Genozid an den Armeniern 1915 - Kaukasische Front 1914/16

silesia

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Eine Inventur offener Fragen:...
4. Zusammenhang zwischen Kriegslage Kaukasus und Deportationen der Armenier?

Die russisch-osmanische Front im ersten Weltkrieg ist ein wenig beachtetes Thema. So wird bei Oguz in Enzyklopädie Erster Weltkrieg beispielsweise das Jahr 1915 für die Kaukasische Front überhaupt nicht behandelt.

Bzgl. der Opferzahlen des Osmanischen Reiches (>326.000 Tote Soldaten, ca. 2.000.000 Tote der Zivilbevölkerung[*] bei einer Ausgangsbevölkerung von 17 Mio. im Bereich etwa der heutigen Türkei) stehen die Hungerkatastrophen durch Ernteausfälle, oder die Landungsoperation der Westalliierten bei den Dardanellen im Vordergrund.

Die Vorgänge an dieser Front haben jedoch wegen der großen Tragweite ebenso wie die Invasion im Westen (Dardanellen) das Handeln des Triumvirats entscheidend beeinflusst. Gust stellt in seinem Aufsatz (-> Enzyklopädie, siehe oben, S. 342) heraus, dass ursprüngliche jungtürkische Absichten zur "Eliminierung antitürkischer Elemente" sich nur auf den Westen (Griechen) und den äußersten Osten (Armenier) bezogen. In diesem Kontext sind einerseits die Auswirkungen der osmanischen Niederlage um die Jahreswende 1914/15 wie auch die späteren tiefen Vorstöße 1917/18 in das russische Kaukasusgebiet zu beachten, die jeweils mit dem Genozid an der armenischen Bevölkerung in Verbindung stehen.

Die wesentlichen Vorgänge an der osmanisch-russischen Front können hier kommentiert werden. Zur Einführung:
Kaukasusfront (Erster Weltkrieg) ? Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Sarıkamış

[*] davon die Masse Armenier, weiterhin Griechen und türkische Bevölkerung

Vorbereitungen beider Seiten:

Im Verlauf des September 1914 hatten wesentliche Ereignisse die Lage der Mittelmächte verschärft: Der Vormarsch Ö-U wurde durch Serbien aufgehalten, die russische Armee errang in Galizien einen Sieg, und der deutsche Vormarsch wurde an der Marne gestoppt. Mehrere Depeschen der Mittelmächte meldeten dem Triumvirat den laufenden Abzug russischer Truppen aus dem Kaukasus, die an die Ostfront verlegt wurden. Damit erledigten sich auch anfängliche Überlegungen, osmanische Truppen in Bessarabien zu landen.

Die Zielsetzung des Triumvirats war ohnehin auf die osmanisch-russisch-persische Grenze gerichtet, während die Mobilisierung der Armee im September vorangetrieben wurde. Der angestrebte Vormarsch in den Kaukasus sollte dabei mit einer Erhebung islamischer Kräfte in der Region zusammenfallen. Das gleiche Vorgehen war für Nordpersien geplant. Mitte September waren 36 osmanische Divisionen verfügbar, mit 350.000 Mann und 1000 Geschützen. Enver Pascha verteilte diese wie folgt:

I./II./III. und VI. Armeekorps zur Verteidigung der Dardanellen und Istanbul
IV./V. AK auf dem asiatischen Teil der Marmara-Küste
IX./X./XI. AK an der russischen Grenze (rd. 125.000 Mann)
VIII. AK Damaskus
XII. AK Mosul
XIII. AK Bagdad
VII. AK im Jemen.

Anfang Oktober war diese Mobilisierung abgeschlossen, dennoch gab man dem Drängen aus Berlin und Wien zum Losschlagen nicht nach: die pan-islamischen und pan-turanischen Vorbereitungen seien nicht abgeschlossen. In der Nacht vom 29./30.10.1914 wurden dann russische Häfen von der osmanischen Marine beschossen. Von der Kaukasusfront wurde angenommen, dass die russische Armee zu keinen größeren Operationen 1914 in der Lage sein würde.

Die russischen Vorbereitungen an der armenisch-kaukasischen Front waren tatsächlich durch Abzüge zur Westfront mit den Mittelmächten beeinträchtigt. Es verblieben rund 100.000 Mann, die 1914/15 durch weitere Einziehungen von 150.000 im rückwärtigen Kaukasus verstärkt (Konzentration der Einziehungen um Tiflis) werden sollten. Anfang November 1914 waren nur das I. Kaukasische und II. Turkestan AK vorhanden, dazu einige provisorische Landeseinheiten und 4 armenische Bataillone (mit rd. 4.000 Mann). Nach der Planung sollten einige strategisch wichtige Täler im Vorfeld der Grenze besetzt werden (insb. das Eleskirt-Tal, zur Absicherung der Aras-Flusslinie), da ab November 1914 ein Winterfeldzug größeren Umfanges im armenischen Hochland für unmöglich gehalten wurde. Diesen begrenzten Vormarsch weitete General Bergmann nun aber auf den nördlichen Bereich aus. Die osmanischen Verbände (IX./XI. Korps, rd. 75.000 Mann) waren seit Ende Oktober von Enver Pascha rückwärtig um Erzurum konzentriert, um in jede gewünschte Richtung vorrücken zu können. Das X. Korps lag an der Schwarzmeerküste um Samsun - sehr wahrscheinlich als Geste gegenüber den Mittelmächte, um Optionen Bessarabien/Krim aufrecht zu erhalten.

Am 2.11.1914 überschritten die russischen Truppen die Grenze in einigen Kolonnen entlang der Talverläufe und stießen bis zur Linie Ardos-Horsan vor, damit rd. 20-25 Kilometer in die Tiefe, ohne auf größeren Widerstand zu stoßen. Auch die osmanischen Verbände rückten vor. Bei Köprüköy stießen am 6.11. größere osmanische und russische Verbände aufeinander.
 
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Die Fortsetzung braucht etwas Zeit...

Vorab daher der Hinweis, dass in dieser Phase der Vorbereitung des Kriegseintritts und speziell im Oktober 1914, während die vermutet schwächeren osmanischen Truppen um um Erzurum konzentriert wurden, bzgl. der Bevölkerung im armenischen Hochland wenig bis nichts vom Triumvirat unternommen wurde.

Die Osmanische Seite nahm dabei durchaus wahr, dass es zu Tausenden Grenzüberschreitungen von armenischer Bevölkerung kam, und auf der russischen Seite (im armenischen Gebiet) rückwärtig Hilfstruppen aus Armeniern zusammengestellt wurden (etwa 4000 Mann, siehe oben; Gleiches plante das Osmanische Reich bzgl. moslemischer Truppen, in Bezug auf den möglichen Einfall in den Südkaukasus - wie 1918 tatsächlich geschehen - und bzgl. Operationen in Persien).
 
2. Einschub: Die Vorgeschichte

Lynxxx hatte im Ausgangsthema die These angesprochen, dass die ethnischen Säuberungen und Verschiebungen vor 1914 zum Verständnis des Armenier-Genozids gehören. Die These wird wesentlich auf die Arbeiten von McCarthy gestützt:
McCarthy, Justin : Death and Exile - The Ethnic Cleaning of Ottoman Muslims 1821-1921
derselbe : The Ottoman Peoples and the End of Empire

Als greifbare Zäsur für den Osten dient der russisch-türkische Krieg 1877/78 an der Ostgrenze des Osmanischen Reiches (Erzurum). Im zeitlichen Umfeld dieses Krieges starben rd. 400.000 Moslems, rd. 1.200.000 wurden aus den russisch besetzten Gebieten in das Osmanische Reich vertrieben (darunter ein Großteil kurdische Bevölkerung, vgl. Death and Exile, S. 339). Diese humanitäre Katastrophe steht außerdem neben den Ereignissen der Balkankriege (rd. 1.450.000 moslemische Opfer, etwa 410.000 in der Summe Vertriebene).

Der Krieg, bei dem es auch bereits zur armenischen Unterstützung der russischen Seite kam, fachte zusätzlich in mehreren Wellen armenische Aufstände im Osmanischen Reich seit 1879 an, darunter die Revolte von 1895, die wieder tausende Opfer unter der türkisch-kurdischen, ebenso unter der armenischen Bevölkerung forderte. Gesichert sind hier wenige Einzel-Zahlen, zB für die Stadt Van (400 Tote unter der moslemischen, 1700 unter der armenischen Bevölkerung). In der Folge gab es Auswanderungswellen, aber auch wie 1909 weitere armenische Aufstände, so dass 1914 etwa 15-40% der Bevölkerung ist Ostanatolien als Armenier zu zählen waren (in den Regionen Erzurum, Bitlis, Van). Diese Regionen wurde nun erneut zum Kriegsgebiet, und der weitere direkte Kriegsverlauf stellt den Kontext für die Ereignisse in Bezug auf die Zivilbevölkerung dar. Er sollte in den ostanatolischen Gebieten zu einer gewaltigen Mortalitätsrate von 30-45% der Gesamtbevölkerung führen (End of Empire, S. 194), mit einer Devastierung und Entvölkerung weiter Gebiete.

Vorläufer des Genozids 1915/16 sind also:
- Vertreibungen und sehr hohe Opferzahlen in ehemals osmanischen Kaukasusgebieten und aus den Balkankriegen; speziell aus den Kaukasusverteibungen ein hoher Bevölkerungsdruck und Zustrom in Ost-Anatolien
- armenische Aufstände als Gefährdung der Osmanischen Macht im Krieg bei einem hohen Bevölkerungsanteil in den potenziellen Kriegsgebieten 1914.
 
2. Einschub: Die Vorgeschichte

Lynxxx hatte im Ausgangsthema die These angesprochen, dass die ethnischen Säuberungen und Verschiebungen vor 1914 zum Verständnis des Armenier-Genozids gehören. Die These wird wesentlich auf die Arbeiten von McCarthy gestützt:
McCarthy, Justin : Death and Exile - The Ethnic Cleaning of Ottoman Muslims 1821-1921
derselbe : The Ottoman Peoples and the End of Empire

Als greifbare Zäsur für den Osten dient der russisch-türkische Krieg 1877/78 an der Ostgrenze des Osmanischen Reiches (Erzurum). Im zeitlichen Umfeld dieses Krieges starben rd. 400.000 Moslems, rd. 1.200.000 wurden aus den russisch besetzten Gebieten in das Osmanische Reich vertrieben (darunter ein Großteil kurdische Bevölkerung, vgl. Death and Exile, S. 339). Diese humanitäre Katastrophe steht außerdem neben den Ereignissen der Balkankriege (rd. 1.450.000 moslemische Opfer, etwa 410.000 in der Summe Vertriebene).

Der Krieg, bei dem es auch bereits zur armenischen Unterstützung der russischen Seite kam, fachte zusätzlich in mehreren Wellen armenische Aufstände im Osmanischen Reich seit 1879 an, darunter die Revolte von 1895, die wieder tausende Opfer unter der türkisch-kurdischen, ebenso unter der armenischen Bevölkerung forderte. Gesichert sind hier wenige Einzel-Zahlen, zB für die Stadt Van (400 Tote unter der moslemischen, 1700 unter der armenischen Bevölkerung). In der Folge gab es Auswanderungswellen, aber auch wie 1909 weitere armenische Aufstände, so dass 1914 etwa 15-40% der Bevölkerung ist Ostanatolien als Armenier zu zählen waren (in den Regionen Erzurum, Bitlis, Van). Diese Regionen wurde nun erneut zum Kriegsgebiet, und der weitere direkte Kriegsverlauf stellt den Kontext für die Ereignisse in Bezug auf die Zivilbevölkerung dar. Er sollte in den ostanatolischen Gebieten zu einer gewaltigen Mortalitätsrate von 30-45% der Gesamtbevölkerung führen (End of Empire, S. 194), mit einer Devastierung und Entvölkerung weiter Gebiete.

Vorläufer des Genozids 1915/16 sind also:
- Vertreibungen und sehr hohe Opferzahlen in ehemals osmanischen Kaukasusgebieten und aus den Balkankriegen; speziell aus den Kaukasusverteibungen ein hoher Bevölkerungsdruck und Zustrom in Ost-Anatolien
- armenische Aufstände als Gefährdung der Osmanischen Macht im Krieg bei einem hohen Bevölkerungsanteil in den potenziellen Kriegsgebieten 1914.


Anzumerken ist hier, das die Bestimmungen des Berliner Kongresses von 1878 hinsichtlich der Armenier vom Osmanischen Reich auch nie umgesetzt worden sind. Lediglich Großbritannien unter Gladstone hat sich für die Armenier eingesetzt; der Rest der Großmächte hat sich nicht, vor allem nach der mühevollen Realisierung der montenegrinischen und griechischen Regelungen, weiter dafür interessiert. Jeder wird wohl seine Gründe gehabt haben.
 
#1 endete mit den ersten Kampfhandlungen an der Kaukasischen Front zwischen osmanischen und russischen Truppen. Der russische Vormarsch war gestoppt bzw. eingestellt, als Kriegsminister Enver Pascha den Oberbefehl über die in dieser Frontlinie befindlichen Truppen der 3. osmanischen Armee übernahm. Trotz deutscher Warnungen entschloss er sich zu einer Winteroffensive im armenischen Hochland mit rd. 90.000 Mann des IX, X und XI. Armeekorps (der Masse seiner im Osten verfügbaren Truppen, neben denjenigen, die einen Einmarsch nach Nordostpersien vornahmen). Die russische Armee hielt einen solchen Vorstoss im Winter des kaukasischen Hochlandes und der eingeschnittenen Täler für undurchführbar, und verschanzte sich auf dem Rückzug um Sarikamisch.

Enver Paschas Offensive scheiterte und endete in einer ersten Katastrophe für die Osmanische Armee. Näheres hier:
Battle of Sarikamish - Wikipedia, the free encyclopedia
Von den 90.000 Soldaten der Offensivtruppen überlebten nur 15.000, 12.000 gerieten in Gefangenschaft.

Leidtragende des Vorstosses war auch die Zivilbevölkerung, da bereits der osmanische Vormarsch von Massakern begleitet war. Im Gebiet von Olti, Artanusch, Artwin wurden rd. 8000 Armenier getötet (das Gebiet Alaschkertebene, in dem vor dem Krieg etwa 40.000 Armenier lebten, wurde bis zum Frühjahr 1915 bis Parjasat fast völlig verwüstet).

Ähnliche Greuel spielten sich beim Vormarsch von rd. 20.000 regulären Soldaten, unterstützt von rd. 10.000 kurdischen Freiwilligen nach Nordostpersien ab. Bis zur Gegenoffensive der Russischen Armee im April 1915 gab es auch hier einige Tausend Tote unter der armenischen Bevölkerung. Neben der Gegend um Baschkale wurden auch die syrischen Dörfer im Urmia-Gebiet völlig verwüstet.

Diese Ereignisse lösten ab Dezember 1914 noch während des strengen Winters eine armenische Massenflucht aus den beiden osmanischen Provinzen Erserum und Wan aus. Rd. 60.000 Armenier retteten sich in das Araxtal hinter die russischen Linien, etwa ein Viertel kehrte später mit der russischen Gegenoffensive im Frühjahr 1915 in ihre Dörfer zurück. Dieser russische Vormarsch löste seinerseits eine Massenflucht der islamischen Bevölkerung in die Alaschkert-Ebene aus, aus Furcht vor Vergeltung und vermutlich angesichts der Erfahrungen des Krieges 1877/78. In ganz Westarmenien requirirrten die beiden Armeen die greifbaren Nahrungsmittel aus den Dörfern der ohnehin kargen Gegend.



Aus diesen Ereignissen wurden für den folgenden Genozid (Anzeichen für systematische Vernichtungsabsichten der osmanischen Regierung vor Feb. 1915 sind nicht vorhanden) drei Thesen zu den Hintergründen vorgetragen:

- Auslöser der Vernichtungsaktionen war die türkische Niederlage bei Sarikamisch und die Sicherung der Ostgrenze bei einem drohenden russischen Einmarsch, indem mglw. kollaborierende Bevölkerungsteile eliminiert werden sollten

- Auslöser war eine nationalistische Woge nach der Dardanellenschlacht im März 1915.

- Auslöser war eine Kombination von beidem.

Bemerkenswert ist dabei, dass Kriegsminister Enver Pascha (siehe oben) auch nach der katastrophalen Niederlage bei Sarikamisch, bei der die 3. osmanische Armee weitgehend vernichtet wurde, noch am 26.2.1915 an den Erzbischof von Konya eine öffentliche Lobesbotschaft für die zahlreichen armenischen Soldaten in der osmanischen Armee sandte, die ua. auch an den Dardanellen und in Palästina kämpften.
 
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Enver Paschas Niederlage hatte verheerende Konsequenzen für die Sicherung der osmanischen Ostgrenze. Einem russischen Vormarsch nach Anatolien standen nun - auch aufgrund der Bedrohung der Dardanellen und den damit vorhandenen Truppenbindungen an der Mittelmeerküste - nun nur noch Reste der geschlagenen 3. osmanischen Armee gegenüber. Zusätzlich gab es armenische Aufstände im osmanischen Hinterland, die auf ca. 30.000 Mann geschätzt wurden; etwa zwischen der alten Grenze und der Linie Rize-Erzurum-Ahlat-Van. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich andererseits noch rd. 60.000 Armenier im Dienst der Osmanischen Armee.

Als ein Brennpunkt erwies sich die Stadt Van, die von ca. 4000 armenischen Kämpfern im März/April 1915 eingenommen wurde. Rasch zusammengezogene osmanische Truppen riegelten die Stadt ab, die jedoch von den vorrückenden russischen Truppen im Juli 1915 erreicht wurde. Hier fanden Massaker an der islamisch-türkischen Bevölkerung statt. Zahlreiche kleinere Städte im Umfeld wurden völlig zerstört, bis die osmanische Armee die Region einen Monat später zurückerobern konnte.

Bereits im Februar 1915 waren sämtliche armenischen Staatsbeamte suspendiert worden; man misstraute zunehmend dieser Minderheit. Offiziere wurden Standgerichte gestellt; es begannen die "Säuberungsaktionen" in der Osmanischen Armee. In den armenischen Gebieten wurden Abgabequoten für die Ablieferung von Waffen festgesetzt, die zT nicht erreicht werden konnten. Das führte zu Waffenaufkäufen der Armenier bei der islamischen Bevölkerung; Fotos der Waffenabgaben wurden nach Konstantinopel geschickt, um als Beleg für den drohenden landesweiten Verrat zu dienen. Gleichzeitig wurde die kurdische Bevölkerung dieser Gebiete mit Waffen ausgerüstet, und zT z irregulären Einheiten, den sog. "Tschetes" zusammengefasst. Diese Einheiten wurden für "Sonderaufträge" verwendet, zT später im Jahr bei den Deportationen.

Die Säuberungen in der osmanischen Armee wurden ab April 1915 von einer Verhaftungswelle armenischer Führungsschicht im Hinterland der Front begleitet. Die April-Säuberungen unter den Armeniern in Konstantinopel erreichten die Zahl von 600 Exekutionen und 5000 Verschleppte, die verschwunden blieben. Die Aktionen wurden von Telegrammen des jungtürkischen Innenministers Talaat Pascha an die lokalen und Provinzbehörden in anderen Gebieten begleitet.

Am 26.5.1915 wurden die ersten Befehle herausgegeben, die armenische Bevölkerung aus den Kriegsgebieten und dem Hinterland zu deportieren. Die Deportationen überlebten nur rd. 800.000 Armenier der Vorkriegsbevölkerung, von denen sich etwa die Hälfte im Kriegsverlauf auf russisches Gebiet retten konnte.


Die Deportationen liefen in 3 größeren Schüben ab:

- Deportation der armenischen Bevölkerung aus Kilikien und Nordsyrien Ende März bis Mai 1915
- Deportationen der westarmenischen Bevölkerung aus den Provinzen Erzerum, Trapesunt, Siwas, Cherberd, Diarbekir und Bitlis zwischen Mai und Juli 1915
- Deportation der armenischen Bevölkerung aus West-Anatolien im August und September 1915.

Eine Ausnahme von diesen Aktionen bildete lediglich die Provinz Van. Hier waren die Möglichkeiten der Osmanischen Armee durch die Aufstandsgebiete und die eigene Truppenschwäche zunächst (im Frühjahr 1915 bis zum Sommer) begrenzt; außerdem hatten sich über 200.000 armenische Flüchtlinge in dem Gebiet versammelt. Diese zogen mit den russischen Truppen, die Van im erst Juli 1915 erreicht hatten, ab August 1915 in Richtung auf die russische Grenze zurück. Teile dieser Flüchtlingsströme folgten danach sowohl dem erneuten russischen Einmarsch im Frühjahr 1916 nach Van, wie auch dem erneuten russischen Rückzug im Juli 1916.
 
Genozid an den Armeniern 1915

Ich bin Türke und stelle diese ernste Frage:
Warum mussten so viele 1915 und warum ausgerechnet Armenier sterben?
Oder was mich interessiert: Wer sind die Schuldigen?
Und: War Mehmet V. daran beteilligt?
Einen ernsten Gruss Osman61.
 
Stereo

Lieber @osman61, das Thema hatten wir schon längst. Schau einmal hier:
http://www.geschichtsforum.de/f319/t-rken-gegen-armenier-v-lkermord-im-20-jahrhundert-16174/
Ich rechne dir übrigens hoch an, dass du als Türke in der Überschrift den Begriff verwendest, der dafür angebracht ist.

Ich frage mich warum die Armenier ihre Archive nicht öffnen, wer nichts zu verbergen hat hat auch nichts zu verstecken. Laut einer Allgemeinen Volkszählung im Osmanischen Reich lebten 1914 1.300000 Mio Armenier. dies ist belegt. eine Völkermord gab es nicht aber es gabe tote im folge der umsiedlung weg von der Front wo die Türken u.a gegen die Russen kämpften. Wenn es ein Völkermord gegeben hat, warum wurden die abertausenden Armenier in Istanbul oder z.b in Bursa nicht deportiert ? noch heute leben dort Armenier. Wenn wir von einen Genozid sprechen, dann sprechen wir von der systematischen auslöschung einer Völkergruppe. Dies war definitif nicht der Fall und die Zahl von 1.500000 Mio ist schlicht und einfach haltlos. Auch die Aussage des letzten Großvezir Damat Ferid pasha ist haltlos, da die unter der Herschaft der Briten waren, die den marionetten Regierung ihre befehle gaben. Es gibt in Erivan ein Dokument, worauf sich Armenien stützt, das aber erwiesermaßen als gefälscht entlarvt wurde:

1. Der Kommandeur von Aleppo dessen Namen drauf steht, war zur der Zeit garnicht in Aleppo sondern in Istanbul, erst viel Später wurde er nach Aleppo beordert.

2. Auf den Dokument finden sich Codes für Funksprüche, aber diese Codebücher sind bis Heute bestens erhalten und man kann daraus erkennen das die Codes auf den Dokument worauf sich die Armenier berufen gar nicht existieren.


Aber das es auf türkischer Seite 5 mal so viel Ziviele Opfer gab, redet keiner von. Ich berufe micht auf Fakten und Dokumente und nicht auf diverse Bücher die vom britischen Propoganda Ministerium wie das"Blue Book" herausgegeben worden sind. Das einer der Grundlagen für die Jahrhundert Lüge darstellt.

wussten Sie auch das das amerikanische Konsulat in Aleppo 800000 Armenier registriert haben die aufgrund von Umsiedlungen dort ankamen.
Davon gibt es Original Dokumente ;)

Fakt ist aber das wirklich ca 150000-200000 durch folgen der Umsiedlung umgekommen sein könnten, also auf dem Weg. komischerweise gibt es keine Massengräber die selbst dies Belegen könnten.

Es bringt nicht viel dieses Thema Monoton zu betrachten und dann zu Urteilen. Alles viel zu einseitig. :still:
 
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Ich bin Türke und stelle diese ernste Frage:
Warum mussten so viele 1915 und warum ausgerechnet Armenier sterben?
Oder was mich interessiert: Wer sind die Schuldigen?
Und: War Mehmet V. daran beteilligt?
Einen ernsten Gruss Osman61.

Mehmet V ? der kam ja erst 1918 an die Macht wenn man davon sprechen kann, eine Marionette der Briten
 
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Laut einer Allgemeinen Volkszählung im Osmanischen Reich lebten 1914 1.300000 Mio Armenier. dies ist belegt. eine Völkermord gab es nicht aber es gabe tote im folge der umsiedlung weg von der Front wo die Türken u.a gegen die Russen kämpften.
Der Völkermord wird allgemein als Tatsache anerkannt. Kein weiterer Kommentar.

noch heute leben dort Armenier.
Was ist denn das für ein Argument? Nur weil heute dort Armenier leben, heißt das nicht, dass sie damals unbehelligt blieben.

die Zahl von 1.500000 Mio ist schlicht und einfach haltlos.
Es spricht auch niemand von dieser Zahl. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, was du wohl wissen solltest. Was anders wurde hier auch nicht behauptet.

Mod an Link wurde gelöscht Mod aus

Und den Link musst du nicht 3 mal posten, schon gar nicht in zwei Beiträgen hintereinander (in einem anderen Thread).

Aber das es auf türkischer Seite 5 mal so viel Ziviele Opfer gab, redet keiner von.
Falls es wirklich so war (ich weiß es nicht): Darum geht es jetzt nicht, sondern um den Völkermord an den Armeniern, den du anscheinend vehement leugnest.
 
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Ein Querverweis auf die Diskussion unter "Pressemitteilungen"
http://www.geschichtsforum.de/f319/...-20-jahrhundert-16174/index17.html#post624906


Da hier immer wieder Diskutanten auftreten, die sich auf Einzelangaben zum Genozid beziehen, eine Literaturliste:

Genozid:
Kevorkian, Raymond: The Armenian Genocide - A Complete History, 2011
McCarthy, Justin : Death and Exile - The Ethnic Cleaning of Ottoman Muslims 1821-1921, 2008
McCarthy, Justin: The Ottoman Peoples and the End of Empire, 2001
Suny/Göcek/Naimark: A Question of Genocide - Armenians and turks at the End of the Ottoman Empire, 2011
Winter, Jay: America and the Armenian Genocide of 1915, 2004
Bloxham, Donald: The Great Game of Genocide - Imperialism, Nationalism and the Destruction of the Ottoman Armenians, 2005
Kent, Marian: The Great Powers and the End of the Ottoman Empire, 1996
Pamuk, Sevket: The Ottoman Empire and European Capitalism 1820 - 1913, 2010
Allen/Muratoff: Caucasian Battlefields - A History of the Wars on the Turko-Caucasian Border 1828-1921, 1953
Kirakossian, Arman J.: British Diplomacy and the Armenian Question - from the 1830s to 1914, 2003
Shaw, Stanford: Ottoman Census System and Population 1831-1914, in: IJMES 1978, S. 325-338
Björnlund, Matthias: The 1914 Cleansing of Aegean Greeks as a case of violent Turkification, in: JoGR 2008, S. 41-58
Taylor, Jessica: Through the eyes of the Post: American Media Coverage of the Armenian Genocide, Thesis 2009
Berberian, Laura: Official United States Documents on the Armenian Genocide, 2008
Kundil, Pinar: The Armenian Question according to TAKVİM-İ VEKAYİ 1914-1918, 2003
Smythe, Dana Renee: Remembering the forgotten Genocide: Armenian in the First World War, 2003

Kontext:
Cooke, James J.: New French Imperialism 1880 - 1910 - The Third Republic and Colonial Expansion, 1973
Shorrock, William I.: French Imperialism in the Middle East - The Failure of Policy in Syria and Lebanon 1900 - 1914, 1976
Geyikdagi, Necla: French Direct Investments in the Ottoman Empire before World War One
Simon/Tejirian: The Creation of Iraq 1914-1921, 2004
Fromkin, David: A Peace to end all Peace, 1989
Townshend, Charles: When God made Hell - The British Invasion of Mesopotamia and the Creation of Iraq 1914 - 1921, 2010
Kent, Marian: Oil & Empire - British Policy & Mesopotamian Oil 1900 - 1920, 1976
Reid, Walter: Empire of Sand - How Britain made the Middle East, 2011
Tauber, Eliezer: The Formation of Modern Syria and Iraq, 1995

Ergänzungen sind erwünscht!
 
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Vor dem aktuellen Hintergrund einige weitere Hinweise:

1. zwar werden Historiker in dieser Aufarbeitung des "shadow of Genocide" häufig in zwei Lager unterteilt, es herrscht aber insoweit Einigkeit, dass

A) die Auslösung der Deportationen (und in deren Folge das Massensterben) in dieser Dimension nicht ohne den Kontext des Kriegsverlaufes gesehen werden kann
B) aufgrund der Augenzeugenberichte lokal sicher zehntausende Morde feststehen (so zB in einigen Regionen nicht durch Hunger, sondern durch direkte Gewalt und Säuberung, oder etwa im Verlauf der Eisenbahnbauten)

2. zwischen den Extrempositionen auch die deutsche Position umstritten ist - Billigung, einzelne Unterstützung, nur Position von Augenzeugen etc.. Weder die Extremposition ("unbeteiligt") noch die Extremposition ("direkt mitschuldig") haben dabei wohl die mehrheitliche Meinung hinter sich.

Zur Stimmungslage aus einer Oxford-Publikation dieses Jahres, mit Bezug auf die Stimme von Michael Mann:

"Michael Mann reminds us that the 1915 Genocide unfolded very quickly, suggesting that its implementation owed as much to improvisation as to careful planning. He reminds us that the Dashnaktsutiun Party and the Unionists had been political allies not long before. (Indeed, in a curious episode, Dashnak leader Manukian fought alongside Ottoman regular troops against Kurdish tribesmen in the summer of 1913, only two years before the Van uprising.) The context of war explains, though of course does not excuse, the Young Turks’ slide into mass murder, writes Mann:

'That the Young Turks, rather than palace and Islamic reactionaries, should be the instrument of their doom would have surprised most Armenians in 1912, even perhaps through much of 1913. As late as August 1914 the Young Turks tried a new version of their Plan A, alliance with the Armenians. . . . Their Plan B—mass but strategically confined deportations—emerged quickly and turned even more rapidly into a Plan C of more generalized and much more violent deportations. This was inherently unstable and quickly slid into a genocidal Plan D. This was not as coherent, organized, and premeditated a genocide as is usually argued. ' "

Thomas de Vaal: Great Catastrophe - Armenians and Turks in the shadow of Genocide, 2015
.

Solche Differenzierungen gehen leider im Lärm einer zugespitzten Diskussion - "Genozid ja oder nein" / klare Ansagen oder garnichts - unter. Selbst ein "ja, weil" wird dann so gedeutet, als sollte der Massenmord selber relativiert werden, selbst wenn es nur "erklärend" gemeint ist.
 
Im Prinzip sagt die Quelle ja aus, dass die Deportationen und die Morde eine Folge des Kriegsverlaufs als auch spontan und nicht organisiert waren?
 
Im Prinzip sagt die Quelle ja aus, dass die Deportationen und die Morde eine Folge des Kriegsverlaufs als auch spontan und nicht organisiert waren?

Genau.

Wobei man Perspektiven unterscheiden muss: betrachtet man global das Verbrechen (warum die, warum dort, warum dann, warum so?), dann ist ein kausaler Faktor, dass dies nicht ohne den Kriegsverlauf (Kaukasus, aber auch parallel die Informationen über die Dardanellen-Invasion) erklärt werden kann.
Kausal = nicht wegdenkbar, ohne dass sich ein anderer Verlauf ergeben würde.

"Mikroskopisch" betrachtet, durchmengt sich das zusätzlich
- mit einzelnen lokalen Verbrechen und Massenmorden
- steht vor dem Hintergrund gewaltiger Bevölkerungsverschiebungen vor 1914
- steht in der eine Reihe mit zeitlich vorlaufenden Verbrechen dieser Zeit auf dem Balkan und im Kaukasus (auch an vertriebener osmanischer Bevölkerung)
- trifft auf zugespitzten Nationalsmus und Vorgängen der Staatenbildung in der gesamten Region bis 1914 (auch durch entsprechende Bevölkerungsverschiebungen zuvor)

Eine Gemengelage, bei der die Mehrheitsmeinung der Historiker annimmt, dass die unstrittige Spitze der eskalierenden Gewalt 1915/16 mindestens bei den Deportationen mit Billigung in Kauf genommen wurde. Nur eine Facette: ebenso parallel steht fest, dass große Teile der Bevölkerung über die Deportierten hinaus in tödlichen Hungerkatastrophen verwickelt war (sogar bis hin zur Armee - da gibt es entsprechende Statistiken). Die Deportationen traf das - wenn man das so sagen will - am härtesten.

Es sollte vom Standpunkt der Geschichtswissenschaft möglich sein, solche Kontexte analytisch aufzuarbeiten, ohne mit jedem Satz in die Diskussion pro und kontra Völkermord verwickelt oder zu einer Positionierung gezwungen zu werden. Deshalb das Zitat von Michael Mann.
 
Um die Kumulation der Kriegsereignisse richtig zu werten, kommt noch eines hinzu, was den Horizont des Kriegsverlaufes im Kaukasus ausweitet, und dem Osmanischen Reich mindestens seit März 1915 bevorstand: der Zweifrontenkrieg durch die Landung bei den Dardanellen (Gallipoli) - neben der bereits bestehenden Blockade des Mittelmeeres und den Fronten in Palästina und ggf. Mesopotamien.

Die entscheidenden Recherchen stammen aus diesem Aufsatz:

Travers, Tim: Liman von Sanders, the Capture of Lieutenant Palmer, and Ottoman Anticipation of the Allied Landings at Gallipoli on 25 April 1915. Journal of Military History. 2001, S. 965-979.

Danach stand der ungefähre Zeitpunkt mit der Landung um den 25.4.1915 für Liman von Sanders fest. Ebenso stand damit fest, dass sich die Kriegslage im Kaukasus und armenischen Hochland - ganz ungeachtet von Aufständen etc. - entscheidend durch Kräftebindung im Westen verschärfen würde.

Die ad hoc gefassten April-Beschlüsse in Istanbul, das "schnelle Reinrutschen" (Michael Mann), zur Deportation stehen damit in engstem zeitlichen Zusammenhang.


"In conclusion, Liman von Sanders was able to anticipate the approximate date of the Allied landings at Gallipoli, and the rough number and composition of the Allied troops involved, although overestimated to one hundred thousand by Lieutenant Palmer.

But the Ottomans were unable to pinpoint the all-important actual landing sites. Despite this, Liman von Sanders's January 1915 analysis of where the Allies would land in order to attack the Straits artillery from the rear, proved to be just as accurate when it came to the landings of 25 April, since Allied aims—control of the Straits—remained much the same.

However, Liman von Sanders made one mistake about landing sites, which was to concentrate particularly on the Saros/Bulair region. And here, eireumstantial evidence indicates that the ehanee capture on 17 April of Lieutenant Palmer, the former British Vice Consul at Chanak, intelligence officer on de Robeek's Staff, and offieer in the RNVR, together with the dissemination of his misinformation by 20 April, may have helped to give Liman von Sanders an even greater focus on Saros/Bulair.

Captain Mühlmann's letter shows that this focus, together with the Allied feint at Saros/Bulair, helped to give the Allies a short breathing space of some three days before Liman von Sanders finally ruled out Saros/Bulair and sent 5 Ottoman Division south on 28 April, to follow 7 Ottoman Division, despatched south earlier on 26 April.

Thus, Liman von Sanders's actions from 25 to 28 April were not as decisive as he afterwards claimed, and did in fact give the Allies a brief window of opportunity as they landed on 25 April. If the Allies had been able to exploit Liman von Sanders's hesitation concerning Saros/Bulair, they might have able to capture the peninsula and seriously damage the military effeetiveness of the Ottoman Empire."
 
Danke! Ich habe mich ein bisschen eingelesen. Mir fehlt ein bisschen der Aspekt der Jungtürken der Rettung des Osmansichen Reiches durch religiöse Homogenisierung, was ja auch zum Teil zu den Verfolgungen im 19. Jahrhundert geführt hat. Ich stimme dir zwar zu, dass der Kriegsverlauf dazugeführt hat, aber ich frage mich, was der stärkere Treiber war. Der Kriegsverlauf oder die religiöse Homogenisierung?

Und vor allem, inwiefern hat es zu den Morden beigetragen? Ich frage deshalb, da bei Fokus auf den Kriegsaspekt eine Deportation "ausgereicht" - wie sich das anhört :rotwerd: - ausgereicht hätte
 
Danke! Ich habe mich ein bisschen eingelesen. Mir fehlt ein bisschen der Aspekt der Jungtürken der Rettung des Osmansichen Reiches durch religiöse Homogenisierung, was ja auch zum Teil zu den Verfolgungen im 19. Jahrhundert geführt hat. Ich stimme dir zwar zu, dass der Kriegsverlauf dazugeführt hat, aber ich frage mich, was der stärkere Treiber war. Der Kriegsverlauf oder die religiöse Homogenisierung?

Und vor allem, inwiefern hat es zu den Morden beigetragen? Ich frage deshalb, da bei Fokus auf den Kriegsaspekt eine Deportation "ausgereicht" - wie sich das anhört :rotwerd: - ausgereicht hätte

Plan A passt aber nicht Recht zur Homogenisierung und nationalen jungtürkischen Aufladung, sondern ist eher Pragmatisimus der Reichskonsolidierung. Das "Kippen" der Haltung hin zur Deportation "um jeden humanitären Preis" muss also andere Gründe haben.

Natürlich ist Dein Hinweis völlig berechtigt, diesen Aspekt in den wichtigen Kontext einzuordnen.

Zum anderen Gedanken: tatsächlich "reichte" hier Deportation aus, um Millionensterben auszulösen. Das wird deutlich, wenn man sich die "Zielgebiete" anschaut, die schon ohne Blockade und Kriegskontext die Versorgung nicht leisten konnten, im Kontext von Blockade und Krieg aber tödlich "wirkten". Die geringsten Chancen hatten Alte, Kinder und Frauen.

Um nochmals darauf hinzuweisen: dieser tödliche Aspekt der Deportationen als solche mischt sich mit vielfachem Mord in

- Zwangsarbeit (die Arbeiten an den Schienenstrecken - mit deutscher Beteiligung - waren mit Leichen gepflastert) und

- mit Gewaltexzessen in bestimmten "hot spots" (wer sich da nicht auskennt, dem empfehle ich zB die Arbeit von McCarthy et. al., The Armenian Rebellion at VAN).
 
Als Ergänzung möchte ich auf das Schicksal der armenischen männlichen Bevölkerung hinweisen, insbesondere der im wehrfähigen Alter. Bei Kriegsbeginn wurden alle christlichen wehrfähigen Männer des Osmanischen Reiches eingezogen und (mit wenigen Ausnahmen wie Ärzte oder andere kriegswichtigen Spezialisten) in die sog. Arbeitsbatallione gesteckt, da man sie als nicht verlässlich einstufte. Hintergrund waren die Erfahrungen der Balkankriege 1912-1913.

Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen sowie der mangelhaften Versorgung (die im übrigen auch die reguläre osmanische Armee auch hart traf) sind die meisten wohl verstorben, sofern sie nicht vorher desertierten.

Die armenischen Männer wurden ab 1915 aus den Arbeitsbatallionen ausgesondert und systematisch ermordet.

(Auch hier gab es einige wenige Ausnahmen, die von der aktuellen türkischen Geschichtsschreibung aus politischen Gründen gerne hervorgehoben werden)
 
Als Ergänzung möchte ich auf das Schicksal der armenischen männlichen Bevölkerung hinweisen, insbesondere der im wehrfähigen Alter. Bei Kriegsbeginn wurden alle christlichen wehrfähigen Männer des Osmanischen Reiches eingezogen und (mit wenigen Ausnahmen wie Ärzte oder andere kriegswichtigen Spezialisten) in die sog. Arbeitsbatallione gesteckt, da man sie als nicht verlässlich einstufte. Hintergrund waren die Erfahrungen der Balkankriege 1912-1913.

Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen sowie der mangelhaften Versorgung (die im übrigen auch die reguläre osmanische Armee auch hart traf) sind die meisten wohl verstorben, sofern sie nicht vorher desertierten.

Die armenischen Männer wurden ab 1915 aus den Arbeitsbatallionen ausgesondert und systematisch ermordet.

(Auch hier gab es einige wenige Ausnahmen, die von der aktuellen türkischen Geschichtsschreibung aus politischen Gründen gerne hervorgehoben werden)

Dazu einige Hinweise:

1. die Bezugnahme auf Erfahrungen der Balkankriege 1912/13 ist so nicht stimmig, da hier nur noch rund 8000 Armenier in der Osmanischen Armee waren, und die Vorbehalte mindestens schon seit den Aufständen 1909 bestanden. Man kann das nicht auf 1912/13 reduzieren.

2. auch 1914/15 waren Armenier - wie zB desertierte armenische Offiziere 1915 im Bereich der 3. Armee zeigen - noch in den regulären Truppen.

3. zu der Darstellungen der waffenfähigen männlichen Bevölkerung gehört die Erwähnung einiger zehntausend bewaffneter armenischer Milizen im Bürgerkrieg hinter der Front - bis hin zum Van-Aufstand - die eben nicht aus eingesickerten Zarentruppen stammten. Neben den armenischen Aufstandsbereichen ist außerdem zu erwähnen, dass durch den Vormarsch der russischen Armee rd. 1,5 Mio. islamischer Bevölkerung auf der Flucht war. Auch dies - inkl. darin vorhandenen Bewaffneten - verursachte neben den "angeordneten" Taten im Osten regional spontane Gewaltexzesse gegen armenische Bevölkerung. Dies nur der Vollständigkeit halber neben der Tatsache, dass auch unter diesen durch Frontverläufe in Bewegung geratenen oder vertriebenen Massen (Christen und Moslems) horrende Opferzahlen durch Massenfluchten in den unversorgten Gebieten auftraten.

4. die Arbeitsbataillone sind differenziert zu sehen: neben den hohen Opferzahlen in einigen Arbeitsbataillonen (so an den Eisenbahnen) bestanden in anderen (so sogar im Osten im Bereich der 3. Armee bis 1918!) wegen der Versorgung im Militärbereich paradoxerweise bessere Überlebenschancen für armenische Männer.
 
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