Geschichte des Geldes

Was ist denn Geld? Doch nur eine andere Form des Tauschgeschäftes, weil sich erwiesen hat, dass der, der mir ein Haus verkauft, schlecht mit 100 Tonnen Weizen bezahlt werden kann, weil er sie nicht braucht, damit Geld zum idealen Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen aller Art wurde.
Damit ist Geld aber rein materiell aber nicht ideell bestimmt! Sicherlich ist eine bestimmte Menge Geld ein Machtfaktor, aber das ist der Besitz einer Jahresernte Weizen auch.

Daneben ist Geld ja aber auch erstmal eine Konvention. Ich kann ja mit den Metallplättchen selbst nicht wirklich etwas anfangen, sondern ich vertraue darauf, daß mir jemand anderes diese Plättchen wieder abnimmt und mir etwas gibt, mit dem ich was anfangen kann, beispielsweise ein Buch. Insofern basiert Geld auf Vertrauen und damit schon ideell gebunden.


Um aber auf das, was Exi zum Schluß angeführt hat, nochmal einzugehen, will ich ein weiteres Zitat einschieben, wie ich ja anfangs schon erwähnte, waren es mehrere Stellen, die mich irritierten.

Zitat: "Das Geld hat ... drei Ursprünge, denen gemeinsam ist, daß sie SChriftzeichen brauchen - oder diese sogar hervorgebracht haben. Der eine Ursprung ist der materielle Wert ... Der zweite ist ein Herrscher oder eine Gemeinschaft ... Und der dritte Ursprung ist religiöser Natur: Er liegt im Opfer, das den Göttern im Tempel dargebracht und von den Priestern entgegengenommen wird ...
Gerade weil die beiden anderen Beglaubigungsformen immer weniger funktionieren, verstärkt sich das Verlangen nach der sakralen Deckung des Geldes in Opferriten, die mit den Agrargesellschaften entstanden. Jäger und Sammler bringen keine Opfer dar. Mit der Landwirtschaft greift der Mensch jedoch in die Natur ein und muß dafür einen Preis entrichten. Durch ein Opfer an die Götter versucht er, die an ihrer Schöpfung begangene Schuld zu vergelten." (Spiegel 26/2012, 129-130)

Das Opfer als Schuldbegleichung? Das ist mir doch für antike Kulturen viel zu christlich interpretiert.
 
@ hjwien

Geld ist zunächst eigentlich keine Konvention, sondern der Metallwert entspricht dem Wert der Münze. Dies ist dann weder eine Übereinkunft noch Abstraktion.
 
Eine gewisse Konvention liegt aber in der Akzeptanz des Geldes als allgemeines Tauschmittel, also dass die Marktteilnehmer akzeptieren, dass sie für ihre Waren oder Leistungen genormte Metallstücke erhalten, obwohl sie mit diesen nicht unmittelbar etwas anfangen können, sondern sie wiederum gegen das, was sie eigentlich haben wollen, eintauschen müssen. (Geld kann man bekanntlich nicht essen.) hjwien hat es schon gut ausgedrückt: Wer Geld als Bezahlung akzeptiert, muss darauf vertrauen können, dass er wiederum jemanden findet, der ihm etwas für dieses Geld gibt. Andernfalls bleibt er auf seinen Metallstückchen sitzen und verhungert. Wenn dieses Vertrauen nicht (mehr) vorhanden ist, z. B. weil das Geld wertlos wurde, erfolgt eine Rückkehr zur Tauschwirtschaft. Tauschgeschäfte Ware/Leistung gegen Ware/Leistung sind natürlich auch in einer geldbasierten Wirtschaft weiterhin zulässig, aber unüblich, weil im Normalfall unpraktisch.
 
Eine gewisse Konvention liegt jedem Handel zugrunde. Wer genug Getreide und Bier hat mit dem werde ich schwerer verhandeln können wenn ich ihm auch nur Bier und Getreide anbiete(auch wenn man Getreide essen kann). In diesem Sinne stimmt das schon.
Bei heutigem Geld ist da sicher eine höhere Akzeptanz von Nöten, bei der der Nominalwert dem Materialwert bei weitem übersteigt.
Für den Europäischen Raum ist die Verwendung von Münzen eine Weiterführung des Barrenhandels und stellt letztlich immer noch ein wertvolles und begehrtes Handelsgut dar. Der Wert ergibt sich aus Material und Gewicht. Bis in die frühe Neuzeit verwenden Geldwechsler die Waage, selbst in Manching sind Waagen gefunden worden.
Das Argument der Geldentwertung trifft auch nur bedingt zu. Du denkst bestimmt an die großen Inflationen des 20.Jh. dabei stimmte der Nominalwert nicht mit dem Materialwert überein. Die Goldmark behielt weitesgehend ihren Wert im Gegensatz zur Papiermark.
Ich sehe Geld in seinem Ursprung daher selbst als Handelsgut welches man eintauscht und nicht als abstrahierten Vergleichswert der erst akzeptiert werden musste.

Womit Hjwien natürlich recht hat sind die zweifelhaften und konstruierten Zusammenhänge die er zur Disskusion stellt.
Die Notwendigkeit von Schrift sehe ich absolut nicht. Diese geht auf die Vorderasiatischen Tokens zurück und liegt in der Notwendigkeit von Organisation, Kontrolle und Verwaltung in protourbanen und urbanen Strukturen.
Ein religiöser Ursprung ist für mich genau so weit hergeholt wie der Zusammenhang mit der Abschaffung der Leibeigenschaft (man denke nur an Russland und China, letztere benutzen schon seit Jahrtausenden Geld).
Ich weiß natürlich nicht inwieweit der Spiegelautor die Aussagen des Buches zusammenfasst oder interpretiert, da ich das Buch nicht kenne, aber man sieht wohin die Reise gehen soll und ist wohl eher Polemik.
 
Ich weiß natürlich nicht inwieweit der Spiegelautor die Aussagen des Buches zusammenfasst oder interpretiert, da ich das Buch nicht kenne, aber man sieht wohin die Reise gehen soll und ist wohl eher Polemik.

Es ist ein Interview mit der Autorin, die hier eingestellten Zitate sind ihre eigenen Worte.
 
Daneben ist Geld ja aber auch erstmal eine Konvention. Ich kann ja mit den Metallplättchen selbst nicht wirklich etwas anfangen, sondern ich vertraue darauf, daß mir jemand anderes diese Plättchen wieder abnimmt und mir etwas gibt, mit dem ich was anfangen kann, beispielsweise ein Buch. Insofern basiert Geld auf Vertrauen und damit schon ideell gebunden.
Eine gewisse Konvention liegt aber in der Akzeptanz des Geldes als allgemeines Tauschmittel, also dass die Marktteilnehmer akzeptieren, dass sie für ihre Waren oder Leistungen genormte Metallstücke erhalten, obwohl sie mit diesen nicht unmittelbar etwas anfangen können, sondern sie wiederum gegen das, was sie eigentlich haben wollen, eintauschen müssen. (Geld kann man bekanntlich nicht essen.) hjwien hat es schon gut ausgedrückt: Wer Geld als Bezahlung akzeptiert, muss darauf vertrauen können, dass er wiederum jemanden findet, der ihm etwas für dieses Geld gibt. Andernfalls bleibt er auf seinen Metallstückchen sitzen und verhungert. Wenn dieses Vertrauen nicht (mehr) vorhanden ist, z. B. weil das Geld wertlos wurde, erfolgt eine Rückkehr zur Tauschwirtschaft. Tauschgeschäfte Ware/Leistung gegen Ware/Leistung sind natürlich auch in einer geldbasierten Wirtschaft weiterhin zulässig, aber unüblich, weil im Normalfall unpraktisch.
Nun, wenn es um Tauschmittel in Krisenzeiten geht, dann ist das Argument, dass man Geld oder Gold nicht essen könne nur die halbe Wahrheit, denn das träfe zum Beispiel auf Bücher oder Zement oder Stahlträger genauso zu. Das Argument greift also nicht.
Völlig korrekt ist die Argumentation, dass im normalen Leben eine Wirtschaft auf Tauschbasis (ohne Geld) recht unpraktisch ist, denn jeder wird mir zustimmen, dass es sehr mühsam wäre, einen Sack Zement zum Kauf von Broten verwenden zu wollen, noch dazu ohne die Aussicht, dass der Bäcker für diesen Sack gerade Verwendung hat. Das Prinzip Hoffnung gilt hier also viel mehr als für den Zustand, dass allgemein ein Tauschmittel (Geld) existiert und akzeptiert ist, das einen Kauf viel eher - in Normalzeiten immer - garantiert.
Zitat: "Das Geld hat ... drei Ursprünge, denen gemeinsam ist, daß sie Schriftzeichen brauchen - oder diese sogar hervorgebracht haben. Der eine Ursprung ist der materielle Wert ... Der zweite ist ein Herrscher oder eine Gemeinschaft ... Und der dritte Ursprung ist religiöser Natur: Er liegt im Opfer, das den Göttern im Tempel dargebracht und von den Priestern entgegengenommen wird ...
Gerade weil die beiden anderen Beglaubigungsformen immer weniger funktionieren, verstärkt sich das Verlangen nach der sakralen Deckung des Geldes in Opferriten, die mit den Agrargesellschaften entstanden. Jäger und Sammler bringen keine Opfer dar. Mit der Landwirtschaft greift der Mensch jedoch in die Natur ein und muß dafür einen Preis entrichten. Durch ein Opfer an die Götter versucht er, die an ihrer Schöpfung begangene Schuld zu vergelten." (Spiegel 26/2012, 129-130)
Ganz ehrlich, das kann ich nicht ernst nehmen.

Grüße
excideuil
 
Zitat: "Das Geld hat ... drei Ursprünge, denen gemeinsam ist, daß sie SChriftzeichen brauchen - oder diese sogar hervorgebracht haben. Der eine Ursprung ist der materielle Wert ... Der zweite ist ein Herrscher oder eine Gemeinschaft ... Und der dritte Ursprung ist religiöser Natur: Er liegt im Opfer, das den Göttern im Tempel dargebracht und von den Priestern entgegengenommen wird ...

Das Geld braucht Schriftzeichen? Wirklich? Und was ist mit der Kaurimuschel? Reichen nicht generell bildliche Darstellungen oder bei Edelmetallen ein Gewichtssystem?
Und ist es nicht so, dass trotz aller Schriftzeichen viele Münzen nachgewogen und der Edelmetallgehalt geprüft wurden?
Ist daher nicht viel eher anzunehmen, dass die Darstellungen z.B. auf Münzen der menschlichen Entwicklung entsprachen, die Darstellung, das Geld hingegen Schriftzeichen "hervorgebracht" hätten eine sehr deutliche Überhöhung des innovativen Charakters des Geldes darstellt?

In meinen Augen ist es anders herum: Mit dem dargestellten Geld läßt sich oft sehr schön Geschichte illustrieren und nachvollziehen. Nicht nur aus den Zeiten des reinen (Edel)-Metallgeldes, auch aus Papiergeld- und auch Krisenzeiten: Assignaten, Inflation, Notgeld.

Grüße
excideuil
 
Geld benötigt m.E. tatsächlich keine Schriftzeichen, wie hätte sonst der Analphabet tauschen sollen?

M.E. ist Geld, aus vw Sicht, ein universelles Tauschmittel, dessen Tauschwert entweder inhärent ist (Edelmetallgeld => Arbeitswerttheorie) oder abgeleitet ist (Banknoten => diskontierte Handelswechsel und tw. Goldkonvertibilität bzw. später Goldstandard). Heute beruht der Wert des Geldes m.E. auf der Wirtschaftskraft (BIP) des emittierenden Staates (Nationalkredit), versehen mit gesetzlichem Annahmezwang im nationalen oder übernationalem Rahmen (z.B. Euro).

Damit repräsentiert die Kategorie "Geld" einen hohen abstrakten Wert, ohne einen tatsächlichen Gebrauchswert zu haben, außer dem, als universeller Tauschwert fungieren zu können.

M.
 
Damit repräsentiert die Kategorie "Geld" einen hohen abstrakten Wert, ohne einen tatsächlichen Gebrauchswert zu haben, außer dem, als universeller Tauschwert fungieren zu können.
M.

Völlig richtig.

Dazu vermischen die oben im Ausgangsartikel dargestellten kulturgeschichtlichen Sichtweisen bzw. angenommenen Wirkungsketten Geld mit Geldaggregaten und Geldsurrogaten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine andere Zusammenfassung des Buches von Christina von Braun findet man hier: Das letzte Abendmahl und die große Geld-Illusion « DiePresse.com

Manches klingt schon arg an den Haaren herbeigezogen, z. B.:
- Dass sich das Wort "pecunia" (das nicht nur "Geld", sondern generell auch "Vermögen" bedeutet) von "pecus" (das nicht "Rind", sondern generell "Vieh" bedeutet, und da sogar eher das Kleinvieh) abgeleitet sein soll, dürfte eher daran liegen, dass im frühen Rom der Reichtum nun mal wesentlich (auch) in Vieh bestand. Ein Zusammenhang mit Opfern ist schon arg konstruiert. Mit der Chronologie vertut sich die Autorin auch: Im alten Rom wurde das reale Tieropfer keineswegs durch Geldopfer ersetzt, das Wort pecunia für Geld/Vermögen entstand also schon zu einer Zeit, als noch Tiere geopfert wurden.
- Anders als von ihr behauptet haben Pfund und Dollar nur einen Strich.
- Gibt es ansonsten eigentlich einen Beweis dafür, dass die zwei Striche in diversen Währungskürzeln von Stierhörnern herrühren?
- Im phönizischen Alphabet, von dem das griechische und unseres abstammen, hatten nur einige Buchstaben mit Tieren zu tun. Dass alle "ihren Ursprung in magischen Opfer- und Fruchtbarkeitsriten" haben sollen, ist für mich jedenfalls nicht so ohne weiteres nachvollziehbar.
 
"Marktwirtschaft und Demokratie sind Kinder der Aufklärung. Sie betreten zeitgleich die Bühne der Geschichte. Der Kapitalismus stellt das Individuum, das einzelne Subjekt, mit seinem Profitinteresse in den Mittelpunkt, die Demokratie den Bürger mit seinem Stimmrecht. Beide ergänzen einander. Vergessen wir nicht, daß das Geld für die Abschaffung der Leibeigenschaft sorgte, die Klassenhierarchie des Feudalismus durchbrach und die industrielle Revolution mit ihrem technischen Erfindergeist anstieß. Heute übersehen wir oft diesen demokratisierenden Effekt des Geldes, der schon in der Antike wirksam war."

Ich teile eure Skepsis, was diese Passage angeht - der kausale Effekt zwischen Geld und Demokratie ist echt galoppierender Schwachsinn. Da waren die Beispiele mit der Antike schon ausreichend um das zu belegen; aber man kann im Prinzip auch aus der Moderne selbst heraus argumentieren.

Einen Punkt, über den wir aber - soweit ich gesehen habe - noch nicht tiefergehend geredet haben und der mit "demokratisierender Effekt des Geldes" auch gemeint sein könnte, ist der Industrialisierungsfaktor: dass Arbeitskraft plötzlich mit Geld bemessen werden kann. Damit wurde nicht nur die gesellschaftliche Wertschätzung einzelner Berufe vergleichbar (und damit: einforderbarer), die gesellschaftlichen Zusammenhänge wurden auch weniger organisch. Wo vorher Arbeitnehmer in Familienstrukturen eingebettet wurden, existierte nun ein Vertragsverhältnis. Man bestand also - um diese Entwicklung mal positiv zu formulieren, eine Idee, auf die man angesichts der historischen Zustände sicherlich nicht sofort gekommen wäre - als Arbeitsnehmer nicht mehr in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis, sondern es stand einem frei, sich jederzeit Alternativen zu suchen.

Als Teilnehmer in einem gelddominierten System von Arbeit stand man letztendlich gerade als Arbeitgeber in einem ökonomischen Verhältnis, das nach Gemeinsamkeit mit Statusgleichen strebt statt vorher mit Statusverschiedenen (etwa: wir, die alle auf diesem Bauernhof leben und hier unterschiedliche Rollen haben). Das kann man dann natürlich in demokratischen Pluralismus übersetzen, wenn man will.

Andererseits gibt es natürlich auch die Pluralismuskritik, die leise anmerkt, dass Reiche dazu neigen, näher an der entscheidungsfindenden Quelle im Staat zu sitzen als der gemeine Leiharbeiter, und dass das eventuell auch strukturelle Auswirkungen hat. Geldbasierte Stände können ähnlich stabil werden wie landbasierte Stände. Ein paar Generationen langfristig gedachte Privilegienpflege sorgen da schon für. :still:
 
Christina von Braun scheint komplett geldfixiert zu sein und Geld als Ursache von allem und jedem zu sehen. Diesem Zeitungsartikel zufolge Söldner, die ersten Lohnempfänger der Geschichte « DiePresse.com soll sie in ihrem Buch auch behaupten, dass das Aufkommen des Söldnertums eine Folge der Erfindung des Geldes sei. Söldner gab es aber schon davor. Z. B. heuerten die Ägypter Bogenschützen aus Nubien an. Insbesondere als Leibwächter wurden gerne Söldner engagiert, z. B. die berühmten "Kreti und Plethi" Davids.
 
Es wäre auch interessant, die Söldner zu betrachten, die gegen Kost und Logis, Ländereien und ähnliche Annehmlichkeiten ihre Dienste verrichteten.:devil:
 
Ich habe den Eindruck, dass hier vielleicht ein wenig die Begriffe "Geld" (Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel) und "Vermögen" durcheinander gehen. Je nachdem, wie weit das Vermögen (gerechnet in Geldeinheiten) gestreut ist, hat eine größere oder kleinere Menge von Menschen auch Teilhabe an der Wirtschaft und Macht. Aber die Anwesenheit von Geld führt nicht automatisch dazu, dass dieses auch weit gestreut ist in der Bevölkerung.

Aber weshalb ich mich eigentlich melde ist, dass ich einem Irrtum hinsichtlich der Goldumlaufswährungen bzw. Golddeckungswährungen entgegentreten möchte:
Ich weiss nicht mehr, wer von dem Materialwert des Geldes, also insbesondere der Goldmünzen sprach, aber auch reine Goldumlaufswährungen kennen das Phänomen der Deflation (im Mittelalter stand der wachsenden Wirtschaft nicht genügend Gold zur Verfügung, die Preise fielen, die Menschen horteten Gold, dass ja immer wertvoller wurde und damit verstärkte sich die Abwärtsentwicklung der Wirtschaft mit weiter sinkenden Preisen) und der Inflation (Entdeckung der Goldvorkommen in Amerika führte zu Inflation in Europa!). Entscheidend ist auch hier, dass ein entsprechend großes Warenangebot der Geldmenge gegenübersteht. Insofern stimmt es schon, dass das BIP eigentlich die entscheidende Größe ist.
 
Wie wird der Wert des Geldes gedeckt?

Ich stelle diesen Thread mal mit Absicht nicht im Bereich Wirtschafts- und auch nicht im Forum für Religionsgeschichte ein, obwohl er bei beiden passen würde - bei Wirtschaftsgeschichte bedarf das keiner Erklärung, bei Religionsgeschichte wird sich das im Laufe des Weiterlesens klären.

Ich hörte heute im DLF einen Beitrag über Christina von Brauns kulturgeschichtliches Buch Der Preis des Geldes. Ich empfand ihre Thesen als zwar interessant, aber auch durchaus diskutabel bis z.T. etwas an den Haaren herbei gezogen. Aber lest erst mal selbst:

Niemand wird angesichts der unvorstellbaren Summen, die auf den Märkten kursieren, noch glauben, dass das Geld, das heutzutage im Umlauf ist, durch materielle Werte gedeckt sei. Aber was ist dann der Gegenwert unserer Zahlungsmittel? Basiert die gesamte Geldwirtschaft auf einem Nichts aus vielen Nullen oder virtuellen Zeichen? Warum kann Geld ganze Staatengemeinschaften in Krisen stürzen, Existenzen vernichten?
[...]
"Sowohl das Alphabet [...] als auch das Geld haben einen sehr starken Faktor, der soziale Mobilität fördert. Also dieses alphabetische Schriftsystem können alle lernen und haben damit auch Zugang zu den Archiven, zum Wissen einer Gesellschaft, zu der Erinnerung, dem Gedächtnis einer Gesellschaft. Und ähnlich beim Geld. Das Geld hatte von Anfang an auch einen sehr stark demokratisierenden Effekt. Es hat Sklaven erlaubt, sich aus Leibeigenschaft zu befreien. Und es hat auch schon in der Antike dazu geführt, dass ganz neue soziale Schichten, die nicht der Aristokratie angehörten, aufsteigen konnten - wie eben die Sophisten."

Seitdem gibt es drei Deckungsarten des Geldes: materielle Werte wie Grund und Boden, die Deckung durch einen Souverän oder Herrscher sowie eine theologische Form der Gelddeckung, die auf den sakralen Opfertausch im alten Griechenland zurückgeht. Die Opferspieße, die Obolos hießen, galten als Zeichen der Teilnahme an den Riten und wurden später durch geprägte Münzen mit der Abbildung des Stierkopfes ersetzt. Relikte dieser Opferrituale sind der Stier an der Börse sowie die Striche im Dollar oder im Euro, die an die beiden Hörner des Opfertieres erinnern. Nachdem das Geld sich von materiellen Bindungen gelöst hat und auch das Vertrauen in einen Souverän durch Machtmissbrauch und häufige Regierungswechsel gewichen ist, wuchs die Bedeutung der sakralen Form der Gelddeckung, die auf den Opferkult zurückgeht.

"Hinter jedem Opferkult steht immer der Gebende, der Opfernde selbst, der sich symbolisch in der Opferung darbringt. Und das geschieht auf unterschiedliche Weise, [...] jedes Mal, wenn das Geld seine Glaubwürdigkeit verliert, wenn es prekär wird, [...] dass dann plötzlich ganz viele Menschen den sozialen Tod erfahren am eigenen Leibe, also sie verlieren ihren Job, sie verlieren ihre Behausung und müssen sozusagen gerade stehen für das, was mit dem Geld geschehen ist. Und das ist das, was ich als die moderne Form der Beglaubigung des Geldes durch sakrale Opferriten bezeichnen."
[...]
Der Glaube, vor allem die christliche Heilsbotschaft, war der ideale Nährboden für die Entwicklung der Geldwirtschaft. Nicht umsonst [...] nahm die Hostie im 13. Jahrhundert die Form einer Münze an, die dadurch sakralisiert wurde. Immerhin symbolisiert sie den Leib Christi. Und steckt in dem Wort "Schulden" nicht die "Schuld", die in keiner Religion so groß zu sein scheint wie in der christlichen?

"Hier ist eine Religion, wo Gott sich selbst in seinem Sohn geopfert hat, das heißt, aus dieser Schuld kommt der gläubige Christ gar nicht heraus, es sei denn, er versucht mit einer anderen Form von Schuld diese Abhängigkeit zu begleichen. Und das wiederum schafft auch eine der Voraussetzungen dafür, dass dann so was wie das Fegefeuer entsteht. Das Fegefeuer besagt, der Sünder hat noch mal eine Zwischenchance. Wenn er genügend tausend Jahre in der Zwischenhölle verbracht hat, dann gibt's noch eine Tür zum Paradies, die er nehmen kann. Und damit diese Jahre im Fegefeuer etwas abgemildert werden, kann man der Kirche Geld spenden, und dann werden Gebete gelesen und kirchliche Liturgien abgehalten. Und damit kann man die Zeit im Fegefeuer verringern."
[...]
Doch immer wieder kommt Christina von Braun auf den Hauptaspekt ihres Buches zurück - auf die Rückbindung des Geldes an den menschlichen Körper. Sie zeigt, wie versucht wurde, das Vertrauen in das Geld zu stärken, indem es mit Fruchtbarkeits- und Reproduktionsmetaphern versehen wurde. Geld kann "wachsen", sich "vermehren", "zirkulieren" und "blühen". Aristoteles sei zwar der Meinung gewesen, dass das Geld anorganisch sei und deshalb keine Sprösslinge haben dürfe. Euripides hingegen fand die Vorstellung, mit Geld in Tempeln sogar Kinder bestellen zu können, durchaus reizvoll. Was vor knapp 2500 Jahren noch eine belächelte Utopie war, ist im Zeitalter der Reproduktionstechnologien natürlich längst Realität geworden.
...
Was mich nebenbei auch überraschte war, dass die Zeichen €, $,[FONT=Times New Roman, serif] ¥ und [/FONT]₤ auf die Stierhörner zurückgehen sollen, von den Stierköpfen, die auf die Münzen geprägt waren, mit denen die Opferspieße eingelöst wurden. Ich kenne gerade vom Dollarzeichen eine andere Geschichte, die auf die Verbindung des böhmisch-deutsche Talers über die spanischen Habsburger mit dem Wappen Spaniens und den darin enthaltenen Säulen des Herkules mit darum gewickelten Spruchbändern zurückgeht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Verstehe ich das richtig: eine Diskussion über Ökonomie - auch im Zitat angesprochen - soll hier nicht erfolgen?
 
Geld, dass keinen entsprechenden eigenen Materialwert hat, wird durch Schuld(en), also Zahlungsversprechen gedeckt; soweit das Wirtschaftsding.

Stellt sich die Frage, woher ein Schuldverhältnisse, eine solche Schuld, eigentlich kommt, und warum bzw wie sie eingefordert werden kann. Da sind be- und anerkanntermaßen staatliche Institutionen und ideologische Grundlagen inkl Religion ein fast unschlagbares Mittel, solche Schuldverhältnisse zu legitimieren und aufrecht zu erhalten.

Schuld ist hier mE der Schlüsselbegriff, um den es geht. In einer Geldwirtschaft wird dies sich vermutlich immer irgendwie symbolisch manifestieren, sei es durch die Rückgriffe auf Insignien der Macht, sei es durch religiöse Aufladung, sei es durch eine Überhöhung der Währung ($, Gold, DM) selber.
 
Verstehe ich das richtig: eine Diskussion über Ökonomie - auch im Zitat angesprochen - soll hier nicht erfolgen?
Meiner Ansicht nach, geht das auch gar nicht.
Aus El Q. Zitat:

"Nachdem das Geld sich von materiellen Bindungen gelöst hat und auch das Vertrauen in einen Souverän durch Machtmissbrauch und häufige Regierungswechsel gewichen ist, wuchs die Bedeutung der sakralen Form der Gelddeckung, die auf den Opferkult zurückgeht."

Ist das so? Hat sich Geld von materiellen Bindungen gelöst? Oder ist Geld doch nur ein Tauschmittel, zudem abhängig von Objekt und Standort? ZB. hat sich der Preis eines Kasten Bier in den letzten Jahren kaum verändert, der Preis für eine Unze Gold hingegen verdreifacht. Oder die Höhe der Miete z.B. in Frankfurt/Main für eine Wohnung ist wesentlich höher als ich für vergleichbaren Wohnraum in meiner Stadt bezahlen muss.

Noch ein Zitat:
"Doch immer wieder kommt Christina von Braun auf den Hauptaspekt ihres Buches zurück - auf die Rückbindung des Geldes an den menschlichen Körper."

Hmm, was ist damit gemeint? Dass die Beine eines Fußballers Millionen wert sein können, die Arme einer Putzfrau aber nur ein paar Euro? Und was hat das grundsätzlich mit Geld zu tun?

Grüße
excideuil
 
Was mich nebenbei auch überraschte war, dass die Zeichen €, $,[FONT=Times New Roman, serif] ¥ und [/FONT]₤ auf die Stierhörner zurückgehen sollen, von den Stierköpfen, die auf die Münzen geprägt waren, mit denen die Opferspieße eingelöst wurden.

Kenne dieses Buch nicht.<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
Lese hier zum ersten male davon.<o:p></o:p>
Bin ehrlich, ich kenne auch die Autorin nicht (Bildungslücke?), deshalb habe ich gegooglt und habe ihre Homepage gefunden. <o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Um nur mal auf das Euro Zeichen einzugehen...<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Da kannte ich bisher nur diese Erklärung:<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
E für Europa.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Zufälligerweise gibt es im griechischen Alphabet der 5. Buchstaben Epsilon. <o:p></o:p>
Und da hier dazukommt, dass Griechenland für die Wiege der europäischen Zivilisation steht, passt dieses E ganz gut und man gibt diesen die Gestalt des Epsilon, allerdings in der Darstellung seiner Glyphe (rundes E (ϵ) ) und fügt noch den zweiten Strich hinzu.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Weil, die beiden geraden Striche sollen die Stabilität des europäischen Wirtschaftsraums dokumentieren. <o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Man hat sich da an andere Währungen angelehnt, die diese beiden Striche schon vor dem Euro als Symbol für Wirtschafts - Stabilität verwenden.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Nun lese ich, angeregt durch diesen Artikel, auf einer anderen Web-Seite bei "Die Presse.com" den Artikel: „Das letzte Abendmahl und die große Geld-Illusion“ <o:p></o:p>
Zitat:
<o:p></o:p>
„Auch die zwei Striche, die sowohl Euro, Dollar, Pfund, Yen und Yuan zieren, seinen Relikte der Stierhörner“.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Das höre ich zum ersten male.<o:p></o:p>
Nun bin ich mal gespannt, wie die Diskussion sich entwickelt.<o:p></o:p>
Ich meine nicht nur hier im Forum, sondern vor allem auf Internationaler Ebene.<o:p></o:p>
Sollte man verfolgen, wenn’s eine Diskussion geben wird.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
 
Ich habe mich heute den ganzen Tag lang gefragt, warum mir das Thema bekannt vorkommt. Rezensionen auf Perlentaucher und diversen anderen Seiten waren es jedenfalls nicht, da habe ich zuerst gesucht.

Jetzt gerade habe ich mich erinnert, dass ich tatsächlich noch analoge Medien konsumiere - und in denen stands dann auch drin! Ist zum Glück auch online und es handelt sich um Gabriele Goettles Betrachtungen in der taz, deren Stil ich trotz ihrer großzügigen Vermeidung jeglicher Verweise immer wieder neu zu schätzen lerne.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2011/06/27/a0129
 
Zurück
Oben