Freimaurerei, BLL in Geschichte

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shell

Gast
Ich würde gerne nächstes Jahr meine besondere Lernleistung in Geschichte über die Freimaurer erbringen. Das heißt 20 Seiten darüber zu schreiben. Ich habe noch relativ viel Zeit und das hier sind erstmal ein paar Überlegungen aber es wäre schön, wenn vielleicht jemand mir seine Meinung darüber sagt, weil meine Schule nicht gerade mit kompetenten Geschichtslehrern ausgestattet ist. :) Als Spezifizierung des Themas viel mir als erstes mitunter die Verschwörungstheorien ein, da mich dieser Punkt auch sehr interessiert, jedoch würde ich das nicht zum Hauptthema machen. Desweiteren fällt mir ein, dass den Frauen die offiziellen Logen verschlossen blieben, obwohl das ja streng genommen gegen die Grundsätze der Freimaurer ist (Gleichheit, Toleranz). Ich weiß nicht ob dieser Punkt genug hergeben würde. Etwas mit Religion könnte auch noch spannend werden. Das waren erstmal meine Ideen, bitte sagt mir was ihr davon haltet :) Danke.
 
Hallo Shell,

zunächst einmal solltest du nicht so öffentlich über deine Lehrer urteilen. Nicht weil sie es herausfinden können, sondern weil so ein Urteil immer schlecht rüber kommt. Auch in Zukunft: Rede nie mit einem Arbeitgeber schlecht über deine Lehrer oder vorherige Arbeitgeber. Insbesondere dann nicht, wenn er im Vorstellungsgespräch danach fragt. So etwas wird gemeinhin als Charakterschwäche angesehen. Denn wir - und in Zukunft auch dein Arbeitgeber - kennen deine Lehrer nicht und können mit deinem Urteil daher auch nichts anfangen. Es kann sein, dass sie völlig inkompetent sind, es kann aber auch sein, dass du gewisse Handlungsweisen (noch) nicht verstehst, die aber einen Sinn ergeben. Mir ist es in deinem Alter mit meinem Geschichts-LK-Lehrer so gegangen, den ich für einen ausgemachten Idioten hielt. Heute weiß ich es besser. Naja, ist gewissermaßen auch ein Vorrecht der Jugend, alle über 30 für ausgemachte Idioten zu halten. :cool:

So, nun zu deinem eigentlich Anliegen. Freimauerer sind sicherlich ein tragfähiger Gegenstand für eine Arbeit, auch wenn hier die Gefahr liegt, dass du dich verzettelst oder auf Verschwörungstheorien hereinfällst. Denn dieses Thema ist eines, in dem du dich - außer vielleicht auf Internetseiten von Freimaurerlogen selbst (man kann die manchmal sogar real besuchen) - überhaupt nicht auf das Netz verlassen kannst. Auch die gedruckt vorliegende Literatur ist bei diesem Thema mit besonderer Vorsicht zu genießen.

Das wichtigste ist, dass du eine Leitfrage entwickelst, sonst wirst du dich verzetteln. Die Frauenfrage dürfte nicht wirklich ergiebig sein, denn das Gleichheitsideal galt nur für Männer - eine frühe Ausnahme ist Olympe de Gouges und die ist hingerichtet worden. Das ist der Zeit geschuldet und in wenigen Sätzen abgehandelt.

Am besten stellst du mal eine Gliederung des Themas ein, wie du es dir vorstellst.
Themenvorschläge:
- Traditionsbildung in Freimaurerlogen - Freimaurer heute zwischen Tradition und Erstarrung
- Unterschiede zwischen verschiedenen Zweigen der Freimaurer (konservative und liberale)
- Rolle der Freimaurer bei den Revolutionen des bürgerlichen Zeitalters
- Verfolgung der Freimaurer bis 1945
- "Wissen" über die Freimaurer außerhalb der Logen
Ob diese Themen tragen, hängt natürlich auch von dem Material ab, welches du auftreiben kannst.
Es ist auch immer gut, wenn man lokalgeschichtlich arbeitet. Da findet man in Archiven (kommt allerdings auf das Bundesland an in dem du lebst, in manchen Bundesländern gibt es Kommunalarchive, in anderen nicht) manchmal Quellen, die noch nie zuvor bearbeitet worden sind. Da würdest du dann Pionierarbeit leisten. Natürlich nur, wenn sich etwas ergibt.
 
...das Gleichheitsideal galt nur für Männer - eine frühe Ausnahme ist Olympe de Gouges...
Hier habe ich etwas missverständlich bzw unscharf formuliert. OdG ist natürlich von Seiten der Männer nicht ausgenommen worden, sondern sie hat Frauenrechte formuliert, die denen der Menschenrechte entsprechen (ja sich an diese anlehnten). Sie ist damit aber überall angeeckt, was auch zu ihrer Hinrichtung führte.
 
Die Vorschläge von ElQuijote finde ich schon sehr gut. Sein Hinweis, sich nicht in irgendwelchen dubiosen Verschwörungstheorien zu verlieren, halte ich aber auch für sehr wichtig.

Für mich wären Themen:
- Nähe der Freimaurer zur Macht (viele bedeutende Herrscher waren ja selber Freimaurer)
- Freimaurersymbolik in der Kunst (da findet man auch erstaunlich viel und das, obwohl eine solche Organisation etwas geheimnisvolles umgibt)
- die Geschichte einer besonders spannenden Loge in einer gewissen Epoche - vielleicht liegt sowas auch vor Deiner Haustür :) In den größeren Städten gab es eigentlich in ganz Deutschland Freimaurer und auch Logen, gerade in Residenzstädten der Frühen Neuzeit.

Falls Du ein Stadtarchiv oder sowas in der Nähe hast, musst Du Dir natürlich darüber klar werden, dass Du systematisch die Quellen sieben musst. Manchmal liest man sich in eine Archivalie ein und schwubs sind 2 Stunden rum und eigentlich hat man nichts zum eigenen Thema gefunden. Aber damit lernt man ja auch.

Es gibt ne Menge zu Freimaurern auch auf Google-Books, auch digitalisierte zeitgenössische Bücher der Zeit des Auflebens der Freimaurerei in Dtl..:winke:
 
Hallo Shell,

als Mitglied einer FM-Loge in Hannover möchte ich Ihnen ein paar Anregungen zu Ihrem Thema geben.

- Verschwörungstheorien eignen sich sogar gut als frm. Forschungsgegenstand, vorausgesetzt, dass Sie das Thema eingrenzen und sich auf seriöse Quellen stützen. Ansonsten besteht die Gefahr, die El Quijote beschrieben hat. Wenn es also dieses Thema sein soll, dann würde ich mich auf die Weimarer Republik bzw. die Zeit bis 1935 (Verbot der FM durch die Reichsregierung) beschränken. Hier liegen die Ursprünge zahlreicher VT, die z.T. heute noch verbreitet werden, Stichwort überstaatliche Mächte. Alfred Rosenberg bspw. bediente sich der "Protokolle der Weisen von Zion" um die Freimaurerei zu diffamieren. So lassen sich die Spuren der NS-Verschwörungstheorien in ihren modernen Nachfolgern nachweisen.

- Die Themen, die die anderen Foristen vorgeschlagen haben, sind ebenfalls ergiebig. Alles eine Frage der Quellen und der Sekundärliteratur. Als Einstieg in das o.g. Thema empfehle ich Wolfgang Bittner, Angriffe gegen die deutsche Freimaurerei.

- Weitere Möglichkeiten der Recherche: Einfach die Logen(n) am Ort ansprechen, die i.d.R. gut geführte Archive besitzen. Eine weitere Quelle ist das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in das einige Logen (so auch meine) ihre Archivalien überführt haben. Dann können Sie die Forschungsloge Quatuor Coronati (Quatuor Coronati – Freimaurerische Forschungsgesellschaft) anschreiben. Falls ich Ihnen weiterhelfen kann, tue ich das ebenfalls gerne.
 
@shell

Interessantes Thema. Meine Mitdiskutanten führten schon das Wesentliche an. Mein unmaßgeblicher Tip, bleibe nicht so sehr im spekulativ geschichtsphilosophischen Rahmen, sondern gehe auf die Geschichte einer konkreten Loge ein, möglichst eine in Deiner Stadt, da Du vermutlich weder Geld, noch Zeit hast, ferne Bibliotheken und Archive zu besuchen.

Müßte ich eine BLL zu diesem Thema schreiben, würde ich so vorgehen:

- "Rahmengeschichte" der Loge, also Gründungsdatum, Gründungsmitglieder, existiert sie noch, "Brüche" in der Geschichte der Loge (z.B. Verbote) etc.
- Sozialstruktur der Loge (wer war Mitglied, eventuelle individuelle Motivlage, Aufnahmepolitik, innere Entwicklungsgeschichte der Loge usw.)
- Einbettung in die allgemeine Geschichte, also die Fragestellung "FM' tum <=> öffentlicher, juristischer Rahmen in dem sich die Loge bewegen mußte
- Dann die Fragestellung, wie ordnet sich die Loge in das Freimarertum überhaupt ein, also wie positioniert sich die Loge innerhalb des Freimarertums
- Rezeptionsgeschichte, also z.B. wie beurteilten Zeitgenossen (z.B. in der regionalen resp. überregionalen Presse) das Wirken der Loge
- Schlußendlich, dann Deine Einschätzung der Loge und des FM' tums
- um dann zur Fragestellung zu kommen, was blieb? Also was ist heute noch "erlebbar" bzw. "erkennbar" vom Wirken der Loge => "Ausstrahlungskraft"


M.
 
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