Wie ich es mir gedacht habe, ist der Begriff "Gerechtigkeit" im Brockhaus aus 1893 bei weitem nicht so detailliert. Es fehlt einfach der neue Stoff der Geschichte, in denen die Begriffe "Freiheit" und "Gerechtigkeit" eine wichtige Bedeutung spielten. Trotzdem will ich den Artikel nicht vorenthalten, auch, wenn er ein bisschen oberflächlich wirkt. Einige Passagen sind trotzdem gut, weil einfach zu verstehen.
Brockhaus Konversations-Lexikon, 14. Auflage, 7. Band, S. 841
"Gerechtigkeit, bedeutet bei den Alten die Gesamtheit der socialen Tugenden, das rechte Verhalten des Einzelnen in der Gesellschaft und namentlich im Staat. Daher versteht z.B. Plato unter G. die Tugend, daß jeder das Seine thue, d.h. das, was in der Gesamtheit ihm als eigentümliche Aufgabe zufällt, also seine Thätigkeit den Zwecken der Gesamtheit unterordne. In der neuern Zeit denkt man dagegen bei G. weniger an die Pflicht gegen die Gesamtheit als an die Achtung des Rechts jedes Einzelnen; weniger daran, daß jeder das Seine thue, als daß jedem das Seine zu teil werde. Im Begriff der G. liegt daher wesentlich, daß das Recht keines Menschen dem eines andern, das keiner Klasse dem einer andern Klasse aufgeopfert werde. Diese Forderung ist völlig bestimmt, wenn schon anderweitig feststeht, was im gegebenen Falle Recht ist; wie z.B. der Richter eine feste Norm an der Vorschrift des Gesetzes hat; alsdann wird ein Verfahren gerecht heißen, das den Einzelnen nicht nach Willkür, sondern nach dem Gesetz behandelt. Wo dagegen nicht ein schon feststehendes Recht zu Grunde gelegt werden kann, wo es sich z.B. eben darum handelt, was Recht sein soll, da ist es oft sehr schwer, das Gerechte zu finden. Die Grundvorstellung der G. ist die einer Proportion zwischen Rechten und Pflichten, Ansprüchen und Leistungen. Allein die Schätzung der Güter und Lasten selbst ist keineswegs eine einstimmige; insofern ist die Vorstellung davon, was im einzelnen Falle gerecht sei, dem Wechsel unterworfen, ja von Vereinbarung abhängig (konventionell), während das Gesetz der G. selbst klar und mit sich einstimmig ist. (...)
Hier folgt ein Absatz mit Regeln für Richter und Rahmen in den er sich bewegen darf. Interessant finde ich das:
G. bedeutet also an ester Stelle die gleichmäßige Anwendung des Gesetzes nach seinem richtigen, verständigen Sinn. Freilich darf der Richter kein Fanatiker sein; die buchstäbliche Anwendung des Gesetzes kann zu einem Resultat führen, welches seiner Idee nicht entspricht: "Summum jus summa injuria."
(...)
Nach dem Vorgang von Aristoteles unterscheidet man vielfach eine v e r t e i l e n d e G. (justitia distributiva), welche Ehre, Macht oder Güter dem Einzelnen nach dem Maße seines Verdienstes zuteilen soll, und eine a u s g l e i c h e n d e G. (justitia correctiva). Die letztere schließt die vergeltende G. des Strafrichters ein.
(...)
Kurz, aber gerade der letzte Abschnitt ist interessant.
Die Grundvorstellung der G. ist die einer Proportion zwischen Rechten und Pflichten, Ansprüchen und Leistungen.
Was haltet ihr davon? Gerechtigkeit als Regelfaktor, d.h. man muss eine Leistung bringen um "zu ernten". Demnach die "Gerechtigkeit des Paradieses" eine neu definierte Gerechtigkeit sein müsste?:grübel: