G.W.F. Hegel: Vorlesung über die Philosophie der Geschichte: China

Und das mit der "solideren Grundlage" ist nur eine gefühlsmäßige Stichelei, wie ich sie von dir gewöhnt bin und für die du null Begründung liefern kannst, wie dein Zusatz "Ist nur so ein Verdacht von mir" ja auch beweist.

Mein Verdacht beruht auf der Beobachtung, dass Du auf meinen Beitrag mit dem Stichwort 'Unterordnung der Frau unter den Mann' mit dem Stichwort 'patriarchalischer Despotismus' reagiert hast.
Und auf der Beobachtung, dass Du auf meinen gestrigen Beitrag überhaupt nicht reagiert hast.
 
Mir könnt ihr nichts vormachen ... Weder Tom noch Thane noch du zeigten auch nur im Ansatz eine Vertrautheit mit dem Geschichtsbild von Hegel ...
Ich habe etwas über die chinesische Wirklichkeit geschrieben, nicht über das Geschichtsbild von Hegel. Geschichtsbilder von Philosophen, z.B.:
... dass Hegels Geschichtsbegriff den Prozess der Selbsterkenntnis des Weltgeistes beinhaltet, der sich in den geschichtlichen Subjekten manifestiert.
sind meist (historisch erklärbare, in diesem Fall durch Aufklärung, französische Revolution etc. erklärbare) Phantastereien, die man nicht weiter ernst nehmen sollte.
 
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Geschichtsbilder von Philosophen.....
sind meist .....Phantastereien, die man nicht weiter ernst nehmen sollte.

Die Hegel`sche Ontologie ist "dead", so der Befund von Taylor, der die Wirkungsgeschichte von Hegel nach seinem Tod u.a. betrachtet hat.

Es ist aber dennoch wohl vorschnell, die Ideen von Hegel als Phantastereien abzutun, die man nicht ernst nehmen sollte.

Seine normative Sicht auf die vernünftige Entwicklung von Gesellschaften, die ein zentrales Element des Fortschrittsglaubens der Moderne ist, hat vor alle auch die historischen Akteure auf dem linken Spektrum maßgeblich in ihrem zukunftsorientierten Weltbild mit geprägt.

Im Spektrum der Rechts-Hegelianer lassen sich aber auch u.a. Wirkungen auf Carl Schmitt" Staatstheorie feststellen, zumal Hegel beispielsweise im wilhelminischen Deutschland als Philosoph der Restauration wahrgenommen wurde. Ein Umstand, über den sich Marx und Engels in Bezug auf ihre Kollegen aus der SPD lustig gemacht haben.

Viele wirkungsmächtige ideologische Sichten, bis hin zum Existenzialismus eines Satres sind von Hegel beeinflußt. Und haben damit auch die Weltbilder von Teilen einer Gesellschaft geprägt und somit waren sie wirkungsmächtig.

Diese Sicht eines evolutionären Forschrittglaubens kann man auch m.E. bis in die Volkswirtschaftslehre erkennen. Es ist ein Rostow, der mit seinen evolutionären Phasenmodellen zur industriellen Entwicklung der Entwicklungsländer implizit diese Idee einer "vernünftigen", unidirektionalen Entwicklung von Volkswirtschaften Geltung verschafft.

Und es ist die traumatische Erfahrung des 3. Reichs, nach der ähnlich traumatisierenden Wirkung für die Weltbilder des WW1, das Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung mit der Regression der menschlichen Geschichte beschäftigen. Und die geschichtliche Entwicklung nicht mehr im optimistischen Sinne als einen - automatischen - Prozess begreifen wollten.

Und dennoch knüpfen andere, wie Honneth, explizit mit ihren sozialphilosophischen Entwürfen auf Hegel zu und entwickeln, maßgeblich an dem Hegel`schen Konstrukt der "Anerkennung" orientiert, ihr Vorstellungen.

Honneth, Axel (2012): Das Ich im Wir. Studien zur Anerkennungstheorie. Berlin: Suhrkamp
Honneth, Axel (2013): Das Recht der Freiheit. Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. Berlin: Suhrkamp
Honneth, Axel (2016): Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte;. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Taylor, Charles (2009): Hegel. Princeton, N.J.: Recording for the Blind & Dyslexic.
 
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d'accord.

Einen Hinweis würde ich aber gern anbringen:
Mit "kann man erkennen" hast Du in Bezug auf Rostow schon vorsichtig formuliert.

Wegen seiner ökonometrischen Fundierung* (getrennt von den Schlussfolgerungen, die auch reichlich Gegenstand von Diskursen sind) würde ich ihn da trotzdem nicht in diese Reihe setzen.


* zutreffend oder nicht, westzentriert oder nicht, linearisiert oder nicht, etc.
 
Viele wirkungsmächtige ideologische Sichten, bis hin zum Existenzialismus eines Satres sind von Hegel beeinflußt. Und haben damit auch die Weltbilder von Teilen einer Gesellschaft geprägt und somit waren sie wirkungsmächtig.

Nicht zu vergessen Hegels Einfluss auf die Psychoanalyse und deren Subjektbegriff bei Jacques Lacan, was zu der meines Erachtens wichtigsten Abspaltung der Freud-Schule geführt hat (die Lacanianer).

Diese Sicht eines evolutionären Forschrittglaubens kann man auch m.E. bis in die Volkswirtschaftslehre erkennen.

In diesem Punkt knüpft auch Jürgen Habermas an Hegel an ("Der philosophische Diskurs der Moderne"). Sein Konzept einer fortschrittsorientierten "kommunikativen Vernunft" wäre ohne Hegels dynamischen Subjektbegriff nicht denkbar.

Und es ist die traumatische Erfahrung des 3. Reichs, nach der ähnlich traumatisierenden Wirkung für die Weltbilder des WW1, das Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung mit der Regression der menschlichen Geschichte beschäftigen. Und die geschichtliche Entwicklung nicht mehr im optimistischen Sinne als einen - automatischen - Prozess begreifen wollten.

Adorno/Horkheimers Kritik am evolutionären Geschichtsbegriff basiert auf deren reduktionistischem Ansatz, die erkennende Vernunft (die Hegel für den treibenden Motor der Geschichte hält) mit einer Zweckrationalität gleichzusetzen, der es nur um die Herrschaft über Mensch und Natur gehe, die ihre Ziele bzw. Zwecke aber nicht hinterfrage und deshalb zu Katastrophen wie den beiden WWs führen müsse. Habermas hat diesen Pessimismus kritisiert und zwischen Zweckrationalität und kommunikativer Vernunft unterschieden, wobei letztere die Habermas´sche Version des Hegelschen dynamischen Vernunftbegriffs darstellt.

Habermas ist übrigens - was hier hervorzuheben ist - ein bekannter Kritiker der menschenrechtsfeindlichen Verhältnisse im modernen China. Das deckt sich essentiell mit der Kritik, die Hegel an der chinesischen Geschichte geübt hat.

Die Hegel`sche Ontologie ist "dead", so der Befund von Taylor, der die Wirkungsgeschichte von Hegel nach seinem Tod u.a. betrachtet hat.

Das letzte Wort ist mit Taylors Befund sicher nicht gesprochen. Taylor argumentiert u.a., dass durch die Komplexität der Disziplinen, welche die Naturwissenschaften mittlerweile hervorgebracht haben, eine umfassende Theorie unmöglich geworden sei, die wie bei Hegel diese Disziplinen in ein ganzheitliches System integriert. Allerdings hat Taylor sein Hegel-Buch 1975 herausgebracht, als ein anderer US-amerikanischer Philosoph seine eigene, von Hegel inspirierte holistische Theorie noch nicht entwickelt hatte, zu der sich Charles Taylor später sehr positiv geäußert hat. Den Namen dieses Philosophen will ich hier nicht nennen, weil ich im Zusammenhang mit ihm vor Jahren schon einmal "zurechtgewiesen" wurde. Jedenfalls kann man Hegels Ontologie nicht kategorisch mit der Begründung zurückweisen, dass eine synthetische "Zusammenschau" der diversen (natur)wissenschaftlichen Bereiche nicht möglich sei (was Taylor ja, siehe oben, selbst schon relativiert hat).
 
Einen Hinweis würde ich aber gern anbringen:
Mit "kann man erkennen" hast Du in Bezug auf Rostow schon vorsichtig formuliert.

Mein Hinweis bezog sich - in der Erinnerung - auf Meier. Aus meiner Erinnerung wurde das Modell von Rostow häufiger als "Antwort" auf Marx in der Literatur zur Entwicklungspolitik bewertet, auch deswegen, weil er an manchen Punkten Ähnlichkeiten zu ihm aufwies. In der Ausgabe von 1976 (!!!!) schreibt er zum Phasenmodell von Rostow:

"At one extreme, Adam Smith referred to the sequence of hunting, patoral, agricultural, commercial, and manufacturing stages. At the other, Karl Marx related Hegel`s thesis, antithesis, and synthesis to the Marxian stages of feudalism, capitalism, and socialism. Most recently, Professor Walt Rostow attempted to generalize "the sweep of modern economic history in a set of stages of growth....(Meier, S. 79)

Zusätzlich hatte ich wohl im Hinterkopf auch, dass sich die westliche Moderne in ihren wirtschaftlichen und technologischen Erfolgen vergewisserte, das Richtige richtig getan zu haben. Sie setzten sich ihre Denkmäler in der Form des Eifelturms, von Crystal Palace oder ließen die "Weiße Flotte" um die Welt dampfen. Und demonstrierten so auch symbolisch, dass sie die "Moderne" auf ihrer Seite hatten.

Damit konnten die Exponenten der westlichen Moderne, im Sinne eines Hegel`schen Rationalismus - vernunftsbezogen - in Bezug auf die eigene geschichtlichen Entwicklung und im Sinne des sozialdarwinistisch interpretierten Darwin, eine Ideologie formulieren, die sie als überlegen gegenüber dem restlichen Teil der Welt erscheinen ließ.

Vor diesem Hintergrund hatte ich die Übertragung der Vorstellungen von Rostow auf die Entwicklungspolitik interpretiert, die den Ländern versprach, wenn ihr unser Modell imitiert, dann seid ihr auch erfolgreich. Nicht im Sinne einer generellen Diskussion seiner Arbeit.

Und damit die positive und unidirektionale Sicht der westlichen Moderne auf die Länder der 3. und 4. Welt im Rahmen eines derartigen Entwicklungsparadigmas zur stufenweisen Entwicklung übertrug.

Das führt dann sicherlich in das sehr komplexe Thema, welche philosophischen Bezüge das Weltbild der westlichen Moderne geprägt haben. Und der Bezug auf Rostow sollte - auch als These - nur ausdrücken, dass sich die ökonomische Theorie auch in diesen Weltbildern bewegt und als Bezugpunkte nimmt.

Wie zuletzt auch - m.E. - auch bei Acemoglu: Why Nations fail zu sehen.

Acemoglu, Daron; Robinson, James A. (2012): Why nations fail. The origins of power, prosperity and poverty. London: Profile Books.
Meier, Gerald M. (1976): Leading issues in economic development. 3. Aufl. New York: Oxford University Press.
 
Taylor argumentiert u.a., dass durch die Komplexität der Disziplinen, welche die Naturwissenschaften mittlerweile hervorgebracht haben, eine umfassende Theorie unmöglich geworden sei, die wie bei Hegel diese Disziplinen in ein ganzheitliches System integriert.

Wo sagt Taylor das?

Jedenfalls kann man Hegels Ontologie nicht kategorisch mit der Begründung zurückweisen, dass eine synthetische "Zusammenschau" der diversen (natur)wissenschaftlichen Bereiche nicht möglich sei (was Taylor ja, siehe oben, selbst schon relativiert hat).

1. Wo hat Taylor das angeblich relativiert? Es liegt kein Verweis vor auf die angebliche "Relativierung"!
2. Taylor formuliert stattdessen (S. 538ff):

..."But with all this attention focussed on Hegel, his actual sythesis is quite dead. That is, no one actually believes his central ontological thesis, that the universe is posited by a Spirit whose essence is rational neccesity. .....und fährt fort: "But no one holds the Hegelian ontology."

Und widmet sich auf der folgenden Seite der Frage: "Why is Hegel`s central thesis dead?...Und in Bezug auf sein historisches Erbe formuliert er das Problem: "For this is what we need to find an answerto our double question, how his thought can remain important while his conclusions are quite abandoned."

Und in seiner kürzeren Zusammenfassunf zu Hegel schreibt Taylor - etwas freundlicher - folgendes: "his ontological vision is not ours" (Taylor, 2015, S. 164)

Taylor, Charles (1975): Hegel. Cambridge: Cambridge University Press.
Taylor, Charles (2015): Hegel and modern society. Cambridge Philosophy Classics edition. Cambridge, UK: Cambridge University Press
 
welche philosophischen Bezüge das Weltbild der westlichen Moderne geprägt haben. Und der Bezug auf Rostow sollte - auch als These - nur ausdrücken, dass sich die ökonomische Theorie auch in diesen Weltbildern bewegt und als Bezugpunkte nimmt.
Wie zuletzt auch - m.E. - auch bei Acemoglu: Why Nations fail zu sehen.

Ich möchte nicht bestreiten, dass sich ökonomische Theorie in diesen Weltbildern bewegt.
Der umgekehrte Fall ist interessant: was in die ökonomische Theorie (hinein) interpretiert wird.

Acemoglu ist Empiriker. Seine Institutional Economics versucht er dementsprechend, wirtschaftshistorisch anhand ökonometrischer Daten zu belegen. Dies ist der Ursprung seiner Theorie, nicht ein (westliches) Weltbild. Im Ergebnis ist Rostow für ihn nur begrifflich von Interesse, in den theoretichen Werken erwähnt er ihn kaum am Rande.

Darauf wollte ich generell aufmerksam machen: für die Makroökonomie ist Rostow nur (noch) hinsichtlich der Cluster bzw. Systematisierung von Entwicklungsstufen von Interesse (sozusagen im "wording"), nicht als Entwicklungs"modell". Das wird (von ihm sicher durch die Prognose einer finalen Entwicklungsstufe verschuldet) eher von angrenzenden Wissenschaften in sein Modell interpretiert bzw. es wird so in der Diskussion verwendet. Und es wurde -diese Ränder aufgreifend - wirtschaftspolitisch instrumentalisiert.
 
1. Wo hat Taylor das angeblich relativiert? Es liegt kein Verweis vor auf die angebliche "Relativierung"!

Das steht im Zusammenhang mit Taylors Argument, dass es nicht möglich sei, die naturwissenschaftliche Komplexität holistisch zusammenzuschauen, was er auf Hegel bezogen hat, was er in Bezug auf den nach Taylors Hegel-Büchern erst bekannt gewordenen anderen Philosophen (Baujahr 1949), über den er in höchsten Tönen spricht, aber offensichtlich ganz anders sieht (und das meine ich mit "relativieren"). Offensichtlich bestreitet Taylor also nicht die grundsätzliche Möglichkeit einer holistischen Theorie der NaWi, sondern nur deren Umsetzung bei Hegel.

Ich möchte auf "den anderen" an dieser Stelle aus den schon genannten Gründen nicht näher eingehen. Außerdem würde das vom Threadthema weit wegführen, da es mit Hegel nichts zu tun hat, außer dass besagte, von Taylor hochgelobte holistische Theorie (auch, aber nicht nur) von Hegel inspiriert ist.


Ich habe mich dabei auch auf diesen Artikel bezogen. Der Ausdruck "Halbierte Moderne" stammt von Ulrich Beck, "Risikogesellschaft" (1986).
 
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Nur noch ein Anhang zu thanepower:

Es ist aber dennoch wohl vorschnell, die Ideen von Hegel als Phantastereien abzutun, die man nicht ernst nehmen sollte ... Viele wirkungsmächtige ideologische Sichten, bis hin zum Existenzialismus eines Satres sind von Hegel beeinflußt. Und haben damit auch die Weltbilder von Teilen einer Gesellschaft geprägt und somit waren sie wirkungsmächtig.

Völlig richtig. Solche Philosophien, sofern sie von intelligenten Leuten geschaffen wurden und sich mit gewissen Erfahrungen deckten, sind äußerst wirkungsvoll und beeinflussen dann Generationen von Wissenschaftlern und anderen Philosophen.

Man denke nur an Platons Philosophie, auch so eine „Phantasterei“, wie ich mich etwas lax ausgedrückt habe. Platon war ein Genie, man kann ihn auch heute noch mit Vergnügen lesen, und seine Auswirkungen auf die Geistes- und Wissenschaftsgeschichte sind gar nicht zu ermessen.

Oder die Geschichtstheorie des Augustinus in seinem „Gottesstaat“, die die Geschichtsvorstellung in Europa für Jahrhunderte beherrscht hat und bis heute die Grundlage der katholisch-theologischen Vorstellung von der menschlichen Geschichte bildet.

In den letzten eineinhalb oder zwei Jahrhunderten haben solche theologisch oder philosophischen grundierten Geschichtsvorstellungen allerdings immer mehr an Boden verloren und machten den auf Fakten beruhenden Vorstellungen von Historikern Platz.

Einen Anfang machen da gleich Marx und Engels. Marx in den Abschnitten über „Die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals“ ist auch ein ganz hervorragender Historiker. Ebenso Engels in verschiedenen Aufsätzen und den Manuskripten zum Anti-Dühring.

Dann Spengler mit seinem „Untergang“ und anderen historischen Schriften, Toynbee, der diese Vorstellungen weiter ausgebaut und rationalisiert hat, Diamond mit „Guns, Germs, und Steel“, auch der oben erwähnte Ian Morris … Das Spekulative wird zugunsten der Fakten immer weiter zurückgedrängt, auch da, wo es um die Geschichte als Ganzes geht. Jaspers ist da eher ein Rückfall.

(Wir sind allerdings weit von der ursprünglichen Frage abgekommen und sollten hier irgendwann mal einen Schlusspunkt setzen.)
 
Adorno/Horkheimers Kritik am evolutionären Geschichtsbegriff basiert auf deren reduktionistischem Ansatz, die erkennende Vernunft (die Hegel für den treibenden Motor der Geschichte hält) mit einer Zweckrationalität gleichzusetzen, der es nur um die Herrschaft über Mensch und Natur gehe, die ihre Ziele bzw. Zwecke aber nicht hinterfrage und deshalb zu Katastrophen wie den beiden WWs führen müsse. Habermas hat diesen Pessimismus kritisiert und zwischen Zweckrationalität und kommunikativer Vernunft unterschieden, wobei letztere die Habermas´sche Version des Hegelschen dynamischen Vernunftbegriffs darstellt.

Uups, nun ist mir doch ein gröberer sachlicher Fehler unterlaufen, aber nicht in Bezug auf Hegel, sondern auf Adorno/Horkheimer, die unter dem Eindruck der totalitären Systeme von Stalin und Hitler das "schwärzeste Buch" (Habermas) der Frankfurter Schule geschrieben haben. Nicht Hegels Vernunftbegriff wird von ihnen als eine "instrumentelle Vernunft" kritisiert, die notwendig auf die Herrschaft über Mensch und Natur abzielt, sondern das, was sie für das Vernunftkonzept der Aufklärung halten (aus der "Dialektik der Aufklärung" (1944):

Die Aufklärung verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern er sie manipulieren kann. Der Mann der Wissenschaft kennt die Dinge, insofern er sie machen kann. Dadurch wird ihr An sich Für ihn. In der Verwandlung enthüllt sich das Wesen der Dinge immer als je dasselbe, als Substrat von Herrschaft.

Der Rest des oben zitierten Absatzes ist sachlich korrekt. Habermas hat gegen diesen Pessimismus das Konzept der kommunikativen Vernunft mit den im kommunikativen Prozess intrinsisch enthaltenen "Geltungsansprüchen" der Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit entwickelt (der vierte Geltungsanspruch, Verständlichkeit, ist von marginaler theoretischer Bedeutung). Diese Art der Vernunft kann in repressiven Systemen wie dem Stalinismus und dem Nationalsozialismus gewaltsam unterdrückt werden, was ihre Bedeutung für Aufklärung und Fortschritt aber nicht mindert.

Sorry für den Lapsus, wird nicht mehr vorkommen.

Man denke nur an Platons Philosophie, auch so eine „Phantasterei“, wie ich mich etwas lax ausgedrückt habe. Platon war ein Genie, man kann ihn auch heute noch mit Vergnügen lesen, und seine Auswirkungen auf die Geistes- und Wissenschaftsgeschichte sind gar nicht zu ermessen.

Oder die Geschichtstheorie des Augustinus in seinem „Gottesstaat“, die die Geschichtsvorstellung in Europa für Jahrhunderte beherrscht hat und bis heute die Grundlage der katholisch-theologischen Vorstellung von der menschlichen Geschichte bildet.

In den letzten eineinhalb oder zwei Jahrhunderten haben solche theologisch oder philosophischen grundierten Geschichtsvorstellungen allerdings immer mehr an Boden verloren und machten den auf Fakten beruhenden Vorstellungen von Historikern Platz.

Platons System, das vor fast 2500 Jahren entstand, und die Ideen des Augustinus, der überhaupt kein Philosoph war, sondern ein christlicher Theologe, als grundsätzliches Argument gegen den Wert philosophischer Konzepte anzuführen, ist denn doch argumentativ zu dünn. Du unterschlägst dabei die Tatsache, dass im christlichen Abendland bis zum 18. Jahrhundert das Philosophieren den Richtlinien der Kirche zu entsprechen hatte, siehe z.B. die Scholastik. Descartes war ein erster Schritt zur Befreiung von diesen Beschränkungen. Der erste bedeutende Philosoph, der ganz ohne christlich-theologische Prämissen auskam, war der Schotte David Hume (um 1750).

Über Spengler, Toynbee und Co. könnte man in einem gesonderten Thread diskutieren.
 
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Ein Konglomerat grotesker Fehlurteile leistet sich Hegel in seinen Bemerkungen über chinesische Sprache und Schrift:

"Nur dem Statarischen der chinesischen Geistesbildung ist die hieroglyphische Schriftsprache dieses Volkes angemessen; diese Art von Schriftsprache kann ohnehin nur der Anteil des geringeren Teils eines Volkes sein, der sich in ausschließendem Besitze geistiger Kultur hält. – Die Ausbildung der Tonsprache hängt zugleich aufs genaueste mit der Gewohnheit der Buchstabenschrift zusammen, durch welche die Tonsprache allein die Bestimmtheit und Reinheit ihrer Artikulation gewinnt. Die Unvollkommenheit der chinesischen Tonsprache ist bekannt; eine Menge ihrer Worte hat mehrere ganz verschiedene Bedeutungen, selbst bis auf zehn, ja zwanzig, so daß im Sprechen der Unterschied bloß durch die Betonung, Intensität, leiseres Sprechen oder Schreien bemerklich gemacht wird. Europäer, welche anfangen, chinesich zu sprechen, ehe sie sich diese absurden Feinheiten der Akzentuation zu eigen gemacht haben, fallen in die lächerlichsten Mißverständnisse. Die Vollkommenheit besteht hier in dem Gegenteil von dem parler sans accent, was mit Recht in Europa für ein gebildetes Sprechen gefordert wird. Es fehlt um der hieroglyphischen Schriftsprache willen der chinesischen Tonsprache an der objektiven Bestimmtheit, welche in der Artikulation durch die Buchstabenschrift gewonnen wird."
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Dritter Teil: Die Philosophie des Geistes, 1. Abteilung: Der subjektive Geist, C. Psychologie. Der Geist, a. Der theoretische Geist, bb. Die Vorstellung, 2. Die Einbildungskraft
 
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