ein neuer osmanischer Feldzug zu der zweiten Belagerung von Wien. Sowohl diplomatisch als auch strategisch, waren hohen osmanischen Würdenträgern bei
der Vorbereitung schwere Fehler unterlaufen. Zum einen war man am osmanischen Hofe offenbar nicht darüber informiert, dass der polnische König trotz seiner pro-französischen Partei, nach seiner Inthronisierung gute Beziehungen zu den Habsburgern geknüpft hatte. Diese Fehleinschätzung führte wiederum dazu, dass bei der osmanischen Feldzugsplanung die Möglichkeit, dass ein stärkeres Entsatzheer Wien zu Hilfe kommen könnte, nicht wirklich berücksichtigt worden war.
Mit der vernichtenden Niederlage setzte eine Kette militärischer Rückschläge ein, die auch bald zu bedeutenden territorialen Verlusten führten, denn diesmal waren die Habsburger in der Lage, die sich zurückziehenden osmanischen Truppen über die Grenzen nach Ungarn hinein zu verfolgen. Noch im selben Herbst verloren die Osmanen die Festung Esztergom (Gran) an der heutigen slowakischen Grenze, eine ihrer am weitesten nach Mitteleuropa vorgeschobenen Bastionen, die, mit einer Unterbrechung, seit 1543 in ihrem Besitz war. Weiterhin fiel z.B. 1686 Buda, etwa hundertfünfzig Jahre lang die Hauptstadt des osmanischen Ungarn. Konnte das Osmanische Reich der Zangenbewegung der Seemächte Spanien und Portugal Anfang des 16. Jahrhunderts noch widerstehen, so bestimmen die russische Expansion und das kaiserlich-habsburgische Vordringen in Südosteuropa vor allem das 18. Jahrhundert.
So drängten im Osten die Russen schon unter dem jungen Zaren Peter dem Großen an das Asowsche und Schwarze Meer, jedoch noch ohne größere nachhaltige Erfolge. Es entstand aber eine neue Front, die in Folge noch an Bedeutung zunehmend würde.
Um 1700 vermochten steuerrechtliche Reformen und Währungsreformen die finanzielle Situation angesichts der militärischen Defensive zu entspannen. So wurde unter Sultan Mustafa II. (1695–1703) zum bisherigen Steuerpachtsystem ein auf Lebenszeit ausgestelltes Pachtsystem (Besitzpacht) hinzugefügt, um eine schonungsvollere Behandlung der Landbevölkerung auch im Interesse des Fiskus zu erwirken.
Der bisherige traditionelle Pfründenfeudalismus mit starkem Zentralismus und damit einhergehendem Leistungsprinzip, wich nun mehr und mehr einem eher dem europäischen Feudalismus des Mittelalters vergleichbarem Zustand. Es bildeten sich aufgrund der schwachen Zentralgewalt immer mehr lokale Notabeln und so genannte "Talfürsten" (derebeyi) mit oft illegal erworbenen erblichem Großgrundbesitz, die teilweise gar eigene Armeen unterhalten konnten. Die Abhängigkeit der Bauern nahm weiter zu.
Die nun eingeführte Besitzpacht ermöglichte es den Notabeln sogar eine noch größere Anhäufung von Grundbesitz und eine weitere Abnabelung von der Zentralgewalt.
Die Kapitalbildung scheint von jeher eine Schwachstelle der osmanischen Wirtschaft gewesen zu sein, letztlich führt das mangelnde Kapital im 19. Jahrhundert zum Staatsbankrott.
Das erste Drittel des 18. Jahrhunderts unter Sultan Ahmed III. (1703–30) und besonders unter seinem fähigem Großwesir wurde wesentlich später als "Tulpenzeit" bezeichnet - eine Anspielung auf die verfeinerte Lebensart dieser Epoche. Diese Zeit war gekennzeichnet von kulturellen Erneuerungen, Versuche von internen Reformen und der deutlich größeren Öffnung zum Westen, auch in der Kunst. Diese erneuernden Bestrebungen fanden ihr Ende mit der Abdankung des Sultans und seines reformerischen Großwesirs nach einem Aufstand der Janitscharen. In dieser Zeit gelang es den Osmanen nach Zusammenbruch der safawidischen Dynastie im Iran, erneut Aserbaidschan, Georgien und Schirwan für eine kurze Zeit zu erobern. Trotz der Abdankung des Sultans setze sein Nachfolger vorsichtig weitere Reformen um, besonders in der Artillerie und der Stadtentwicklung (z.B. Bau von über 60 öffentlichen Brunnen in Istanbul).
Nach einer längeren friedlichen Periode, indem das Osmanische Reich sich bemühte aus abendländischen Kriegen herauszuhalten, und zwischen 1720 und 1765 Handel und Gewerbe sogar in vielen Zentren des osmanischen Reiches eine Epoche der Expansion erlebten, wurden sie 1768-1774 in einem osmanisch-russischen Krieg hineingezogen, der überdeutlich die inzwischen angewachsene militärische Unterlegenheit der osmanischen Armee aufdeckte.
Die Flotte der Zarin Katharina II. vernichtete die osmanische Flotte in der Ägäis, woraufhin die Kommandanten der Zarin einen Aufstand auf dem Peloponnes auslösten, der von einem osmanischen Wesir niedergeschlagen wurde. Aber die albanischen irregulären Truppen, die bei dieser Kampagne eingesetzt worden waren, führten auf der Halbinsel bald ein solches Schreckensregiment, dass ein weiterer osmanischer Feldzug nötig wurde, um sie aus ihren Positionen zu vertreiben. Die langfristige Verbitterung, die diese oft unter anarchischen Umständen ausgefochtenen Kriege auslösten, ist exemplarisch und wichtig als ein Teil der Vorgeschichte des griechischen Aufstandes von 1821.
Ansonsten waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Mehrzahl der osmanischen Untertanen, einschließlich der Christen des Südosteuropas, nicht bereit gewesen, den Aufrufen von Verschwörern gegen die osmanische Herrschaft Folge zu leisten, obwohl diese etwa im 16. Jahrhundert durchaus keine Seltenheit gewesen waren. Das änderte sich erst in Teilen im 19. Jahrhundert durch die mobilisierende Kraft der neuen Idee des Nationalismus, mit oder ohne religiöse Verbrämung, sowohl Provinzeliten als auch bald die gewöhnlichen Untertanen.
Mit dem Frieden von Küçük Kaynarca (1774), der den osmanisch-russischen Krieg beendete, verlor das ehemalige Weltreich nun endgültig weite Teile in Europa. Der Vertrag wird allgemein als Ursprung der "Orientalischen Frage" im Sinne der Art und Weise, wie das Osmanische Reich aufzuteilen sei, verstanden. Im Zuge dessen verloren die Osmanen z.B. nach fast genau 300 Jahren ihre Oberherrschaft über ihren Vasallen Krim-Khanat und damit zum ersten Mal ein rein muslimisches Gebiet an die Christen. Auch erhielten die Russen Zugang zum bisherigen osmanischem Binnenmeer des Schwarzen Meeres und Durchfahrtsrechte für Donau und den Meerengen. Nicht weniger schwerwiegend war, dass Russland ein Schutzrecht für die auf osmanischem Territorium lebenden orthodoxen Christen eingeräumt wurde, wie es Frankreich bereits in der "Kapitulation" von 1740 über die Katholiken erhalten hatte. Damit war abendländischer innenpolitischer Einmischung Tür und Tor geöffnet. Erst jetzt besann sich der Sultan (Abdülhamid I., 1774–1789) auf seinen religiösen Status als Kalif, den er seit 250 Jahren innehatte. So wurde festgelegt, dass das Khanat der Krimtataren dem osmanischen Sultan-Kalifen wenigstens noch in seiner Eigenschaft als religiöses Oberhaupt der islamischen Welt verpflichtet bleiben sollte.
Nun wurde eine Phase des beschleunigten Niederganges eingeläutet.
(ca. 1600–1774)
Seit dem 17. Jahrhundert gewannen in zunehmenden Maße einheimische, vor allem griechische, andere südosteuropäische, aber auch muslimische Kaufmannsfamilien Einfluss auf das Marktgeschehen. Albanische und andere Renegaten schafften schon seit dem 15. Jahrhundert den Aufstieg bis zu den höchsten Reichsämtern und finden sich selbst unter den Großwesiren. Istanbuler Griechen (Phanarioten) wurden mit der Verwaltung der Donaufürstentümer (Rumänien) betraut, nachdem die dortigen Fürsten unter russischem Einfluss einen Mangel an Loyalität zeigten.
In Randzonen der Balkanhalbinsel wurde eine nur nominelle osmanische Oberhoheit seitens des Sultans akzeptiert.
Die Osmanen verstanden es, eine absolutistische Regierungsform mit einer weitgehenden Kultur- und Verwaltungsautonomie in den Regionen zu einem funktionierenden Ganzen zu verbinden (Pax Osmanica). Kirchliche Amtsträger übernahmen die Zuständigkeit für die Regelung interner Verwaltungs- und Justizangelegenheiten der einzelnen Religionsgemeinschaften (Milletsystem). Trotzdem waren nicht-muslimische Minderheiten unterprivilegiert, sie mussten beispielsweise eine je nach Reichtum abgestufte Kopfsteuer entrichten, brauchten dafür aber keinen Militärdienst leisten. Insgesamt blieben die Abgaben der Bauern im 15./16. Jahrhundert oft unter denen ihrer Nachbarn in christlichen Reichen. Unfreiwillige Bekehrungen zum Islam kamen nur relativ selten vor. Selbst manche Sklaven konnten dem Druck, die Religion zu wechseln, widerstehen.
Eroberungen im 17./18. Jahrhundert durch die Gegner des Osmanischen Reiches folgten Rückeroberungen durch die Osmanen (z.B. Serbien, Asow, Georgien, usw.), trotzdem sahen viele Mitglieder der Oberschicht die Zeit um das Jahr 1600 als eine Krisenzeit an. Dabei gelangte das Osmanische Reich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert zu seiner maximalen Ausdehnung.
Im 17. Jahrhundert sind eigentlich nur Murad IV. (1623-1640) und Mustafa II. (1695–1703) erwähnenswert und was das 18. Jahrhundert anbelangt, spielten nur Ahmed III. (1703–30) und Selim III. (1789–1807) eine bedeutendere Rolle. Letzterer genoss eine sorgfältige Erziehung mit westlichen Elementen. Als Prinz unterhielt er z.B. einen Briefwechsel mit dem französischen König Ludwig XVI. Ein junger Mann aus der Umgebung Selims III. war nach Paris zum Studium der französischen Kultur und Gesellschaft geschickt worden.
Auf zwölfjährige kriegerische Auseinandersetzungen mit den Safawiden des Iran folgte der "Lange Krieg" gegen die Habsburger (1593-1606). Es ergab sich ein militärisches Patt zwischen den Osmanen und den Habsburgern, in dem geschlossenen Friedensvertrag verzichteten die Osmanen fortan auf Tributzahlungen der Habsburger. Außerdem wurde der habsburgische Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, von den Osmanen bisher herablassend als "König von Wien" bezeichnet, als ein ebenbürtiger Kaiser anerkannt, was die Sultane bislang keinem Herrscher gegenüber getan hatten.
In der Zeit zwischen beiden Kriegen flammten in Anatolien teilweise sozial motivierte Aufstände auf, ja es war zeitweilig die Kontrolle der Sultane über Anatolien ernsthaft gefährdet. Große bewaffnete Banden durchzogen plündernd das Land. Grund war unter anderem der Machtverlust der Kavallerie gegenüber den Janitscharen, die sich zunehmend wie "Prätorianer" gebärdeten und in Folge zu einem großem hemmenden Machtfaktor und einem "Staat im Staate" wurden. Um 1650 wurde die "Knabenlese" gänzlich abgeschafft, was die Degenerierung der einstigen Elitetruppe beschleunigte. Durch das erhebliche Anwachsen ihrer Zahl, gestaltete sich die Besoldung dieses stehenden Heeres schwierig und war ein großer Posten im Haushalt, dem durch wiederholte Münzabwertungen begegnet wurde.
Ab dem 17. Jahrhundert erlebt man mehrere solcher Vorfälle, im wesentlichen waren die Ursachen die Aufweichung der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Grundlagen, die das Reich in eine Dauerkrise zog. Der Niedergang des Militärpfründen-Systems (zunehmende Umwandlung zur Steuerpacht), der neben anderen Konsequenzen zur Verelendung weiter Teile der Landbevölkerung führte, die anhaltende wirtschaftliche Krise, die darin ihre Wurzeln hatte, dass die wirtschaftlich-finanzielle Kapazität in wachsendem Missverhältnis zu den Erfordernissen der Verwaltung des Reiches stand, zudem eine beschleunigte Inflation, bedingt durch wegbrechende Zolleinnahmen, da die Haupthandelswege sich vom Mittelmeer zum Atlantik verlagerten, die Abwertung der Währung, die um sich greifende Käuflichkeit der Ämter, Nepotismus (Vetternwirtschaft) und die Unfähigkeit der Sultane – dies sind einige der wichtigsten Ursachen für diese Entwicklung. Zudem konnten gerade die fiskalischen Auswirkungen zunehmend nicht mehr durch dauerhafte und größere Territorialgewinne ausgeglichen werden.
Die unter großem Einsatz erreichte Stabilisierung des Osmanischen Reiches im 17. und bis zur Mitte des eher kriegsarmen 18. Jahrhunderts hat darin zum Teil seine Ursache, dass sich unter den Großwesiren immer wieder starke Persönlichkeiten befanden (z.B. die Köprülüs), die die Verwaltung nach innen wie nach außen vorübergehend in Ordnung zu bringen vermochten. Zum anderen kann nicht übersehen werden, dass spätestens seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die europäischen Großmächte eifersüchtig darüber wachten, dass Schwäche und Zerfall des Osmanischen Reiches nicht das Gleichgewicht der Kräfte verändern würden. Am Ende des 18. Jahrhunderts fügten sich die Osmanen nicht zuletzt aufgrund ihrer Hinwendung zu starker diplomatischen Aktivität und Kunstfertigkeit in die europäische Allianzsysteme ein, mehr als ein halbes Jahrhundert vor ihrer förmlichen Aufnahme in das "Europäische Konzert" im Jahr 1856.
Trotz innerer Krisen führte das 17. Jahrhundert nicht zu einem stärkeren Niedergang, sondern man muss eher von einer Stagnation sprechen; die Ausdehnung des Osmanischen Reiches fand im letzten Viertel des Jahrhunderts ihren Höhepunkt mit der Eroberung von der West-Ukraine (nebst Podolien), nördlichen Küsten des Schwarzen Meeres, Kretas, Teilen Kroatiens, usw.
Insgesamt umfasste das Osmanische Reich ab 1672 sehr konservativ gerechnet Gebiete von 5.730.100 qkm (inkl. Vasallen), was einer Größe von 16 mal Deutschland entspricht, oder der gesamten Fläche von Deutschland, den Benelux-Staaten, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Dänemark, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Griechenland, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Lettland, Litauen, Makedonien, Moldawien, Rumänien, Serbien, Montenegro, Slowenien, Ukraine, Weißrussland entspricht. Oder kurz gesagt den kompletten Kontinent Europa abzüglich europäisches Russland und Island.
Das 17. Jahrhundert sah mit Murad IV. (1623-1640) den letzten größeren Feldherrn unter den osmanischen Sultanen. Allein 1633/34 plante er fünf große Feldzüge. Die Rückeroberung vom Irak, Aserbaidschan, Kaukasus, Daghestan und Luristan sind besonders erwähnenswert. Er vermochte Recht und Ordnung durch eine harte Politik zu konsolidieren.
Nach fast 20 jährigem Frieden mit den Habsburgern und vor dem Hintergrund einer anhaltenden inneren Krisensituation des Reiches führte 1683 ein neuer osmanischer Feldzug zu der zweiten Belagerung von Wien. Sowohl diplomatisch als auch strategisch, waren hohen osmanischen Würdenträgern bei
der Vorbereitung schwere Fehler unterlaufen. Zum einen war man am osmanischen Hofe offenbar nicht darüber informiert, dass der polnische König trotz seiner pro-französischen Partei, nach seiner Inthronisierung gute Beziehungen zu den Habsburgern geknüpft hatte. Diese Fehleinschätzung führte wiederum dazu, dass bei der osmanischen Feldzugsplanung die Möglichkeit, dass ein stärkeres Entsatzheer Wien zu Hilfe kommen könnte, nicht wirklich berücksichtigt worden war.
Mit der vernichtenden Niederlage setzte eine Kette militärischer Rückschläge ein, die auch bald zu bedeutenden territorialen Verlusten führten, denn diesmal waren die Habsburger in der Lage, die sich zurückziehenden osmanischen Truppen über die Grenzen nach Ungarn hinein zu verfolgen. Noch im selben Herbst verloren die Osmanen die Festung Esztergom (Gran) an der heutigen slowakischen Grenze, eine ihrer am weitesten nach Mitteleuropa vorgeschobenen Bastionen, die, mit einer Unterbrechung, seit 1543 in ihrem Besitz war. Weiterhin fiel z.B. 1686 Buda, etwa hundertfünfzig Jahre lang die Hauptstadt des osmanischen Ungarn. Konnte das Osmanische Reich der Zangenbewegung der Seemächte Spanien und Portugal Anfang des 16. Jahrhunderts noch widerstehen, so bestimmen die russische Expansion und das kaiserlich-habsburgische Vordringen in Südosteuropa vor allem das 18. Jahrhundert.
So drängten im Osten die Russen schon unter dem jungen Zaren Peter dem Großen an das Asowsche und Schwarze Meer, jedoch noch ohne größere nachhaltige Erfolge. Es entstand aber eine neue Front, die in Folge noch an Bedeutung zunehmend würde.
Um 1700 vermochten steuerrechtliche Reformen und Währungsreformen die finanzielle Situation angesichts der militärischen Defensive zu entspannen. So wurde unter Sultan Mustafa II. (1695–1703) zum bisherigen Steuerpachtsystem ein auf Lebenszeit ausgestelltes Pachtsystem (Besitzpacht) hinzugefügt, um eine schonungsvollere Behandlung der Landbevölkerung auch im Interesse des Fiskus zu erwirken.
Der bisherige traditionelle Pfründenfeudalismus mit starkem Zentralismus und damit einhergehendem Leistungsprinzip, wich nun mehr und mehr einem eher dem europäischen Feudalismus des Mittelalters vergleichbarem Zustand. Es bildeten sich aufgrund der schwachen Zentralgewalt immer mehr lokale Notabeln und so genannte "Talfürsten" (derebeyi) mit oft illegal erworbenen erblichem Großgrundbesitz, die teilweise gar eigene Armeen unterhalten konnten. Die Abhängigkeit der Bauern nahm weiter zu.
Die nun eingeführte Besitzpacht ermöglichte es den Notabeln sogar eine noch größere Anhäufung von Grundbesitz und eine weitere Abnabelung von der Zentralgewalt.
Die Kapitalbildung scheint von jeher eine Schwachstelle der osmanischen Wirtschaft gewesen zu sein, letztlich führt das mangelnde Kapital im 19. Jahrhundert zum Staatsbankrott.
Das erste Drittel des 18. Jahrhunderts unter Sultan Ahmed III. (1703–30) und besonders unter seinem fähigem Großwesir wurde wesentlich später als "Tulpenzeit" bezeichnet - eine Anspielung auf die verfeinerte Lebensart dieser Epoche. Diese Zeit war gekennzeichnet von kulturellen Erneuerungen, Versuche von internen Reformen und der deutlich größeren Öffnung zum Westen, auch in der Kunst. Diese erneuernden Bestrebungen fanden ihr Ende mit der Abdankung des Sultans und seines reformerischen Großwesirs nach einem Aufstand der Janitscharen. In dieser Zeit gelang es den Osmanen nach Zusammenbruch der safawidischen Dynastie im Iran, erneut Aserbaidschan, Georgien und Schirwan für eine kurze Zeit zu erobern. Trotz der Abdankung des Sultans setze sein Nachfolger vorsichtig weitere Reformen um, besonders in der Artillerie und der Stadtentwicklung (z.B. Bau von über 60 öffentlichen Brunnen in Istanbul).
Nach einer längeren friedlichen Periode, indem das Osmanische Reich sich bemühte aus abendländischen Kriegen herauszuhalten, und zwischen 1720 und 1765 Handel und Gewerbe sogar in vielen Zentren des osmanischen Reiches eine Epoche der Expansion erlebten, wurden sie 1768-1774 in einem osmanisch-russischen Krieg hineingezogen, der überdeutlich die inzwischen angewachsene militärische Unterlegenheit der osmanischen Armee aufdeckte.
Die Flotte der Zarin Katharina II. vernichtete die osmanische Flotte in der Ägäis, woraufhin die Kommandanten der Zarin einen Aufstand auf dem Peloponnes auslösten, der von einem osmanischen Wesir niedergeschlagen wurde. Aber die albanischen irregulären Truppen, die bei dieser Kampagne eingesetzt worden waren, führten auf der Halbinsel bald ein solches Schreckensregiment, dass ein weiterer osmanischer Feldzug nötig wurde, um sie aus ihren Positionen zu vertreiben. Die langfristige Verbitterung, die diese oft unter anarchischen Umständen ausgefochtenen Kriege auslösten, ist exemplarisch und wichtig als ein Teil der Vorgeschichte des griechischen Aufstandes von 1821.
Ansonsten waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Mehrzahl der osmanischen Untertanen, einschließlich der Christen des Südosteuropas, nicht bereit gewesen, den Aufrufen von Verschwörern gegen die osmanische Herrschaft Folge zu leisten, obwohl diese etwa im 16. Jahrhundert durchaus keine Seltenheit gewesen waren. Das änderte sich erst in Teilen im 19. Jahrhundert durch die mobilisierende Kraft der neuen Idee des Nationalismus, mit oder ohne religiöse Verbrämung, sowohl Provinzeliten als auch bald die gewöhnlichen Untertanen.
Mit dem Frieden von Küçük Kaynarca (1774), der den osmanisch-russischen Krieg beendete, verlor das ehemalige Weltreich nun endgültig weite Teile in Europa. Der Vertrag wird allgemein als Ursprung der "Orientalischen Frage" im Sinne der Art und Weise, wie das Osmanische Reich aufzuteilen sei, verstanden. Im Zuge dessen verloren die Osmanen z.B. nach fast genau 300 Jahren ihre Oberherrschaft über ihren Vasallen Krim-Khanat und damit zum ersten Mal ein rein muslimisches Gebiet an die Christen. Auch erhielten die Russen Zugang zum bisherigen osmanischem Binnenmeer des Schwarzen Meeres und Durchfahrtsrechte für Donau und den Meerengen. Nicht weniger schwerwiegend war, dass Russland ein Schutzrecht für die auf osmanischem Territorium lebenden orthodoxen Christen eingeräumt wurde, wie es Frankreich bereits in der "Kapitulation" von 1740 über die Katholiken erhalten hatte. Damit war abendländischer innenpolitischer Einmischung Tür und Tor geöffnet. Erst jetzt besann sich der Sultan (Abdülhamid I., 1774–1789) auf seinen religiösen Status als Kalif, den er seit 250 Jahren innehatte. So wurde festgelegt, dass das Khanat der Krimtataren dem osmanischen Sultan-Kalifen wenigstens noch in seiner Eigenschaft als religiöses Oberhaupt der islamischen Welt verpflichtet bleiben sollte.
Nun wurde eine Phase des beschleunigten Niederganges eingeläutet.