Gorbatschows Reformpolitik

J

Jeffrey

Gast
Hallo liebe Forengemeinde
demnächst mache ich mein mündliches Abitur und muss darin folgende Fragestellung behandeln: Glasnost und Perestroika- Zwang oder freier Willen?
Also inwiefern ein Zwang zu den Reformen bestand und inwiefern sie freiwillig durchgeführt werden.
Über Antworten und Hilfe würde ich mich sehr freuen.
Danke im Voraus
 
Folgt man der Interpretation von Adomeit (Imperial Overstretch: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev, 1998, S. 573ff) dann initierte er zunächst bewußt Reformen, da die Antagonismen auf allen Ebenen intern im Warschauer Pakt zugenommen haben, bis hin zum nahezu vollendeten Staatsbankrott. Und ebenso die externe Widersprüche zur Nato ebenfalls einer Klärung bedurften.

In diesem Sinne zielte die Politik von Gorbachev auf die Reformierung der post-Stalinistischen Gesellschaftsstrukturen ab und wollte im Prinzip da weiter machen, wo der interne Reformprozess, den Chruschtschow nach dem Tod von Stalin angestoßen hatte, durch seinen Sturz beendet wurde.

In 1989, so vermutet Adomeit, hat Gorbachev aufgrund der politischen und sozialen Dynamik in Polen (Solidarnocs)und Ungarn und dann etwas später in der DDR die Kontrolle über diesen Prozess verloren.

Solidarno?? ? Wikipedia

Bemerkenswert ist an diesem Prozess, und das hat auch die meisten Theoretiker des Kalten Krieges überrascht, das die UdSSR und der WP ohne deutlich Zeichen des internen Widerstand oder der externen Aggression implodiert ist und so der Konflikt der rivalisierenden politischen und ökonomischen Systeme entschieden wurde.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum m.E. Gorbachv in der Retrospektive in ca. 50 Jahren zu einem der bemerkenswertesten Politiker des 20ten Jahrhundert durch die Geschichtschreibung gemacht wird. Vielleicht!
 
Zuletzt bearbeitet:
Wichtig wäre zunächst eine BEstandsaufnahme bis 1985, daraus ergibt sich das Bild einer "imperialen Überdehnung" gepaart mit dem Kalten Krieg. Tendenziell eher ZWang, aber Gorbatschow hätte auch einfach weitermachen können, wenn er denn gewollt hätte. Hier liegt dessen spezifische Leistung. Vgl. BpB (www.bpb.de; Informationen zur politischen Bildung)
 
Danke für die Einschätzungen
Was spricht denn dafür, dass die Reformen durch Zwang zustande kamen und was dafür, dass sie eine freie Entscheidung waren?
 
Dein Begriff von "Zwang" ist das Problem. Wenn ich täglich arbeiten gehe, kann ich es als "Zwang" interprtieren, oder aber es auch freiwillig und gerne tun, weil ich die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Arbeit habe.

Wenn also die Umstände in der SU sich zuspitzten und sämtliche Indikatoren, die zur Bewertung einer Gesellschaft zur Verfügung stehen, auf Probleme verweisen, dann kann ich handeln, muss es aber nicht.

Er hat somit grundsätzlich die Wahl, sie via Reformen anzugehen und nachhaltig zu lösen, oder aber er wählt die stalinistische-Variante und erzeugt einen kriegsähnlichen Zustand in der Gesellschaft und unterdrückt so mit Hilfe von Polizeistaatsinstrumenten die sich zuspitzenden Widersprüche.

Also, welchen Zwang meinst Du, den Gorbachew verspürt haben soll?

Die wahrscheinlichste Erklärung ist doch wohl, dass er eine intellektuelle Einsicht in die Notwendigkeit der Reformen hatte, um die "Substanz" des sozialistischen Gesellschaftsmodell in der UdSSR zu erhalten und es an die Erfordernisse des 21zigsten Jahrhundert anzupassen.

Und diese Einsicht in die sich objektiv verschärfenden Probleme stellten vermutlich das dar, was Du als Zwang definierst.
 
Ich versuche mal meine Ansicht von Zwang in diesem Zusammenhang zu erklären:
Die Reformen können z.B. als Zwang betrachtet werden, weil das sowjetische Gesellschaftssystem auf lange Zeit zusammengebrochen wäre. Gorbatschow erkannte also die Notwendigkeit von Reformen und Abrüstung.
Auf der anderen Seite geschah z.B. die Aufhebung der Breschnew-Doktrin meiner Meinung nach freiwillig. Es bestand keine unbedingte Notwendigkeit den anderen sozialistischen Staaten freie Wahl bei ihrer Staatsform zu lassen.
Also kann man den Begriff Zwang in diesem Zusammenhang vielleicht mit Notwendigkeit gleichsetzen.
 
"Zwang" und "freier Wille" sind faktisch geschichtsphilosophische Begriffe, so wie Du sie und mein Mitdiskutant interpretieren.

Die UdSSR und alle anderen RGW-Staaten befanden sich in einer desolaten, fast schon katastrophalen ökonomischen Situation; auch in der technisch-technologischen Entwicklung waren die RGW-Staaten weit abgehängt.* In den 1980'er Jahren war der "Wettkampf der Systeme" zu Gunsten des Westens entschieden. Spätstalinistische Reformversuche durch Andropow waren gescheitert. Der Parteiapparat der KPdSU ließ alle Reformansätze schon im Keim ersticken.

Das war der "Zwang" dem sich Gorbatschow ausgesetzt sah.

Als "freien Willen" könnte man den Weg bezeichnen, den Garbatschow einschlug, um sich u.a. von den vorstehend genannten "Zwängen" zu befreien. Allerdings unterschätzte er und viele andere die Eigendynamik von Glasnost und Perestroika.

M.

* Das gilt auch, allerdings mit Einschränkungen für den militärwirtschaftlichen Sektor der VW.

P.S.: Ich würde den Vortrag mit einem Zitat aus dem Zauberlehrling einleiten:
"...Stehe! stehe!
denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!...
 
Auf der anderen Seite geschah z.B. die Aufhebung der Breschnew-Doktrin meiner Meinung nach freiwillig. Es bestand keine unbedingte Notwendigkeit den anderen sozialistischen Staaten freie Wahl bei ihrer Staatsform zu lassen.
Es gab so etwas wie eine innere Logik der Reformen:

Wenn die Zentralgewalt Reformen durchführt, dann wollen auch die Provinzen Reformen durchführen. Wenn selbst die Provinzen Reformen durchführen können, wird man den "Bruderländern" das Recht, das eigene Land zu reformieren, nicht verwehren können.
 
Gorbatschow wurde von der jüngeren Generation der sowjetischen Partokratie ziemlich stark unterstützt, selbst wenn diese Förderung stumm war. Besonders in dem zweiten Teil seines Sitzes, weil damals die erweiterten Kontakte mit dem Westen der sowjetischen Fabrikdirektoren, Bürgermeistern (Sekretären von Parteikomissionen am Niveau einer Stadt) und anderen zeigten, dass ihre Vis-a-Vis im Westen viel besser wohnen. Die sowjetische Elite wollte ihr politisches Kapital in einen finanziellen Reichtum zu konvertieren. Dafür aber musste das ganze politische System zerstört oder mindestens stark reformiert werden.

Diese Erklärung ist nicht sehr ausführlich... kann ich aber es weiter machen, wenn man sich interessiert...
 
Breschnew- Doktrin / " Sinatra Doktrin "

Schönen Nachmittag,

wie der Titel bereits vermuten lässt geht es um die Breschnew- Doktrin, bzw. die Aufhebung dieser Doktrin unter Gorbatschow.
Meine Frage hierzu (rein aus Interesse), was waren die genauen Gründe für das Auflösen dieser Doktrin`? Ging es Gorbatschow schlicht darum, sich zunächst nur auf die innnerstaatlichen Probleme zu konzentrieren? Bzw. waren die Ostblockstaaten/ Satellitenstaaten eine wirtschaftliche Last für die UdSSR`? Oder ging es nur darum die Beschwichtigungspolitik mit dem Westenw eiter zu fördern?

Vielen Dank im Voraus
 
Was bewegte Gorbatschow zu Glasnost und Perestroika?

Was bewegte Gorbatschow zu Glasnost und Perestroika? Warum "demokratisierte" er die Sowjetunion (oder brachte zumindest demokratische Bestandteile ein)?
Wäre nett, wenn das jemand beantworten könnte.
Vielen Dank
 
Wenn du dir die Mühe machst, beantwortet er es dir selbst

  • Umgestaltung und neues Denken für unser Land und für die ganze Welt. Dietz-Verlag, Berlin 1988. ISBN 3-320-01213-4
  • Die Rede. „Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen“. Referat vor dem ZK der KPdSU am 27. Januar 1987. Rowohlt, Reinbek 1987, ISBN 3-499-12168-9
  • Perestroika, die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt. Droemer Knaur, München 1987, ISBN 3-426-26375-0; erweiterte Taschenbuchausgabe ebd. 1989, ISBN 3-426-03961-3
  • Glasnost. Das neue Denken. Ullstein, Berlin 1989, ISBN 3-550-07220-1
 
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