Festungsbau an der Grenze des Wilh. Reiches

sonthofen

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Hallo zusammen,
neulich stieß ich bei Wikipedia auf eine Beschreibung der Feste Kaiser Wilhelm II bei Strasbourg. Mich beeindruckte die Größe der Anlage. '

Nun frage ich mich,
a) wurden weitere Anlagen dieser Art gebaut?
b) wie haben die Franzosen ihre Grenze gesichert?
c) wurden auch im Osten solche Anlagen gebaut?
d) wäre es nicht klüger gewesen solche Anlagen zu bauen, statt Schlachtschiffe??

Danke für die Diskussion.
 
a) es gab nach der Brisanzgranatenkrise durchaus Festungsbau, riesige Ausmaße hatten die Festungen Metz, Diedenhofen, Köln, Mainz (Selztalstellung)
b) Frankreich errichtete ab 1875 den "eisernen Riegel" (darunter u.a. die Festungen Belfort und Verdun)
c) an der Ostgrenze des dt. Reichs zu Russland wurden ebenfalls riesige Gürtelfestungen gebaut (Posen, Thorn, Graudenz u.a.), diesen gegenüber befand sich das russ. Festungsdreieick (Modlin-Warschau-Zegrze) und Österreich hatte gen Ostenebenfalls riesige Gürtelfestungen (Przemysl, Krakau)
d) erstaunlicherweise stellte sich niemand diese Frage ;) man baute Kriegsflotten, aber auch Seefestungen und Küstenfestungen (Helgoland, Cuxhaven u.a.)
 
Danke. Wie haben denn die Deutschen diese Festungen im 1 WK geknackt?
na ja, manche wurden geknackt (Antwerpen), manche nicht (Verdun)
zum "knacken" setzte man brachiale Artillerie ein (z.B. die "dicke Bertha"), man nannte das sturmreif-schießen einer Festung "zernieren"
freilich knackten nicht nur "die Deutschen" Festungen, sondern deren Gegner schafften das auch (z.B. Przemysl wurde erobert)

...allerdings kriegten viele sehr starke Festungen auch nie einen Schuß ab (Turin, Mainz, Köln, Krakau, Pula u.v.a.)
 
d) wäre es nicht klüger gewesen solche Anlagen zu bauen, statt Schlachtschiffe??

Die Frage weist in die richtige Richtung. Allerdings hatte Moltke d.Ä. empfohlen mehr - strategische - Eisenbahnlinien zu bauen, anstatt Festungen.

Diese Aussage weist in eine Richtung, die normalerweise bei Betrachtungen zum Festungsbau nicht so im Vordergrund stehen.

Deshalb würde ich obigen Fragenkatalog erweitern durch folgende Sichten:
- Für welchen Zweck wurden sie gebaut?
Eine zentrale Festung bzw. Festungslinie war Metz bzw. die Linie Metz-Straßburg. Sie bildete u.a. den linken Drehpunkt, um den sich die "Drehtürbewegung" des rechten deutschen Flügels via Marne nach Paris bewegen sollte.

Gleichzeitig waren es logistische "Herzstücke", um die sich die angrenzenden Gebiete gliederten. Es waren Depots und es waren Straßen- und Eisenbahnknotenpunkte.

Zudem waren es die "Konzentrations-Areale" für den Aufmarsch von Armeen bzw. "Rückfallgebiete" bei außergewöhnlichen defensiven Strategien der eigenen Armeen.

- Welchen Zweck haben sie erfüllt?
Vor allem auch in der Eröffnungsphase des WW1 zeichnete sich im Bereich der Kämpfe um Saarbrücken die Bedeutung der großen Festungen ab.

So zeigt Storz (Dieser Stellungs- und Festungskamp ist scheußlich! Zu den Kämpfen in Lothringen und in den Vogesen im Sommer 1914, in: Ehlert, Epkenhans & Groß: Der Schlieffenplan, 2006, S. 161 ff) die Bedeutung der Festungen vor allem auch als Depot für Kampfmittel und Munition.

Aus ihrem Arsenal werden die Truppen in ihrer - logistischen - Umgebung mit zusätzlichen Kampfmitteln versorgt und so sehr früh während des Krieges die spätere Art der Kriegsführung - des Graben- bzw. Stellungskrieges - vorweggenommen.

Deutlich wird an der Darstellung, dass "isolierte" Festungen für den reinen infantristischen Kampf an Bedeutung verloren haben, sie dennoch in ihrer Rolle als logistische Zentren gewonnen haben.

Militärisch wird zudem relativ schnell deutlich, dass Festungen - im Westen und im Osten - ohne eine ausreichende Integration in ein komplexes und tiefes infantristisches Stellungssystem schnell durch entsprechende schwere Artillerie ausgeschaltet werden können. Und sie somit auch nicht mehr als isolierte "Wellenbrecher" - in einem eingeschlossen Zustand- für angreifende Armee nachhaltig fungieren konnten.

Diese Rollenveränderung konnte die Bedeutung von Festungen situativ deutlich sinken lassen, oder sie aber erhöhen.

Zumal Festungen, auch im symbolischen Sinne, für den Gewinn oder den Verlust standen. Ein Aspekt, der für die Rolle von Verdun nicht unerheblich war.
 
Zuletzt bearbeitet:
na ja, manche wurden geknackt (Antwerpen), manche nicht (Verdun)
zum "knacken" setzte man brachiale Artillerie ein (z.B. die "dicke Bertha"), man nannte das sturmreif-schießen einer Festung "zernieren"
freilich knackten nicht nur "die Deutschen" Festungen, sondern deren Gegner schafften das auch (z.B. Przemysl wurde erobert)

...allerdings kriegten viele sehr starke Festungen auch nie einen Schuß ab (Turin, Mainz, Köln, Krakau, Pula u.v.a.)


Bevor "Unternehmen Gericht", der mehrfach wegen schlechten Wetters verschobene Angriff auf die Sperrforts vor Verdun am 21. Februar 1916 startete, war Verdun ein Blinddarm des Krieges gewesen, und man hatte Geschütze auf französischer Seite abgezogen. Das größte der Forts, der "Sargdeckel" Fort Douaumont wurde am 25. Februar von verschiedenen Stoßtrupps im Handstreich genommen. Ein Vizefeldwebel Kunze gelangte durch einen Schacht ins Fort, in dem sich insgesamt nur noch 67 französische Kanoniere befanden, die von etwa 20 Deutschen gefangen genommen wurden.

etwa gleichzeitig mit Kunze gelang es einem Hauptmann Haupt mit einigen Soldaten ebenfalls in das Fort zu gelangen, während Oberleutnant Cordt von Brandis, der dafür mit dem Pour le Merite ausgezeichnet wurde kam später dazu. Der Sargdeckel konnte von den Deutschen bis Oktober gehalten werden und wurde schließlich geräumt. Der Kampf um Fort Vaux zog sich dagegen bis in den Sommer hin, und die Besatzung von Vaux ergab sich erst, als die letzen Trinkwasservorräte verbraucht waren.

Im Mai 1916 ereignete sich auf dem Douaumont ein bis heute nicht ganz geklärter Unfall, eine unbeabsichtigte Explosion,der 800 Deutsche zum Opfer fielen.
 
@Scorpio:
ist die kurz vor WW I modernisierte Gürtelfestung (zu Panzerforts ausgebaute Schemaforts, sodann seinerzeit moderne Zwischenwerke, Befestigungsgruppen etc.) Verdun erobert worden?
 
Aus ihrem Arsenal werden die Truppen in ihrer - logistischen - Umgebung mit zusätzlichen Kampfmitteln versorgt und so sehr früh während des Krieges die spätere Art der Kriegsführung - des Graben- bzw. Stellungskrieges - vorweggenommen.
@thanepower: sehr gelungener Beitrag!

als Ergänzung:
bedenkt man, dass die kommunizierenden Defensivlinien von großflächigen Gruppenbefestigungen*) eigentlich ideale (weil stark beton- und panzerbefestigt) Fronten darstellten, kann man die Fronten-Stellungen durchaus auch als vom Festungsbau eindeutig inspiriert ansehen (man versuchte quasi linear, passagere Verteidigungslinien analog zu seinerzeit modernen Festungsfronten anzulegen)

___________
*) gestaffelte Zonen von Stacheldrahthindernissen, "Schußgassen" für Zwischenraumstreichen, betonierte Unterschlupfe, betonierte Schützengräben, betongedeckte Artilleriestellungen, Kommunikations- und Sprengtunnel usw usw usw - mit anderen Worten: bewegte man sich auf die vorderen Linien einer Befestigungsgruppe zu, so war das, als ob man sich auf eine besonders stark befestigte (mehr oder weniger lineare) "Front" zubewegte.
 
@Scorpio:
ist die kurz vor WW I modernisierte Gürtelfestung (zu Panzerforts ausgebaute Schemaforts, sodann seinerzeit moderne Zwischenwerke, Befestigungsgruppen etc.) Verdun erobert worden?

Die Antwort auf diese Frage ist komplexer als man meinen würde.

Die Festung Verdun gehört zum Programm Serré-de Rivières, deren Bauweise durch die Brisanzkrise schlagartig überholt wurde.

Einige Festungsanlagen dieses Programms wurden deshalb desarmiert und aufgegeben. An verschiedenen Stellen befanden sich einzelne Werke davon in Frontnähe odar sogar direkt an dieser und wurden als Unterstände genutzt, (z.B. zwischen Vally und Conde) spielten jedoch keine herausragende Rolle. Fort Malmaison dagegen war schon vor dem Krieg aufgelassen und hatte als Übungsziel für die Artillerie gedient, war deshalb schon stark beschädigt. Wegen seiner güstigen geographischen Lage am Chemin des Dames wurde es von den Deutschen besetzt und ausgebaut und lag im zentrum späterer heftiger Kämpfe, wechselte dabei ein paar mal den Besitzer.

Im Falle Verduns wurden die größeren der Forts zwischen 1902 und bis 1912 mit Stahlbeton und Panzerkuppeln modernisiert, so z.B. die Forts Vaux und Douaumont. Die kleineren Beobachtungsstellungen dagegen nicht.

Als die Belgischen Fort mit erstaunlicher Leichtigkeit durch die deutsche schwere Artillerie gecknackt wurden, brach bei der französischen Führung Panik aus und die Forts um Verdun wurden geräumt und teilweise desarmiert. Das neue Konzept sah vor, dass die Verteidigung vollkommen in den Händen der Feldarmee liegen sollte, die Festungsbewaffnund sollte dieser zugute kommen und in die Schützengrabenlinien integriert werden.

Als die Deutschen bei Verdun ankommen, hat Douaumont nur 59 Mann Besatzung statt der 750 die es haben sollte, von der Artillerie verbleiben nur die Kuppelgeschütze und einige der festmontierten 75.er in Schartenaufstellung.

In den folgenden Aktionen fällt deshalb Douaumont kampflos am 25. Februar 1916. Vaux und Thiaumont wechseln mehrfach die Hände, Froideterre und Souville können dagegen nicht genommen werden.

Die Anlagen wurden in der Folge unterschiedlich bewertet. Sturmfrei waren sie definitiv nicht, sonst hätten sie nicht so häufig die Besitzer gewechselt. Da sie jedoch nicht im Kriegszustand und Unterbesetzt waren, kann man kein Urteil darüber schliessen, wie sie sich im Idealfall benommen hätten. Die Festung war auch nicht mehr ein geschlossenes System sondern ein Teil der Front und deren Netz von Schützengräben.

Der beidseitige Beschuss hat an den Werken schwere Schäden verursacht und vor allem die Teile zerstört, durch die eine Aktive Teilnahme am Kampf ermöglicht wurden. Tiefer gelegene Gänge und Kasematten haben jedoch stand gehalten. In der zweiten Phase wurden deshalb noch weitere und tiefere Gänge angelegt. Noch 1918 fand eine erhebliche Verstärkung einiger Anlagen statt, bei denen z.B. ein 2 Km langer Tunnel zwischen dem Fort von Moulainville und einem vorgelagerten betonierten Unterstand getrieben wurde.

General Mangin sprach sich nach dem Krieg für die Wichtigkeit der Festungswerke aus, hob jedoch hauptsächlich deren Funktion als sichere Zufluchtstätten, in denen die Truppen sich Ausruhen, Proviant fassen und warme Mahlzeiten empfangen könnten. Das ist eigentlich die Rolle die auf deutscher Seite die bergmännisch hergestellten Unterstände erfüllten, die man ab einen gewissen Zeitpunkt jedoch in Frontnähe als Risiko empfand da mehrfach die Besatzungen in ihnen überrascht wurden.
 
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