Wir leben doch jetzt gerade im Jubiläumsjahr eines großen Freiheitsdenkers , der auch darüber nachgedacht, auf welchen Gebieten und aus welchem Grund diese Freiheit durch den Staateingegrenzt werden soll: John Stuart Mill, 1806 geboren. und sein Werk On Liberty; man liest ja gerade allenthalben darüber.
Er hat folgende drei Freiheiten für jeden Menschen gefordert:
Die innere Freiheit:
"Sie umfasst Gewissensfreiheit im umfassendsten Sinne, Freiheit des Denkens und Fühlens, absolute Freiheit der Meinung und des Empfindens in Bezug auf alle praktischen oder spekulativen, wissenschaftlichen, moralischen oder theologischen Gegenstände."
Die äußere Freiheit:
"Sie umfasst die Freiheit, unserem Leben einen unserem eigenen Charakter gemäßen Rahmen zu geben, die Freiheit, so zu handeln, wie es uns gefällt, welche Konsequenzen daraus auch folgen mögen: ohne Behinderung von Seiten unserer Mitmenschen, solange unser Tun ihnen nicht schadet."
Die Vereinigungsfreiheit:
"Dieser Bereich umfasst die Freiheit, sich für irgendeine Sache zu vereinigen, die nicht eine Schädigung anderer einschließt, unter der Voraussetzung, dass die sich vereinigenden Personen volljährig und nicht gezwungen noch getäuscht worden sind."
Dementsprechend war er im Grundsatz ein Gegner des Staates, erkannte aber dessen Notwendigkeit für Verteidigung, Polizei, und Rechtsystem. Auch auf dem Gebiet der Wasser- und Energieversorgung und der Eisenbahn sah er eine Aufgabe des Staates, nämlich im Bereich dieser Grundbedürfnisse die Bildung von Monopolen zu verhindern. Eine weitere Aufgabe sah er in der Armenpflege, also im Sozialsystem, soweit dadurch nicht die Eigeninitiative untergraben werde.
Die äußere Freiheit und auch die Vereinigungsfreiheit konnte also eingeschränkt werden, aber nur zum Schutze anderer Mitglieder der Gesellschaft.
Wie der staatliche Eingriff in die Freiheit nun aber geschehen sollte, darüber war er sich nicht sicher, denn durch Alexis de Tocquevilles Überlegungen nach seinem Studium der Demokratie in Amerika war er unsicher. Tocqueville hatte geschrieben: „Ich halte den Grundsatz, dass im Bereich der Regierung die Mehrheit eines Volkes das Recht habe, schlechthin alles zu tun, für gottlos und
abscheulich, und dennoch leite ich alle Gewalt im Staat aus dem Willen der Mehrheit ab. Widerspreche ich mir damit selbst? Es gibt ein allgemeines Gesetz, das nicht bloß von der Mehrheit
irgendeines Volkes, sondern von der Mehrheit aller Menschen, wenn nicht aufgestellt, so doch angenommen worden ist. Dieses Gesetz ist die Gerechtigkeit.“
Die Mehrheit ist also in ihrer Herrschaft gebunden durch das Prinzip Gerechtigkeit.
Damit war die Verknüpfung zwischen Freiheit und Gerechtigkeit hergestellt. Nur, wer definiert denn die Gerechtigkeit? Darauf hat Mill ebenso wenig wie Tocqueville eine konsistente Antwort gegeben.
Und ich glaube, dass es auch keine konsistente Antwort gibt.
Sozialistische und religiöse Gesellschaftstheoretiker haben soziale Ungleichheit per se als ungerecht angesehen, andere haben die Ungerechtigkeit in einem Gesellschaftssystem gesehen, das manchen Gruppen der Gesellschaft nicht die gleiche Chance zu sozialem Aufstieg ermöglicht.
Und je nachdem, auf welche Weise man nun den Unterschied zwischen einer gerechten und einer ungerechten Gesellschaft definieren will, kommt man zu ganz unterschiedlichen Ansätzen, wie weit die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt werden darf.
Dieser Konfliki ist unlösbar, deshalb gibt es eben auch ein Freiheits-Gerechtigkeits-Paradoxon