Gandhi - Kampf ohne Gewalt

Hallo an alle,

Ganz ohne Zweifel verdient Gandhi Respekt- aber das ist etwas anderes als kritiklose Idealisierung. Gandhi lässt sich nicht aus den Zusammenhängen seiner Zeit lösen, die damalige Situation in Indien für die Erklärung seines (relativen) Erfolgs nicht ignorieren- ein unhistorisches Herangehen. Er hat kein Universalrezept entdeckt, das immer und überall wirksam ist.

„Gewalt erzeugt wieder Gewalt“: das erklärt so ziemlich gar nichts. Wenn Gewalt immer wieder Gewalt erzeugt, und es sie immer gab, wird es sie auch immer geben. Bin ich nicht einverstanden. Und woher Gewalt letztlich kommt bleibt so unklar wie zuvor (der Logikerr spricht von einem Endlos-Regreß). Eine moralische Position („wer das Schwert ergreift …) ist kein Argument.

Weiterhin macht es keinen Sinn, Ereignisse nach Folgen zu beurteilen, die den Menschen damals nicht klar sein konnten. Ansonsten kann ich genauso gut sagen, der erste Steinzeitmensch, der Feuer benutzt hat, ist Schuld an der Atombombe- denn die ist das Produkt einer langen Entwicklung. (Was er selbst wollte, ist doch egal, oder?)


Man kann Gewalt anwenden, und scheitern
Man kann Gewalt anwenden, und Erfolg haben
Man kann gewaltlos vorgehen, und scheitern
Man kann gewaltlos vorgehen, und Erfolg haben


Die Frage ist, was meint man mit „Gewalt“, was mit „Scheitern“, was mit „Erfolg“ (z.B.: die Französische Revolution ist nach den Zielsetzungen ihrer Vertreter gescheitert, hat aber dennoch Auswirkungen bis heute- wie alle Wirkungen sind auch die der Frz. Rev. widersprüchlich)


Und was heisst denn nun genau Gewalt? Ab wann beginnt sie? Vor allem, wer hat das Recht, das alles zu entscheiden, was Gewalt ist und was (noch) nicht?

Offen ist außerdem, warum Gewalt oder Gewaltlosigkeit zu Erfolg oder Misserfolg führt/führen soll. (Und im bisherigen Threat völlig ungeklärt).


Ich meine, es ist nicht unsere Aufgabe, die wir sozusagen „auf dem Trockenen“ sitzen, den Betroffenen vorzuschreiben wie sie ihren Widerstand ausdrücken und organisieren sollen.

Gewalt taugt jedenfalls nicht als Kriterium, den „guten“ und den „bösen“ Widerstand zu unterscheiden. Respekt habe ich vor Gandhi, wie vor allen anderen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung gewehrt haben- mit den jeweils angebrachten Mitteln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Saint-Just schrieb:
Ganz ohne Zweifel verdient Gandhi Respekt- aber das ist etwas anderes als kritiklose Idealisierung. Gandhi lässt sich nicht aus den Zusammenhängen seiner Zeit lösen, die damalige Situation in Indien für die Erklärung seines (relativen) Erfolgs nicht ignorieren- ein unhistorisches Herangehen.
Gewalt taugt jedenfalls nicht als Kriterium, den „guten“ und den „bösen“ Widerstand zu unterscheiden. Respekt habe ich vor Gandhi, wie vor allen anderen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung gewehrt haben- mit den jeweils angebrachten Mitteln.
:motz: Den Erfolg Ghandis mit gewaltlosen Mitteln ein Volk zu befreien zu relativieren, ihm genauso viel Respekt zu goennen wie Fuehrern von kriegerischen Aufstaenden und zu bemaengeln was er alles NICHT geleistet hat empfinde ich als eine extreme Beleidigung.
Da koennte man schon fast sagen "Jesus war ja ganz ok, aber den Weltfrieden hat er nicht herbeifuehren koennen".

Fischhof schrieb:
Außerdem darf bei der Gewaltlosigkeit Gandhis eines nicht vergessen werden. Seine Bewegung wurde von den Reichsten der reichen Inder finanziell unterstützt. Diese hätten ihr Geld auch in den gewaltsamen Kampf stecken können, dann hätte die Gewalt die Briten vertrieben und niemand würde über Gandhi reden. Aber nein, sie bevorzugten die Gewaltlosigkeit und machten damit Gandhi zu dem, was er wurde. Das kommt sogar in dem Film Attenbouroughs heraus.
Warum wollten nun die Superreichen Gewaltlosigkeit? Ganz einfach aus drei Gründen:
1. das Volk wurde nicht bewaffnet, und hatte nachher somit keine Machtmittel, den neuen indischen Staat mitzugestalten; 2. da nur das Blut der Unterschichten floß, die ihren Kopf für die Unabhängigkeit herhielten, blieben sie selbst verschont; und 3. da es somit keine militärische Auseinandersetzung wurde, sondern der Kolonialkonflikt auf der Stufe von Polizeiaktionen blieb, konnten mit den Briten weiterhin gute Geschäfte gemacht werden.
Diese Motivation darf bei der Diskussion um die Gewaltlosigkeit nicht vergessen werden.
Ghandi hat es geschafft die Massen zu mobilisieren und einen gewaltlosen Wiederstand zu leiten. Wer ihn aus welchem Grund unterstuetzt hat spielt keine Rolle !
Warum sollten die Reichen ihr Gewissen belasten und ihre Religion verachten ? Ich gaube nicht, dass die Gruende zur Unterstuetzung Ghandi's selbstsuechtig und boshaft waren und sie auch nicht langfristig gedacht haben.
Frei zu sein und das mit friedlichen Mitteln zu erreichen hoert sich wohl fuer jeden Menschen gut an.
Auch darf man nicht vergessen, dass Indien ein sehr spirituelles Land ist. Die Menschen leben ihre Religion 24 Stunden am Tag. Die Ideale der Religionen sind friedvoll und es wird von (fast) ueberall her so gelehrt.
Und das ein gewaltsamer Aufstand nicht unbedingt funktioniert und extreme Vergeltung der Briten hervorrufen kann hatten die Inder ja 1857 schon gelernt.

Fischhof schrieb:
Das Geld der Reichen (genommen von den Armen natürlich) und das Blut der Armen schufen einen Staat zum noch größeren Nutzen der Reichen. Ob er auch den Armen und Unberührbaren nutzte? Dann wäre eine Mutter Theresa wohl überflüssig gewesen, isn't it?
Ghandi versuchte das Kastensystem abzuschaffen. Fuer ihn gab es keine Unberuehrbahren und dies hat er versucht zu lehren.
Doch ein so altes Brauchtum, bzw. Wertevorstellung abzuschaffen ist keine leichte Aufgabe. Er hat sein moeglichstes getan, um es aus den Koepfen der Menschen zu vertreiben.
Auch hat er sich selbst der Besitzlosigkeit und des kargem Lebens hingegeben. Rebellen anderer Zeiten/Orte haben an ihrer Revolution verdient.
Ich habe in Bombay Ghandi's Haus gesehen. Er schlief wirklich auf einer ungemuetlichen Matraze auf dem Boden und lebte spartanisch.
Ausserdem war Ghandi kein Geistlicher. Er war kein Brahmane und hat sich fuer religioese Toleranz ausgesprochen ("I am a Hindu, a Muslim, a Christian and a Jew").

Neben dem was Ghandi und Mutter Theresa direkt geleistet haben, haben sie moralische Inspiration fuer viele Menschen geliefert, welche wohl viele positive Auswirkungen in der Welt hatten und noch fuer lange haben werden.

Das Ghandi's Weg ueberall funktionieren wuerde glaube ich auch nicht. Das er in vielen Konflikten helfen koennte glaube ich aber allemal.
Es ist im grossen und ganzen eine Frage der Mengenrechnung. Wenn sich 5 Mio. Menschen aufrecht gegen eine Macht von 100000 Gegenern stellen und deren Forderungen nicht nachkommen, dann kann es bei dem ganzen nur ein Ergebnis geben.
Bei Tibet funktioniert das natuerlich nicht, da die ja in der Minderzahl sind.
Die Kunst ist nur, die Massen zu mobilisieren und Einigkeit herzustellen.

Ghandi hat sich sein Ansehen redlich erarbeitet und er sollte als Vorbild fuer uns alle gelten. Ihn mit Kritik zu ueberhaeufen ist ein Pessimismus welcher nicht nur vollkommen unangebracht ist, sondern auch, wenn weitergetragen, negativ zur der moralischen Zukunft, (bzw. zukuenftigen Handlungen) unserer Welt beitraegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Cassandra schrieb:
Was ist denn gelaufen?
Ich meine von den vielen tausend Toten, Verwundeten, Vergewaltigungen, Weisenkindern, Vertriebenen .......


Die Möglichkeit auf eine friedliche Revolution stolz zu sein, wurde den Menschen genommen.

Alle fakten sind richtig. Aber: Was ist gelaufen?
In Nicaragua und El Salvador konnten halbwegs funktionierende Demokratien instaliert werden. Super Sache finde ich. Hat sehr viele Tote gekostet, aber was war denn vorher: Folter, Gefängnis, Mord, etc.

Mit dem gewaltlosen Widerstand ist das so eine Sache: Er funktioniert eigentlich nur wenn er massiv ist und zugelassen wird. In der Regel ist der Gegner in der Position, daß sein Lager gespalten ist in diejenigen die gegen und für solche Proteste sind. So ein Land wird sich zweimal Überlegen, ob es Demonstrationen zusammenschießen läßt. Am Beispiel Indiens: Die Briten hatten zwar einige Male extreme Gewalt angewendet,aber als demokratischer Staat und als "zivilisiertes Kulturvolk" war es ihnen kaum möglich, ständig Tausende Inder hinzumetzeln ohne vor der eigenen oder der internationalen Öffentlichkeit als Schlächter darzustehen.

Gewaltlosen Widerstand gab es auch schon in Lateinamerika vor den revolutionären Bewegungen.Aber was ist aus ihm geworden: Unzählige, deren Namen keiner zu Kenntnis genommen hat wurden umgebracht, starben in Gefängnissen usw..
Was hatte deren Tod gebracht? - Nichts. Von der Weltöffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen , im eigenen Lande als Opposition zu schwach. Was blieb ihnen denn anderes übrig als der bewaffnete Widerstand?

Es trifft sich nun so, das ich nun zufälligerweise aus eigener Anschauung die Situation in Zentralamerika kennengelernt habe. 1993 war ich in Guatemala, El Slavador, Honduras und Nicaragua.
Während der vier Wochen in Guatemala (Sprachschule) setzte der "gewählte" Präsident die Verfassung außer Kraftund putschte sich selbst, man las von auto-golpean die Macht. Tagelang angespannte Stimmung in dem Land, da ihn aber niemand so richtig unterstützen wollte floh er außer Landes. Ohne Blutvergießen. Unsere Lehrer in der SChule erzählten aber wie Indigenas (indianische Bevölkerung) vom Militär immer wieder Repressalien erleidet und häufig auch getötet wird. Uns sind immer wieder Militärpatroullien auf dem Land begegnet. Es herscht dort immer ein latentes Gefühl des Unbehagens wenn nicht gar der Angst.
In El Salvador war der Waffenstillstand gerade ein Jahr alt und man bereitete sich auf die ersten Wahlen vor. Wir unterhielten uns mit ehemaligen Kämpfern der FMLN, die auf dem Hauptplatz der Stadt standen. Sie waren sehr skeptisch, ob es denn alles mit rechten Digen zugehenwerde bei der Wahl. Aber sie waren froh überhaupt soweit gekommen zu sein.
In Honduras, einem autoritär geführten Land, herrschte Recht und Ordnung - habe aber auch nie wieder so furchteinflößende Kampfmaschienen mit riesigen Maschienengewehren amerikanischer Bauart gesehen. In der Hauptstadt haben wir wirklich beklemmungen bekommen.
Als wir später über die Grenze nach Nicaragua gingen: ein Unterschied wie Tag und Nacht. Freundliche Soldaten, kein angsteiflößendes Gehabe - sehr zugewandt, auch der eigenen Bevölkerung gegenüber: Das war die sandinistische Armee. Die Stimmung in dem Land empfand ich so gelöst wie in keinen der anderen zuvor (obwohl in den Bergen immer noch ein paar Re-Contras ihr Unwesen trieben). Wir hatten Gelegenheit 4 Wochen an der Universität zu studieren (eher ein Praktikum). Die meisten Leute waren mit den wirtschaftlichen Verhältnissen im Lande nicht zufrieden - obwohl sich einiges verbessert hatte (wenn auch nicht aus eigener Kraft, sondern eher durch Hilfe von außen). Die FSLN und deren Führung wurde stark kritisiert. Aber: Keiner wollte etwas auf den Erfolg der Revolution kommen lassen und keiner hätte Zweifel daran gelassen, daß sie nicht notwendig gewesen wäre.

Die wirtschaftliche Situation in diesen Ländern war vorher schlecht und ist jetzt immer noch schlecht. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Aber die Revolutionen haben den Menschen Freiheit gegeben. Und es hat eine gewisse Umverteilung stanttgefunden. Heute gibt es in Nicaragua immerhin ein einigermaßen funktionierens Gesundheitssystem. Jetzt haben Alle Anspruch auf eine Behandlung. Fürmich ein Fortschritt.

Eins noch: Was wäre mit gewaltlosem Widerstand unter der Nazi-Diktatur geschehen? Die Weiße Rose, Edelweißpiraten und vorher tausende Sozialdemokraten, Kommunisten usw landeten im KZ oder wurden ermordet. Stauffenberg hätte wohl noch am ehesten Erfolg haben können.
 
Zuletzt bearbeitet:
butterkeks schrieb:
Mit dem gewaltlosen Widerstand ist das so eine Sache: Er funktioniert eigentlich nur wenn er massiv ist und zugelassen wird. In der Regel ist der Gegner in der Position, daß sein Lager gespalten ist in diejenigen die gegen und für solche Proteste sind. So ein Land wird sich zweimal Überlegen, ob es Demonstrationen zusammenschießen läßt. Am Beispiel Indiens: Die Briten hatten zwar einige Male extreme Gewalt angewendet,aber als demokratischer Staat und als "zivilisiertes Kulturvolk" war es ihnen kaum möglich, ständig Tausende Inder hinzumetzeln ohne vor der eigenen oder der internationalen Öffentlichkeit als Schlächter darzustehen.


Eins noch: Was wäre mit gewaltlosem Widerstand unter der Nazi-Diktatur geschehen? Die Weiße Rose, Edelweißpiraten und vorher tausende Sozialdemokraten, Kommunisten usw landeten im KZ oder wurden ermordet. Stauffenberg hätte wohl noch am ehesten Erfolg haben können.


Eben das halte ich für einen wichtigen Punkt beim gewaltlosen Widerstand. Er funktioniert dann, wenn sich das entsprechende Regime legitimieren muss, bzw. das Gesicht verlieren kann (oder wenn es moralisch "gut dastehen" will). Nicht aber, wenn man ohnehin ein "skrupelloses Weltbild" hat. Ein gewaltloser Widerstand wäre im Kambodscha des Pol Pot oder im Irak des Saddam Hussein schlicht in einem Gemetzel geendet. Die Studenten 1989 auf dem Tian An Men waren für mich ebenso gewaltlos.
 
Hi butterkeks,
ich habe dein Anliegen verstanden, möchte aber noch ein anderes Beispiel anführen:
Hamburg, für mich eine der schönsten Städte der Welt, ist im 2. Weltkrieg vollkommen ausgebommt worden. Nach dem Krieg konnten die Städteplaner Hamburg ein neues Gesicht geben, und heute nennt man Hamburg die grünste Großstadt Deutschlands.
Jetzt kann man durchaus daraus schließen, das der Krieg sich positiv auf das Stadtbild ausgewirkt hat. Man könnte aber auch sagen, aus etwas Schlechtem kann man durchaus etwas Gutes machen. Wenigstens ein Neubeginn.
Doch muss ich die Instrumente deswegen gutheissen oder legetimieren?

Nun im 2. Weltkrieg hat kein Versuch funktioniert Hitler zu beseitigen. Weder die deutschen Widerständler (ob gewaltlos oder nicht), noch haben die Aleierten Erfolg gehabt, oder erst nach ganzen 4 Jahren Dauerbombadierung. Man hätte doch meinen können, das die Deutschen sich vor lauter Angst viel früher ergeben würden, aber nein, da wurden sie auch noch bockig, und stellten sich demonstrativ hinter ihren Führer. Man beachte, das Stauffenberg auch nach dem Krieg als Veräter gesehen wurde, statt als Held.
Gruß
Cassandra
 
Saint-Just schrieb:
Hallo an alle,

Er hat kein Universalrezept entdeckt, das immer und überall wirksam ist. [/font][/size]

„Gewalt erzeugt wieder Gewalt“: das erklärt so ziemlich gar nichts. Wenn Gewalt immer wieder Gewalt erzeugt, und es sie immer gab, wird es sie auch immer geben. Bin ich nicht einverstanden. Und woher Gewalt letztlich kommt bleibt so unklar wie zuvor (der Logikerr spricht von einem Endlos-Regreß). Eine moralische Position („wer das Schwert ergreift …) ist kein Argument.


Weiterhin macht es keinen Sinn, Ereignisse nach Folgen zu beurteilen, die den Menschen damals nicht klar sein konnten.
Man kann Gewalt anwenden, und scheitern
Man kann Gewalt anwenden, und Erfolg haben
Man kann gewaltlos vorgehen, und scheitern
Man kann gewaltlos vorgehen, und Erfolg haben

Die Frage ist, was meint man mit „Gewalt“, was mit „Scheitern“, was mit „Erfolg“ (z.B.: die Französische Revolution ist nach den Zielsetzungen ihrer Vertreter gescheitert,
Und was heisst denn nun genau Gewalt? Ab wann beginnt sie? Vor allem, wer hat das Recht, das alles zu entscheiden, was Gewalt ist und was (noch) nicht?
Ich meine, es ist nicht unsere Aufgabe, die wir sozusagen „auf dem Trockenen“ sitzen, den Betroffenen vorzuschreiben wie sie ihren Widerstand ausdrücken und organisieren sollen.


Lieber Saint-Just,
es ist ein Universalrezept, wenn sich die negativ davon Betroffenen auch daran halten. Siehe die ersten Christen, die sich im Forum Romanum zerfleischen ließen.
Gewalt erzeugt immer dann Gegengewalt, wenn der Betreffende sich noch wehren kann. Wenn er keine Möglichkeit zur verteidigung hat, dann nicht.
Bei der anwendung von Gewalt kann man scheitern, weil Gegengewalt kommen kann.
Wenn man auf Gewalt mit Gewaltlosigkeit antwortet, so kann das zu erst zum Mißerfolg führen, die Gewaltlosigkeit wird sich aber zuletzt durchsetzen, siehe Christentum im Römischen Reich.
Die Position, wer das Schwert wegreift, wird durch das Schwert umkommen, ist die Aussage von Jesus.
Gewalt beginnt mit einer Attacke auf den Körper des anderen.
Im Sinne einer funktionierenden Weltherrschaft ist es Aufgabe eines Jeden, dafür zu dorgen, dass Widerstand mit humanen Mitteln erfolgt. :rolleyes:
 
Hallo Heinz,

heinz schrieb:
Gewalt beginnt mit einer Attacke auf den Körper des anderen.
Da haben wir eine unterschiedliche Definition (z.B. strukturelle Gewalt)

heinz schrieb:
Die Position, wer das Schwert wegreift, wird durch das Schwert umkommen, ist die Aussage von Jesus.
Was hältst Du davon: Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert!

Weltherrschaft? Wer über wen?

Viele Wege führen nach Rom ...

Gruß,
Saint-Just
 
Hallo Udaipur!

udaipur99 schrieb:
:motz: Den Erfolg Ghandis mit gewaltlosen Mitteln ein Volk zu befreien zu relativieren, ihm genauso viel Respekt zu goennen wie Fuehrern von kriegerischen Aufstaenden und zu bemaengeln was er alles NICHT geleistet hat empfinde ich als eine extreme Beleidigung.
Ist aber gar nicht beleidigend gemeint. Dass er gelebt hat, was er sagte, hat sicher einen großen Teil seines Charismas ausgemacht.
Zur Würdigung einer Person gehörtn aber auch die Würdigung ihrer Widersprüche.
Seine hinduistisch inspirierten Ideen waren sehr gut geeignet, die Kolonialisten aus dem Land zu treiben- aber nicht, die gewaltigen sozialen Gegnsätze im Land zu vermindern.
Seine Stärke war sozusagen gleichzeitig seine Schwäche.

udaipur99 schrieb:
Da koennte man schon fast sagen "Jesus war ja ganz ok, aber den Weltfrieden hat er nicht herbeifuehren koennen".
Weltfrieden ... ach nöö. Aber eine Landreform wär schon nicht übel gewesen. Die Shudra sind schließlich nicht zuletzt deshalb in ihrer schlechten Lage, weil sie selbst kaum etwas besitzen. Und wenn ich danach genauso lebe wie vorher, wär mir die Unabhängigkeit ziemlich egal. Und die Frage ist heute so aktuell wie damals.

Alles andere steht schon bei Butterkeks

Gruß, Saint-Just
 
Saint-Just schrieb:
Hallo Heinz,
Was hältst Du davon: Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert!
Weltherrschaft? Wer über wen?
Viele Wege führen nach Rom ...
Gruß,
Saint-Just

Lieber Saint-Just,
ich weiß das mit dem Schwert hat er auch so gesagt. Ich halte mich lieber an die Bergpredigt. Bei Jesus ist immer das problem, man weiß nicht, was hat er tatsächlich gesagt und was wurde von den vier Evangelisten dazu gedichtet. Wobei das Johannisevangelium erst 100 n.Chr. geschrieben wurde.
Weltherrschaft für keinen und über keinen, sondern alle miteinander nach demokratischen Prinzipien.
Hoffentlich führen viele Wege in eine friedliche Zukunft. :rolleyes:

Gruß
Heinz
 
Cassandra schrieb:
Hi butterkeks,
Hamburg, für mich eine der schönsten Städte der Welt, ist im 2. Weltkrieg vollkommen ausgebommt worden.

.... Man könnte aber auch sagen, aus etwas Schlechtem kann man durchaus etwas Gutes machen. Wenigstens ein Neubeginn.
Doch muss ich die Instrumente deswegen gutheissen oder legetimieren?

Erstens: Macht dich sehr sympathisch, daß dir HAmburg so gut gefällt. Geht mir nämlich sehr ähnlich. Leider lebe ich in Berlin.

Zu dem Anderen: Wie immer muß man alles im historischen Kontext sehen. Ich kann an den Folgen des Bombenkrieges nichts Schönes entdecken. (Zumal : Hildesheim z.B. war vor dem Krieg eine wunderschöne Stadt - jetzt schüttelt's einen beim Anblick des Stadtbildes).

Gewalt ist meiner Meinung nach immer möglichst zu vermeiden und es gibt ja nun hunderte von Beispielen wo Gewalt nur Gegengewalt erzeugt, häufig genug eine nicht enden wollende Spirale von Auseinandersetzungen. Der Kampf um Palästina ist das beste Bsp. dafür.
Aber ich sehe auch Situationen, in denen es unvermeidlich ist Gewalt anzuwenden, um einen fortwährenden Zustand von Entrechtung zu beenden. Eben o.g. Bsp. in Lateinamerika.
Die meisten Menschen empfinden die Freiheit großes Gut und einige sind bereit nötigenfalls mit der Waffe in der HAnd dafür zu kämpfen unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Für mich läßt sich dabei nicht immer genau erkennen ob ihre Methoden und Ziele gerechtfertigt sind.
Aber Verständnis kann ich häufig genug dafür aufbringen - und häufig auch Sympathie.
 
udaipur99 schrieb:
Ghandi hat es geschafft die Massen zu mobilisieren und einen gewaltlosen Wiederstand zu leiten. Wer ihn aus welchem Grund unterstuetzt hat spielt keine Rolle !

Das verstehe ich nicht ganz? Warum spielt DAS keine Rolle? Warum spielt es keine Rolle, wer die Menschen hinter Gandhi waren? Und warum soll nicht hinterfragt werden, ob Gandhi für diese Leute nur ein nützliches Werkzeug war, weil es ihnen nicht um Gewaltlosigkeit ging oder um Gandhis Lehren? Dies würde nämlich auch erklären, warum Gandhi erfolgreich in der Vertreibung der Briten war, aber nicht in der Überwindung des Kastensystems und damit auch in der Überwindung der Ungleichheit der indischen Bevölkerung.
Gandhi hat es geschafft, die Massen zu mobilisieren und gewaltlos die Briten zu vertreiben. Aber letztlich konnte dem einzelnen Inder komplett wurscht sein, ob er von Briten oder von Indern rumkommandiert wurde. Für die Masse änderte sich durch die Vertreibung der Briten nichts, außer der Fahne, unter der sie litten. Sehr wohl aber änderte sich alles für eine kleine elitäre Gruppe, nämlich diejenigen, die das "alte Brauchtum" zur Elite machte. Von Menschen zweiter Klasse (die 1. waren die Briten) wurden sie zu Herren im eigenen Haus.

Damit rede ich weder verächtlich über Gandhi, noch bestreite ich seine Verdienste und seine Erfolge. Aber das Funktionieren des "gewaltlosen Widerstands" anhand dieses Beispiels beweisen zu wollen, greift viel viel zu kurz. Viel zu leicht macht man sich so zum Handlanger gänzlich anderer Interessen, die einen hinter den Kulissen lenken. Das muß einem bewußt sein.

Deine Position über moralische Zukunft usw. übergehe ich, da eine Diskussion darüber zu den sogenannten "Vorbildern" führt, was bedeutet "Verklärung der Wirklichkeit", "Stilisierung von Menschen zu (Halb-)Göttern". Und das ist ein anderes Thema.
 
Fischhof schrieb:
Das verstehe ich nicht ganz? Warum spielt DAS keine Rolle? Warum spielt es keine Rolle, wer die Menschen hinter Gandhi waren? Und warum soll nicht hinterfragt werden, ob Gandhi für diese Leute nur ein nützliches Werkzeug war, weil es ihnen nicht um Gewaltlosigkeit ging oder um Gandhis Lehren? Dies würde nämlich auch erklären, warum Gandhi erfolgreich in der Vertreibung der Briten war, aber nicht in der Überwindung des Kastensystems und damit auch in der Überwindung der Ungleichheit der indischen Bevölkerung.
Gandhi hat es geschafft, die Massen zu mobilisieren und gewaltlos die Briten zu vertreiben. Aber letztlich konnte dem einzelnen Inder komplett wurscht sein, ob er von Briten oder von Indern rumkommandiert wurde. Für die Masse änderte sich durch die Vertreibung der Briten nichts, außer der Fahne, unter der sie litten. Sehr wohl aber änderte sich alles für eine kleine elitäre Gruppe, nämlich diejenigen, die das "alte Brauchtum" zur Elite machte. Von Menschen zweiter Klasse (die 1. waren die Briten) wurden sie zu Herren im eigenen Haus.

Damit rede ich weder verächtlich über Gandhi, noch bestreite ich seine Verdienste und seine Erfolge. Aber das Funktionieren des "gewaltlosen Widerstands" anhand dieses Beispiels beweisen zu wollen, greift viel viel zu kurz. Viel zu leicht macht man sich so zum Handlanger gänzlich anderer Interessen, die einen hinter den Kulissen lenken. Das muß einem bewußt sein.
Es spielt keine Rolle, da sie keinen grossen Einfluss auf die Geschehnisse hatten. Ghandi hatte sich bereits in Suedafrika einen Namen gemacht und war auch nicht mittellos. Er hat dort auch eine Zeitung herausgebracht, welche auch zu seinem Bekanntheitsgrad steuerte. D.h. also, das sein Erfolg ihm nach Indien vorauseilte.

Am Anfang kaempfte Ghandi nur gegen soziale Ungerechtigkeiten. Der Kampf fuer einen Abzug der Briten entwickelte daraus.

Seine Aktionen in Indien waren auch nicht gerade teuer. Und ein Generalstreik trifft die Briten auch eher wenn er von einfachen Arbeitern durchgefuehrt wird, als von wohlhabenden Indern.

D.h. also, dass er meiner Meinung nach auf nicht viel finanzielle Unterstuetzung angewiesen war. Desweiteren denke ich auch, dass er einen groesseren Einfluss auf die Menschen hatte als die reicheren Inder. Haetten diese versucht einen gewaltsamen Sturz der britischen Regierung in Indien zu bewirken, so haetten Ghandi’s Aufrufe fuer einen friedlicheren Versuch wohl dank seinem Ruf eher Anhaenger gefunden. Insofern haetten sich die Massen geteilt, und ein gewaltsamer Putschversuch haette nur halbherzig (also erfolglos) geschehen koennen.

Klar kann man hinterfragen aus welchen Motiven verschiedene Leute Ghandi unterstuetzt haben, jedoch sehe ich darin keine Verbindung zum Erfolg des gewaltlosen Widerstandes.

Du hast Recht wenn du sagst, dass die vermoegenden Inder durch den Abzug der Briten gesellschaftlich eine Stufe hochgerueckt wurden und somit nun an der Spitze standen. Doch genauso sind auch die restlichen Inder eine Stufe hochgerueckt. Wenn sie vorher von Briten und reichen Indern schlecht behandelt wurden, so war zumindest anschliessend eines der beiden Uebel weg.

Ebenso verschwunden waren Ungerechtigkeiten wie z.B. die Salzsteuer. Westliche christliche Missionare verloren ihre Unterstuetzung und konnten keinen mehr belaestigen. Inder wurden nicht mehr zur Arbeit gezwungen. Inder mussten keine erniedrigenden Koerperkontrollen mehr ueber sich ergehen lassen, wenn sie zu den hill stations wollten, und, und und .......!

Auch wenn sie daran noch immer arbeiten, der Weg fuer eine gerechtere Zukunft wurde geebnet. Als die Briten zu Ghandi sagten, dass es grosse Probleme geben wuerde wenn sie abziehen wuerde erwiderte er „But at least, they are our own problems“.

Die Briten loszuwerden war wohl der Wunsch fast aller Inder (wenn auch nicht aller moslemischen Inder). Doch das Kastensystem loszuwerden ist nur das Ziel derer, welche einer niedrigeren Kaste angehoeren. Es ist in der Kultur fest verankert und widerspricht nicht deren Moralvorstellungen.

Ghandi war kein Heiliger und kein Brahmane, also niemand welcher religioese Autoritaet hat. Er hat nicht aus den Veden zitiert und seine Lehren sind lediglich Anleitungen nach seinen Moralvorstellungen. Man versucht sich vieles was er sagt zu Herzen zu nehmen, doch strikt nach seinen Wuenschen zu leben ist wohl den meisten nicht moeglich. Vieleicht haetten mehr Menschen die Abschaffung des Kastensystems unterstuetzt, wenn Ghandi nicht aus seiner Kaste ausgestossen worden waere ? Wenn man als Kastenloser die Abschaffung des Systems fordert werden einem wohl leichter unlautere Gruende unterstellt.

Fischhof schrieb:
Deine Position über moralische Zukunft usw. übergehe ich, da eine Diskussion darüber zu den sogenannten "Vorbildern" führt, was bedeutet "Verklärung der Wirklichkeit", "Stilisierung von Menschen zu (Halb-)Göttern". Und das ist ein anderes Thema.
Falls es das Thema in einem anderen thread gibt, dann wuerde ich dir liebend gerne dort zu dieser Aussage widersprechen. Falls nicht, dann koennen wir's ja irgendwann mal nachholen :fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
udaipur99 schrieb:
Es spielt keine Rolle, da sie keinen grossen Einfluss auf die Geschehnisse hatten. Ghandi hatte sich bereits in Suedafrika einen Namen gemacht und war auch nicht mittellos. Er hat dort auch eine Zeitung herausgebracht, welche auch zu seinem Bekanntheitsgrad steuerte. D.h. also, das sein Erfolg ihm nach Indien vorauseilte.

Ja, er war bekannt und war bereit, sein Geld für seine Sache einzusetzen, und dennoch hatte er erst dann durchlagenden Erfolg, als sich das "Kapital der Inder" auf seine Seite stellte (zumindest sich nicht mehr gegen ihn wandte). Damit stellte sich dann aber auch die "Nationale Freiheit" Idiens weit vor die "soziale Ungerechtigkeit" die seitdem weit in den Hintergrund trat. Nicht in Gandhis Ideen, aber in der Praxis.

udaipur99 schrieb:
Am Anfang kaempfte Ghandi nur gegen soziale Ungerechtigkeiten. Der Kampf fuer einen Abzug der Briten entwickelte daraus.

Und beschränkte sich schließlich nur mehr darauf.

udaipur99 schrieb:
Seine Aktionen in Indien waren auch nicht gerade teuer. Und ein Generalstreik trifft die Briten auch eher wenn er von einfachen Arbeitern durchgefuehrt wird, als von wohlhabenden Indern.

Ich denke, Du hast mich wohl mißverstanden. Nie sagte ich, daß die oberen Kasten Indiens vorhatten, ihren Kopf für die Freiheit hinzuhalten. Bluten, das sollten schon das "Fußvolk". Aber Geld waren sie bereit zu geben. Und was die Kosten des gewaltlosen Widerstandes betrifft, da mag Gandhi bereit gewesen sein noch so arm zu leben und andere Idealisten mit ihm auch. Die Kosten des Widerstandes hätten sie niemals annähernd zahlen können. Dazu brauchten sie dann doch Sponsoren.

udaipur99 schrieb:
Desweiteren denke ich auch, dass er einen groesseren Einfluss auf die Menschen hatte als die reicheren Inder. Haetten diese versucht einen gewaltsamen Sturz der britischen Regierung in Indien zu bewirken, so haetten Ghandi’s Aufrufe fuer einen friedlicheren Versuch wohl dank seinem Ruf eher Anhaenger gefunden. Insofern haetten sich die Massen geteilt, und ein gewaltsamer Putschversuch haette nur halbherzig (also erfolglos) geschehen koennen.

Das ist eine "was wäre wenn-Debatte". Die reichen Inder hatten ja gar nichts gegen gewaltlosen Widerstand, besonders wenn er auf "nationale" Ziele beschränkt blieb und keine "soziale" Komponente mehr hatte.

udaipur99 schrieb:
Klar kann man hinterfragen aus welchen Motiven verschiedene Leute Ghandi unterstuetzt haben, jedoch sehe ich darin keine Verbindung zum Erfolg des gewaltlosen Widerstandes.

Wenn man davon ausgeht, daß der gewaltlose Widerstand kein Geld benötigt hat und sich aus Luft und Liebe getragen hat, so kann man eine Verbindung zwischen Geld und Erfolg auch negieren. Wo man aber davon ausgeht, daß das Geld hinter Gandhi ein Teil des Erfolges war, so sieht das ganz anders aus.

udaipur99 schrieb:
Du hast Recht wenn du sagst, dass die vermoegenden Inder durch den Abzug der Briten gesellschaftlich eine Stufe hochgerueckt wurden und somit nun an der Spitze standen. Doch genauso sind auch die restlichen Inder eine Stufe hochgerueckt. Wenn sie vorher von Briten und reichen Indern schlecht behandelt wurden, so war zumindest anschliessend eines der beiden Uebel weg.

Diese mathematische Erklärung geht an der aber ziemlich Realität vorbei. Denn für die Unterschichten änderte sich nichts. Nur die Oberschicht der Inder erfuhr praktisch eine Aufwertung, denn sie bestimmten nun (unter vielem anderen) die Wirtschafts- und Handelspolitik und konnten sich von höchsten Staatsämtern selbst fördern, Staatsgeld, das bisher zu Briten oder nach Britannien floß. Daß dadurch die Löhne der Land- und anderer Arbeiter stiegen, das ist dadurch nicht gesagt.

udaipur99 schrieb:
Auch wenn sie daran noch immer arbeiten, der Weg fuer eine gerechtere Zukunft wurde geebnet. Als die Briten zu Ghandi sagten, dass es grosse Probleme geben wuerde wenn sie abziehen wuerde erwiderte er „But at least, they are our own problems“.

Leider war der eizige Vorteil der Unterschichten das "at least".

udaipur99 schrieb:
Die Briten loszuwerden war wohl der Wunsch fast aller Inder (wenn auch nicht aller moslemischen Inder). Doch das Kastensystem loszuwerden ist nur das Ziel derer, welche einer niedrigeren Kaste angehoeren. Es ist in der Kultur fest verankert und widerspricht nicht deren Moralvorstellungen.

Die Briten loszuwerden war natürlich der Wunsch aller Inder, denn sie standen für Ungerechtigkeit. Aber ob es letztlich der Wunsch eines Großteils der Inder war, der Ungerechtigkeit nur ein neues Kleid zu geben, das bleibt die noch offene Frage. Wenn Du so abwertend über die unterste Kaste sprichst (das NUR ist abwertend) so habe ich zwei Fragen an Dich: 1. war es tatächlich nur die Unberührbaren-Kaste oder doch mehrere untere Kasten und 2. wieviel Prozent der Bevölkerung repräsentierten sie.
Beispiel: gemeinhin lernen wir bezüglich der Französischen Revolution, daß es 3 Stände gab: Geistlichkeit, Adel, Bürger. Dabei repräsentieren 2 Stände ca. 5% der Bevölkerung, einer 95%. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn schaut man, welche Gruppen den 3. Stand durch Wahl und Vertretung repräsentierten, so sind auch dies nur 15%. Letztlich repräsentierten somit die 3 Stände 20% der Bevölkerung, 80% waren gar nicht vertreten. Wenn somit die unterste Kaste 70-90% der Bevölkerung Indiens darstellten und alle anderen 30-10%, so müßte ich Dein "NUR" als Zynismus werten.
Und was Kultur und Moral angeht, da fällt mir nur ein: erst kommt das Fressen, dann die Moral. Kultur ist gut, besonders wenn sie meinen Wohlstand begründet.

udaipur99 schrieb:
Ghandi war kein Heiliger und kein Brahmane, also niemand welcher religioese Autoritaet hat. Er hat nicht aus den Veden zitiert und seine Lehren sind lediglich Anleitungen nach seinen Moralvorstellungen. Man versucht sich vieles was er sagt zu Herzen zu nehmen, doch strikt nach seinen Wuenschen zu leben ist wohl den meisten nicht moeglich. Vieleicht haetten mehr Menschen die Abschaffung des Kastensystems unterstuetzt, wenn Ghandi nicht aus seiner Kaste ausgestossen worden waere ? Wenn man als Kastenloser die Abschaffung des Systems fordert werden einem wohl leichter unlautere Gruende unterstellt.

Es ist seltsam: Engels wird vorgeworfen, daß er erfolgreicher Kapitalist war und den Kapitalismus kritisierte, er also zu denen gehörte, die er kritisierte; und Gandhi darf man nicht in einer Kastenkritik trauen, weil er aus seiner Kaste ausgestoßen worden ist, also eben nicht dazu gehörte? Seis drum. Fakt ist, der gewaltlose Widerstand erreichte so viel, wie es das Geld hinter Gandhi wollte und nich so viel, wie Gandhi wollte.

Deine Erklärungen dieses Phänomens scheinen mir dann doch zu idealistisch, um mich von meinem Irrtums zu überzeugen.
 
Fischhof schrieb:
Wenn man davon ausgeht, daß der gewaltlose Widerstand kein Geld benötigt hat und sich aus Luft und Liebe getragen hat, so kann man eine Verbindung zwischen Geld und Erfolg auch negieren. Wo man aber davon ausgeht, daß das Geld hinter Gandhi ein Teil des Erfolges war, so sieht das ganz anders aus.
Ich habe versucht Quellen darueber zu finden, wie was finanziert wurde (wenn ueberhaupt), doch bin leider nicht fuendig geworden.
Wenn ich mir die Aufzeichnungen ueber den Widerstand anschaue kann ich keine grosse Kosten erkennen.
Irgendwelche Beispiele, Quellen oder sonstiges ? Ansonsten werden wir nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Fischhof schrieb:
Diese mathematische Erklärung geht an der aber ziemlich Realität vorbei. Denn für die Unterschichten änderte sich nichts. Nur die Oberschicht der Inder erfuhr praktisch eine Aufwertung, denn sie bestimmten nun (unter vielem anderen) die Wirtschafts- und Handelspolitik und konnten sich von höchsten Staatsämtern selbst fördern, Staatsgeld, das bisher zu Briten oder nach Britannien floß. Daß dadurch die Löhne der Land- und anderer Arbeiter stiegen, das ist dadurch nicht gesagt.
Vieleicht ist die Bezeichung "eine Stufe hochgerueckt" nicht recht passend, aber man kann nicht verleugnen, dass von 2 Uebeln 1 weggefallen ist. Und dies ist eine Verbesserung !
Und bei Wirtschaftswachstum (wie es Indien unter Nehru erfahren hat) faellt zumindest ein Kruemel fuer die Unterschicht ab. Angeblich ist das landesweite Einkommen zwischen '51 und '61 um 42 % gestiegen. Aber es ist auch klar, dass die Reichen davon das meiste abbekommen haben.

Fischhof schrieb:
Wenn Du so abwertend über die unterste Kaste sprichst (das NUR ist abwertend) so habe ich zwei Fragen an Dich: 1. war es tatächlich nur die Unberührbaren-Kaste oder doch mehrere untere Kasten und 2. wieviel Prozent der Bevölkerung repräsentierten sie.
Wenn somit die unterste Kaste 70-90% der Bevölkerung Indiens darstellten und alle anderen 30-10%, so müßte ich Dein "NUR" als Zynismus werten.
Das "nur" war in keinster Weise abwertend gemeint. Es waren nicht hohe Kasten + niedrigere Kasten gemeint, sondern "nur" eine der beiden.
Ab welcher Kaste man wie extrem unter dem Stand leidet kann ich nicht einschaetzen. Das die niederen Kaste den Grossteil der Bevoelkerung ausmachen ist auch klar.
Wie schwer es ist das Kastensystem abzuschaffen ist, bzw. welche Komplexitaet es aufweist kann man sehr gut hier nachlesen (echt faszinierend) :
http://lcweb2.loc.gov/frd/cs/intoc.html ( auf der Webseite weiter unten auf "Hierarchy" klicken und auch "Purity and Pollution" lesen)

Fischhof schrieb:
Es ist seltsam: Engels wird vorgeworfen, daß er erfolgreicher Kapitalist war und den Kapitalismus kritisierte, er also zu denen gehörte, die er kritisierte; und Gandhi darf man nicht in einer Kastenkritik trauen, weil er aus seiner Kaste ausgestoßen worden ist, also eben nicht dazu gehörte?
Ich denke du hast mein "vieleicht" ueberlesen !

Fischhof schrieb:
Seis drum. Fakt ist, der gewaltlose Widerstand erreichte so viel, wie es das Geld hinter Gandhi wollte und nich so viel, wie Gandhi wollte.

Um es als Fakt hinzustellen muss man es erstmal beweisen !



 
ich bräuchte mal eure HILFE!!!!
Undzwar muss ich einen Vortrag machen und ein Unterpunkt lautet:

Stellen Sie die POsition Ghandis zu den "Unberührbaren" dar.

Könnt ihr mir da vielleicht weiterhelfen???
 
Also Wiki erwähnt sein Verhältnis zu Unberührbaren nur in einem Satz: dass er aus Achtung und Rücksicht auf die Unberührbaren diese nicht die Nachttöpfe seiner Familie leeren ließ, sondern es selbst machte.

Was allerdings auch eine ziemlich klare Aussage ist, wenn man bedenkt, dass Unberührbare auf der alleruntersten Stufe des Kastensystems rangierten und von den meisten anderen Indern, die wiederum in einer Kaste waren, mehr oder weniger wie Vieh betrachtet wurden. Daher durften sie nur Berufe ausüben, für die sich Kastenmitglieder "zu fein" waren, sozusagen - wozu dann offensichtlich auch das Leeren von Nachttöpfen gehörte.

Für genauere Informationen empfehle ich die örtliche Bibliothek, in der sich mit Sicherheit mehr Informationen zu dem Thema finden werden.
 
Gandhi trat ziemlich vehement für die Abschaffung der Kastenschranken und damit für die Emanzipation bzw Gleichstellung der "Unberührbaren" ein. Von ihm stammt der Name Harijan (etwa "´Kinder Gottes") für die untersten Kasten.

Kaste ? Wikipedia
 
Gandhi war nicht für eine Abschaffung des Kastensystems, sondern
dafür dass die Dalits nicht mehr wie Dreck behandelt werden, dass ist
ein großer Unterschied. Er kämpfte also nicht gegen die Abschaffung
des Kastenwesens

Gandhi betrieb auch keinen "passiven Widerstand " - er selbst sagte
ausdrücklich, dass die Satyagraha kein passiver Widerstand sei und
auch keinen beinhalte.


wenn jemand von den Gandhi-Idealisten die Diskussion wieder aufnehmen
möchte ich bin gerne bereit :)
 
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