Frühmittelalter konkret: Sachen gibt's, ...

Geoman schrieb:
"Die heute geltende Zuschreibung von Münzen zu Herrschern geht übrigens zurück auf die Arbeit, die sich der Verwalter (keeper) der byzantinischen Münzen im Britischen Museum, Warwick Wroth, Ende des vorigen Jahrhudnerst gemacht hat, indem er die vorhandenen Exemplare auf Tische legte und anschließend so lange hin- und herschob, bis alles irgendwie passte - seinen Gibbon ["The History of the Decline and Fall of the Roman Empire", 1776-778 immer zur Hand]. Wroths "Catalog of the Imperial Coins in the British Museum" (BMC) erschien 1908 in zwei Bänden.

Nun haben wir nach langem Nachhaken die Methode der Martin'sche "Argumentation" erfahren. Nach dieser kaum noch zu toppe(r)nden Methodik lassen sich selbstverständlich die Ergebnisse jedweder numismatischer Arbeit "widerlegen".

Um nun auf meine Frage zurückzukommen:

Die interessante Frage ist, inwieweit hier auf die grundlegende Ungereimtheit eingegangen wird, daß es überhaupt Münzen von byzantinischen Kaisern gibt, die angeblich gar nicht bzw. nur auf dem Papier - aufgrund einer westeuropäischen Fälschungsaktion - existiert haben.

Ich meine, diese Münzen tragen ja in aller Regel Bildnis, Namen und Titel des Herrschers. (Nur zur Illustration: http://de.wikipedia.org/wiki/Nikephoros_I.)

Wer prägt denn Münzen mit den Namen erfundener Herrscher und vergräbt sie für künftige Archäologen?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin ja auch gespannt, ob ich irgendwann einmal noch etwas zu meinen Fragen über Otfrid von Weißenburg höre... aber ich denke, während des Wartens sollte ich wohl besser nicht die Luft anhalten!
 
hyokkose schrieb:
Wer prägt denn Münzen mit den Namen erfundener Herrscher und vergräbt sie für künftige Archäologen?

Auf diese Frage, die mich ja auch ziemlich interessiert, habe ich mal eine Antwort im Sinne Illigs gefunden.

http://.lexikona.de/art/Erfundenes_Mittelalter.html

Dort steht:
Kritik an Illig:
Münzen, die dem Frühmittelalter (FMA) zugeordnet werden:
Antwort:
* Münzen des FMA werden ? sofern keine anderen Datierungsmöglichkeiten aus dem Fundzusammenhang möglich sind ? i. d. R. über die abgebildeten Herrscher datiert, diese wiederum seien nur aus den Schriften (s. o.) bekannt.

Leider beantwortet diese Antwort nicht die Frage, wer die materiellen Ressourcen zur Hand hatte, um Massen von Münzen zu fälschen, wer die Ikonograhie entwarf, wer sie über Europa verteilte und vergrub und und und.

@Geoman: gibt irgendein Zeitsprung-Artikel etwas über diese Frage her. Und wärst du gegebenfalls bereit, diese Antwort hier in Auszügen zum besten zugeben? Wäre echt nett!
 
tela schrieb:
Auf diese Frage, die mich ja auch ziemlich interessiert, habe ich mal eine Antwort im Sinne Illigs gefunden.

http://.lexikona.de/art/Erfundenes_Mittelalter.html

Dort steht:
Kritik an Illig:
Münzen, die dem Frühmittelalter (FMA) zugeordnet werden:
Antwort: * Münzen des FMA werden ? sofern keine anderen Datierungsmöglichkeiten aus dem Fundzusammenhang möglich sind ? i. d. R. über die abgebildeten Herrscher datiert, diese wiederum seien nur aus den Schriften (s. o.) bekannt.

Leider beantwortet diese Antwort nicht die Frage, wer die materiellen Ressourcen zur Hand hatte, um Massen von Münzen zu fälschen, wer die Ikonograhie entwarf, wer sie über Europa verteilte und vergrub und und und.

@Geoman: gibt irgendein Zeitsprung-Artikel etwas über diese Frage her. Und wärst du gegebenfalls bereit, diese Antwort hier in Auszügen zum besten zugeben? Wäre echt nett!

Hallo tela,

heute bin ich für Textrecherchen und Auszüge abtippen nicht mehr zu haben, denn ich habe müde Augen und Finger...


Gruß

Geoman
 
Kein Problem. Wenn du wieder in Form bist, würde ich mich über entsprechende Mühen freuen...
 
Tannhaeuser schrieb:
Ähem, darf ich mal einen anderen Buchtitel Toppers zitieren? "Die 'große Aktion' : Europas erfundene Geschichte ; die planmäßige Fälschung unserer Geschichte von der Antike bis zur Aufklärung". Du versuchst also Topper mit Topper selber zu widerlegen...

Hallo Tannhaueser,

wenn Du auch nur den Buchumschlag von Toppers "Grosse Aktion" gelesen hättest, wüsstest Du, dass in diesem Buch die Phantomzeitthese nur eine Nebenrolle spielt und es wesentlich um ganz andere Dinge geht, nämlich die Fälschung der Geschichte des Christentums oder mit Bezug auf Wilhelm Kammeier die Fälschung der Deutschen Geschichte sowie diverse der Antike untergeschobene Rennaissance-Fälschungen.

Gruß

Geoman
 
@ Geoman: hier noch meine kurze Replik zum Thema Büraburg: auf die C14-Daten würde ich hier nicht so viel geben; es erweist sich einmal mehr, dass die Datierung in diese wie die andere Richtung wenig hilfreich ist. Auch sagte mir einer der FMA-Archäologen in Hessen mal, dass nicht erwiesen sei, dass die betreffende Holzkohle wirklich zur Kirche (und nicht irgendeinem anderen Gebäude, dass dort stand) gehört. Das Kloster St. Brigiden ist tatsächlich ein wenig diskussionswürdig. Es ist ein kurzlebiges Bistum Büraburg bezeugt (mit einem Bischof Witta), doch erachten viele Historiker und Archäologen die Kirche St. Brigiden für zu klein für ein Bistum. Ich kenne den Artikel von Thiersch leider noch nicht, würde es aber durchaus im Rahmen des Möglichen befinden, dass St. Brigiden nicht aus der Urphase der Burg stammt. Ansonsten taucht die Büraburg in drei schriftlichen Quellen auf (zwei Bonifatiusbriefen und den fuldischen Annalen). Eine Münze Ludwigs des Frommen (zwischen 814 und 840) bestätigt unabhängig davon das hohe Alter der Anlage. Die relative Häufigkeit schriftlicher Erwähnungen korrespondiert mit der Anlage der Burg, die mit 12 Hektar eine der größten fränkischen Burgen überhaupt war. Es gibt in Hessen und Westfalen noch einige wenige weitere Anlagen dieser Größe, die hochmittelalterliche Burgen an Fläche weit übertreffen.
 
Sheik schreibt:
"Um eben neue Gedanken zu etablieren darf man nicht glauben, sondern sollte do bitte schon belegen. Und wenn man es nicht 100% belegen kann, so sollte man es doch zumindest soweit belegen, dass der neue Denkansatz ein Fundament hat."

Erstens ist hundert Prozent definitiv übertrieben - in der Geschichtswissenschaft wird meines Erachtens häufig aus Plausibilitätsgründen und zudem konventionellem Paradigma entschieden, ob etwas real Geschehen war oder Fiktion darstellen sollte.
Zweitens gibt auch einen anderen wissenschaftlichen Zugang: den der Falsifikation. Zwar benutzt Illig oft zu viele Worte und noch häufiger, viel zu viele Zitate, womit er den Anschein von "belegt" erweckt. Auch ist seine Zeitangabe der Chronologieverkürzung viel zu kurz gegriffen und gesteht letztendlich Schwankungen zu. Nichts desto weniger ist sein besonders gut belegter Argumentationsstrang im "Erfundenen MA" die Widerlegung der Karalingerzeit auf bauhistorischer Grundlage. Der ganze Kram mit der Fälscherwerkstätten ist eh nicht seinem narzißtischen Geiste entsprungen!

... Sorry, hatte eure Diskussion von gestern nicht bis zum Abend verfolgt: Illlig'sche Methodik abgehakt! Denn aber doch noch die Frage: Warum habt ihr darüber gestritten, ob Illig Recht hat? Unterschiedliche Auffassungen gibt es - wie überall - in der Chronologiekritik.

Ich habe dann übrigens nochmal ein bißchen in Regionalgeschichte gestöbert:
Das ehemalige Nonnenkloster zu Wunstorf (heute Stiftskirche) ist sogar anerkannterweise ein romanischer Bau, bei dem man eine ältere Konstruktion mit Corveyer Westwerk zu rekonstruieren vermeinte.
Die Urkunde selbst zur Previligierung durch einen Karolinger - es war Luwig der "Deutsche", nicht der Fromme, wie ich irrtümlich angab - im Jahre 871 hat sich nur in Abschrift erhalten.
Der Bischof von Minden, der seine Gründung z. T. aus Eigenbesitz und Kirchengeldern finanzierte, soll nach Überlieferung dort begraben worden sei, das Grab aber wurde nicht gefunden.
Ansonsten ist Wunstorf erst wieder im 12. Jahrhundert als Marktplatz bezeugt.

Solche Lücken in der Chronologie sind einfach zu häufig, um keine Chronologieverkürzung nahezulegen. So gut hier Heribert Illigs These lediglich die Lücke erklären kann, so wenig kann seine Theorie aber die überschüssigen Jahrhunderte erklären; das leistet eher ein anderer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Muspilli schrieb:
Sheik schreibt:
"Um eben neue Gedanken zu etablieren darf man nicht glauben, sondern sollte do bitte schon belegen. Und wenn man es nicht 100% belegen kann, so sollte man es doch zumindest soweit belegen, dass der neue Denkansatz ein Fundament hat."

Erstens ist hundert Prozent definitiv übertrieben - in der Geschichtswissenschaft wird meines Erachtens häufig aus Plausibilitätsgründen und zudem konventionellem Paradigma entschieden, ob etwas real Geschehen war oder Fiktion darstellen sollte.

Du schreibst eigentlich dasselbe wie Sheik - da selten ein Denkansatz zu 100% belegbar ist, muß er zumindest soweit belegt sein, daß er ein Fundament hat. Ohne Fundament gibt es keine Plausibilität.



Nichts desto weniger ist sein besonders gut belegter Argumentationsstrang im "Erfundenen MA" die Widerlegung der Karalingerzeit auf bauhistorischer Grundlage.

Sogar wenn es Illig gelungen wäre, die Baudaten des Aachener Doms zu widerlegen (was keineswegs der Fall ist, siehe http://www.angelfire.com/sc3/muegoe/24anachr.htm), hätte er damit noch nicht die Karolingerzeit als solche widerlegt.


Der ganze Kram mit der Fälscherwerkstätten ist eh nicht seinem narzißtischen Geiste entsprungen!

Daß Urkunden gefälscht wurden, ist wirklich nichts Neues.

Illigs Geist entsprungen ist die Theorie einer planmäßigen Fälschung mit dem Ziel, eine Phantomzeit in die Welt zu setzen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gracie, Hyokkose.
Aber sag mal, hälst du die Lehrbuch-Chronologie tatsächlich für unanzweifelbar, oder ist dir Illig vielleicht nur zu oberflächlich? Oder ist dir Karl der Große so lieb, daß du ihn in deiner Zeitleiste nicht missen möchtest. Ich finde Illigs Thesen instruktiv, weil sie Lücken schließen. Der Übergang vom frühen MA ins neue Jahrtausend ergibt unter dem Axiom der Chronologieverkürzung meines Erachtens mehr historischen Sinn, was Kontinuitäten und auch Brüche betrifft.
Um nur anzudeuten, was ich damit meine: Früher bewohnten meine heimatliche Gegend einmal die Angrivarier und Cherusker und Rom hatte das Gebiet zwischen der Weser und der Leine schon fast zur römischen Provinz gemacht. Chronologiekritiker (z. B. Topper) haben zwar auch die Geschichtsschreibung des Tacitus als Fälschung bezeichnet, aber das sei mal dahin gestellt und natürlich erscheint dann eine erneute Lücke, für die sich Illig denn gar nicht interessiert. Geben wir den Germanen eine Zeit, Herrschaften zu konsolidieren. Dann erschienen im Zuge der Völkerwanerung plötzlich die Sachsen in der Gegend, deren Adelsgeschlechter aber erst Jahrhunderte später bekannt wurden. Von den ganzen Grafen aber, die Karl nach seinen Sachsenkriegen hier eingesetzt haben, wurden nicht einmal Namen überliefert! Ein Pippinide führte vor K. d. G. schon Kriege gegen die Thüringer, in deren Verlauf sich die Sachsen als Bündnispartner des Merowingerreiches hier etablieren konnte - was sich in gewisser Weise mit der sagenhaften Überlieferung der Sachsen selbst - die ja auch erst nach der Jahrtausendwende verfaßt wurden - deckt.
 
Contraire Muspilli, worum es Hyokkose wie mir geht ist, dass Illig eine Lücke hin argumentiert, die er nicht füllen kann.
Im 7. Jh. ist die Stellung des Frankenreiches noch nicht so unangefochten, um 911 hat es sich dreigeteilt und weithin auch in seiner Wirkung ausgebreitet. Den nahtlosen, gewissermaßen harmonischen Übergang, leisten halt nur Pippin der Kurze, Karl der Große und Nachfolger. Aufgrund dessen habe ich, halb ironisch, ja auch einmal gesagt, genügte es nicht, wenn Geschichte verfälscht wurde, warum sollte welche hinzuerfunden worden sein, was eindeutig über die Mittel der Zeit gegangen wäre? Vielleicht ist unser Bild von Pippin, Karl und all den anderen ein falsches und die Zusammenhänge stimmen nicht so ganz, eben weil die Quellen aus, ganz laienhaft gesagt, einer Richtung kommen, im Verständnis der Zeit, kommen müssen.:winke:
 
Muspilli schrieb:
Ich finde Illigs Thesen instruktiv, weil sie Lücken schließen.

Hallo Muspilli,:winke:

nicht böse und auch nicht beleidigend gemeint, aber meist sind es Bildungslücken, die Illig füllt...
Weltgeschichte ist nicht so linear und simpel, wie Illig und andere gerne glauben machen wollen.

LG, CrisP
 
Muspilli schrieb:
Gracie, Hyokkose.
Aber sag mal, hälst du die Lehrbuch-Chronologie tatsächlich für unanzweifelbar, oder ist dir Illig vielleicht nur zu oberflächlich? Oder ist dir Karl der Große so lieb, daß du ihn in deiner Zeitleiste nicht missen möchtest. Ich finde Illigs Thesen instruktiv, weil sie Lücken schließen. Der Übergang vom frühen MA ins neue Jahrtausend ergibt unter dem Axiom der Chronologieverkürzung meines Erachtens mehr historischen Sinn, was Kontinuitäten und auch Brüche betrifft.
Um nur anzudeuten, was ich damit meine: Früher bewohnten meine heimatliche Gegend einmal die Angrivarier und Cherusker und Rom hatte das Gebiet zwischen der Weser und der Leine schon fast zur römischen Provinz gemacht. Chronologiekritiker (z. B. Topper) haben zwar auch die Geschichtsschreibung des Tacitus als Fälschung bezeichnet, aber das sei mal dahin gestellt und natürlich erscheint dann eine erneute Lücke, für die sich Illig denn gar nicht interessiert. Geben wir den Germanen eine Zeit, Herrschaften zu konsolidieren. Dann erschienen im Zuge der Völkerwanerung plötzlich die Sachsen in der Gegend, deren Adelsgeschlechter aber erst Jahrhunderte später bekannt wurden. Von den ganzen Grafen aber, die Karl nach seinen Sachsenkriegen hier eingesetzt haben, wurden nicht einmal Namen überliefert! Ein Pippinide führte vor K. d. G. schon Kriege gegen die Thüringer, in deren Verlauf sich die Sachsen als Bündnispartner des Merowingerreiches hier etablieren konnte - was sich in gewisser Weise mit der sagenhaften Überlieferung der Sachsen selbst - die ja auch erst nach der Jahrtausendwende verfaßt wurden - deckt.

Und diese sagenhafte Überlieferung der Sachsen bei der Schlacht im Jahre 531 ist schlicht und ergreifend eine Erfindung späterer Chronisten. Diese Klarheit wird von vielen Historikern nicht mehr angezweifelt.
Übrigens war es kein Pippinide (das waren ja die Vorfahren der Karolinger), sondern es waren Merowinger.
 
Hallo zusammen,

Nur ein kurzer Einwurf:

Meinen umfassende Tannhaueser-Replik zu Otfrid von Weißenburg hatte ich versehentlich in den falschen Thread "Illigsche Methodik" (von mir auch Gurken-Thread genannt) gestellt. Zur "Schadensminderung" hatte ich anschließend eine Kopie in diesen Thread gestellt und die (netten) Moderatoren freundlich gebeten, die Stränge wieder richtig zu sortieren, will heißen die Beiträge 225-229 +231 wieder in ihren Heimat-Thread zurückzuversetzen.

Was machen unsere gestrengen Moderatoren (bzw. der oder die)? Sie löschen meine in diesen Thread gestellte Kopie und lassen ansonsten alles beim Alten sprich im falschen Thread = Durcheinander. Ich unterstelle mal keine Böswilligkeit, aber eine Erklärung, wenn nicht Verwarnung oder bei Vorsatz gelbe Karte hätte das schon verdient. Sind die Moderatoren hier eigentlich nur zum Richten oder auch zum Unterstützen der Beiträger da?


Gruß

Geoman
 
Muspilli schrieb:
Aber sag mal, hälst du die Lehrbuch-Chronologie tatsächlich für unanzweifelbar, oder ist dir Illig vielleicht nur zu oberflächlich?

Lehrbuch-Chronologien sind sicher grundsätzlich anzweifelbar. Ich kenne aus Ostasien sehr gute Beispiele für traditionelle Chronologien, die sich nicht halten lassen. Bekanntestes Beispiel sind die japanischen Kaiserlisten vor dem 6. Jahrhundert n. Chr., die bis 1945 in Japan als sakrosankt galten!

In diesen Fällen können die Fehler bzw. Manipulationen der altjapanischen Chronisten weitgehend korrigiert werden, indem die japanischen Annalen mit außerjapanischen (und durch Originalquellen, z. B. datierte Inschriften in China und Korea gedeckten) Chronologien korreliert werden.
Illig aber macht das Gegenteil: Er ignoriert weitgehend die externen Chronologien, um sich seine eigene Chronologie zurechtfrisieren zu können.


Muspilli schrieb:
Oder ist dir Karl der Große so lieb, daß du ihn in deiner Zeitleiste nicht missen möchtest.

Lieb? Wohl kaum, da gäbe es eher andere Persönlichkeiten, die ich in der Zeitleiste nicht missen wollte. Aber das ist hier nicht das Thema.

Muspilli schrieb:
Ich finde Illigs Thesen instruktiv, weil sie Lücken schließen.

Ich finde sie aus einem anderen Grund für instruktiv, aber das ist hier auch nicht das Thema.

Tatsächlich schafft Illigs Hypothese weitaus mehr Probleme, als sie zu lösen vorgibt.
Ich muß nur auf die hier von anderen Diskussionsteilnehmern gestellten Fragen verweisen.

Muspilli schrieb:
Um nur anzudeuten, was ich damit meine:

Ehrlich gesagt, sehe ich das Problem noch nicht recht, vor dem die herkömmliche Chronologie kapitulieren müßte. Gibt es da einen unlösbaren Widerspruch?
 
Hallo Hyokkose,

da Du offenbar nicht willig bist, auf meine freundlichen Bitten angemessen zu reagieren, habe ich die inzwischen üble Geschichte mal in Forum "Anregungen und Änderungsvorschläge" gestellt. Zu Erinnerung, meiner Bitte liegt ein sachliches Anliegen zu Grunde, nämlich versehentlich auseinandergedriftete Beitragstränge wieder zusammenzuführen. Da kann man nicht mit roten Sternen und Ignoranz reagieren!

Gruß

Geoman
 
Brissotin: "Im 7. Jh. ist die Stellung des Frankenreiches noch nicht so unangefochten, um 911 hat es sich dreigeteilt und weithin auch in seiner Wirkung ausgebreitet. Den nahtlosen, gewissermaßen harmonischen Übergang, leisten halt nur Pippin der Kurze, Karl der Große und Nachfolger. [...] Vielleicht ist unser Bild von Pippin, Karl und all den anderen ein falsches und die Zusammenhänge stimmen nicht so ganz, eben weil die Quellen aus, ganz laienhaft gesagt, einer Richtung kommen, im Verständnis der Zeit, kommen müssen."

Letzteres glaube ich gerne, und ich gebe endlich zu, daß ich nicht an der Existenz aller Pippiniden zweifel. Es geht genau darum, historische Ereignisse neu anzuordnen und ihre Plausibilität zu überprüfen, und ob sie sich mit Fundschichten und Überlieferungen in Einklang bringen lassen. Das ist nicht ad hoc nicht leistbar, was manch einer vielleicht erwartet.

STRUPANICE: "Und diese sagenhafte Überlieferung der Sachsen bei der Schlacht im Jahre 531 ist schlicht und ergreifend eine Erfindung späterer Chronisten. Diese Klarheit wird von vielen Historikern nicht mehr angezweifelt.
Übrigens war es kein Pippinide (das waren ja die Vorfahren der Karolinger), sondern es waren Merowinger"

1. Welche Schlacht von 531 meinst du? Etwa Watberts Thiotrik (Dietrichs) Kämpf gegen den Thüringer Irminfried? Daran dachte ich gar nicht. Mit der Überlieferung meinte ich die Landung in Handeln. Und mit dem Sachsenkrieg den oben genannten.
2. Es waren Pippiniden (Pippinus Minor und sein Bruder Karlmann), die als Hausmeier unter einem Merowinger gegen Sachsen zogen.

Ich muß also zugeben, daß die Anerkennung dieser Kämpfe in gewisser Weise denn doch Illigs präzische Streichungsthese der Jahrhunderte zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert n. Ztr. nicht haltbar bleibt. Kurz: Illig hat nicht recht!
 
@ HYOKKOSE, den ich auch nicht vernachlässigen will und um mein angedeutetes Problem zu vertiefen, denn es ist tatsächlich mein persönliches (gewesen) und mir erscheint der Übergang nach einem erneuten Blick auf die sächsische Adelsgenealogien gar nicht mehr ganz so suspekt, obwohl als Zweifel noch nicht ganz ausgeräumt sind. Aber vielleicht liegst du mit deiner Distanz zu Illig gar nicht so verkehrt, obwohl ich den von gleich heute morgen von dir angerführten tatsächlich eingehender studieren möchte, wozu mir noch die Zeit fehlt.
Um mich aber nicht gleich in diesem Augenblick von einer möglichen Chronologieverkürzung irgendwo in der Zeit der Karolinger trennen zu müssen :autsch: , frage ich proberweise:
Ist nicht aber eine Identifizierung von Karl Martell und Karl dem Großen völlig abwegig, oder mit dem einen oder anderen Karlmann?
 
Muspilli schrieb:
Ist nicht aber eine Identifizierung von Karl Martell und Karl dem Großen völlig abwegig, oder mit dem einen oder anderen Karlmann?

Die Idee als solche finde ich nicht grundsätzlich abwegig - auch hier wüßte ich aus der ostasiatischen Geschichte aus dem Stand ein Beispiel, wo mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwei Herrscher doppelt gezählt werden.

Allerdings ist davon auszugehen, daß eher zu einem realen Enkel ein mehr oder weniger legendärer Ahn konstruiert wird, als daß zu einem realen Großvater ein Enkel dazuerfunden wird.
 
Nach dem kleinen Exkurs über Probleme mit der Moderation (die sich jetzt hoffentlich wie angekündigt lösen) wird es Zeit mal wieder zur Phantomzeit zurückzukehren. Da ist mir aufgefallen, dass obwohl ich mir gestern die Finger wund geschrieben und entsprechende Texte aus dem Zeitensprünge-Bulletin exzerpiert habe, weiterhin von "alles recht nichtssagend" (Tannhaeuser) bis "inhaltsleere Beiträge" (Hyokkose) die Rede ist.

Solche Kommentare könnten entmutigen, wenn darin nicht deutlich würde, dass an die Lehrbuchchronologie ganz andere Maßstäbe gelegt werden als an die Illigsche These. Z. B. ist es für Tannhaeuser kein oder kein großes Problem, dass die in althochdeutsch geschriebene "Evangelienharmonie" des Otfrid von Weißenburg über 150 Jahre einsam in der Geschichte steht, bevor sie von Mittelhochdeutschen Texten 'abgelöst' wird.

Ein solches Vakuum ist laut Illig nicht nur bei der deutschen, sondern auch der englischen, französischen und arabischen Sprache zu beobachten und müsste eigentlich reichen, die üblicherweise gelehrte und anerkannte Sprachentwicklung zu falsifizieren, die solche Jahrhundert-Löcher nicht kennt bzw. theoretisch verarbeiten kann.

Noch ein weiteres Beispiel: Otfrid diskutiert auf Latein ausführlich die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass es bisher keine fränkische Schriftsprache und Orthographie gebe. Der von mir zitierte Zeitensprünge-Autor Henkel weißt daran anknüpfend darauf hin, dass Notker III. von St. Gallen seltsamerweise mehr als 100 Jahre später vor dem selben Problem wie Otfrid steht, Otfried offenbar nicht kennt, - obwohl ihm doch Otfrids Widmungsexemplar an Bischof Salomon von Konstanz zugänglich sein müsste - und ganz neue Rechtschreibregeln festlegt! Auch diese Anomalie ist für Tannhaeuser nur offenbar nur eine Randnotiz, die ihm in seiner Erwiderung auf meinen Beitrag nicht einmal der Erwähnung wert ist.

Kurz: Die sich aus der Lehrbuchchronologie ergebenden z. T. heftigen Anomalien werden geduldet, während man hier im Forum sehr ungeduldig wird, wenn die Illigsche These nicht gleich alle Fragen, die sich aus ihr ergeben, bis ins Detail beantworten kann.

Ähnlich bei den Münzen: Als die byzantinischen Kaiser- oder Mitkaiser-Münzen den einzelnen Herschern zu geordnet wurden, waren zweifellos die Herrscherlisten schon da, das heißt, man hat selbstverständlich und völlig legitim versucht, auch denjenigen Herrschern Münzen zuzuordnen, die nach Illig phantomzeitlich waren.

Illig ist nun selbstverständlich in der Pflicht nicht nur an Architektur, Fundleere etc., sondern auch an den Münzen zu zeigen, dass diese entweder falsch zugeordnet oder im Einzelfall auch gefälscht sind. Die falsche Zuordung wird dadurch erleichert, dass auf den wenigsten (oder gar keiner Münze) Datumsangaben stehen und einige Kaisernamen auch außerphantomzeitlich vorkommen. Auch die ein oder andere Fälschung (z. B. für den Sammlermarkt)wäre möglich (und ist auch in anderen Fällen nachgewiesen, natürlich nicht nur bei phantomzeitlichen Münzen).

Wenn Illig und seine Mitkombattanten im derzeitigen Stadium der Ausformulierung der These nicht auf jede Münze eine befriedigende Antwort geben können, so ist das erst einmal für ein neue, ca. 15 Jahre These nicht ungewöhnlich und kein Grund die These gleich für verrückt zu erklären. Die Standardchronolgie ist bekanntlich mehrere 100 Jahre alt und muss immer noch (wie nicht nur von Illig gezeigt, sondern auch innerwissenschaftlich akzeptiert), mit einer großen Zahl gravierender offener Fragen und Anomalien leben. Kein Schulwissenschaftler käme deshalb auf die Ideen die Standardchronologie in den Abgrund zu stürzen.

In diesem Sinne wünschte ich mir, dass hier im Forum einfach offener und unbefangener über offene chronologische Fragen diskutiert wird und nicht jedes offene Detail zum Anlass genommen wird, die Illigsche These als ein Abstrusum zu bezeichnen; denn legte man den gleichen Maßstab an die Standardchronogie sähe es um ihr legitimes Fortbestehen auch nicht gut aus....
 
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