Frankreich 1799-1803: Republik oder Quasimonarchie?

Nun, die Korruption ist keine Erfindung des Direktoriums, auch unter Napoleon gab es reichlich davon ...
Das kann man wohl in beide Richtungen so sehen. Korruption war ja auch im Ancien Régime an der Tagesordnung, wobei wichtiger gewesen sein dürfte, dass die führenden Männer des Directoire (und dann des Consulat) auch durch die Zeit vor der Revolution daran gewöhnt waren - ganz abgesehen vom eigenen "Bedarf" zur mondänen Lebensführung.

Besonders augenfällig wurde es nur im Directoire als eine Affäre zu den amerikanisch-französischen Missstimmigkeiten beitrug, woran Talleyrand einen gewissen Anteil als Außenminister hatte. Ein Verweis auf die Notwendigkeit der Zuwendungen an die wichtigen Männer auf französischer Seite, hatte die amerikanischen Unterhändler vergrätzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das kann man wohl in beide Richtungen so sehen. Korruption war ja auch im Ancien Régime an der Tagesordnung, wobei wichtiger gewesen sein dürfte, dass die führenden Männer des Directoire (und dann des Consulat) auch durch die Zeit vor der Revolution daran gewöhnt waren - ganz abgesehen vom eigenen "Bedarf" zur mondänen Lebensführung.

Besonders augenfällig wurde es nur im Directoire als eine Affäre zu den amerikanisch-französischen Missstimmigkeiten beitrug, woran Talleyrand einen gewissen Anteil als Außenminister hatte. Ein Verweis auf die Notwendigkeit der Zuwendungen an die wichtigen Männer auf französischer Seite, hatte die amerikanischen Unterhändler vergrätzt.

In der Tat hat die als XYZ-Affäre bekannt gewordene Korruption einigen Staub aufgewirbelt, allerdings mehr in den Staaten als in Frankreich. Es ging um 50000 Pfung Stirling, also etwas mehr als 1 Million Franc, damit der franz. Minister des Äußeren wirksam würde. In der Tat verstanden die amerikanischen Diplomaten nicht die Hinweise der Unterhändler Talleyrands. Später als der Staub sich gelegt hatte, wurde alles geräuschlos geregelt.

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang nur, dass Talleyrand völlig unbeschadet aus der Affäre hervorging (mal von der Moral abgesehen), erstaunlich auch, dass es ihm möglich war, Summen meist von ausländischen Mächten "einzusammeln", die den normalen Begriff von Bestechung weit überstiegen. Barras spricht in seinen Memoiren von über 100 Millionen Franc, eine Summe, die (m.E.) nicht einmal übertrieben klingt ...

Grüße
excideuil
 
Die Finanzierung lief demnach auch über den Notenumlauf (1800: 25 Mio., dann 1804: 60 Mio., dann 1806: 119 Mio.). Daneben speiste sich das System aus den Einnahmen aus besetzten Ländern: hier gibt es ein Rundschreiben von 1810, dass die Einnahmen der letzten vier Jahre 1806/10 auf über 1 Milliarde bezifferte.
Das "Journal des Luxus und der Moden" erwähnt schon 1802, dass die Banknoten mittlerweile sehr tief gefallen sein, so dass es nach dem Frieden von Amiens für die Engländer offenbar extrem billig war, einen Kurztripp nach Frankreich zu machen, wo sie mit ihrer starken, harten Währung zahlten.
"... Das heißt denn oft nur soviel, als daß man für eine halbe Guinee (so tief ist das Papiergeld gesunken) sich in Dover einschifft, einen Tag in Boulogne oder Calais verweilt, und dann eiligst wieder zu dem guten Rostbeef nach Alt-England zurückkehrt."
*

Überhaupt war Paris zu der Zeit von englischen Besuchern geradezu überlaufen. Das Journal verzeichnet am 8. Oktober 8.000 Engländer.**

Das Umfeld des ersten Konsuls hatte schon den Anstrich eines Hofes angenommen, wozu auch Hofprediger, Hofprediger etc. in Saint Cloud, wohin der Hof im Herbst 1802 gezogen war, mittlerweile gehörten.*** Von daher machte Frankreich für den aufmerksamen Beobachter ganz klar den Eindruck einer Monarchie.

*
F.J. Bertuch (Hrsg.): "Journal des Luxus und der Moden" Novemberausgabe 1802
Bericht vom 28. Sept. 1802 aus London
S. 640
**
ebenda
Bericht aus Paris v. 8. Oktober 1802
S. 643
***
ebenda
gl. Bericht S. 646
 
Zur Ergänzung:

"Sein (Friede von Amiens) unmittelbarstes und greifbares Ergebnis war der plötzliche Zustrom von Zehntausenden englischen Touristen nach dem Kontinent und im besonderen nach Frankreich. Zehn Jahre lang war die englische Oberschicht auf ihrer Insel eingepfercht gewesen; möglicherweise hatte sie den Frieden nur geschlossen, um für ein paar Monate von ihr ausbrechen zu können.Bis September 1802 zählte man in Paris allein an die zehntausend Engländer. Die gesellschaftliche Szene entfaltete mehr Pracht als in den letzten Tagen des ancien régime. Die großen Salons, einschließlich des berühmten der Madame Récamier, standen den vornehmeren der englischen Besucher offen, und eine Fülle neuer und glitzender Etablissements wie das "Tivoli" und das "Frascati" standen jedem offen, der sie sehen wollte. " [1]

Aber auch diese Beobachtung:

"Dennoch trübte eine unheilvolle kriegerische Atmosphäre ein wenig die Idylle. "Eine Kriegsstimmung hält die Stadt gefangen", schrieb ein englischer Paris-Besucher 1802. "Soldaten patroullieren durch fast alle größere Straßen und sorgen für den Frieden; allem Militärischen zollt man die höchste Achtung."" [2]

Grüße
excideuil

[1] Herold, Christopher: Der korsische Degen – Napoleon und seine Zeit, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin, Darmstadt, Wien, 1968 (1966), Seite 145-146
[2] [1] Seite 146
 
Zur Ergänzung:

"Sein (Friede von Amiens) unmittelbarstes und greifbares Ergebnis war der plötzliche Zustrom von Zehntausenden englischen Touristen nach dem Kontinent und im besonderen nach Frankreich. Zehn Jahre lang war die englische Oberschicht auf ihrer Insel eingepfercht gewesen; möglicherweise hatte sie den Frieden nur geschlossen, um für ein paar Monate von ihr ausbrechen zu können.Bis September 1802 zählte man in Paris allein an die zehntausend Engländer. Die gesellschaftliche Szene entfaltete mehr Pracht als in den letzten Tagen des ancien régime. Die großen Salons, einschließlich des berühmten der Madame Récamier, standen den vornehmeren der englischen Besucher offen, und eine Fülle neuer und glitzender Etablissements wie das "Tivoli" und das "Frascati" standen jedem offen, der sie sehen wollte. " [1]
Vielen Dank dafür.:yes:

Kann man irgendwie festmachen, ob dieser Friede für Frankreich oder England lukrativer war? Ich meine: die Engländer brachten doch sicherlich auch Geld nach Frankreich und ließen es dort. Der Austausch der Waren (v.a. Seide nach England, Baumwolle auf den Kontinent) muss sich doch schlagartig ausgewirkt haben.

Brissotin:friends:
 
Ich könnte mir vorstellen, dass der Frieden von Amiens für Frankreich, dass endlich wieder eine ungestörte Verbindung zu seinen Kolonien San Domingo oder Matinique hatte, in gleichem Maße lukrativ war, wie für England, dass noch 1801 Krieg mir Russland, Schweden und Dänemark führen musste und dessen Handel mit dem Kontinent in dieser Zeit und den langjährigen Verhandlungen vorher, wegen des Seerechtsstreites, ob die Flagge die Ware deckt und welche Waren als Konterbande anzusehen sind, ebenso eingeschränkt war, auch wenn England durch die Annäherung der Vereinigten Staaten auf dessen Position, sich den Überseehandel sichern konnte. Denn der Handel mit den europäischen Ländern, war für England sicher weniger investitionsbedürftig (hinsichtlich der Transportwege und Kapazitäten) und auch durch die höhere Nachfrage lukrativer, als etwa der Überseehandel.
 
Vielen Dank dafür.:yes:

Kann man irgendwie festmachen, ob dieser Friede für Frankreich oder England lukrativer war? Ich meine: die Engländer brachten doch sicherlich auch Geld nach Frankreich und ließen es dort. Der Austausch der Waren (v.a. Seide nach England, Baumwolle auf den Kontinent) muss sich doch schlagartig ausgewirkt haben.

Brissotin:friends:

Da zitiere ich weiter Herold (das Buch war noch in Reichweite ;))

"Frankreich schnitt entschieden besser ab - aber schließlich, Frankreich war der Sieger, auch wenn es Ägypten und Malta aufgab. Was den Vertrag für England auf die Dauer unannehmbar machte, war, was man ausgelassen hatte - ein Handelsvertrag. Englands Handelsinteressen hatten schwer genug an der Tatsache zu schlucken, dass Belgien ein Bestandteil Frankreichs und Hlland unter französischer Oberherrschaft blieb; aber dass sämtliche Beschränkungen, denen Englands Warenaustausch in Kriegszeiten ausgesetzt war, auch in Friedenszeiten weiterbestehen sollten - und Bonaparte beharrte darauf, dass sie weiterbestanden -, machte den Vertrag von A bis Z zu einer Farce. Wenn er vom Unterhaus ratifiziert wurde, dann nur, weil die Regierung eine kaum verhohlene Anspielung des Sinnes hatte fallen lassen, dass die Vereinbahrung als eine Nützlichkeitserwägung von beschränkter Dauer anzusehen sei. Hätte Bonaparte wirklich Frieden schließen wollen, so wäre es spielend leicht dazu gekommen, wenn er den Friedensvertrag durch ein freizügiges Handelsabkommen ergänzt hätte. Um Frankreichs Handel zu beleben, brauchte man dringend ein paar Jahre Frieden, und es bestand auf einen solchen Frieden keine Hoffnung, solange Englands lebenswichtige Handelsinteressen keine Anerkennung fanden." [1]

Dieses Zitat macht mich auch nachdenklich, halte ich doch die Stellung von Lunéville und Amiens für Frankreich für eine ausgezeichnete Position, auf der es sich trefflich hätte aufbauen können, wenn man denn gewollt hätte.

Grüße
excideuil



[1] Herold, Christopher: Der korsische Degen – Napoleon und seine Zeit, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin, Darmstadt, Wien, 1968 (1966), Seite 145
 
@ excideuil
Das scheint mir alles sehr einleuchtend, wobei ich für den Kriegsausbruch genauso oder noch mehr die Unnachgiebigkeit Frankreichs bzw. Bonapartes und die überhebliche Italienpolitik als verantwortlich sehe. Dabei finde ich, dass sich Bonaparte sicherlich nichts abgebrochen hätte, wenn er den Frieden mit ein paar Kompromissen erhalten hätte.

Doch das hätte eben, wie Du selber weißt, wohl nicht zu Napoleon gepasst.
 
Doch das hätte eben, wie Du selber weißt, wohl nicht zu Napoleon gepasst.

In der Tat und ich habe nach dem Warum gesucht und etwas Interessantes bei Fournier gefunden:

"Er hatte den allgemeinen Frieden geschlossen, weil die öffentliche Meinung in Frankreich und der Wunsch des französischen Volkes dazu drängten und er ihn deshalb für seine persönliche Geltung benötigte; ihn dauernd zu erhalten, lag weder in dem revolutionären System, das er zu dem seinigen gemacht hatte, noch in seiner eigensten Neigung. Es ist uns von vertrauenswürdiger Seite ein Gespräch überliefert, das er mit einem Staatsrat führte, kurz bevor er die konsularische Gewalt auf Lebenszeit erhielt. Der Staatsrat vertrat die Meinung, für Frankreichs Wohl sei die Erhaltung der Ruhe in Europa vor allem andern erforderlich, worauf ihm der Konsul mit der Frage entgegnete, ob er denn nicht an die Feindschaft der Mächte glaube, die jetzt den Frieden unterzeichnet hätten. Und als Jener zugeben musste, dass England, Österreich u.a. auch weiterhin Frankreichs Gegner bleiben würden, sagte Napoleon: "Nun, gut, ziehen Sie daraus die Konsequenzen. Wenn diese Staaten stets den Krieg in petto haben, um ihn eines Tages zu erneuern, dann ist es besser, es kommt früher oder später dazu. Denn mit jedem Tag verblasst ihre Erinnerung an ihre letzten Niederlagen, während das Prestige unserer Siege mit jedem Tage sich verringert. Aller Vorteil ist also auf ihrer Seite. Ich habe auch im Krieg bewiesen, dass ich nichts vernachlässige, was die öffentlichen Einrichtungen und die staatliche Ordnung im Inneren betrifft, und ich werde nicht stehen bleiben, denn es gibt noch viel zu tun. Aber sind denn nicht auch militärische Erfolge nötig, um dieses Innere zu verblüffen und zusammenzuhalten? Halten Sie doch nur fest, dass ein Premierkonsul in nichts diesen Königen von Gottes Gnaden gleicht, die ihre Reiche wie ein ererbtes Gut betrachten. Ihnen kommt das Herkommen zugute, während es bei uns ein Hindernis ist. Von seinen Nachbarn gehasst, gezwungen, in seinem Innern verschiedene Klassen Überwollender im Zaum zu halten und zugleich so vielen äußeren Feinden zu imponieren, bedarf der französische Staat glänzender Taten, und deshalb des Krieges. Er muss von allen Staaten der erste sein oder zugrunde gehen. Ich werde den Frieden ertragen, solange ihn die Nachbarn zu bewahren wissen, aber ich werde einen Vorteil darin sehen, wenn sie mich zwingen, zu den Waffen zu greifen, ehe sie durch Nachgiebigkeit und Untätigkeit stumpf geworden sind. Zwischen alten Monarchien und einer neuen Republik wird stets ein kriegerischer Geist herrschen. In unserer Lage sehe ich jeden Friedensschluss nur als kurzen Waffenstillstand an und halte mich während meiner Amtszeit für bestimmt, fast ohne Unterbrechnung zu kämpfen. Dabei werde ich nicht die Rolle des Angreifers spielen, denn ich habe zu viel Interesse daran, den anderen die Initiative zu überlassen. Und ich kenne sie genau genug; sie werden gewiss zuerst zu den Waffen greifen oder mir doch gerechten Grund geben, dies zu tun."" [1]

Bonaparte verstand wohl Lunéville und Amiens nur als Waffenstillstand.
Die "Ich"-Form seiner Ausführungen macht wohl deutlich, dass er sich schon 1802 als "Quasi-Monarch" verstand.

Grüße
excideuil

[1] Fournier, August: „Napoleon I., Emil Vollmer Verlag, Neuausgabe o.J., Bd. 2, Seite 10-11
 
Das o.g. Zitat ist etwas selektiv.
Fournier selbst verschweigt nicht nachfolgende kommentierende Erläuterung, welche einen anderen Schluss auf die Kriegswilligkeit Englands zulässt und hier nicht allein den Focus auf Frankreich lenkt.

Die Erläuterung bezieht sich auf den o.z. Textteil:

Und als Jener zugeben musste, dass England, Österreich u.a. auch weiterhin Frankreichs Gegner bleiben würden, sagte Napoleon: "Nun, gut, ziehen Sie daraus die Konsequenzen. Wenn diese Staaten stets den Krieg in petto haben, um ihn eines Tages zu erneuern, dann ist es besser, es kommt früher oder später dazu. Denn mit jedem Tag verblasst ihre Erinnerung an ihre letzten Niederlagen, während das Prestige unserer Siege mit jedem Tage sich verringert. Aller Vorteil ist also auf ihrer Seite.

Zum vollständigen Zitat gehört die Erläuterung Fourniers zu diesem Textteil:

Wie richtig dieser Gedanke war, ersehen wir aus einer Depesche des englischen Gesandten Withworth vom 01. Dezember 1802. "Jedes neue Friedensjahr" heißt es da, "wird, während es die Konsularregierung schwächt, Kraft und Mut denen verleihen, deren Zweck und Interesse es ist, sie zu stürzen. Tatsächlich unterhalten wir mittels des Friedens einen Kriegszustand, gegen diese Regierung, entschiedener und und gefährlicher als offene Feindseligkeit.

Insofern beschreibt Fournier hier, dass England mit dem Frieden von Amiens, gar keine friedlich - kooperativen Absichten hatte und Frankreich entweder in einen Krieg zwang oder wirtschaftlich und in seinem Prestige zu bekämpfen trachtete.

Dabei werde ich nicht die Rolle des Angreifers spielen, denn ich habe zu viel Interesse daran, den anderen die Initiative zu überlassen. Und ich kenne sie genau genug; sie werden gewiss zuerst zu den Waffen greifen oder mir doch gerechten Grund geben, dies zu tun.""

Napoleon I. sagt hier damit nur, dass er sich dieser Gefahr bewusst war und entsprechend zu reagieren beabsichtigte.
Was das mit Quasimonarchie zu tun haben soll, da sehe ich keinen Zusammenhang.

Das Withworth selbst seine eigenen Landsleute im Friedenswillen unterschätzte, was seiner Absicht zuwider lief, Frankreich im / mit Frieden zu bekämpfen, beschreibt Fournier später an anderer Stelle:

Der Frieden von Amiens mit England hatte allerdings einen Zustand geschaffen, der es gestattete, die Waffen für eine Frist beiseite zu legen, aber er hatte keine dauernde Ruhe verbürgt.
Wir kennen die Stimmen, die sich gegen ihn im britischen Parlament erhoben und nachdrücklich betonten, dass man Napoleon Italien und damit die Herrschaft über den Kontinent eingeräumt habe
Während das englische Volk erschöpft von dem langen und kostspieligen Krieg, den Präliminarfrieden von 1801 mit Jubel begrüßt hatte, begegneten die geschäftlichen Kreise dem definitiven Abschluss im März 1802 bereits mit weit weniger Enthusiasmus.
Aus guten Gründen. Denn die Hoffnung der Engländer die Kampfesruhe für ihren Handel ausnützen zu können, erwies sich schon nach wenigen Monaten als Täuschung.
Napoleon war zwar anfangs auf die gewünschten Verhandlungen eingegangen, sie scheiterten aber gleich an seiner ersten Forderung: der Ausfuhr französischer Waren nach England im gleichen Wert, des britischen Imports nach Frankreich(1).
(1)
S. Driault, La politique extérieur du Premier Consul, 1800-1803, p 302 über die Sendung Coqueberts nach London mit dem Auftrag, dort zu erklären :
„Die französische Regierung würde den Import aller englischen Waren in Frankreich zulassen, doch nur unter der Bedingung, der sofortigen Ausfuhr französischer Waren des gleichen Wertes“.
Die Mission Coqueberts würde eine eingehendere Schilderung verdienen, da die Weigerung des englischen Ministers Hawksbury und dessen Verlangen nach einer wenigstens zeitweiligen Rückkehr zum Handelsvertrag von 1786 , der Frankreich ungünstig gewesen war (Siehe Ursachen der Französischen Revolution – Anm. des Verf.) , die Schwierigkeiten einleiteten die dann zum Bruche führten.

Fournier beschreibt dann dessen Folgen und die Reaktion Frankreichs weiter:


Dazu kam der Ärger in London wegen der Vorgänge in der Schweiz und die Erregung der Presse darüber, so dass sich das kommerzielle Geschäft zerschlug und Napoleon auch weiterhin, auf die Hebung der französischen Industrie bedacht, die britischen Waren von den Häfen Frankreichs und der von diesem abhängigen Staaten Hollands und Italiens durch hohe Zölle fernhielt und sofort unnachsichtig gegen britische Kauffahrer vorging, die der Küste auch nur in die Nähe kamen.
So war eingetroffen, was scharfblickende Politiker lange vorher geweissagt hatten und so kam es, dass Fabrikanten und Kaufleute jenseits des Kanals sich den Krieg wünschten, der ihren Interessen noch immer förderlicher war als dieser Friede, der sie ruinierte.
Das klingt nicht danach, als ob Napoleon allein Luneville und Amiens nur als Waffenstillstand sah und ist auch erst recht kein Beweis einer Quasimonarchie.
Wer einen tatsächlichen Vorteil im Frieden hatte, beschreibt Fournier jedoch in einer Erläuterung:

Schon nach dem Abschluss der Präliminarien hatte ein erfahrener Staatsmann, Eduard Cook, ein Sendschreiben an Castlereagh veröffentlicht, in dem es hieß:
„Wir gestatten dem durch Belgien vergrößerten Frankreich, ein handelspolitisches System mit Holland, Spanien, der Schweiz und Italien zu begründen, wir geben ihn seinen Verkehr mit den Antillen zurück und damit verschwinden siebzig Millionen Pfund.
Wir hatten mit allen diesen Ländern Handelsverträge; wir haben nur noch einen mit Neapel. Den Kommerz der uns entgeht, wird Frankreich monopolisieren; es wird unsere Industrie ruinieren.
Der Krieg dagegen würde unser Handelsmonopol, unsere Oberhoheit in den Kolonien und unsere Produktion weite Absatzgebiete erhalten.
Zitiert bei Sorel, VI, 168. In einem Brief aus dem Jahre 1806 heißt es über die Kriegsursache: „Der Kaiser glaubt nicht, dass irgend ein Artikel des Vertrages von Amiens den neuen Krieg verursacht hat. Er ist vielmehr überzeugt, dass die wahre Ursache in seiner Weigerung lag, einen der Industrie seines Landes nachteiligen Handelsvertrag zu schließen.
Zitiert v. Heymann, Napoleon und die großen Mächte, 1806. (1910) S 32.

Und Napoleon I. wäre wohl ein schlechter Konsul und Kaiser gewesen, wenn er einen für sein Land ungünstigen Handelsvertrag zugelassen hätte!

Wie gesagt: man muss auch Quellen lesen und richtig deuten können.;)

(Alle Zitate aus "NAPOLEON I." eine Biographie von August Fournier, 4 Auflage 1922, Hölder-Pichler-Tempsky A.G. Wien / G. Freytag GmbH / Leipzig....
....aus @laGalopines grundsolidem Bücher - Humidor!:yes:)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Im Grunde wird mir das ganze Ausmaß der damaligen Ziele Bonapartes klarer und dass Bonaparte 1802 bei seinem Weg zur Monarchie, bei allen Widersprüchen zwischen den zwei Männern, in Talleyrand einen verlässlichen Partner hatte.

Das ist nicht zu bestreiten.
Talleyrand war immer für die Monarchie. Das geht auch aus einem Memorandum hervor, welches er kurz vor seinem Rücktritt 1799 an das Direktorium richtete:

"Der wirkliche Grund, der keine Macht zur Ruhe kommen lässt, dessen Auswirkungen man unmöglich verheimlichen kann, liegt in dem Argwohn, den allen Regierungen Europas die französische Revolution und die Errichtung der Republik erregt hat." [1]

"Während der dem 18. Brumaire folgenden Monate teilte er die Bewunderung und die Begeisterung Frankreichs für den großen Führer, der es verstand, mit ebensoviel Energie wie Geschicklichkeit die Partein zu versöhnen, überall Ordnung zu schaffen ... Tägliche Zusammenarbeit mit Bonaparte gab ihm die Möglichkeit, ihn genauer kennen zu lernen." [2]

Die Zusammenarbeit der beiden war nicht nur auf offizielle Termine beschränkt. Die Herzogin von Abrantès berichtet in ihren Memoiren von einem Ball während des Konsulates:

„M. de Talleyrand war auch unter den Gästen. Nachdem der Erste Konsul sich aufs freundlichste mit uns unterhalten hatte, knüpfte er im Schlafzimmer meiner Mutter ein Gespräch mit M. de Talleyrand an, das ohne Unterbrechung drei Viertelstunden dauerte.“ [3]

2 Seiten weiter:

„Der erste Konsul plauderte noch immer mit M. de Talleyrand und beachtete uns nicht.“ [4]

Aber:

"Am 6. Mai 1800 reiste der Erste Konsul nach Italien ab. Wiederum war er allen Wechselfällen des Krieges preisgegeben. Wäre er bei Marengo getötet worden, wie Joubert bei Novi, so war in Frankreich kein anderer Führer da als Camcacérès, ein reiner Lückenbüßer. Seinem Stern vertrauend hatte Bonaparte keine Vorkehrungen für die Zukunft getroffen. Sieyès, Fouché, Talleyrand und Cambacérès kamen im geheimen zusammen, meistens in der Tuilerie, einem Landhause Talleyrands in Auteuil." [5]

Nun, die Möglichkeit einer verirrten Kugel berechtigt, besser zwingt Realpolitiker, über die Nachfolge nachzudenken.

"Die Siegesnachricht von Marengo übte auf Talleyrand einen entscheidenden Einfluß aus, und nun entschloss er sich, dem Mann, den ihm die Ereignisse aufzwangen, auf den Thron der Bourbonen zu verhelfen. Zweifellos erinnerte er sich des Voltaireschen Verses:
Der erste, der König wurde, war ein glücklicher Soldat." [6]

"Talleyrand tat in Übereinstimmung mit Lucien und gegen den Willen Josephines und Fouchés sein möglichstes, Bonaparte dahin zu beeinflussen, sein Regime als Erbmonarchie weiterzuführen. Von dem Augenblick an, wo Bonaparte Konsul auf Lebenszeit wurde, dann später während des Kaiserreiches spielte Talleyrand in der Innen- wie Außenpolitik neben dem Ersten Konsul eine bedeutende Rolle. "Herr von Talleyrand", bemerkte Bourienne, "dessen Anschauungen nur monarchistisch sein konnten, sondiert die Kabinette Europas ... Er wollte zwei Kammern nach den Ideen der Gesetzgebenden Versammlung wie in England einführen." Napoleon legte keinen großen Wert auf seine Vorschläge. Aber 1814 sagte er zu Caulaincourt: "Talleyrand ist einer von denen, die am meisten dazu beigetragen haben, meine Dynastie fest zu begründen." [7]

Grüße
excideuil

[1] Dard, Émile: „Napoleon und Talleyrand“, Verlag Emil Roth, Gießen, Berlin, 1938, Seite 78
[2] [1] Seite 83
[3] Abrantès: „Memoiren der Herzogin von Abrantès“, eingeleitet und herausgegeben von Albert Ollivier, K.F. Koehler Verlag, Stuttgart, 1961, Seite 93
[4] [3] Seite 95
[5] [1] Seite 83
[6] [1] Seite 84
[7] [1] Seiten 90-91
 
Reichardt beschreibt ja in seinen "Vertrauten Briefen" recht anschaulich die Zeit um 1802. Auch erwähnt er die Theater- und Bücherzensur, die sich kaum von der unter dem Ancien Régime unterschied. So wurde ein Theaterstück, wo ein Lied auf Henri IV erschien - vielleicht wegen einer positiven Darstellung eines Bourbonen - mehr oder minder verboten wurde. Ein Monsieur Dupaty wurde verhaftet und sollte deportiert werden, weil er sich angeblich mit einem Vaudeville über den neuen Hof lustig gemacht habe. In Wahrheit hatte er nur das Verhalten der Neureichen karikiert; nur wurde dies ihm wahrscheinlich von solchen böse beim Konsul ausgelegt und auf den Hof gemünzt, der auch mit kleinen Problemchen zu kämpfen hatte, als er noch in den Kinderschuhen steckte.
Besonders deutlich wird der monarchische Charakter, als Bonaparte den Umzug nach Versailles ins Auge fasst und die Sarnierung der Wasserkunst und des Schlosses schätzen lässt. Eigentlich ein guter Hinweis wie sicher er sich in seinem Posten fühlte, dass er just den verhassten Aufenthaltsort der Könige auswählte, der ja 1789 ein Grund des Anstoßes war. Damals hatte das Volk seinen Monarchen lieber in Paris gesehen und zum Umzug gezwungen.
Reichardt bemerkte dabei, dass es deutlich sei wie rasch die Franzosen wieder vergäßen und dass es ja offensichtlich leichter sei in den alten Trott zurückzukehren.
Gerade was die Vetterleswirtschaft, die Pensionen "von der Regierung" - was mehr oder minder auf den 1er Consul hinaus lief - die Korruption und oftmals willkürliche Entscheidungsfindung anbelangt, ähnelt das Consulat schon recht stark dem Ancien Régime.
 
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