Geschichte des Katalanischen

Ashigaru

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Sommerzeit, Hausarbeiten-Zeit.

Ich muss eine über die Geschichte der katalanischen Sprache schreiben und hätte dazu zwei Fragen, die sehr speziell sind, aber hoffentlich beantwortet werden können (von Herrn Quijote eventuell?).

1. Das Katalanisch entstand wie auch das eigentliche "Spanisch", das Kastilische, aus dem Vulgärlatein. Laut einem Autor soll sich das Latein im Frühmittelalter in ganz Europa zu einem "Vulgärlatein" in verschiedenen Ausformungen gewandelt haben. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Ab wann sind die Abweichungen so groß, dass man nicht mehr von Latein, sondern von Vulgärlatein spricht?

2. Ganz andere Frage, vielleicht etwas leichter: Franco ließ den Gebrauch des Katalanischen in der Öffentlichkeit ja nach 1939 verbieten. Zu den Massnahmen und Beweggründen habe ich schon vieles gefunden, nicht aber: Was konnten einem für Strafen blühen, wenn man z.B. bei einer öffentlichen Versammlung katalanisch sprach, eine Zeitung auf katalanisch herausbrachte etc.?
 
Ashigaru schrieb:
Sommerzeit, Hausarbeiten-Zeit.
:mad: Erinnere mich nicht daran :motz:

Ashigaru schrieb:
1. Das Katalanisch entstand wie auch das eigentliche "Spanisch", das Kastilische, aus dem Vulgärlatein. Laut einem Autor soll sich das Latein im Frühmittelalter in ganz Europa zu einem "Vulgärlatein" in verschiedenen Ausformungen gewandelt haben. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Ab wann sind die Abweichungen so groß, dass man nicht mehr von Latein, sondern von Vulgärlatein spricht?
Also erstmal: Vulgärlatein hat man wahrscheinlich schon immer gesprochen. Als Umgangssprache. In diese Umgangssprache sind dann mit der Zeit je nach Region fremde Wörter eingedrungen (z.B. keltisch oder germanisch), welche aber durchaus auch weitere Verbreitung gefunden haben. Wichtigste Quelle für das Vulgärlatein ist ein Anhang an eine Grammatik eines gewissen Probus der Appendix Probi. Darin steht z.B. "Verwende ignis und nicht focus, verwende gladius und nicht spatha" etc.
Ansonsten gibt es noch die Dialektgrenzen (richtig: Isoglossen), wie z.B. die Benrather Linie. Das sind die Grenzen zwischen Dialekten und Unterdialekten. Z.B. zwischen Appel und Apfel. Politische 'Grenzen' (ein fürs Mittelalter sicher streitbarer Begriff) beeinflussten sicherlich auch den Verkehr und damit die Sprache.

Ashigaru schrieb:
2. Ganz andere Frage, vielleicht etwas leichter: Franco ließ den Gebrauch des Katalanischen in der Öffentlichkeit ja nach 1939 verbieten. Zu den Massnahmen und Beweggründen habe ich schon vieles gefunden, nicht aber: Was konnten einem für Strafen blühen, wenn man z.B. bei einer öffentlichen Versammlung katalanisch sprach, eine Zeitung auf katalanisch herausbrachte etc.?
Während der Dikatatur von Miguel Primo de Rivera (1923 - 1931, sein Sohn José Antonio Primo de Rivera begründete 1933 die Falange, als faschistische Partei) war katalanisch ebenfalls schon verboten. Heute, wo die Sprache nicht nur wieder erlaubt (Verfassung von 1978) sondern sogar offizielle Staatssprache in allen traditionell katalanischsprachigen Gebieten ist, wird sie von einigen als einzig gültige Sprache (gegen die Verfassung) der Region verwendet - wer sie nicht kann, hat eben Pech.
Zu Strafen während des Franco-Regimes weiß ich leider nichts, aber seit den sechziger Jahren wurden die regionalen Idiome wohl wieder geduldet und seit 1970 durften sie sogar im Unterricht wieder in geringem Maße verwendet werden.

Spanische Sprachen: Als spanische Sprachen nach der spanischen Verfassung gelten: Kastilisch (im internationalen Sprachgebrauch Spanisch) für ganz Spanien, Baskisch für das Baskenland, Navarra, Bizkaya, Galicisch (daraus Portugiesisch) in Galicia (man schreibt galicisch, um es vom osteuropäischen galizisch zu unterscheiden) und Katalanisch in Katalonien, auf den Balearen und in Valencia.
Kastilisch, Galicisch, und Katalanisch gelten als primäre Dialekte (sozusagen eigene Sprachen oder Ausbauspachen, also Sprachen die sich noch immer in einer Weiterentwicklung befinden, nicht tot sind).
Primäre Dialekte im Umkreis des Kastilischen sind das Bable (daraus hat sich das Kastilische entwickelt), das Asturisch-Leonesische (mit Tendenz zum Galicischen) und das Aragonesische (mit Tendenz zum Katalanischen). Diese Dialekte gelten aber als durch das Kastilische überdeckt. Das Andalusische ist ein Sekundärer Dialekt des Kastilischen.
Sekundäre Dialekte des Katalanischen sind das Valenciano und das Balear, wobei diese teilweise in Abgrenzung zum Katalanischen eine eigene Orthographie entwickelt haben (der spanische Separatismus treibt Blüten, die man nicht verstehen muss).

Eine ausgestorbene romanische Sprache (Primärdialekt) der iberischen Halbinsel ist das Mozarabische. Das war die Sprache der Christen im muslimischen Spanien, die sich vom Lateinischen - zumindestens in der Graphie - am wenigsten weit weg entwickelt hatte.

Edit: Das Katalanische wird in der romanischen Sprachwissenschaft auch als lengua puente 'Brückensprache' zwischen den galloromanischen und den iberoromanischen bezeichnet. Geprägt wurde dieser Begriff durch Badía Margarit.
Man bedenke zur Entwicklung des Katalanischen auch, dass die Territorien zwischen Ebro und den Pyrenäen durch Karl den Großen erobert und dem Frankenreich angegliedert wurden (spanische Mark). Die Küste, die sich in Frankreich im Norden an die Pyrenäen anschließt, heißt bis heute côte catalane.
 
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@ El Quijote:

Danke erstmal! Das mit dem Appendix Probi hat mir sehr geholfen, dadurch habe ich auch weitere Seiten zum Vulgärlatein gefunden. Aus welcher Zeit stammt er denn - ich habe im Internet Angaben vom 3. bis 7. Jahrhundert gefunden?

Schade, dass du auch nichts über die Strafen weißt - die Gesetzgebung zumindest war ja recht rigide, in den ersten Jahren der Diktatur durften ja noch nicht einmal Bücher auf Katalanisch gedruckt werden.

Das mit Primo de Rivera wußte ich schon, ebenfalls das mit den Dialekten - das Seminar dreht sich nämlich um die Sprachgeographie Spaniens.
 
Jetzt hast Du es geschafft, mich zum Bücherschrank zu schicken ;)
Dietrich, Wolf; Geckeler, Horst: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Berlin ²1993, S. 132:
Dietrich/Geckeler schrieb:
Zeugnisse lateinischer Grammatiker: Hier muss insbesondere die sogenannte Appendix Probi (wahrscheinlich aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr.; Datierung jedoch umstritten: evtl. erts aus dem 6. oder 7. Jh.) angeführt werden.
In Bollée, Annegret; Neumann-Holzschuh, Ingrid: Spanische Sprachgeschichte (Berlin 2003) findest Du zwar die Datierung nicht, aber es ist lesefreundlicher und sonst ausführlicher geschrieben, wenn ich es Dir als Literatur empfehlen darf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe noch folgendes gefunden in Gimber, Arno Kulturwissenschaft Spanien. Donauwörth 2003, S. 107:
Gimber schrieb:
In den 60er Jahren entstand ebenfalls in Katalonien die Protestbewegung der Nova Cançó. Sie richtete sich gegen das franquistische Einheitsdenken, gegen die puritansiche Moral und deckte die sozialen Konflikte, die das Regime zu verbergen suchte, auf. [...] Trotz Zensur gelang es den Liedermachern, die Bewegung der Nova Cançó in ein Massenphänomen zu verwandeln und die Porosität des Franco-Regimes offensichtlich zu machen. [...] Serrat vertrat den spanisch-katalanisch Bilinguismus und konnte deshalb 1968 sein Land nicht beim Eurovisions-Wettbewerb vertreten, obwohl er nach der Vorauswahl nominiert war. Da er auf katalanisch singen wollte, wurde er kurzerhand durch die Schlagersängerin Massiel ersetzt, ...

So. Und jetzt schau ich noch bei Juan Pablo Fusi Un siglo de España. La cultura!
 
El Quijote schrieb:
So. Und jetzt schau ich noch bei Juan Pablo Fusi Un siglo de España. La cultura!
Tja, meine Such war nicht sehr ergiebig (aber ehrlicherweise auch nicht sehr gründlich, Fusis Stil ist eher eine Überblicks-Aufzählung, als eine schematische Darstellung. Hast Du vielleicht involvierte Namen (außer Franco), denen ich per Register folgen könnte?
 
Nein, ich habe nur den Ausschnitt einer Rede vom "Chefideologen" Serrano Suner, wo er euphemistisch erklärt, im Privaten könne das Katalanische gerne benutzt werden, aber in der Öffentlichkeit sei es ein Mittel zur Separation Spaniens.

Im Internet bin ich auch nicht recht weitergekommen, ich werd wohl noch mal die Bibliothek durchforsten müssen.
 
Santos Juliá (Un siglo de España. Política y sociedad. Madrid 1999) schrieb:
A su alrededor, directamente relacionados con él, pero nada coordinados entre sí, los titulares de los ministerios, con una distribución que equilabraba el peso de los que serán permanentes suministradores de alto personal político y administrativo: militares, falangistas, católicos, monárquicos, en su doble fidelidad alfonsina o tradicionalista, y algún que otro técnico independiente. Será este gobierno el que con sus leyes y decretos inicie el lento proceso de institucionalización del Nuevo Estado: [...] el 5 de abril de 1938 se derogaba el Estatuo de Autonomía de Cataluña y comenzaban a llover las órdenes y decretos prohibiendo el uso del catalán en documentos públicos y en la conversación privada; ...

Kurz paraphrasiert: Franco berief ein erstes Kabinett aus Vertretern aller Gruppierungen, welche im Bürgerkrieg auf seiner Seite kämpften (nach Beendigung des Bürgerkriegs gab es ziemlich schnell ein neues Kabinett). Diese Regierung institutionalisierte den neuen (erst noch im Entstehen begriffenen) Staat - die Republik sollte noch ein ganzes Jahr bestehen.
Am 5. April 1938 wurde das Autonomie-Statut von Katalonien aufgehoben und es hagelte Befehle, welche den Gebrauch des Katalanischen in öffentlichen Dokumenten und privaten Unterhaltungen verbot.
 
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