Germanen im Weserbergland - Wälle im Wald erkennen

secretdanny

Neues Mitglied
Liebe Mitglieder,

nach nunmehr einigen Monaten des stillen Beobachtens habe ich mich heute nun offiziell als Mitglied dieses Forums registriert.

Wie vielleicht schon aus der Überschrift zu deuten ist, komme ich aus dem schönen Weserbergland. Mein Interesse gilt vor allem den Germanen im und ums das Weserbergland. Seht es mir bitte nach, dass ich kein Akademiker auf diesem Gebiet bin, da dieses Interesse rein als Hobby zu betrachten ist.
Durch diverse Umwege und Romane (Jörg Kastner) habe ich letzten Endes vor einigen Jahren Interesse an der Varusschlacht und darüber hinaus an der Person des Arminius und explizit der Cherusker gefunden.

Randbemerkung: ich finde es schade, dass solche historischen Ereignisse nie in den Geschichtsstunden der Schule erwähnt wurden...

Da ich seit Jahren sehr viel in den Wäldern des Weserberglands unterwegs bin (auf dem Mountainbike oder als Geocacher), nehme ich meine Umgebung nun verstärkter wahr, als noch vor der Zeit, in der ich mich für die Geschichte der Germanen interessierte. Demnach geht auch so manches Mal die Fantasie mit mir durch, wenn bestimmte Bodengegebenheiten den Anschein haben, als könnten sie vor langer Zeit als Wallanlage gedient haben.
Deshalb meine Frage: wie erkennt man als Otto-Normalverbraucher ohne einschlägiges Studium oder geschulten Blick ggf. Reste und/oder Überbleibsel einer Wallanlage?

Weiterhin interessiert mich vor allem der Bereich rund um den Ith in Bezug auf die germanische Geschichte und mögliche Ereignisse. Neben den bekannten Kultstätten/Opferstätten dürfte sich hier meiner Meinung nach doch sicher (was zum Teil in diesem Forum nachzulesen ist) noch vieles mehr abgespielt haben, folgt man den Schilderungen der Deisterpforten und den möglichen Verläufen des Angrivarierwalls in der Region. Der Hildesheimer Silberfund (hier in der Nähe) und die Theorien um das mögliche Sommerlager des Varus in Hameln / Emmerthal legen meiner Meinung nach - neben vielen Münzfunden - die Vermutung nahe, dass dieses Einzugsgebiet der Cherusker vielleicht gar nicht so uninteressant zu sein scheint. Mein Interesse gilt hier weniger wilden Spekulationen (die es sicher schon zuhauf gibt) sondern vielmehr den belegten, historischen Begebenheiten, da hier in der Region leider sehr wenig bekannt ist.

An dieser Stelle würde ich mich natürlich sehr freuen, Gleichgesinnte aus der Region kennen zu lernen, um sich auszutauschen oder ggf. auch gemeinsam die ein oder andere Begehung zu unternehmen.

Viele Grüße
 
Es gibt ein gutes Büchlein dazu:
http://www.hessen-forst.de/service/download/archaeologieimwald.pdf

Sei bitte so gut und grabe niemals selbst irgendwo rum, danke.
Viel Spaß beim lesen und entdecken.

PS: Wenn du was interessantes findest, nimm ruhig ein paar Punkte mit deinem GPS und mache ein paar Fotos, und bringe das ganze dann zum zuständigen Denkmalamt. Wenn du richtig mitarbeiten willst, so kann man ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger werden, informiere dich mal.

LG
 
Hi und vielen Dank für den Buchtipp, den ich gern beherzigen möchte. Keine Sorge; ich habe ein reines Interesse an der Geschichte und das Interesse an dem Erhalt von Bodendenkmälern statt der Bergung ;-)
 
Hallo,
in guten Landkarten sind alte Wallanlagen oft eingezeichnet. Auch die, die vllt. erst im MA oder im dreißigjährigen Krieg oder so entstanden. Und es gibt dort, oder in der Nähe bestimmt auch Geocaches, so lässt sich das eine mit dem anderen verbinden. Unterscheiden können solche Wallanlagen sicher nur Experten nach einem Schnitt im Wall(-rest) und anderen Funden aus der Umgebung so gibt es z.B. auf dem Hermannsweg in Oerlinghausen auf dem Tönsberg z.T. noch deutlich sichtbare Wälle aus der Zeit der Germanen. Auf dem Teilstück von Bielefeld nach Halle gibt es dagegen nur noch bei genauen Hinsehen erkennbare Wallreste an den zahlreichen "Schanzen" jüngeren Datums. Gruß aus OWL- Pirrata
 
Bei den meisten "Schwedenschanzen" o.ä. die in Dtl. auf Karten als solche verzeichnet sind, und die du vermutlich meinst handelt es sich allerdings mitnichten um Schanzanlagen aus dem Krieg von 1618-48, teilweise hat man antike kastelle, oder vorgeschichtliche keltische viereckschanzen als solche gedeutet.

Was die Unterscheidung angeht so muss man sich teils erstmal auf eine Definition einigen, wenn ich mich da an doe unterschiedlichen Herangehensweisen zu Viereckschanzen erinnere....
 
Danke für den Hinweis mit den Schanzen! Ich bin keine Archäologin und kann nur das wiedergeben was auf Hinweistafeln dort steht. :( Aber wenn man sich mit Wällen beschäftigen möchte und es erstmal uns erkennen im Gelände geht ist vllt. die ganz genaue Datierung erstmal nebensächlich für den Laien.
 
Im Weserbergland gibt es eigentlich wenige Wallanlagen, die auf die Germanenzeit zurückgehen. Die frühen Germanen waren keine großen Errichter von Wallanlagen, weil sie sich meist bei Gefahr in die Wälder zurückzogen und den Steinbau noch nicht in ihrer Architektur verinnerlicht hatten.
Wenn es Wallanlagen in dem Raum gibt, dann sind sie meist keltischen Ursprungs, z.B. Amelungsburg. Was wiederum eine spätere Nutzung nicht ganz ausschließt. Die meisten Wallanlagen werden hier in die Sachsenzeit interpretiert. Was natürlich nicht stimmen muß, da die damaligen Forscher und Wissenschaftler in ihrer Einstufung die Sachsen als ihre Favoriten ansahen und somit fast alles als "Sachsenburgen" erklärten. Was heutzutage dann alles wieder widerlegt wird.

Interessant ist auch so eine "Sachsenanlage". Es handelt sich hier um die Wallanlage auf dem Heiligen Berg. Für eine Verteidigungsanlage ziemlich klein und auch nicht so ganz ideal gelegen. Eine mittelalterliche Burganlage wurde auf dem Nachbarhügel errichtet. Neben dieser Wallanlage befindet sich eine alte Kirchenruine, vielmehr die Fragmente, die im Mittelalter dort errichtet wurde.
Der Heilige Berg zeichnet sich dadurch aus, daß dort Quellen entspringen, die dann in die Weser fließen. Ein heutiges Naturschutzgebiet, welches so in dem Gebiet nicht vorkommt.
Meine Vermutung: die Wallanlage ist die Umfassung eines heiligen Hains. Die Weser hatte damals nicht die Bedeutung wie z.B. die Leine, weil sie teilweise nicht in unmittelbarer Umgebung passierbar war. Eine Verteidigungsanlage hätte dort wenig Sinn erbracht und der alte Weg führte auch näher an der mittelalterlichen Burg vorbei. Somit war das eher eine Kultstätte, die bei den Germanen auch befestigt waren.
 
Schwedenschanzen, Sachsenburgen und das Ringen um Namen

Prinzipieller Aufhänger dieses Beitrags sind die hier zu lesenden Bezeichnungen (Schwedenwälle/Sachsenburgen) für archäologische Stätten und was daraus abgeleitet wird. Ein Wechselspiel zwischen Wissenschaft (Geschichte/Archäologie), Medien und Gesellschaft!

Lieber Armin, ich glaube du urteilst zu hart (vor dem von mir gewählten Hintergrund,) wenn du betonst, dass „wenige Wallanlagen auf die Germanen zurückgehen“… Schon im weiteren Verlauf deines eigenen Beitrages relativierst du ja selbst, indem du spätere Nutzungen zur „Sachsenzeit“ oder im Mittelalter nicht ausschließt. Als etwa auf dem Toensberg bei Oerlinghausen im Teutoburger Wald vielleicht wirklich in sächsischer Zeit das „Sachsenlager“ entstand, und dann eine Wehranlage bis zur Verlegung eines Fernweges um 850 n.Chr. wieder aufgegeben wurde, da waren die früheren Erbauer der modifizierten Reste längst vergessen. Wir wissen meist ja nicht, wer diese Anlagen wirklich errichtet hat. Archäologische Begriffe wie „Urnenfelderkulturen“ bezeichnen nun einmal kein greifbares Volk – wie man es laienhaft nun einmal erwartet. Wie genau sich die Erbauer selbst nannten wird sich niemals mehr feststellen lassen: Die frühesten, bekannten Nutzer sind hier eben die „Germanen“, in deinem speziellen Fall dann halt die Sachsen – nur zu verständlich, dass sich dieses „Etikett“ dann besonders leicht hält, oder?

Weitere Beispiele? Warum nicht der hessische Glauberg, dessen „Keltenfürst / Micky Maus“ ja inzwischen einige Bekanntheit hat und dessen (hierzu) ausreichende Grobchronologie in Wiki angerissen wird? Man fand Spuren von Besiedlungen aus der Jungsteinzeit auf dem Plateau und dann erneut aus der Zeit der Urnenfelderkulturen… In „frühkeltischer Zeit“ hat dann der „Fürst vom Glauberg“ dort Befestigungen in Angriff genommen, wobei nicht sicher ist, wie lange es denn in dieser Form besiedelt/genutzt wurde. In römischer Zeit war der Berg unbesiedelt, da er sich in unmittelbarer Nähe (außerhalb) des römischen Limes befand, wo man potentielle Machtzentren kaum geduldet hätte... Nach dem Verfall römischer Macht befand sich dort eine Höhensiedlung, die alemannischen Kleinkönigen zugeordnet wird. Es folgten eine fränkische Großburg und schließlich eine um 1256 zerstörte staufische Anlage. Dabei ist nicht einmal klar, ob es ungebrochene Kontinuitäten zwischen der alemannische- oder wenigstens der fränkisch-staufischen Anlagen gegeben haben könnte…

Geschichte hat seine Wendepunkte und Brüche. So wie nach der Reichsgründung 1871 und vor allem in der Nazizeit die germanischen Traditionen in Deutschland über allem Anderen besonders stark betont wurden, so ist es heute umgekehrt üblich geworden, germanische Zuordnungen intensiv zu hinterfragen. Wissenschaftlich gesehen ist diese Aufarbeitung auch notwendig! Mit Ausstrahlung in die Gesellschaft über die Medien. So ist es derzeit eher „trendy“ die römischen oder keltischen Traditionen in Deutschland besonders zu betonen, was wissenschaftlich gesehen nicht richtiger ist als die vorherige Germanenfixierung! Letztere war einst gefördert worden (Gesellschaftlich und Politisch erwünscht!), um die vorherige, über Jahrhunderte innig gepflegte Kleinstaaterei in Deutschland zu überwinden: Um das neue Reich auch in dem Bewusstsein der einfachen Bürger ankommen zu lassen. Geschichte lebt, sie findet jeden Tag statt. Und wie soll schon der griechische Philosoph Heraklit gesagt haben: „Alles fließt“… Alles ändert sich. Traditionen spiegeln sich in der Gesellschaft wieder, sie sind auch gesellschaftlich wünschenswert, aber nie für die Ewigkeit. Besonders Wandelbar sind nun einmal Befestigungen, die ohne einen politischen Kontext prinzipiell undenkbar sind! Daher die Brüche im Befestigungswesen, wie das Beispiel Glauberg gut erkennen lässt. Häufiger als es sich archäologisch oder historisch beweisen lässt, dürfte das auch für römische Bodendenkmäler gelten. Aber die Zuordnung zur jeweils ältesten, nachzuweisenden Nutzung bleibt verständlicherweise üblich. Rein archäologische Zuordnungen werden sich wohl niemals im öffentlichen Bewusstsein festsetzen. Oder wer mag wohl zum Beispiel nach der Bezeichnung „Michelsberger Kultur“ – gar „Urnenfelder“ seinen Heimatort benannt bekommen? Lieber wählt man sich Volksnamen, selbst wenn deren Ableitung noch so fraglich sein sollte – im deutschen Sprachraum sind das wohl am ehesten noch Kelten… und nähern uns dabei einer gewissen Beliebigkeit. Die Archäologie kann dem Wunsch der Gesellschaft nach gesicherten Namen nicht immer guten Gewissens entsprechen.
 
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Namen, Traditionen & Überlieferungen

Bei den meisten "Schwedenschanzen" o.ä. die in Dtl. auf Karten als solche verzeichnet sind, und die du vermutlich meinst handelt es sich allerdings mitnichten um Schanzanlagen aus dem Krieg von 1618-48, teilweise hat man antike kastelle, oder vorgeschichtliche keltische viereckschanzen als solche gedeutet...

Namen wie „Schwedenschanzen“ oder „Hühnengräber/Hügelgräber/Hunnengräber“ sind häufig durch lokale Traditionen geprägt. Oft ohne sicher mit ihren Benennungen zu tun zu haben – wie Afkpu schön dargelegt hat. Selbstverständlich lehnten sich zu allen Zeiten Bauentscheidungen an die gegebenen Umstände an, wodurch sich Kontinuitäten ergeben.

Ich möchte das am Beispiel der sogenannten „Schwedenschanze(n)“ des 30 jährigen Krieges in der Rhön anreißen. Die Schweden hatten während dieses Konflikts dort tatsächlich eine Reihe von Sternschanzen errichtet und ein solcher Ort wird heute noch so genannt. Inzwischen hat man aus der Luft weitere solche Verschanzungen auffinden können, darunter auch eine, die ansonsten im Waldboden wohl kaum noch zu finden gewesen sein dürfte… Es ist verständlich, dass diese Anlagen, die aus strategischen Gesichtspunkten Übergänge über das Rhöngebirge sichern sollten, an den Straßenverlauf angelehnt waren. Es befand sich dort seit langem die Grenze zwischen den Territorien des Fürstbistums Würzburgs und der Reichsabtei Fulda. Beide hatten Interesse daran, den Verkehr dort zu besteuern und zu kontrollieren. Es existierten daher mehrere Kontrollstellen an den Wegen. Sogenannte „Schläge“ – abgeleitet vom Schlagbaum. Ihre Effektivität wurde durch die Bevölkerung einschränkende Gesetze, besonders durch Errichtung einer Landwehr (siehe Wikipedia) zusätzlich gestärkt. Daher bündelten sich Straßen vor einem solchen Schlag. Die festgestellten Schwedenschanzen wurden sämtlich im Bereich der älteren Kontrollpunkte errichtet und nutzten oder verstärkten Einrichtungen/Verlauf der bisherigen Landwehr für ihren Ausbau. Obwohl längst nicht die gesamte vorgefundene Landwehr von den Schweden errichtet- oder auch nur genutzt wurde, wird der Bereich dort traditionell immer ausschließlich mit den Schweden in Verbindung gebracht. In meinem übersichtlichen Beispiel ist leicht erkennbar, wie ältere Traditionen nachhaltig durch ein „neueres“, einschneidendes Ereignis überschichtet werden konnte… Dabei war die Anwesenheit der Schweden in diesem rauen Gebiet eine sehr kurze Episode.

Landwehr ? Wikipedia
 
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