Geldwert um 1935

Eumolp

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Nach langer Zeit melde mich mich wieder einmal – mit einer Frage.

Im Rahmen einer Arbeit über einen österreichischen Schriftsteller stieß ich auf die Information, dass ein Prosatext in einer Wiener Tageszeitung (etwa: Neue Freie Presse, Neues Wiener Tagblatt) um 1935 etwa 100 Schilling erbrachte. Ein „Angehöriger der oberen Mittelschicht“, so lese ich in einer anderen Quelle, die mir nicht sagt, was die „obere Mittelschicht“ genau ist, hätte zu dieser Zeit monatlich etwa 500 Schilling verdient.

Das hieße also, ein Zeitungsartikel (etwa 1/2 – 1 Seite) hätte 1/5 eines Gehaltes von, sagen wir mal nach heutigen Verhältnissen, ca. 10000 Euro = 2000 Euro gebracht!

Ist das realistisch? Was waren 100 Schilling zu dieser Zeit wirklich wert? Weiß jemand weiter?
 
Die 100 Schilling p.M. kann man ins Verhältnis zu Wochenarbeitslöhnen setzen, also rund 25 Schilling pro Woche. Diese reichten bei 48-Stunden Wochenarbeitszeit von 34 Schilling (Textilindustrie) bis 66 Schilling (Maschinenbau, Baugewerbe).

Durchschnittliche Jahreseinkommen lagen bei etwa 3500 bis 4000 Schilling, Monatseinkommen von 500 Schilling waren also durch Arbeiter nicht errreichbar. Daher stammt vermutlich die Angabe "obere Mittelschicht". [Soweit die Einkommensvergleiche]

Zur Kaufkraft (die Zahl der Haushaltsmitglieder ist mir nicht bekannt), Ausgaben pro Monat und Haushalt, gerundet 1933:
190-200 Schilling für Nahrungsmittel
35-40 Schilling für Bekleidung
15-20 Schilling für Beheizung, Beleuchtung
15-20 Schilling für Unterhaltung, Sport etc.
10-15 Schilling für Gesundheit

-> Haushaltsstatistik der Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien.
IfK, Beilage 4, 1935.

Daraus kann man Einschätzungen der Kaufkraft ableiten, 3 Publikationen pro Monat würden den durchschnittlichen Haushaltsausgaben entsprechen.
 
Seid bedankt! 265-300 Schilling wären also die durchschn. Ausgaben eines durchschn. HHs, und ein solcher HH war damals größer als heute.

Das hilft mir weiter: 100 S waren also ein durchaus stattlicher Betrag. Das erklärt, warum jener Dichter so viele (und oft schlechte) Prosa-Artikel publiziert hat.
 
Ich hab das gerade mit großem Interesse gelesen...woher bekommt man die Statistik der AK??? Muss nämlich eine Arbeit über den Schilling in der ersten Republik schreiben und ich finde so gut wie nichts...
 
Das Institut für Konjunkturforschung Wien hat in den 1920ern und 1930ern eine Schriftenreihe herausgegeben.

Die ist digitalisiert und online verfügbar. Einfach diese Stichworte in die Suchmaschine Deiner Wahl eingeben...:winke:
 
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